Orlando di Lasso, der "Princeps Musicorum"

  • Orlando di Lasso gilt als bedeutendster Komponist seiner Epoche und ganz gewiss war er der kommerziell erfolgreichste, was einerseits die europaweit verbreiteten Abschriften siener Werke angeht, zum anderen die immense Rührigkeit, die eigenen Opera in den Druck zu befördern.



    Genaues Geburtsjahr und Datum lassen sich nicht ermitteln, was nahelegt, das der Komponist aus bescheidenen Verhältnissen stammt, wussten doch Angebörige der "Oberschicht" darum im allgemeinen besser bescheid. Übereinstimmend jedoch benennen die Quellen Mons im Hennegau, wo er zwischen 1530 und 1532 auf die Welt gekommen sien dürfte, als den Ort siener Geburt. In Mons ist er auch bis zu seinem 13. Lebensjahr als Chorist nachweisbar, ja er wurde sogar wegen seiner "hellen, lieblichen Stimm" zweimal entführt und von seinen Eltern zurückgeholt. Nach der dritten Entführung im Jahr 1544 bleib er in den Diensten des Entführers
    Ferrante Gonzaga in Palermo. Von da aus lernte er im Gefolge seines Dienstherren ganz Italien kennen und es gelingt ihm, Beziehungen zu knüpfen, die ihm über die Zeit am Hofe des Gonzaga hinaus nützlich sein würden.


    In dieser Zeit hat er auch shcon durch erste Kompositionen von sich reden gemacht. Bemerkenswert ist, daß Orando offensichtlich als Komponist als Autididakt zu gelten hat, was bei einem Meister seines Formates und seiner großartigen Beherrschung der satztechnischen Materie schon bemerkenswert ist. Im Jahr 1551 war sein Ruhm bereits derart in "aller Munde", daß er als Kapellmeister an der Lateran-Basilika angestellt wurde, neben dem Amt in S. Pietro in Vaticano, die zweitwichtighste Position, die in der ewigen Stadt zu vergeben war.


    Anders als bei Bach, dem es unangenehm war "aus einem Cantorem ein Cappellmeister zu werden", war Orlando, der auf seinen Reisen im Gefolge des Gonzaga vor allem mit weltlicher Musik, den Verzauberungen der Commedia dell arte fasziniert war, quasi über Nacht dazu gezwungen, "ernste" Musik zu komponieren.


    Zur gleichen Zeit wirkte Palestrina in Rom. Gewiss, als Kollegen hatte man miteinander zu tun, zu sagen hatte man sich vermutlich nicht viel.


    1554 kündigte er sienen Dienst, kehrte kurz in seine Vaterstadt zurück und begab sich auf eine Reise nach Engalnd an den Hof
    Queen Marys, der Katholischen, wo er aller Wahrshceinlichkeit nach auch die Gentlenmen der Kappelle, Thomas Tallis und Christopher Tye kennenlernte.


    1555 ist Orlando in Antwerpen als Musiklehrer UND freischaffender Komponist nachweisbar. Hier begann auch seine verlegerische Karriere und die in Antwerpen erschienenen Drucke überwiegend weltlicher Werke begründeten seinen europäischen Ruhm.


    Ab 1557 ist Orlando in den Diensten Herzog Albrechts V. von Bayern in München nachgewiesen, erst als Tenorist, dann als Kapellmeister.
    In dieser gut bezahlten und ehrenvollen Stellung verblieb er bis zu seinem Tode.


    Im Jahr 1563 erhält der die Leitung der herzoglichen Hofkapelle, die unter seiner Ägide zum bedeutendsten Klangkörper der
    damaligen Zeit wird.
    1570 wird der Meister, dessen Ruhm den aller Zeitgenossen weit überstrahlte, von Kaiser Maximilian II in den erblichen Adelsstand erhoben.


    Nach einem Schlaganfall im Jahr 1591 wurde er zunehmend depressiv, und , wie seine Frau Regina in einem Brief mitteilt, "ganz tamisch im Kopf". Am 14. Juni 1594 starb Orlando, nur wenige tage nach der Drucklegung der "Lagrimae di St. Pietro", dem Werk, das er in der Vorrede als seinen "Schwanengesang" bezeichnet.



    FAZIT:
    Der vielseitige Musiker Orlando, (darin unterscheidet er sich von seinen Kollegen Palestrina und Tallis) wurde schon zu Lebzeiten "Princeps Musicorum" (Fürst der Musik) genannt. Seine Bedeutung liegt vor allem auf dem Gebiet der weltlichen Musik, deren erster Großmeister er ist. In seinem gesitlichen Schaffen sind es vor allem die Motetten, die seine unverwechselbare Handschrift tragen. Von sich zuspitzender Chromatik "Prophetiae Sibyllarum" (1574) wird bis zum Exzess Gebrauch gemacht.
    Die "Bußpsalmen" sind in der wohl eindrucksvollsten Prachthandschrift der Epoche mit den Bildern des Malers Hans Mielich auf uns gekommen. Die genialen "Lagrime di San Pietro" (1594) sind ein Werk voller düsterer Glut in schon rembrandtsches Helldunkel getaucht. Unmittelbar nach seinem Tode waren es seine Schüler wie z.B. L. Lechner,
    die seinen Ansatz aufgriffen und in ein schon als barock zu benennendes Musizieren überführten.


    Die Werke des Meisters auf Tonträger sind reich dokumentiert und ich beschränke mich deshalb auf 3 Einspielungen, denen Referenzcharakter zukommt:


    Der "weltliche" Lasso, hier zum kennenlernen in der erfrischenden Interpretation der "Singphoniker" zu einem kleinen Preis:



    An dieser CD des Hilliard-Ensemble kommt niemand vorbei, der auch die streng düstere Seite des Meisters kennenlernen möchte:



    Die "Lagrime" unter Herreweghe, eine von derzeit 3 verfügbaren Einspielungen
    des letzten Werkes von Lasso:


    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo unser großer Bär!


    Den Thread hast du (nach meiner Erinnerung) bei unserem kleinen Beisammensein ja angekündigt.
    Ein sehr schöner Thread! Viel kann ich aber nich dazu beitragen.


    Bisher habe ich eine CD von Orlando di Lasso:


    Französische Chansons
    Italienische Madrigale
    (und das von dir schon erwähnte) Prophetiae Sibyllarium


    Wirklich äußern und etwas Standfestes beitragen kann ich nicht, aber mir hat die Musik gefallen. Grund genug, um sich in meiner noch hoffentlich langen Musikzeit mit Lasso etwas genauer zu beschäftigen.


    Die erste CD, die du empfiehlst, enthält ja auch einiges von dem was ich schon habe. Vielleicht gehe ich dem aber trotzdem einmal nach.



    Danke für den Thread!


    Liebe Grüße, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Hallo Maik, na damit (Cantus Cölln) hast du ja schon eine Spitzen-Einspielung eines seiner Hauptwerke. Ich könnte mir vorstellen, daß Dir da auch noch anderses gefallen könnte. Bei dem Versand mit dne 3 Buchstaben gibts derzeit einiges (auch von mir empfohlenes) im Angebot. Schönes WE dir, BBB

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo BBB,


    sehr schöner Thread!
    Und wie passend :D da ich gerade dabei bin mir mehrere Aufnahmen seiner Musik zuzulegen.


    bisher bin ich da auch nicht so großzügig bestückt:




    Lagrime di S. Pietro
    Capella Dvcale Venetia / Picotti


    und dann eine weitere Einspielung aus der Box "Musik am Hofe der Bamberger Fürstbischöfe":



    Deutsche Lieder A 6 ( 1590 ) / Intavolierungen für Orgel
    Mucica Canterey Bamberg / Weinzierl



    eine Aufnahme die mich auch noch sehr interssierte war folgende:



    Die Bußpsalmen
    Tölzer Knabenchor / Schmidt Gaden



    doch damals nahm ich vom Kauf Abstand, da die CD einen Kopierschutz hatte und ich mir nicht sicher sein konnte, dass ich sie überhaupt zuhause abspielen konnte....


    Jedenfalls gefiehl mir die Aufnahme ganz gut, ich weiß nicht wie ich das Heute sehen würde, ist schon eine Weile her.


    jedenfalls rührt der Kopierschutz daher, wie ich später erfuhr, dass Harald Schmidt diese CD in seiner Sendung vorspielte und damit einen kleinen Run auf die Platte entfachte :rolleyes::rolleyes::rolleyes:



    ich werde mir aber als nächstes wohl jetzt die neue Einspielung von Herreweghe zulegen:



    Psalmi Davidis
    Collegium Vocale / Herreweghe

  • Hallo Lullist,


    leider hat mich die Herreweghe-Einspielung der "Buss-Psalmen" nicht zu 100 Prozent überzeugen können, wie das bei den "Lagrime" und vor allem bei den
    unvergleichlichen "Lamentationes Jeremiae" definitiv der Fall ist. Letztgenannte gibt es derzeit bis zum Monatsende beim Dreibuchstabenversand für 9,99 Euro, danach wieder Vollpreis !



    Diese CD ist für mich die eindruckvollste Darstellung eines Lasso-Werkes in grösserer Besetzung; hier stimmt einfach alles !


    Bei den "Psalmen" dagegen gibt es Schwankungen und auch der Chorklang ist nicht (mehr) von derartiger Homogenität wie in den vorausgegenagenen Herreweghe-Einspielungen.
    Trotzdem ist sie derzeit die "beste" aller verfügbaren Einspielungen dieses Schlüsselwerkes, aber der "platonischen Idee", die ich von Werk UND Interpretation habe, enstspricht sie nicht ! :hello:

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

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  • Hallo BBB,


    vielen Dank für Deine Einschätzung und den Einkaufs - Tipp :D


    dann werd ich mal zusehen, dass ich die Kohlen bis zum 30. noch zusammenkratze.... denn langsam beginnt mich diese Musik immer mehr zu faszinieren.


    :hello:

  • Aus seiner langen Münchner Zeit stammt die Sammlung Patrocinium musices (von 1573). Sie enthält 4 - 6 stimmige Motetten und sollte der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Chorbüchern mit geistlichen Werken sein.




    Unter der Leitung von Eric van Nevel musizieren das Concerto Palatino und das Ensemble Currende. Van Nevel hat sich gegen eine rein vokale Aufführung entschieden, nimmt statt dessen verschiedene Instrumente hinzu, wie es auch auf dem Cover der CD abgebildet ist, eine Szene mit Orlando di Lasso und seinen Musikern am bayrischen Hof, gemalt von Hans Mielich. Meist spielen die Instrumente die Stimmen der Sänger mit, gelegentlich wird aber auch ausschließlich instrumental musiziert. Eine sehr schöne Aufnahme.



    :hello:
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Das britische Vokalensemble Henry’s Eight hat neben Gombert auch Orlando di Lassos Busspsalmen (Psalmi penitentialis) 1997 bei Hyperion eingespielt. Dieses reine Mànnerensemble überzeugt durch die Verknüpfung der Struktur mit dem Psalmentext. Der Wechsel von kontrapunktischem Schreiben und der Homophonie unterstreicht Lassos Klarheit und Gebrauch der Dissonanzen aufs Beste. Diese Klarheit offenbart oft Lassos überzeugende harmonische Entwicklung.
    Für uns ist diese Einspielung des Henry’s Eight Ensembles eine der interessantesten Aufnahmen Lassos.



    Psalmi penitentialis Nr. 1-7 mit Henry's Eight unter Brown



    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Hallo BBB,


    ich möchte einmal ein Danke für deine Empfehlungen aussprechen.
    Ich habe mir Die Klagelieder Jeremias und Die Busstränen des heiligen Petrus unter Herreweghe zugelegt.
    Habe zwar beide Aufnahmen erst einmal gehört (und die Busstränen liegen schon eine gute Woche zurück), aber gerade zu den Klageliedern habe ich noch einen frischen Eindruck.


    Als ich sie heute hörte, erlebte ich einen richtigen Stimmungswechsel. Diese doch recht tragische, getragene, nachdenkliche, aber auch erregte (aufgeregte) Stimmung nahm ich an. Ich wurde selbst sehr ruhig und nachdenklich. Der Inhalt hat sein Übriges getan.


    Diese ganze Stimmung, die im Geschehen vorliegt, wird durch die Musik auf wunderbare Weise übermittelt.
    Ich konnte da heute richtig drin schwelgen - einfach genießen. Aber immer mit dem gewissen Hintergrund.


    Was mir sehr imponiert hat war, dass er an einem jeden Ende der Lamentatio den Text Jerusalem, Jerusalem, bekehre dich zum Herrn, deinen Gott verwendet hat.
    In dieser Situation ein steter Wegweise, von dem Lasso nicht abgelassen hat (wenn ich es recht verstanden habe, war dies ja seine Idee, es so zu machen). Immer wieder zu zeigen - Jerusalem, du kennst und hast einen Ausweg! Benutze ihn!!! Oder auch - du müsstest doch eigentlich wissen, wo du hingehörst! Kehre um und tue Buße!


    Das hat mir wirklich gefallen, imponiert, dass es immer wieder gesungen wurde. Für mich irgendwie etwas ganz Wichtiges.


    Da ich langsam auf den Geschmack di Lassos Musik gekommen bin, habe ich mir gleich eure, Romeo&julias, Empfehlung der Busspsalmen vorgemerkt. (Wobei ich es schön finden würde, wenn ihr hier alle noch ein bisschen diskutiert :rolleyes: )


    Lieben Gruß, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Halo Maik, ich hoffe, ich hab mit meinen Empfehlungen nicht ereicht, daß du jetzt etwa depressiv wirst ! :D Die "Klagelieder" und auch die "Lagrime" konnte ich guten Gewissens nicht zuletzt auch als Zeugnisse hervorragender
    Chor-Kultur empfehlen. Das "Problem", das sich beim Hören speziell dieser Werke sehr leicht einstellen kann, ist das der Gleichförmigkeit. Im Gegensatz
    zu seinen Kollegen Tallis, Victoria und vor allem Palestrina, finden bei Orlando selten oder kaum INNERHALB eines Werkes jene Gefühls- und Klangwelten-Wechsel, jene völlig unvorbereiten Umschwünge statt, die z.B. eines der größten Meisterwerke jener Zeit, Palestrinas "Stabat Mater" so unvergesslich machen. Will sagen: Orlando bleibt "bei der Sache"...


    Nun dauern aber speziell einige der Bußpsalmen ca. 30 Minuten lang und hier wird es, ich gebe das unumwunden zu, auch für mich als Profi zur "Geduldsprobe". Wenn innerhalb von 30 Min, nichts oder nur sehr wenig passiert, werde ich, vorsichtig ausgedrückt, manchmal etwas "unkonzentriert".


    Leider wissen wir nicht, WIE Orlando selber diese Werke aufgeführt hat; es ist aber in Dokumenten die Rede von "Flüsterchören", welche von ganz unerwarteter Seite auf die Zuhörer eindrangen, die Rede ist weiterhin von einem ganz speziellen Chorklang für genau DIESE Werke, doch sind diese Informationen nicht hilfreich in unsere Zeit zu transportieren, leider...


    Die Einspielung der "Bußpsalmen" unter Herreweghe hat im "Fonoforum" eine bessere Kritik bekommen, als ich sie geschrieben hätte.
    Der Rezensent hatte offenbar keine Schwierigkeiten mit der Gleichförmigkeit und war in der Lage, den (wie bei Herrweghe meistens) weichen und geschmeidigen Chorklang voll zu genießen. Ich jedoch halte das erzielte Ergebnis nich nicht für das letzte Wort. Dennoch ist die Einspielung insgesamt die gelungenste von allen.



    Mit dem "Diskutieren" ist es so ein Ding, denn der Kreis (im Forum), der sich für dergleichen interessiert, ist nun mal nicht sonderlich groß.


    LG

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

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  • ich kann von Orlando di Lasso folgende CD empfehlen



    christophorus CHE 0009-2


    Münchner Motettenchor

    • A ce matin (4-stimmig, 1564)
    • Chichilichi (4-stimmig, 1581)
    • Dessus le marche d'Arras (6-stimmig, 1584)
    • Ein Esel und das Nuessbaumholtz (4-stimmig, 1573)
    • En un chasteau (4-stimmig, 1570)
    • Et d'ou venez vous, madame Lucette? (5-stimmig, 1564)
    • Fertur un conviviis (4-stimmig, 1564)
    • Fleur de quinz ans (4-stimmig, 1564)
    • Hai Lucia (4-stimmig, 1581)
    • Ich waiss mir ein meidlein hübsch und fein (4-stimmig, 1583)
    • Il estoit une religieuse (4-stimmig, 1565)
    • Im Land zu Wirtenberg so gut (5-stimmig, 1567)
    • Lucia celu (4-stimmig, 1581)
    • Matona mia cara (4-stimmig, 1581)
    • S'il y a compagnon (5-stimmig, 1576)
    • Un advocat dit a sa femme (4-stimmig, 1570)
    • Un jeune moine (4-stimmig, 1573)
    • Un jour l'amant et l'amye (8-stimmig doppelchor, 1570)
    • Un mesnagier viellard (5-stimmig, 1570)
    • Vray Dieu (4-stimmig, 1555)


    faun

    die kritik ist das psychogramm des kritikers (will quadflieg)

  • n`morgen ;)
    ich besitze die oben erwähnte aufnahme (übr. nicht wg. harald s., sondern bin da - nicht erst zum 2., 3.mal - einer empfehlung von wdr III. gefolgt), habe bisher nur den kurzen (13min.) 1. psalm daraus gehört - und freue mich (bis jetzt??) sehr über diesen IMO sehr kraftvollen u. plastischen gesang !


    im booklet-text (von marc r. vogelsang...) wird übr. behauptet, dass hier "zum 1.mal seit mehr als 400 jahren wieder im ursprünglichen klangbild" musiziert würde ! ...... ob`s wirklich stimmt, müssten kundigere als ich beurteilen - aber eigentlich kann sichs schmidt-gaden mit seinen "tölzern" (hatten 06 ihr 50jähriges: hat`s wer gemerkt in den medien ?) doch wohl nicht leisten, mit einer falsch-behauptung sein bisschen renommee zu riskieren ?


    ich schreibe "bisschen", da ich befürchte, dass für die meisten (auch klassik-interessierten) leute der "tölzer knabenchor" nachwievor nur "einer dieser kinderchöre" ist...
    feierabend jetzt............
    LG piet

  • Zitat

    wird übr. behauptet, dass hier "zum 1.mal seit mehr als 400 jahren wieder im ursprünglichen klangbild" musiziert würde


    Da uns aus dieser Zeit keine Aufnahmen überliefert sind ist wohl auch in diesem (wie anderen) Fällen wohl eher der Wunsch der Vater des Gedankens; weder der "alte Geist" noch die Interpretionsparameter sind in ein "verwandeltes" Hören ohne Weiters zu übertragen, aber der Versuch, sich an das Möglich-Machbare zu halten, ehrt die Interpreten allemal.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo!


    Mit der Musik di Lassos habe ich mir bislang sehr schwer getan. Vielleicht auch deshalb, weil ich i.d.R. nur geistliche Renaissance-Musik höre, und di Lasso mindestens zur Hälfte weltlich unterwegs war.
    Aber gestern hat mir die Matthäuspassion, die ich schon länger kenne und bislang absolut nichtssagen fand, beim Hören wirklich gefallen und an einigen Stellen gar "in den Bann gezogen". Das Theatre of Voices singt grandios.
    Heute dann haben auch die Motetten für Ostersonntag bei mir einen guten Eindruck hinterlassen.
    Also wird es wohl bald eine dritte Lasso-CD bei mir geben...



    Viele Grüße,
    Pius.

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  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Orlando di Lassos sieben Busspsalmen gehören zu den mehrfach eingespielten Werken dieses zu seinen Lebzeiten wohl berühmtesten Komponisten Europas. Das Werk ist 1584 in München im Druck erschienen, mit Miniaturen des Hofmalers Hans Mielich verziert, komponiert jedoch schon um das Jahr 1560.


    Die zwei wohl schönsten Aufnahmen sind die folgenden


    Aus England 1997 für hyperion eingespielt, von uns vor Jahren schon einmal löblich erwähnt


    Henry'S Eight



    Sehr gute deutliche sowie prägnante Textausdeutung, mit rhetorischer Textbehandlung und wunderbarer Intonation, sehr lyrisch und dramatischer Einsatz der ausschliesslichen Männerstimmen.


    Der Belgier Philippe Herreweghe hat seine Aufnahme aus dem Jahre 2006 wie gewohnt mit dem Collegium Vocale Gent eingespielt, erschienen bei der französischen harmonia mundi.



    Ausgesprochen ausgewogen, agogisch sehr frei, guter Umgang mit der Sprache, wunderbare durchsichtige Intonation, ausserordentlich sauber und geschmeidig. Im Klang heller als das reine Männerensemble aus England.


    Die an anderer Stelle auch schon genannte Aufnahme mit dem Tölzer Knabenchor unter Gerhard Schmidt Gaden wurde mit zahlriechen Instrumenten eingespielt, erhält jedoch nicht dieselbe Eindringlichkeit wie die beiden erstgenannten rein vokalen Interpretationen. Zumal der Knabenchor partiell an seine Grenzen gelangt. Aber insgesamt eine erfreuliche Einspielung, eventuell die schöne Aufnahme mit Instrumentenbegleitung.



    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Es ist viel Zeit vergangen, seit BigBerlinBear das Thema begonnen hat. In den letzten Jahren haben Musikwissenschaftler und Historiker neue Erkenntnisse über das Leben der Komponisten Orlando di Lasso gewonnen. Nach 19 Jahren möchte ich dieses Thema nun weiterführen und ergänzen.


    Orlando di Lasso (1532–1594), geboren in Mons, einer Stadt in den heutigen Niederlanden (damals Teil des Herzogtums Burgund), wuchs in einem musikalischen Umfeld auf und wurde schon früh als Chorknabe bekannt. Bis zu seinem 13. Lebensjahr war er als Sänger in der Kapelle seiner Heimatstadt tätig.


    Eine Anekdote aus seiner Jugend erzählt, dass er aufgrund seiner „hellen, lieblichen Stimme“ gleich zweimal entführt wurde, was seine Eltern jedoch nie lange aufhielt, ihn zurückzuholen. Erst bei seiner dritten Entführung im Jahr 1544, als er von Ferrante Gonzaga (1527–1594), einem italienischen Adeligen und Militärführer, nach Palermo entführt wurde, entschloss sich Lasso, in den Dienst seines Entführers zu treten. Diese Entscheidung sollte sein Leben und seine Karriere maßgeblich prägen, denn sie führte ihn auf eine Reise durch Italien, wo er wertvolle Beziehungen zu wichtigen Musikern und Mäzenen knüpfte.


    Lasso war ein autodidaktischer Komponist, was in seiner Zeit eine bemerkenswerte Leistung darstellte. Trotz dieser Selbstlernung erlangte er bald Anerkennung für seine außergewöhnliche Beherrschung der Musiktheorie und seiner kompositorischen Fähigkeiten. Bereits 1551 war er in Rom als Kapellmeister an der Lateranbasilika tätig, eine der prestigeträchtigsten Positionen im Kirchenmusikwesen. Dies war ein entscheidender Moment in seiner Karriere, da es seine Wandlung vom weltlichen Musiker hin zu einem Komponisten für geistliche Musik markierte. Zu dieser Zeit wirkte auch Giovanni Pierluigi da Palestrina (1525–1594) in Rom, doch während Palestrina in erster Linie für seine geistliche Musik bekannt wurde, zeichnete sich Lasso durch seine Vielseitigkeit und sein Interesse an weltlicher Musik aus.


    1554 verließ Lasso seinen Posten und kehrte für eine kurze Zeit nach Mons zurück, bevor er sich auf eine Reise nach England begab, um den Hof von Königin Maria I. (1516–1558) zu besuchen. Es wird vermutet, dass er dort auch die Mitglieder der berühmten Gentlemen of the Chapel Royal, wie Thomas Tallis (1505–1585) und Christopher Tye (1505–1572), traf, deren Werke ihn beeinflussten.


    Ab 1555 lebte Lasso in Antwerpen, wo er sowohl als Musiklehrer als auch als freischaffender Komponist tätig war. In dieser Zeit begann auch seine verlegerische Karriere, und zahlreiche seiner weltlichen Werke wurden in Antwerpen gedruckt, was seinen Ruf in ganz Europa festigte.


    Im Jahr 1557 trat Lasso in den Dienst von Herzog Albrecht V. (1528–1579) von Bayern und wurde zunächst als Tenorist, später als Kapellmeister an dessen Hof in München beschäftigt. Diese gut bezahlte und ehrenvolle Position behielt er bis zu seinem Tod im Jahr 1594. Ab 1563 leitete er die Münchener Hofkapelle, die unter seiner Leitung zu einem der bedeutendsten Musikensembles der Renaissance wurde.


    1570 wurde Lasso von Kaiser Maximilian II. (1527–1576) in den erblichen Adelsstand erhoben, ein weiterer Höhepunkt seiner Karriere. Trotz seines Ruhms und seiner Anerkennung durch die herrschenden Kreise, litt Lasso ab 1591 unter den Folgen eines Schlaganfalls, der ihn zunehmend depressiv und geistig verwirrt zurückließ. In einem Brief seiner Frau Regina wird berichtet, dass er „ganz tamisch im Kopf“ geworden sei. Am 14. Juni 1594, nur wenige Tage nach der Drucklegung seiner „Lagrimae di San Pietro“, einem Werk, das er als seinen „Schwanengesang“ bezeichnete, starb er.


    Lasso war während seiner Lebenszeit unter dem Titel „Princeps Musicorum“ (Fürst der Musik) bekannt und geschätzt. Besonders hervorzuheben ist seine Vielseitigkeit, die ihn von anderen Komponisten wie Palestrina und Tallis unterschied. Während Palestrina als Meister der geistlichen Musik und Tallis als ein führender englischer Komponist in erster Linie in der Kirchenmusik brillierten, legte Lasso einen bedeutenden Schwerpunkt auf weltliche Musik und wird als der erste große Meister dieses Genres angesehen. In seiner geistlichen Musik, vor allem in seinen Motetten, zeigte sich eine unverwechselbare Handschrift. Werke wie die „Prophetiae Sibyllarum“ (1574), die sich durch ihren intensiven Einsatz von Chromatik auszeichnen, oder die „Bußpsalmen“, die in einer prachtvollen Handschrift des Malers Hans Mielich (1516–1573) überliefert sind, demonstrieren seine Meisterschaft.


    Sein letztes großes Werk, die „Lagrimae di San Pietro“ (1594), ist von einer düsteren, fast dramatischen Stimmung geprägt und gehört zu den herausragendsten geistlichen Kompositionen der späten Renaissance. Diese Werke trugen dazu bei, Lasso als einen der größten Komponisten seiner Zeit zu etablieren.


    Orlando di Lasso starb am 14. Juni 1594 in München, wo er den größten Teil seines Lebens verbracht hatte. Er wurde auf dem Friedhof der St. Salvator Kirche in München beigesetzt. Dieser Friedhof wurde jedoch 1789 entwidmet , und das ursprüngliche Grab ist heute nicht mehr erhalten. Das Epitaph des Komponisten wird im Bayerischen Nationalmuseum in München aufbewahrt. Trotzdem bleibt seine Grabstätte ein symbolischer Ort für seinen Einfluss und seine Bedeutung in der Musikgeschichte.


    Nach seinem Tod nahmen seine Schüler, wie der Komponist Ludwig Lechner (1536–1583), seine musikalischen Konzepte auf und überführten sie in die sich entwickelnde barocke Musizierpraxis, was das bleibende Erbe Lasso's als Pionier der Musikgeschichte sicherte.

    "Ὁ βίος βραχύς, ἡ δὲ τέχνη μακρή, ὁ δὲ καιρὸς ὀξύς, ἡ δὲ πεῖρα σφαλερή, ἡ δὲ κρίσις χαλεπή." Ἱπποκράτης


  • Orlando di Lasso (1532 - 1594): Hymnen

    Audi, benigne conditor a 5,

    Christe redemptor omnium a 5,

    Vexilla regis prodeunt a 6,

    Ad coenam agni provide a 4,

    O salutaris hostia a 5,

    Ave maris stella a 4

    Jesu, nostra redemption a 6,

    Veni creator spiritus a 5 und a 6,

    Hostis herodes impie a 5,

    Jesu, corona virginum a 6,

    Conditor alme siderum a 5.

    Ensemble: Die Singphoniker

    Aufnahme: 2012


    Lassos Hymnen zeichnen sich durch ihre melodische Schönheit, komplexe polyphone Strukturen und den gekonnten Umgang mit Textausdeutung aus. Viele seiner Hymnen wurden für mehrstimmigen Chor geschrieben, aber es gibt auch solche für Solostimmen oder kleinere Ensembles. Die Texte, die Lasso vertonte, stammen oft aus der lateinischen Hymnologie und umfassen Themen wie die Verehrung Gottes, Heiligenfeste und die liturgischen Jahreszeiten.


    Besonders bemerkenswert ist, dass di Lasso in seinen Hymnen oft auf die verschiedenen "Modi" (Kirchentonarten) achtete, was ihm ermöglichte, die musikalische Ausdruckskraft je nach Textinhalt zu variieren. Darüber hinaus verknüpfte er in seinen Hymnen die Tradition der italienischen und franko-flämischen Schule und integrierte auch Elemente aus der Musik der Kirchen des deutschen Sprachraums.

    Die Hymnen von Lasso sind heute in vielen Chorwerken zu finden und werden sowohl in der kirchlichen Liturgie als auch in Konzerten aufgeführt. Sie spiegeln nicht nur die musikalische Praxis der Zeit wider, sondern auch die tiefe Religiosität und den künstlerischen Anspruch der Komponisten der Renaissance.


    Die oben gezeigte CD enthält folgende Hymnen:


    1. "Audi benigne Conditor" a 5 (Höre gnädig, o gütiger Schöpfer)


    "Höre, du gütiger Schöpfer,

    unser Gebet mit Tränen,

    und durch die heilige Enthaltsamkeit

    das strenge Fasten unseres Fastens.


    Gütiger Erforscher der Herzen,

    du kennst die Schwäche unserer Kräfte:

    Gewähre denen, die zu dir zurückkehren,

    die Gnade der Vergebung.


    Gar sehr haben wir gesündigt,

    doch schone der Bekenner;

    zum Ruhm deines Namens

    gib Heilung den Kranken.


    So möge durch Zurückhaltung des Leibes

    und durch mäßige Speise

    auch die nüchterne, fastende Seele

    sich von Schuld fernhalten.


    Gewähre es, selige Dreifaltigkeit,

    gewähre es, einfache Einheit,

    dass fruchtbar seien vor dir

    die Gaben des Fastens. Amen."


    Der Text geht auf die frühe Kirche zurück, möglicherweise auf Ambrosius von Mailand (* 339 in Trier, † 4. April 397 in Mailand).


    2. "Christe, Redemptor omnium a 5 (Christe, Erlöser der ganzen Welt)


    "Du, Christus, Erlöser der ganzen Welt,

    vom Vater, des Vaters einziger Sohn,

    allein, vor aller Zeit geboren,

    auf unaussprechliche Weise.


    Du Licht, du Abglanz des ewigen Vaters,

    du bleibende Hoffnung aller Menschen,

    erhöre die Gebete deiner Knechte,

    die über den Erdkreis ihre Bitten erheben.


    Du Schöpfer des Heils – gedenke,

    dass du einst die Gestalt unseres Leibes

    aus der unversehrten Jungfrau

    durch deine Geburt angenommen hast.


    Davon kündet dieser Tag,

    der im Kreis des Jahres wiederkehrt:

    Du allein, vom Thron des Vaters,

    bist herabgekommen zum Heil der Welt.


    Dich preist der Himmel, die Erde, das Meer,

    und alles, was in ihnen lebt –

    den Urheber deiner Ankunft

    besingen sie im Jubellied.


    Auch wir, die durch dein heiliges Blut

    erlöst und dir geweiht sind,

    erheben an deinem Geburtstag

    einen neuen Hymnus des Lobes.


    Dir, Jesus, sei Ruhm und Ehre,

    der du aus der Jungfrau geboren bist,

    mit dem Vater und dem guten Geist

    in Ewigkeit. Amen."


    3. "Vexilla regis prodeunt" a 6 (Die Banner des Königs ziehen hervor)


    "Die Banner des Königs schreiten voran,

    es leuchtet das Geheimnis des Kreuzes,

    an dem der Schöpfer des Fleisches,

    im Fleisch gekleidet, aufgehängt war.


    Durchbohrt von des grausamen Speeres Stahl,

    floss Wasser und Blut hervor,

    damit er uns reinwasche von Schuld.


    Erfüllt ist, was David einst besang

    mit gläubiger Stimme:

    "Gott herrschte vom Holz herab!“


    Du schöner, leuchtender Baum,

    geschmückt mit des Königs Purpur,

    auserwählt, mit würdigem Stamm

    den Heiligen Leib zu berühren.


    Gesegnet, an dessen Armen

    der Preis der Welt gehangen,

    zur Waage ward er für unser Fleisch

    und raubte dem Hades die Beute.


    Du spendest duftendes Harz,

    die Sinne kosten schon

    den Segen des erblühenden Holzes,

    vom göttlichen Hauch durchtränkt.


    Gegrüßt seist du, wahr."


    4. "Ad coenam agni provide" a 4 (Zur festlich bereiteten Mahlzeit des Lammes)


    "Zum Mahl des Lammes sind wir bestellt,

    mit Heilsgewändern rein und hell;

    nachdem wir durch das Rote Meer

    gezogen, preisen wir den Herrn.


    Sein heiligster, geopferter Leib

    verdorrte am Altar des Kreuzes,

    und sein rosenfarbig Blut –

    wir kosten es und leben Gott.


    Am Pascha-Abend schützte uns

    der Engel vor Verderben,

    aus Pharaos tyrannischer Hand

    sind wir befreit und aufgerichtet.


    Christus ist unser Osterlamm,

    unschuldig für uns hingeschlachtet;

    er opferte als reines Brot

    sein Fleisch – in heiliger Lauterkeit.


    Du wahres, würdiges Opferlamm,

    durch das die Höllenmacht zerbricht,

    das Volk in Knechtschaft wird erlöst,

    und Leben wird uns neu geschenkt.


    Christus erhebt sich aus dem Grab,

    als Sieger kehrt er aus der Tiefe,

    den alten Feind in Ketten stoßend,

    das Paradies uns öffnend neu.


    O Jesus, bleib uns ewiglich

    die österliche Freude,

    und führe, neu durch Gnade geboren,

    uns mit in deinen Siegeszug.


    Dir, Jesus, Preis und Herrlichkeit,

    der du den Tod besiegt und strahlst,

    mit Vater und dem heilgen Geist

    auf ewig sei dir Ruhm gebracht."


    5. " O salutaris hostia" a 5 (O heilbringendes Opfer)


    "O heilbringendes Opfer,

    du öffnest das Tor zum Himmel.

    Feindliche Kämpfe bedrängen uns:

    Gib Kraft, bring Hilfe!


    Dem einen und dreifaltigen Herrn

    sei ewige Ehre,

    der uns das ewige Leben

    in der himmlischen Heimat schenkt. Amen."


    6. „Ave maris stella" a 4 (Sei gegrüßt, Stern des Meeres)


    "Gegrüßt seist du, Stern des Meeres,

    liebe Mutter Gottes,

    und stets Jungfrau,

    Tor des Himmels.


    Du hast das „Ave“ aufgenommen

    aus dem Munde Gabriels;

    führe uns zum Frieden,

    verändere den Namen Evas.


    Löse die Fesseln der Schuldigen,

    bring das Licht den Blinden,

    vertreibe unser Übel,

    bitte für das Gute.


    Zeige dich als Mutter,

    erbitte durch dich die Bitten,

    die für uns geboren wurden,

    derjenige, der es durch dich geworden ist.


    Einzige Jungfrau,

    unter allen mild,

    mache uns von unseren Sünden frei

    und rein von Herzen.


    Gib uns ein reines Leben,

    bereite uns sicheren Weg,

    damit wir, Jesus sehend,

    immer jubeln in Freude."


    7. Jesu nostra redemptio a 6 (Jesus, unsere Erlösung)


    „Jesus, unsere Erlösung,

    unsere Liebe und Sehnsucht, Gott, der Schöpfer aller Dinge,

    als Mensch erschienen am Ende der Zeiten.


    Was nützt deine Geburt,

    wenn uns nicht die Vergebung zuteil wird?

    Was nützt dein Leiden,

    wenn es nicht unsere Erlösung bringt?


    O glückliche Schuld,

    die einen solchen und so großen Erlöser verdient hat!


    Dich, Christus, erkennen wir allein,

    dich verehren wir mit reinem, einfältigem Herzen,

    als Christus, den Gott des Vaters –

    und können so in nichts irren.


    Du bist unsere Hoffnung, du unsere Freude,

    du unsere Herrlichkeit, unser Leben, unser Heil.

    Durch dich erlangen wir Vergebung,

    durch dich kommt uns die Gnade.


    Ehre sei dem ewigen Gott,

    dem Vater, dem Sohn und dem Tröstergeist,

    dem Lob und Macht gebühren

    durch unendliche Zeiten. Amen.“


    8. „Veni creator spiritus a 5 und a 6“ (Komm, Schöpfer Geist)


    "Komm, Schöpfer Geist, kehr bei uns ein,

    besuch das Herz der Kinder dein,

    erfüll uns all mit deiner Gnad,

    die deine Macht erschaffen hat.


    Du bist der Tröster, Heilger Geist,

    vom höchsten Gott ein Gnadengeist,

    du Lebensbrunn, Licht, Lieb und Glut,

    der Seele Salbung höchstes Gut.


    Du bist mit Gaben siebenfalt,

    der Finger an Gottes rechter Hand,

    vom Vater das verheißne Wort,

    das uns des Lebens Weisheit lehrt.


    Entzünd in uns dein heilig Licht,

    das Herz an deiner Liebe sich,

    des Leibs Gebrechlichkeit erhält

    mit deiner Kraft, die uns nicht fehlt.


    Den Feind vertreib von unserer Bahn,

    den Frieden schenk uns obendrein,

    dass wir, geführt vom Heilgen Geist,

    das Böse meiden allermeist.


    Lass uns den Vater recht verstehn,

    des Sohnes Weg in Klarheit sehn,

    und dir, des Geistes Kraft und Licht,

    vertrauen und vergessen nicht.


    Dem Vater auf dem Himmelsthron

    und seinem auferstandnen Sohn

    dem Tröster sei die Ehre gleich

    jetzt und in Ewigkeit zugleich. Amen.“


    9. Hostis herodes impie a 5 (Feindlicher Herodes, du Ruchloser)


    „Feindlicher Herodes, ruchloser Mann,

    warum fürchtest du das Kommen Christi?

    Der das himmlische Reich verleiht,

    entreißt nicht das irdische.


    Die Weisen gingen, dem Stern folgend,

    den sie vorher gesehen hatten.

    Dem Licht folgen sie mit Licht,

    und bekennen Gott durch ihre Gaben.


    Die Fluten des reinen Wassers

    berührte das Lamm des Himmels:

    Die Sünden, die er selbst nicht trug,

    hat er durch sein Bad von uns genommen.


    Ein neues Zeichen der Macht:

    Die Krüge mit Wasser gefüllt,

    wurden, auf sein Geheiß hin,

    in Wein verwandelt.


    Jesus, dir sei Ruhm und Ehre,

    du, der du den Heiden erschienen bist,

    mit dem Vater und dem heiligen Geist,

    in alle Ewigkeit. Amen.“


    10. „Jesu, corona virginum“ a 6 (Jesu, du Krone der Jungfrauen)


    Jesus, du Krone der Jungfrauen,

    den jene Mutter empfing,

    die als Einzige Jungfrau gebar –

    nimm gnädig dieses Gebet an!


    Du weidest unter den Lilien,

    umgeben vom Chor der Jungfrauen,

    Bräutigam in herrlicher Schönheit,

    der seinen Bräuten Lohn verleiht.


    Wohin du gehst, folgen dir Jungfrauen,

    sie preisen dich im Lobgesang,

    sie eilen dir nach und singen,

    o göttlicher Bräutigam, süße Hymnen.


    Wir bitten dich inständig:

    Mehre in unseren Herzen

    reichlich deine Gnade,

    damit wir die Umarmung des Irrtums fliehen.


    Jesus, dir sei Ehre und Ruhm,

    du, der von der Jungfrau geboren,

    mit dem Vater und dem heilgen Geist,

    in Ewigkeit. Amen.“


    11. Conditor alme siderum a 5 (Gnädiger Schöpfer der Sterne)


    Gnädiger Schöpfer der Sterne,

    ewiges Licht der Glaubenden,

    Christus, Erlöser aller,

    erhöre das Flehen der Bittenden!


    Da du Mitleid hattest mit dem Verderben,

    als die Welt im Tod zugrunde ging,

    hast du die kranke Schöpfung gerettet

    und den Schuldigen Heil geschenkt.


    Als die Zeit der Welt sich neigte,

    kamst du wie ein Bräutigam aus dem Gemach

    und gingst hervor aus dem verschlossenen Schoß

    der ehrwürdigen Jungfrau, deiner Mutter.


    Vor deiner starken Macht

    beugen sich alle Knie –

    im Himmel, auf der Erde –

    und bekennen dich als Herrn.


    Dich, Heiliger, bitten wir gläubig:

    Wenn du als Richter kommst, bald,

    bewahre uns in dieser Zeit

    vor dem Geschoss des treulosen Feindes.


    Lob, Ehre, Macht und Ruhm

    sei Gott, dem Vater, und dem Sohn,

    ebenso dem Heiligen Tröstergeist,

    in alle Ewigkeit. Amen.“


    Die Übersetzungen ins Deutsche stammen von mir.

    "Ὁ βίος βραχύς, ἡ δὲ τέχνη μακρή, ὁ δὲ καιρὸς ὀξύς, ἡ δὲ πεῖρα σφαλερή, ἡ δὲ κρίσις χαλεπή." Ἱπποκράτης

  • Lagrime di San Pietro
    Herreweghe


    Dies ist die letzte Komposition von Orlando di Lasso. Es ist eine Komposition für ein ganzes Leben; man wird niemals fertig damit. Ich bin sonst kein Freund von "Ein Sänger pro Stimme", aber mit so handverlesenen Sängern ist es ideal.

    In meinem Archiv befindet sich noch eine andere Herreweghe-Aufnahme mit ganz anderen, aber ebenso kompetenten Sängern. Auf YT gibt es sie nicht mehr. An zwei erstklassige Sänger erinnere ich mich: Hana Blazikova (s) und Stephan McLeod (b), beides führende Sänger alter Musik.


    Ein Hinweis für dich, Andreas: in meinem "Schreibtisch" (ganz unten im Inhaltsverzeichnis) gibt es ein Thema "Mille regretz und der Trost der Polyphonie". Dort wird eine Messe von Josquin wiedergeben: "Missa malheur me bat". Es wird ausgeführt von McLeods eigenem Ensemble "Gli angeli Genève" und ist eine Live-Aufnahme. Auch das ist eine Aufnahme, mit der man niemals fertig wird. Dazu mit einem Publikum, das atemlos lauscht(#10)



    "He is the corpse at every funeral, the bride at every wedding, and the child at every christening!" (Tochter von Roosevelt über ihren Vater)

  • Guten Morgen Doktore, der Grund, warum ich – wie Ulli es so treffend formulierte – "freiwillig" Taminos Forum Mitglied geworden bin, ist ganz einfach: Ich möchte mein Wissen mit anderen teilen. Es ist mein Anliegen, nach und nach alle Informationen beizusteuern, die mir vorliegen und die im Forum bislang noch nicht zu finden sind.

    Was das Thema Orlando di Lasso betrifft: Ich habe gerade erst begonnen, mich in die Tiefe einzuarbeiten. Dein Beitrag greift bereits das 'Ende' auf – doch dazwischen liegt ein weites Feld, das es zu erkunden gilt. Danke für den Hinweis.


    Es wird sicherlich einige Zeit in Anspruch nehmen, bis ich das Meiste – oder gar ‚fast alles‘ – zu Orlando di Lasso zusammengestellt habe. Als Historiker ist für mich der Anfang entscheidend: ein aktueller und möglichst vollständiger Lebenslauf des Komponisten bildet die Grundlage. Erst danach möchte ich mich der Musik selbst und ihrer Beschreibung widmen.


    "Alles hat seine Zeit."

    "Ὁ βίος βραχύς, ἡ δὲ τέχνη μακρή, ὁ δὲ καιρὸς ὀξύς, ἡ δὲ πεῖρα σφαλερή, ἡ δὲ κρίσις χαλεπή." Ἱπποκράτης

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  • Lieber Andreas,

    den ersten Schritt hast du ja schon gemacht: das lange vernachlässigte Thema Orlando di Lasso zu neuem Leben zu erwecken.

    Deine Beiträge stellen nicht nur die Musik vor, sondern auch Texte (+Übersetzung!) und Informationen, ein schlüssiges Konzept. Vor allem gefällt mir, dass du auch immer uns als Hörer und Leser im Blick hast, die wir keine Wissenschaftler sind. Das war hier schon mal anders, da fingen neue Mitglieder mit einem Einstieg in die kontroversen Themen wie RT an.

    Orlando di Lasso war bei mir eher nebenbei im Focus. Der Grund war, dass ich erst die spanische Polyphonie "lernen" musste, was dazu führte, dass ich mit Tomas Luis de Victoria in meinem Alter einen regelrechten neuen Lieblingskomponisten gewann, was nur mit meiner Entdeckung Janaceks in meinen 30ern vergleichbar ist.

    Ich werde also in diesem Thema hier Dauergast werden.

    "He is the corpse at every funeral, the bride at every wedding, and the child at every christening!" (Tochter von Roosevelt über ihren Vater)


  • Orlando di Lasso (1532 - 1594)

    Responsorien zur Karwoche

    "Responsoria pro triduo sacro in nocturno II et III"

    Ars Cantica Choir unter der Leitung von Marco Berrini (* 1964)

    Aufnahme: 2016


    Orlando di Lasso, einer der herausragendsten Komponisten der Spätrenaissance, schuf mehrere Werke für die Karwoche, darunter auch die Responsorien – liturgische Gesänge, die an den hohen Feiertagen der Karwoche, wie dem Karmittwoch, Gründonnerstag und Karfreitag, zur Aufführung kommen. Diese Kompositionen gehören zu seinen ausdrucksstärksten und tiefgründigsten geistlichen Werken. Der Titel des Werkes lautet "Responsoria pro Hebdomada Sancta" und entstand Anfang der 1580er Jahre. In der Regel ist das Werk vierstimmig (SATB) gesetzt und wurde 1585 in München bei Adam Berg, dem Verlag der bayerischen Hofdruckerei, veröffentlicht. Es wird angenommen, dass es für die liturgische Verwendung an der Münchener Hofkapelle komponiert wurde, an der Lasso als Hofkapellmeister tätig war.


    Die Texte stammen vor allem aus dem Alten Testament, besonders aus dem Buch Jeremias, den Klageliedern (Lamentationes) und prophetischen Passagen. Die Sammlung umfasst 27 Responsorien, die auf drei Tage verteilt sind: 9 für den Gründonnerstag, 9 für den Karfreitag und 9 für den Karsamstag. Diese Texte sind traditionell Teil der Nocturnen, der nächtlichen Gebetsstunden der Matutin während der Karwoche. Jeder dieser Tage ist mit drei Nocturnen versehen, die jeweils drei Responsorien enthalten.


    Musikalisch zeichnen sich die Werke durch eine ausdrucksstarke Chromatik und dichte Polyphonie aus. Die Textausdeutung ist emotional und dramatisch, wobei die Musik meisterhaft die Affekte der Schmerzhaftigkeit und Klage zum Ausdruck bringt. Lassos Stil verbindet kontrapunktische Raffinesse mit einer klaren textlichen Darstellung, wobei er auf eine sorgfältige Silbenbehandlung achtet, um die Verständlichkeit der Texte zu gewährleisten. Besonders in den Passagen, die von Schmerz und Trauer geprägt sind, kommen expressive Harmonien und Chromatik zum Tragen.


    Die Responsorien gehören zu den ergreifendsten Werken der Renaissanceliturgie und sind ein beeindruckendes Zeugnis der Verbindung von Glauben, Rhetorik und Musik in der katholischen Liturgie der späten Renaissance.


    Die CD enthält nicht alle Nocturnen (bzw. Responsorien); von den 27 wurden nur 18 aufgenommen!


    Responsorien für Gründonnerstag (Feria V in Coena Domini):


    1. In monte Oliveti (Auf dem Ölberg),

    2. Tristis est anima mea (Meine Seele ist traurig),

    3. Ecce vidimus eum (Siehe, wir sahen ihn),

    4. Amicus meus osculi me tradidit signo (Mein Freund verriet mich durch einen Kuss),

    5. Judas mercator pessimus (Judas, der schlimmste Händler),

    6. Unus ex discipulis meis (Einer meiner Jünger),

    7. Eram quasi agnus innocens (Ich war wie ein unschuldiges Lamm),

    8. Una hora non potuistis vigilare mecum (Konntet ihr nicht eine Stunde mit mir wachen?)

    9. Seniores populi (Die Ältesten des Volkes).


    Responsorien für Karfreitag (Feria VI in Parasceve):


    1. Omnes amici mei dereliquerunt me (Alle meine Freunde haben mich verlassen),

    2. Velum templi scissum est (Der Vorhang im Tempel zerriss),

    3. Vinea mea electa (Mein auserwählter Weingarten),

    4. Tamquam ad latronem existis (Wie gegen einen Räuber seid ihr ausgezogen),

    5. Tenebrae factae sunt (Finsternis entstand),

    6. Animam meam dilectam tradidi (Meine geliebte Seele habe ich ausgeliefert),

    7. Tradiderunt me in manus impiorum (Sie übergaben mich in die Hände der Gottlosen),

    8. Jesum tradidit impius (Der Gottlose überlieferte Jesus),

    9. Caligaverunt oculi mei (Meine Augen wurden trübe).


    Responsorien für Karsamstag (Sabbato Sancto):


    1. Recessit pastor noster (Unser Hirte ist gegangen),

    2. O vos omnes qui transitis per viam (O ihr alle, die ihr den Weg entlangzieht),

    3. Ecce quomodo moritur justus (Siehe, wie der Gerechte stirbt),

    4. Astiterunt reges terrae (Die Könige der Erde standen auf),

    5. Aestimatus sum cum descendentibus (Ich wurde zu denen gerechnet, die hinabsteigen),

    6. Sepulto Domino (Da der Herr begraben wurde),

    7. Plange quasi virgo (Weine wie eine Jungfrau),

    8. Jerusalem surge (Jerusalem, erhebe dich),

    9. Sicut ovis ad occisionem ductus est (Wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt wurde).


    Gründonnerstag:


    1. In monte Oliveti - nicht auf CD erhältlich

    Der Text:

    "Auf dem Ölberg betete er zum Vater:

    Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber.

    Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach.

    Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet."


    2. Tristis est anima mea - nicht auf CD erhältlich

    Der Text:

    "Meine Seele ist traurig bis zum Tod:

    Bleibt hier und wacht mit mir.

    Jetzt werdet ihr die Schar sehen, die mich umringen wird.

    Ihr werdet fliehen, und ich werde hingehen, um für euch geopfert zu werden."


    3. Ecce vidimus eum - nicht auf CD erhältlich

    Der Text:

    "Siehe, wir sahen ihn, ohne Schönheit

    und ohne Anmut:

    Sein Anblick war nichts Erfreuliches.

    Er hat unsere Sünden getragen

    und leidet für uns.

    Er aber wurde verwundet wegen unserer Missetaten:

    Durch seine Wunden sind wir geheilt."


    4. Amicus meus osculi me tradidit signo - nicht auf CD erhältlich

    Der Text:

    "Mein Freund verriet mich durch ein Zeichen – einen Kuss:

    Wen ich küssen werde, der ist es – ergreift ihn!

    Dieses böse Zeichen gab er,

    der durch einen Kuss den Mord vollendete.

    Unglücklich warf er den Preis des Blutes weg

    und erhängte sich schließlich an einem Strick."


    5. Judas mercator pessimus

    Der Text:

    "Judas, der schlimmste Händler,

    begehrte den Herrn mit einem Kuss:

    Dieser aber, wie ein unschuldiges Lamm,

    wies den Kuss des Judas nicht zurück.

    Für Silbermünzen übergab er Christus den Juden."


    6. Unus ex discipulis meis

    Der Text:

    "Einer meiner Jünger wird mich überliefern:

    Wahrlich, ich sage euch, einer von euch wird mich überliefern.

    Es wäre besser für ihn, wenn er nie geboren wäre.

    Einer meiner Jünger wird mich überliefern,

    und ich werde nicht von meiner Herrlichkeit mit dem Vater weichen."


    7. Eram quasi agnus innocens

    Der Text

    "Ich war wie ein unschuldiges Lamm,

    das zum Schlachten geführt wird.

    Einer meiner Jünger wird mich verleugnen.

    Ich aber trug meine Sünden

    und werde für euch geopfert."


    8. Una hora non potuistis vigilare mecum

    Der Text:

    "Konnte ihr nicht eine Stunde mit mir wachen?

    Wie ich euch gesagt habe, wacht und betet,

    damit ihr nicht in Versuchung geratet.

    Siehe, die Stunde ist nahe,

    und der Menschensohn wird in die Hände der Sünder überliefert."


    9. Seniores populi

    Der Text:

    "Die Ältesten des Volkes fassten den Plan,

    Jesus heimlich zu fangen und zu töten.

    Sie gaben Geld und suchten falsche Zeugen gegen Jesus,

    damit sie ihn dem Tod überantworten könnten.

    Kommt, und verkauft mich,

    und ich werde ihn euch übergeben."


    Karfreitag:


    10. Omnes amici mei dereliquerunt me - nicht auf CD erhältlich

    Der Text:

    "Alle meine Freunde haben mich verlassen,

    und die mir auflauerten, haben die Oberhand gewonnen.

    Der, den ich liebte, hat mich verraten.

    Schwer sind meine Wunden,

    denn sie haben einen Anschlag gegen mich geschmiedet

    und gesagt:

    Kommt, lasst uns Holz in sein Brot werfen

    und ihn aus dem Land der Lebenden vertilgen."


    11. Velum templi scissum est - nicht auf CD erhältlich

    Der Text:

    "Der Vorhang im Tempel zerriss,

    und die ganze Erde erbebte.

    Einer der Verbrecher sprach:

    Gedenke meiner, Herr, wenn du in dein Reich kommst!

    Und Jesus sprach zu ihm:

    Wahrlich, ich sage dir:

    Heute wirst du mit mir im Paradies sein."


    12. Vinea mea electa - nicht auf CD erhältlich

    Der Text:

    "Mein auserlesener Weinstock, ich habe dich gepflanzt:

    Wie konntest du dich in Bitterkeit verwandeln,

    dass du mich kreuzigen

    und Barabbas freilassen wolltest?"


    13. Tamquam ad latronem existis

    Der Text:

    "Wie gegen einen Räuber seid ihr ausgezogen,

    mit Schwertern und mit Knüppeln,

    um mich gefangen zu nehmen.

    Täglich war ich bei euch im Tempel

    und lehrte,

    und ihr habt mich nicht festgenommen.

    Und siehe, ihr habt mich gegeißelt

    und zur Kreuzigung ausgeliefert.


    Ich umgab dich mit einem Zaun,

    und las die Steine aus deinem Boden,

    und baute dir einen Turm."


    14. Animam meam dilectam tradidi

    Der Text:

    "Meine geliebte Seele habe ich ausgeliefert

    in die Hände derer, die mich hassten.

    Meine Erbschaft ist mir geworden wie ein Löwe im Wald:

    sie hat ihre Stimme gegen mich erhoben,

    darum hasste ich sie.

    Ich habe mein geliebtes Erbe in die Hände meiner Feinde gegeben."


    15. Tradiderunt me in manus impiorum

    Der Text:

    "Sie haben mich in die Hände der Gottlosen überliefert,

    und gegen mich erhoben sich Menschen ohne Gesetz.

    Sie haben mich nicht geschont:

    Der Herr der Welt ist verurteilt worden zum Tode am Kreuz.

    Sie haben nicht gespart mit Nägeln,

    sie haben mein Fleisch mit Geißeln geschlagen,

    und um mich zu töten,

    haben sie alles Böse gegen mich zusammengebracht."


    16: Tradiderunt me in manus impiorum

    Der Text:

    "Sie haben mich den Händen der Gottlosen überliefert

    und haben mich unter die Gesetzlosen gezählt.

    Alle meine Freunde haben mich verlassen,

    und die, die mich liebten, haben sich von mir abgewandt.

    Ich aber bin wie ein Tauber und höre nicht,

    und wie ein Stummer, der seinen Mund nicht öffnet.

    Ich bin geworden wie ein Mensch,

    der nichts hört und keine Widerrede in seinem Mund hat."


    17: Jesum tradidit impius

    Der Text:

    "Der Gottlose überlieferte Jesus mit einem Kuss:

    Wie ein Lamm wurde er zu Schlachtbank geführt,

    unsere Sünden hat er getragen.

    Um das Geld des Verräters

    ist er zum Tod verurteilt worden.

    Es war besser für sie,

    dass sie nie geboren wären."


    18. Caligaverunt oculi mei

    Der Text:

    "Meine Augen sind trübe geworden vor Weinen,

    denn fern ist von mir, der mich trösten würde.

    Sie haben ihre Netze für meine Füße ausgelegt,

    sie haben meine Wege verunreinigt.

    Ich bin in Trauer gekleidet

    und habe mich in Asche gewälzt.

    Herr, erbarme dich meiner!"


    Karsamstag:


    19. Recessit pastor noster

    Der Text:

    "Unser Hirte ist dahingegangen,

    die Quelle des lebendigen Wassers;

    bei seinem Weggang verdunkelte sich die Sonne,

    denn er wurde gefangen genommen,

    der den Ersten gefangen hatte.

    Heute hat unser Erlöser die Pforten des Todes durchbrochen

    und den Tod vernichtet.

    Er hat die Macht des Feindes zerstört."


    20. O vos omnes qui transitis per viam

    Der Text:

    "O ihr alle, die ihr den Weg entlangzieht,

    schaut und seht, ob ein Schmerz ist wie mein Schmerz,

    der mir zugefügt wurde,

    den mir der Herr auferlegt hat am Tage seines Zorns.

    Seht, und ergründet, ihr alle,

    die ihr des Herrn Wort hört,

    ob es einen Schmerz gibt wie meinen,

    der mir zugefügt wurde,

    wenn der Herr in seinem Zorn mir einen Kelch gereicht."


    21. Ecce quomodo moritur justus

    Der Text:

    "Siehe, wie der Gerechte stirbt,

    und niemand nimmt es zu Herzen.

    Die Gerechten sind weggegangen,

    und niemand ist da, der es begreift.

    Die Völker sagen:

    „Sie sind von der Erde genommen,

    und es gibt niemanden, der aufsteht,

    um das Recht zu verteidigen.“


    22. Astiterunt reges terrae

    Der Text:

    "Die Könige der Erde standen auf,

    und die Fürsten versammelten sich zusammen

    gegen den Herrn und gegen seinen Gesalbten.

    „Lasst uns ihre Fesseln zerbrechen,“

    sagten sie, „und ihre Bande abwerfen.“

    Er aber, der im Himmel thront, wird lachen;

    der Herr wird sie verhöhnen."


    23. Aestimatus sum cum descendentibus

    Der Text:

    "Ich wurde zu denen gerechnet, die hinabsteigen in die Grube,

    ich bin wie ein Mann ohne Hilfe,

    unter den Toten wie die Erschlagenen,

    die im Grab schlafen,

    die du nicht mehr gedenkst

    und die von deiner Hand abgefallen sind."


    24. Sepulto Domino

    Der Text:

    "Da der Herr begraben wurde,

    die Erde erschrak, und die Himmel verzagten,

    und der Glanz des Himmels verging,

    denn der Herr, der der Hoffnung der Welt war,

    wurde in das Grab gelegt.

    Die Erde bebte, die Felsen zerrissen,

    und der Vorhang des Tempels zerriss in zwei."


    25: Plange quasi virgo - nicht auf CD erhältlich

    Der Text:

    "Weine wie eine Jungfrau,

    die ein einziges Kind verloren hat,

    und mit großem Schmerz und Trauer,

    denn der Sohn der Jungfrau wurde in das Grab gelegt.

    Weine, o Erde,

    denn der Herr, der dich geschaffen hat,

    wurde in einem Grab vergraben."


    26: Jerusalem surge- nicht auf CD erhältlich

    Der Text:

    "Jerusalem, erhebe dich,

    und siehe, wie dein Licht aufgeht,

    der Herr, der in dir gestorben ist,

    ersteht aus den Toten.

    Er wird dich von der Dunkelheit befreien

    und dich in ewiges Licht führen.

    Steh auf, Jerusalem,

    und siehe den Herrn, der dich erlöst hat."


    27. Sicut ovis ad occisionem ductus est - nicht auf CD erhältlich

    Der Text:

    "Wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt wurde,

    und wie ein Schaf vor seinem Scherer stumm ist,

    so öffnete er seinen Mund nicht.

    Er wurde aus der Erde weggenommen,

    und wer konnte seine Generation zählen?

    Denn er wurde abgeschnitten aus dem Land der Lebenden.

    Für die Übertretung meines Volkes litt er."


    Ich besitze die Aufnahme "Responsoria pro triduo sacro" mit den Tallis Scholars unter der Leitung von Peter Phillips (* 1977).


    Alle Texte habe ich nach dem gehörten Original selbst ins Deutsche übersetzt.


    Responsoria protriduo sacro

    "Ὁ βίος βραχύς, ἡ δὲ τέχνη μακρή, ὁ δὲ καιρὸς ὀξύς, ἡ δὲ πεῖρα σφαλερή, ἡ δὲ κρίσις χαλεπή." Ἱπποκράτης

    2 Mal editiert, zuletzt von Andreas_aus_Berlin ()

  • Bußpsalmen I - VIII, Teil 1.

    Die Singphoniker

    Aufnahme: 2017



    Die CD „Psalms“ mit Werken von Orlando di Lasso, eingespielt von Ensamble "Die Singphoniker", bietet einen tiefen Einblick in das geistliche Schaffen eines der bedeutendsten Komponisten der Renaissance. Die Auswahl konzentriert sich auf Vertonungen von Psalmen in lateinischer Sprache, wobei sowohl Lasso als meisterhafter Kontrapunktiker und auch als sensibler Textausleger zur Geltung kommt.


    "Die Singphoniker" präsentieren diese Werke mit bemerkenswerter stilistischer Sicherheit und großem Ausdrucksvermögen. Ihre Interpretation zeichnet sich durch einen klaren, transparenten Ensembleklang aus, der die polyphone Struktur der Kompositionen fein zur Geltung bringt. Besonders hervorzuheben ist die Balance zwischen den Stimmen, die nie mechanisch wirkt, sondern stets dem Affekt des jeweiligen Psalms dient. Die Dynamik wird subtil modelliert, ohne ins Dramatische zu kippen, und ermöglicht so ein Hörerlebnis, das die geistliche Tiefe der Musik eindrucksvoll transportiert.


    Lassos kompositorische Vielfalt offenbart sich in der abwechslungsreichen Auswahl: Mal zeigt sich der Komponist als strenger Meister kontrapunktischer Kunst, mal als expressiver Klangmaler, der die Worte des Psalms in fast dramatische musikalische Bilder fasst. Die Singphoniker begegnen dieser Vielfalt mit Flexibilität und klanglicher Intelligenz.


    Besonders gelungen ist die Interpretation der ruhigeren, meditativen Stücke, in denen die klare Diktion und das perfekte Timing der Sänger eine beinahe kontemplative Wirkung entfalten. In bewegteren, jubilierenden Passagen fehlt es der Interpretation jedoch gelegentlich an klanglicher Fülle oder an der letzten Entschlossenheit im Ausdruck, was aber den Gesamteindruck kaum trübt.


    Klangtechnisch ist die Aufnahme sehr gelungen. Der Raumklang unterstützt die Transparenz des Gesangs und vermittelt zugleich eine sakrale Atmosphäre, ohne den Eindruck von Distanz zu erzeugen.


    Insgesamt ist die CD eine würdige Hommage an Orlando di Lasso und zugleich ein überzeugendes Beispiel dafür, wie historische Musik mit klanglicher Frische und interpretatorischer Tiefe zum Leben erweckt werden kann. Eine Aufnahme, die sowohl Kenner der Renaissance-Musik als auch neugierige Hörer überzeugt.


    Track 1: "Domine, ne in furore" (I) - Psalm 6, Verse 2 bis 11, Auszüge


    „Domine, ne in furore tuo arguas me“ ist ein vertonter Bußpsalm von großer Eindringlichkeit. Lasso setzt auf schlichte, aber wirkungsvolle Mittel: dissonante Wendungen, spannungsvoll geführte Linien, klare Textvertonung. Die Singphoniker singen mit ruhiger Intensität, sauberer Intonation und feinem Ausdruck. Besonders die klagenden Passagen wirken eindrucksvoll zurückgenommen, ohne an Dramatik zu verlieren. Ein stilles, bewegendes Gebet voller innerer Spannung.


    Deutsche Übersetzung:


    "Herr, strafe mich nicht in deinem Zorn,

    züchtige mich nicht in deinem Grimm.

    Erbarme dich meiner, Herr, denn ich bin schwach.

    Heile mich, Herr, denn meine Gebeine sind erschüttert.

    Meine Seele ist voll Angst.

    Herr, wie lange noch?

    Wende dich, Herr, und errette meine Seele,

    hilf mir um deiner Güte willen."


    Track 2: "Miserere mei, Domine" (Psalm 6, Verse 2 und 3)


    „Miserere mei, Domine“ ist eine kurze, dichte Bitte um Erbarmen. Lasso fasst den Psalmtext in eine zurückhaltende, fast intime musikalische Sprache. Die Stimmen bewegen sich eng miteinander, was den flehenden Charakter verstärkt.


    "Die Singphoniker" gestalten das Stück mit feiner Zurückhaltung und klarem Klang. Die Bitte „erbarme dich meiner“ steht musikalisch im Zentrum und wird mit schlichter Eindringlichkeit vorgetragen – ohne Pathos, aber mit tiefer Innerlichkeit.


    Deutsche Übersetzung:


    "Erbarme dich meiner, Herr,

    denn ich bin schwach.

    Heile mich, Herr,

    denn meine Seele ist erschüttert."


    Track 3: "Laboravi in gemitu" "(Psalm 6, Vers 7)


    „Laboravi in gemitu meo“ ist eine Klage voll innerer Erschöpfung. Lasso lässt die Musik über weite Strecken in dunklen Farben fließen, mit tief liegenden Stimmführungen und sanften Dissonanzen. Die Wiederholungen der Worte „lavabo per singulas noctes lectum meum“ („jede Nacht tränke ich mein Lager mit Tränen“) werden eindrucksvoll musikalisch ausgedeutet.


    "Die Singphoniker" singen mit gedecktem Ton und subtiler Dynamik. Die Verzweiflung klingt nicht laut, sondern resigniert – fast schon erstarrt. Ein leises, beklemmendes Nachtstück von großer Wirkung.


    Deutsche Übersetzung (Auszug):


    "Ich bin müde von meinem Seufzen,

    ich tränke mein Bett jede Nacht mit Tränen,

    benetze mein Lager mit Weinen.

    Mein Auge ist trübe vor Gram,

    es ist alt geworden vor all meinen Feinden."


    Track 4: "Discedite a me" (Psalm 6, Verse 9–11)


    „Discedite a me“ bringt eine plötzliche Wendung: Nach den dunklen Klagen der vorigen Verse folgt nun der Moment der Gewissheit, dass Gott das Gebet erhört hat. Lasso unterstreicht das durch hellere Harmonien, lebhaftere Rhythmen und eine klarere Textstruktur. Die Musik wirkt wie ein Aufatmen.


    "Die Singphoniker" wechseln geschickt vom klagenden zum hoffnungsvollen Ton. Die Aussage „Denn der Herr hat mein Weinen gehört“ wird ruhig, aber mit fester Überzeugung gesungen – ohne Jubel, aber mit innerer Ruhe. Ein feiner, glaubensstarker Schluss der Psalmvertonung.


    Deutsche Übersetzung:


    "Weicht von mir, alle Übeltäter,

    denn der Herr hat die Stimme meines Weinens gehört.

    Der Herr hat mein Flehen erhört,

    der Herr nimmt mein Gebet an.

    Alle meine Feinde sollen zuschanden werden und sehr erschrecken,

    sie sollen sich zurückziehen und plötzlich zuschanden werden."


    Track 5: "Gloria Patri" (I)


    „Gloria Patri“ bildet den liturgischen Abschluss der Psalmvertonung. Lasso gestaltet diesen Lobgesang schlicht, klar und kontrapunktisch durchdacht. Der ruhige Fluss der Musik vermittelt Andacht und Festigkeit zugleich.


    "Die Singphoniker" singen mit heller, ausgewogener Klangfarbe und lassen die Textzeilen transparent und würdevoll erklingen. Der Wechsel von „et in saecula saeculorum“ (in alle Ewigkeit) wird klanglich leicht angehoben, ohne übertrieben zu wirken. Ein gelassener, stimmiger Abschluss des Psalmkomplexes.


    Deutsche Übersetzung:


    "Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,

    wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit

    und in Ewigkeit. Amen."


    Track 6: "Beati quorum"


    „Beati quorum remissae sunt iniquitates“ ist eine Vertonung von Psalm 32, Verse 1 und 2, der das Glück der Vergebung preist. Lasso gestaltet den Text in ruhiger, gelassener Polyphonie, ohne übermäßige Dramatik. Die Musik strahlt stille Dankbarkeit aus, die sich in sanften Melodielinien und klarer Stimmführung äußert.


    "Die Singphoniker" treffen diesen Ton genau: mit warmem Klang, kontrollierter Dynamik und feiner Textdeklamation. Besonders die Worte „Beati“ (Selig) wirken nicht triumphierend, sondern ruhig beglückt. Eine schlichte, aber wirkungsvolle Umsetzung des Psalmgedankens.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 32, Verse 1–2):


    "Selig sind die, denen die Schuld vergeben

    und deren Sünden bedeckt sind.

    Selig ist der Mensch, dem der Herr die Schuld nicht anrechnet

    und in dessen Geist kein Trug ist."


    Track 7: "Quoniam tacui"


    „Quoniam tacui“ setzt Psalm 32 fort und bringt eine Wendung ins Persönliche: das Schweigen über die Schuld und die daraus folgende innere Not. Lasso wählt eine bewegtere, unruhigere Tonsprache, mit dichter Polyphonie und klanglicher Spannung. Die Musik drückt ein Gefühl der inneren Zerrissenheit aus.


    "Die Singphoniker" gestalten das Stück mit klarem Gespür für diese emotionale Bewegung. Der Klang bleibt schlank und durchhörbar, gewinnt aber an Intensität, besonders bei Zeilen wie „in rugitu meo“ („in meinem Seufzen“). Die Interpretation vermittelt das bedrückende Schweigen und die aufgestaute Reue sehr überzeugend.


    Deutsche Übersetzung (Verse 3–4):


    "Solange ich schwieg, zerfielen meine Gebeine,

    denn ich schrie den ganzen Tag.

    Denn deine Hand lag schwer auf mir bei Tag und bei Nacht,

    mein Lebenssaft vertrocknete, wie im heißen Sommer."


    Track 8: "Delictum meum" (Psalm 32, Vers 5)


    „Delictum meum cognitum tibi feci“ markiert im Psalm einen Wendepunkt: das Schuldbekenntnis. Lasso setzt diesen Moment in klare, ruhige Musik, ohne dramatische Zuspitzung. Die Linien sind weit und offen, die Harmonik hellt sich auf – Ausdruck der Ehrlichkeit und des beginnenden Vertrauens in Gottes Gnade.


    "Die Singphoniker" singen mit feiner Transparenz und schlichtem Ernst. Die Worte „et iniustitiam meam non abscondi“ (meine Schuld habe ich nicht verborgen) klingen nüchtern und aufrichtig, ohne künstliches Pathos. Es entsteht der Eindruck eines stillen Geständnisses – fast persönlich.


    Deutsche Übersetzung (Vers 5):


    "Meine Schuld habe ich dir bekannt,

    und meine Sünde nicht verborgen.

    Ich sagte: Ich will dem Herrn meine Missetat bekennen,

    und du hast mir die Schuld meiner Sünde vergeben."


    Track 9: "Intellectum tibi dabo"


    „Intellectum tibi dabo“ hebt sich stilistisch ab: Gott selbst spricht und verheißt dem Menschen Einsicht und Führung. Lasso vertont diesen Abschnitt mit klarer Struktur, ruhigem Ton und einer beinahe lehrhaften Würde. Die Musik wirkt wie ein innerer Monolog, schlicht, aber bestimmend.


    "Die Singphoniker" treffen diesen Charakter sehr genau. Der Gesang bleibt ruhig, konzentriert und leicht zurückgenommen – keine großen Spannungsbögen, sondern bedachte Linien. Der Ernst des göttlichen Wortes wird durch die klare Deklamation getragen, ohne übertriebene Emphase.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 32, Vers 8):


    "Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, den du gehen sollst.

    Ich will dich mit meinen Augen leiten."


    Track 10: "Laetamini in domino" (Psalm 32, Vers 11)


    „Laetamini in Domino“ bildet den jubelnden Abschluss von Psalm 32. Lasso entfaltet hier einen freudigen, hellen Klang mit lebhafteren Rhythmen und offener Harmonik. Die Musik wirkt befreit, fast tänzerisch – ein Kontrast zur inneren Not der früheren Verse.


    "Die Singphoniker" singen mit Leichtigkeit und feinem Schwung. Der Klang wird etwas leuchtender, bleibt aber stilistisch kontrolliert. Die Freude wirkt ehrlich, nicht aufgesetzt, getragen von klarer Textverständlichkeit und ausgewogener Klangbalance. Ein heiterer, versöhnlicher Ausklang.


    Deutsche Übersetzung (Vers 11):


    "Freut euch am Herrn und seid fröhlich, ihr Gerechten,

    jubelt alle, die ihr redlichen Herzens seid."


    Track 11: "Domine, ne in furore" (II)


    Die zweite Vertonung von „Domine, ne in furore tuo arguas me“ zeigt eine neue musikalische Herangehensweise an denselben Psalmtext. Lasso wählt hier einen strafferen Satz, mit dichterer Polyphonie und größerer innerer Bewegung. Die Musik wirkt unmittelbarer, drängender, als würde das Flehen dringlicher vorgetragen.


    "Die Singphoniker" betonen diesen Charakter durch gesteigerte Intensität in der Klangführung. Die Stimmverläufe sind etwas enger gezogen, die Dissonanzen klarer akzentuiert. Besonders eindrucksvoll ist die schlichte, aber eindringliche Gestaltung der Bitte „miserere mei“ – weniger meditativ als in der ersten Fassung, dafür umso direkter.


    Deutsche Übersetzung (Auszug, Psalm 6):


    "Herr, strafe mich nicht in deinem Zorn,

    züchtige mich nicht in deinem Grimm.

    Erbarme dich meiner, Herr, denn ich bin schwach.

    Heile mich, Herr, denn meine Gebeine sind erschüttert."


    Track 12: "Domine, ante te"


    „Domine, ante te omne desiderium meum“ ist ein Psalmvers voll stiller Innerlichkeit und existenzieller Offenheit. Lasso vertont diesen Abschnitt aus Psalm 38 in schlichter, fast kontemplativer Polyphonie. Die Musik fließt langsam, mit weiten Intervallen und einem Hauch von Zurückhaltung – nichts drängt sich auf, alles klingt wie ein leises Offenlegen des Herzens.


    "Die Singphoniker" treffen diesen Ton mit großer Sensibilität. Der Gesang ist ruhig, klar und atmend. Die Textausdeutung wirkt besonders in der Zeile „et gemitus meus a te non est absconditus“ (mein Seufzen ist dir nicht verborgen) eindringlich, ohne theatralisch zu sein. Es entsteht der Eindruck eines lautlosen Gebets, das ganz auf innere Wahrhaftigkeit setzt.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 38, Vers 10):


    "Herr, vor dir liegt all mein Sehnen,

    mein Seufzen ist dir nicht verborgen."


    Track 13: "Ego autem"


    „Ego autem tamquam surdus non audiebam“ stammt ebenfalls aus Psalm 38 und beschreibt den Zustand tiefer Isolation und Ohnmacht. Lasso vertont diese Verse mit zurückhaltender, fast starrer Klangsprache. Die Polyphonie ist schlicht, manchmal fast blockhaft, was den Eindruck von Sprachlosigkeit und innerem Rückzug wirkungsvoll verstärkt.


    "Die Singphoniker" singen mit gedämpftem Ausdruck und großer Klarheit. Sie vermeiden jede dramatische Zuspitzung und lassen so das Schweigen und die innere Erstarrung des Textes umso stärker wirken. Besonders die Wiederholung der Worte „non audiebam… non aperiebam os meum“ (ich hörte nicht… ich öffnete meinen Mund nicht) wird schlicht, aber eindrucksvoll umgesetzt.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 38, Verse 14–15):


    "Ich aber war wie ein Tauber, der nicht hört,

    wie ein Stummer, der seinen Mund nicht auftut.

    Ich war wie einer, der nicht hört

    und in dessen Mund keine Erwiderung ist."


    Track 14: "Inimici autem"


    „Inimici autem mei vivunt“ bildet den dramatischsten Abschnitt aus Psalm 38. Lasso gestaltet diesen Teil mit gespannter Harmonik, enger Stimmführung und auffälligen Dissonanzen. Die Bedrohung durch die Feinde wird musikalisch deutlich spürbar, ohne in äußerliche Dramatik zu kippen. Die Musik bleibt zurückhaltend, doch voller innerer Unruhe.


    "Die Singphoniker" setzen diese Spannung mit kontrollierter Kraft um. Der Klang bleibt transparent, doch spürbar aufgeladen. Die Stimmeinträge sind präzise, die Linien eng geführt. Besonders der Kontrast zwischen „inimici mei“ (meine Feinde) und „qui retribuunt mala pro bonis“ (die Böses mit Gutem vergelten) wird klar herausgearbeitet. Die Angst, aber auch die moralische Klarheit des Beters klingen überzeugend durch.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 38, Verse 20–21):


    "Meine Feinde leben und sind stark,

    und zahlreich sind die, die mich grundlos hassen.

    Die mir Gutes mit Bösem vergelten,

    stellen mir nach, weil ich dem Guten folge."


    Track 15: "Gloria Patri" (II)


    Das zweite „Gloria Patri“ schließt die Vertonung von Psalm 38 ab und wirkt wie ein Lichtstrahl nach den dunklen Klageversen. Lasso komponiert es in heller, ruhiger Polyphonie mit ausgewogener Stimmführung. Die Musik strahlt Zuversicht und liturgische Würde aus – ein stilles „Amen“ nach dem Ringen der vorherigen Verse.


    "Die Singphoniker" bringen diesen Charakter feinfühlig zur Geltung. Der Klang ist transparent und gelöst, ohne ins Feierliche zu kippen. Besonders das „et in saecula saeculorum“ (in alle Ewigkeit) wird mit sanftem Nachdruck gesungen – ein würdiger, versöhnlicher Abschluss.


    Deutsche Übersetzung:


    "Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,

    wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit

    und in Ewigkeit. Amen."

    "Ὁ βίος βραχύς, ἡ δὲ τέχνη μακρή, ὁ δὲ καιρὸς ὀξύς, ἡ δὲ πεῖρα σφαλερή, ἡ δὲ κρίσις χαλεπή." Ἱπποκράτης

  • Bußpsalmen I - VIII und Laudes Domoni, Teil 2.


    Track 16: "Miserere mei"


    „Miserere mei, Deus“ ist Lassos eindrucksvolle Vertonung des 51. Psalms, des berühmten Bußpsalms Davids. Das Werk ist durchzogen von tiefer Reue und dem inständigen Ruf nach göttlicher Gnade. Lasso setzt auf eine schlichte, ernste Klangsprache, mit klaren Textwiederholungen und sparsam eingesetzten Dissonanzen, die den Schmerz unter der Oberfläche fühlbar machen.


    "Die Singphoniker" singen mit stiller Dringlichkeit, in einem gleichmäßigen, getragenen Tempo. Der Klang bleibt schlank, der Ausdruck konzentriert. Besonders der oft wiederkehrende Ruf „Miserere mei“ (Erbarme dich meiner) wird mit großer Zurückhaltung, aber eindrucksvoller Klarheit gestaltet. Die Interpretation bleibt ganz im Dienst der spirituellen Tiefe des Textes.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 51, Verse 3–4):


    "Erbarme dich meiner, o Gott, nach deiner großen Barmherzigkeit,

    nach deiner großen Güte tilge meine Missetat.

    Wasche mich ganz rein von meiner Schuld

    und reinige mich von meiner Sünde."


    Track 17: "Asperges me" (Psalm 51, Vers 9)


    „Asperges me, Domine“ ist ein liturgischer Reinigungsgesang, der traditionell zur Vorbereitung auf die Messe gesungen wird. Lasso gestaltet diesen Vers aus Psalm 51 als schlichtes, helles Stück mit ruhiger Bewegung und ausgewogener Polyphonie. Die Musik strahlt Reinheit und Hoffnung auf Vergebung aus, ohne Pathos, ganz im Zeichen stiller geistlicher Sammlung.


    "Die Singphoniker" singen mit klarer Intonation, leichtem Klang und zurückhaltendem Ausdruck. Die Zeile „et super nivem dealbabor“ (und ich werde weißer sein als Schnee) wird besonders fein gezeichnet, mit leuchtender Harmonik, die den Reinigungsgedanken musikalisch spürbar macht. Eine stille, klare Bitte um Erneuerung.


    Deutsche Übersetzung:


    "Entsündige mich mit Ysop, Herr,

    dann werde ich rein sein.

    Wasche mich,

    dann werde ich weißer sein als Schnee."


    Track 18: "Redde mihi laetitiam"


    „Redde mihi laetitiam salutaris tui“ bringt im Verlauf von Psalm 51 den Übergang von der Klage zur Hoffnung. Lasso setzt diese Zeile in eine ruhige, zuversichtliche Musik, die weder übertrieben freudig noch resigniert klingt. Die Melodielinien sind sanft aufsteigend, die Harmonik öffnet sich – Ausdruck einer wiedergewonnenen inneren Freude und göttlichen Nähe.


    Die Singphoniker gestalten das Stück mit verhaltener Wärme. Der Klang bleibt schlicht, aber leicht und getragen. Besonders in der Wendung „et spiritu principali confirma me“ (stärke mich mit deinem willigen Geist) zeigt sich ein leiser, fast leuchtender Ton. Die Freude wirkt nicht euphorisch, sondern geläutert und tief verwurzelt.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 51, Vers 14):


    "Gib mir die Freude deines Heils zurück

    und stärke mich mit einem willigen Geist."


    Track 19: "Gloria Patri" (III)


    Das dritte „Gloria Patri“ schließt die Vertonung von Psalm 51 würdevoll ab. Lasso komponiert es schlicht und symmetrisch, mit ruhiger Polyphonie und ausgewogenem Stimmverlauf. Die Musik wirkt gesammelt und feierlich, ohne Prachtentfaltung – ein bescheidener Lobpreis am Ende eines bewegten Bußpsalms.


    "Die Singphoniker" bewahren diesen Charakter mit zurückhaltendem, klarem Klang. Der Gesang bleibt ruhig, konzentriert und licht. Die Zeile „et in saecula saeculorum“ erhält durch sanfte Weitung der Linien eine besondere Nachdrücklichkeit, ohne den meditativen Grundton zu verlassen. Ein stiller, versöhnlicher Abschluss.


    Deutsche Übersetzung:


    "Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,

    wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit

    und in Ewigkeit. Amen."


    Track 20: "Domine, exaudi orationem meam"


    „Domine, exaudi orationem meam“ stammt aus Psalm 143 und ist ein demütiges, eindringliches Gebet. Lasso vertont den Text in einer ruhigen, fließenden Polyphonie, deren zurückhaltende Spannung das Flehen um Erhörung spürbar macht. Die Musik wirkt transparent, fast wie ein stilles Gespräch mit Gott.


    "Die Singphoniker" singen mit klarer Linienführung und leiser Intensität. Die Textverständlichkeit bleibt hoch, die Stimmen verschmelzen zu einem weichen Gesamtklang. Besonders die Bitte „in veritate tua exaudi me“ (höre mich in deiner Wahrheit) wird mit schlichter Eindringlichkeit gestaltet – ein ernstes, dabei ganz innerliches Gebet.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 143, Vers 1):


    "Herr, höre mein Gebet,

    vernimm mein Flehen aus deiner Treue,

    erhöre mich in deiner Gerechtigkeit."


    Track 21: "Similis factus sum"


    „Similis factus sum pellicano solitudinis“ ist einer der klanglich eindrücklichsten Verse aus Psalm 102. Lasso greift die Bilder der Einsamkeit – Pelikan in der Wüste, Eule in Ruinen – musikalisch mit weiten Intervallen, ruhigen Tempi und sparsam gesetzten Dissonanzen auf. Die Musik verweilt in einer fast erstarrten Melancholie.


    "Die Singphoniker" gestalten das Stück mit großer Zurückhaltung. Der Klang bleibt leise, fast unbewegt, was die Trostlosigkeit des Textes noch verstärkt. Besonders eindrucksvoll ist die Zeile „vigilavi et factus sum sicut passer solitarius in tecto“ (ich wache und bin wie ein einsamer Sperling auf dem Dach) – von schlichter, fast schmerzhafter Schönheit.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 102, Verse 7 und 8):


    "Ich gleiche dem Pelikan in der Wüste,

    ich bin wie eine Eule in den Trümmern.

    Ich wache und bin wie ein einsamer Sperling auf dem Dach."


    Track 22: "Dies mei sicut umbra declinaverunt"


    „Dies mei sicut umbra declinaverunt“ ist eine eindrucksvolle Vertonung der Vergänglichkeit aus Psalm 102. Lasso wählt einen ruhigen, fast stockenden musikalischen Fluss, der das Bild des dahinschwindenden Lebens unterstreicht. Die Harmonien sind gedämpft, die Stimmführung zurückgenommen – alles wirkt wie im Verlöschen begriffen.


    "Die Singphoniker" singen mit feiner Kontrolle und leiser Intensität. Besonders die Zeile „et ego sicut foenum arui“ (und ich verdorrte wie Gras) klingt resigniert und doch gefasst. Der Klang ist klar, aber ohne Glanz – ein musikalisches Sinnbild für das langsame Verschwinden des Lebens.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 102, Vers 12):


    "Meine Tage sind wie ein Schatten, der schwindet,

    und ich verdorre wie Gras."


    Track 23: "Scribantur haec in generatione altera"


    „Scribantur haec in generatione altera“ schlägt nach den Klageversen des Psalm 102 einen hoffnungsvolleren Ton an. Lasso gestaltet diesen Abschnitt in offenerer, hellerer Polyphonie. Die Musik wirkt zugewandt, mit einem leichten Aufschwung in der Melodik – als wolle sie den Blick aus der persönlichen Not in die Zukunft und auf Gottes bleibende Treue lenken.


    "Die Singphoniker" greifen diese Wendung behutsam auf. Ihr Klang wird etwas lichter, ohne ins Feierliche zu gleiten. Die Zeilen über das kommende Geschlecht und das Lob Gottes in Zion werden mit schlichter Würde gesungen – ruhig, zuversichtlich, getragen von innerer Sammlung.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 102, Verse 19–22):


    "Dies werde aufgeschrieben für das künftige Geschlecht,

    und das Volk, das noch erschaffen wird, wird den Herrn loben.

    Denn der Herr schaut herab aus seiner heiligen Höhe,

    vom Himmel blickt er auf die Erde,

    um das Seufzen der Gefangenen zu hören

    und die Kinder des Todes zu befreien."


    Track 24: "Respondit ei in via virtutis suae"


    „Respondit ei in via virtutis suae“ bildet einen kontemplativen Abschluss der Psalmvertonung. Der Text aus Psalm 102 spricht von Gottes Antwort in seiner Kraft und der bleibenden Gnade über Generationen hinweg. Lasso vertont diese Verse mit ruhiger, gefestigter Polyphonie. Die Musik klingt wie ein inneres Innehalten – nicht triumphierend, sondern getragen von leiser Zuversicht und dem Gedanken an Ewigkeit.


    "Die Singphoniker" bringen diese Haltung eindrucksvoll zum Ausdruck. Ihr Gesang ist ausgeglichen, warm und gesammelt. Besonders die Zeile „tu autem idem ipse es, et anni tui non deficient“ (du aber bleibst derselbe, und deine Jahre nehmen kein Ende) wird mit schlichter Größe und sicherer Ruhe gesungen – ein musikalischer Ausblick über das Irdische hinaus.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 102, Verse 24–28):


    "Er antwortete ihm auf dem Weg seiner Kraft:

    „Gib mir meine Tage nicht in der Mitte meines Lebens hin.“

    Deine Jahre währen von Geschlecht zu Geschlecht.

    Du hast vormals die Erde gegründet,

    und die Himmel sind das Werk deiner Hände.

    Sie werden vergehen, du aber bleibst;

    sie alle veralten wie ein Kleid,

    du wechselst sie wie ein Gewand, und sie verschwinden.

    Du aber bleibst derselbe,

    und deine Jahre nehmen kein Ende.

    Die Kinder deiner Knechte werden wohnen bleiben,

    und ihr Geschlecht wird vor dir bestehen."


    Track 25: "Filii servorum tuorum habitabunt"


    „Filii servorum tuorum habitabunt“ rundet die Vertonung von Psalm 102 mit einem versöhnlichen, zukunftsgewandten Schluss ab. Lasso gestaltet diese letzten Verse mit heller, ruhiger Polyphonie und weit gefassten Linien. Die Musik wirkt wie ein stilles, gefestigtes Vertrauen in Gottes bleibende Gegenwart und Schutz – nicht mehr klagend, sondern friedlich.


    "Die Singphoniker" singen diesen Abschluss mit gelassener Klarheit und warmer Klangfarbe. Die Stimmen fließen sanft ineinander, getragen von einer inneren Ruhe. Besonders die Zeile „et semen eorum sub manu tua dirigetur“ (und ihre Nachkommen werden unter deiner Hand geführt werden) wird mit schlichter Würde und zarter Hoffnung gesungen – als leiser Ausblick auf bleibenden göttlichen Beistand über Generationen hinweg.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 102, Vers 29):


    "Die Kinder deiner Knechte werden wohnen bleiben,

    und ihre Nachkommen werden unter deinem Schutz bestehen."


    Track 26: "Gloria Patri" (IV)


    Das vierte „Gloria Patri“ beschließt den Psalm 102 in liturgischer Vollendung. Lasso wählt eine schlichte, fest gefügte Polyphonie, die mehr innere Sammlung als äußere Feierlichkeit ausstrahlt. Die Musik wirkt abgeschlossen, ruhig und getragen – ein stilles, aber deutliches Amen.


    "Die Singphoniker" interpretieren dieses Schlussstück mit klarer Linienführung und fein austarierter Klangbalance. Der Gesang bleibt zurückhaltend und würdevoll, ohne überhöhten Ausdruck. Die Formel „et in saecula saeculorum“ entfaltet sich mit sanfter Weite – als Klangbild ewiger Beständigkeit Gottes.


    Deutsche Übersetzung:


    "Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,

    wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit

    und in Ewigkeit. Amen."


    Track 27: "De profundis clamavi ad te"


    „De profundis clamavi ad te, Domine“ ist Lassos ergreifende Vertonung von Psalm 130 – einem der tiefsten Buß- und Hoffnungstexte der Psalmen. Die Musik ist von dunkler Klangfarbe, ruhig und gespannt zugleich. Lasso beginnt in tiefer Lage und entfaltet den Satz mit feinen Dissonanzen und schlichter, klarer Stimmführung. Der Klang ist zurückgenommen, fast tonlos flehend – ein musikalischer Ruf aus der Tiefe der Seele.


    "Die Singphoniker" setzen diese Atmosphäre mit großer Sensibilität um. Ihr Klang bleibt ruhig, beinahe unbewegt, dabei stets durchdrungen von innerer Spannung. Besonders eindrucksvoll ist die Zeile „fiant aures tuae intendentes“ (deine Ohren sollen merken auf die Stimme meines Flehens), die mit feiner Dringlichkeit hervorgehoben wird. Nichts wird überzeichnet – die Kraft liegt in der stillen, ehrlichen Bitte.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 130, Verse 1 und 2):


    "Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir.

    Herr, höre meine Stimme!

    Lass deine Ohren achten auf die Stimme meines Flehens."


    Track 28: "Sustinuit anima mea in verbo ejus"


    „Sustinuit anima mea in verbo ejus“ vertont den zweiten Teil von Psalm 130. Die Musik wechselt vom Klageruf zur geduldigen Hoffnung. Lasso komponiert in ruhig fließenden, weit gespannten Linien. Die Harmonik wird lichter, der Satz offener – Ausdruck einer leisen, aber festen Zuversicht.


    "Die Singphoniker" gestalten das Stück mit feiner Zurückhaltung. Der Klang ist ruhig, aber nicht mehr ganz so dunkel wie zu Beginn, sondern leicht aufgehellt. Die Worte „speravit anima mea in Domino“ (meine Seele hofft auf den Herrn) stehen ruhig und vertrauensvoll im Raum – keine dramatische Steigerung, sondern geduldige Erwartung.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 130, Verse 5–6):


    "Ich hoffe auf den Herrn, meine Seele hofft,

    und ich warte auf sein Wort.

    Meine Seele wartet auf den Herrn

    mehr als die Wächter auf den Morgen,

    ja, mehr als die Wächter auf den Morgen."


    Track 29: "Domine, exaudi"


    „Domine, exaudi vocem meam“ bildet den Abschluss von Lassos Vertonung des De profundis. Der Psalm erreicht hier seine geistliche Vollendung: die Bitte um Erbarmen wird zur Gewissheit der Erlösung. Lasso vertont diese letzten Verse mit lichtdurchwirkter Klarheit. Der Satz ist durchlässiger, die Harmonik offen, fast leuchtend – ein stilles Aufsteigen aus der Tiefe.


    "Die Singphoniker" bringen diesen Charakter mit großer Ruhe und innerer Ausgewogenheit zum Ausdruck. Die Stimmen entfalten sich gelöst und transparent, ohne jede Schwere. Besonders die Zeile „et ipse redimet Israel“ (und er wird Israel erlösen) klingt hoffnungsvoll und gefestigt. Ein würdevoller, leiser Abschluss, der Frieden ausstrahlt.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 103, Verse 7–8):


    "Israel soll hoffen auf den Herrn.

    Denn beim Herrn ist die Barmherzigkeit,

    und bei ihm ist viel Erlösung.

    Und er wird Israel erlösen

    von all seinen Sünden."


    Track 30: "Memor fui dierum"


    „Memor fui dierum antiquorum“ stammt aus Psalm 143 und ist eine Reflexion über vergangene Tage inmitten gegenwärtiger Not. Lasso vertont diesen Abschnitt in ruhiger, nachdenklicher Polyphonie. Die Musik wirkt introvertiert und weich, mit gedehnter Zeitstruktur – als würde der Blick in die Vergangenheit das Jetzt beruhigen und zugleich traurig stimmen.


    "Die Singphoniker" treffen diesen Ton mit viel Feingefühl. Der Gesang bleibt leise und gesammelt, die Stimmverläufe sind sanft und zurückhaltend geführt. Besonders die Zeile „meditabar in omnibus operibus tuis“ (ich gedachte all deiner Werke) wird mit stillem Staunen gesungen – nicht als Lob, sondern als ernstes Nachsinnen über Gottes Handeln in der Geschichte.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 143, Verse 5–6):


    "Ich gedachte der früheren Tage,

    ich sann nach über all deine Taten,

    ich erwog das Werk deiner Hände.

    Ich strecke meine Hände zu dir aus,

    meine Seele dürstet nach dir wie dürres Land."


    Track 31: "Auditam fac mihi"


    „Auditam fac mihi mane misericordiam tuam“ ist ein inniges Morgen-Gebet aus Psalm 143, das um Gottes Führung und Güte bittet. Lasso vertont diesen Vers mit lichter, schlichter Polyphonie, die sich klar und ruhig entfaltet. Die Musik hat eine fast meditative Qualität, als würde sie den neuen Tag in stiller Hoffnung eröffnen.


    "Die Singphoniker" bringen diesen Charakter mit besonderer Feinheit zur Geltung. Der Klang ist klar, weich und ausgewogen, die Phrasen ruhig geformt. Die Bitte „quia in te speravi“ (denn ich hoffe auf dich) wird mit stiller Entschlossenheit gesungen – keine Dramatik, sondern inneres Vertrauen. Ein feiner, kontemplativer Moment.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 143, Vers 8):


    "Lass mich am Morgen deine Gnade hören,

    denn ich hoffe auf dich.

    Zeige mir den Weg, den ich gehen soll,

    denn zu dir erhebe ich meine Seele."


    Track 32: "Eripe me de inimicis"


    „Eripe me de inimicis meis, Domine“ ist eine eindringliche Bitte um Befreiung aus Psalm 143. Lasso fasst diesen Vers in eine ruhige, ernste Polyphonie, die weniger dramatisch als flehend wirkt. Die Musik bleibt im Ausdruck zurückhaltend, aber gespannt, mit feinen Dissonanzen, die die Bedrängnis spürbar machen.


    "Die Singphoniker" singen mit klarer Diktion und kontrollierter Intensität. Der Klang ist schlank und ernst, ohne Schärfe. Besonders die Worte „ad te confugi“ (zu dir nehme ich meine Zuflucht) klingen schlicht und aufrichtig – wie ein letzter, stiller Ruf um Hilfe.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 143, Vers 9):


    "Errette mich, Herr, von meinen Feinden,

    denn zu dir nehme ich meine Zuflucht."


    Track 33: "Gloria Patri" (V)


    Das fünfte und letzte „Gloria Patri“ beschließt die CD mit einem ruhigen, versöhnten Lobpreis. Lasso gestaltet diesen Schluss wie eine geistige Heimkehr: in ausgewogener, klar gegliederter Polyphonie, frei von Dramatik, aber getragen von innerer Festigkeit. Die Musik klingt gesammelt, licht und zeitlos.


    "Die Singphoniker" lassen diesen Ausklang in schlichter Würde erklingen. Ihr Klang ist hell, ausgeglichen und ruhig atmend. Die Formel „et in saecula saeculorum“ entfaltet sich mit sanfter Weite, ohne Pathos – ein stilles Bekenntnis zur Ewigkeit Gottes. So schließt die Aufnahme mit einem kontemplativen, friedlichen Nachhall.


    Deutsche Übersetzung:


    "Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,

    wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit

    und in Ewigkeit. Amen."


    Track 34: "Laudes Domini. Alleluia. Laudate Dominum." Teil 1.


    „Laudes Domini, Teil 1: Alleluia. Laudate Dominum“ eröffnet den letzten Abschnitt der CD mit einem festlich geprägten Psalmvers. Lasso vertont Psalm 117 mit heller, klar strukturierter Polyphonie. Das wiederholte „Alleluia“ rahmt den Lobgesang ein und verleiht dem Stück eine liturgische Strahlkraft. Die Musik ist freier, freudiger und rhythmisch bewegter als in den Bußpsalmen – ein starker Kontrast zur zuvor eher kontemplativen Grundstimmung der CD.


    "Die Singphoniker" singen mit klanglicher Offenheit und einem spürbaren Hauch von Feierlichkeit. Die Stimmen bleiben transparent und ausbalanciert, wobei das „Alleluia“ besonders leuchtend hervortritt. Der Satz wirkt wie ein Aufbruch in den Lobpreis – nicht ekstatisch, sondern maßvoll jubelnd.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 117, Vers 1):


    "Halleluja!

    Lobet den Herrn, alle Völker,

    preist ihn, alle Nationen!"


    Track 35: "Laudes Domini. Laudate Dominum, de terra." Teil 2.


    „Laudes Domini. Laudate Dominum, de terra“ basiert auf Psalm 148 und ist eine weitgespannte Aufforderung an die ganze Erde, Gott zu loben. Lasso setzt diesen universalen Lobpreis in eine weit ausschwingende, klangreiche Polyphonie. Der Satz ist rhythmisch lebendig, mit sich abwechselnden Stimmen, die wie ein Ruf durch die Schöpfung ziehen. Die Musik wirkt weit, hell und getragen von einer sanften Feierlichkeit.


    "Die Singphoniker" treffen diesen Ton mit Klarheit und kontrolliertem Glanz. Der Klang ist voll, aber nie überladen. Besonders die verschiedenen Natur- und Weltbilder, die im Text aufgerufen werden („Feuer und Hagel, Schnee und Nebel“), bekommen in der Musik eine Art strukturelle Klangsymbolik, ohne programmatisch zu wirken. Der Gesang bleibt stilistisch einheitlich, aber reich an innerer Bewegung.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 148, Vers 7):


    "Lobet den Herrn von der Erde her,

    ihr Seeungeheuer und alle Tiefen."


    Track 36: "Laudes Domini. Trio. Iuvenes et virgines." Teil 3.


    „Laudes Domini. Trio. Iuvenes et virgines“ ist ein kammermusikalisch angelegter Abschnitt aus Psalm 148, der die Jugend – „Jünglinge und Jungfrauen“ – zum Lobpreis Gottes aufruft. Lasso reduziert hier die Besetzung auf drei Stimmen, was dem Stück eine besonders schlanke, fast intime Klanggestalt verleiht. Die Musik ist leichtfüßig, lebendig und rhythmisch klar gegliedert – ein Moment stiller Freude, fast tänzerisch in seiner Haltung.


    "Die Singphoniker" gestalten das Trio mit geschmeidiger Leichtigkeit und klarer Textverständlichkeit. Der reduzierte Satz lässt die Linien sehr deutlich hervortreten, wodurch die musikalische Bewegtheit besonders plastisch wirkt. Die Freude ist hier nicht laut, sondern jugendlich, hell und fließend – ein fein gezeichneter Moment lobender Frische im Gesamtzyklus.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 148, Vers 12):


    "Jünglinge und Jungfrauen,

    Alte mit den Jungen,

    sie sollen loben den Namen des Herrn."


    Track 37: "Laudes Domini. Sex vocum. Laudate eum in virtibus eius". Teil 4.


    „Laudes Domini. Sex vocum. Laudate eum in virtutibus eius“ ist eine sechsstimmige Vertonung aus Psalm 150, dem großen Schlusspsalm des Psalters. Lasso entfaltet hier ein klangprächtiges „Laudate“ mit voller polyphoner Kraft. Die Musik ist festlich und zugleich kunstvoll verwoben – ein Höhepunkt des Zyklus. Die sechsstimmige Anlage erlaubt eine dichte, aber nie überladene Klangfülle, die dem Inhalt – das Lob Gottes mit aller Macht – vollkommen entspricht.


    "Die Singphoniker" singen mit leuchtender Präsenz und sehr guter Balance der Stimmen. Der Klang ist kraftvoll, aber stets kontrolliert, die polyphonen Linien bleiben klar und durchsichtig. Die Betonung der „virtutes“ (Macht und Taten Gottes) geschieht musikalisch durch motivische Steigerung, jedoch ohne Pathos. Es entsteht ein Gefühl geistlicher Größe, das mehr strahlt als erschüttert.


    Deutsche Übersetzung (Psalm 150, Vers 2):


    "Lobet ihn wegen seiner mächtigen Taten,

    lobet ihn in seiner gewaltigen Größe."


    Bußpsalmen I - VIII und Laudes Domini

    "Ὁ βίος βραχύς, ἡ δὲ τέχνη μακρή, ὁ δὲ καιρὸς ὀξύς, ἡ δὲ πεῖρα σφαλερή, ἡ δὲ κρίσις χαλεπή." Ἱπποκράτης

  • Er wurde auf dem Alter Südlichen Friedhof in München beigesetzt. In der heutigen Zeit ist sein Grab nicht mehr genau lokalisiert, da der Friedhof im Laufe der Jahre mehrfach umgestaltet und teilweise neu gestaltet wurde. T

    Nein. Sein Grab war auf dem Friedhof der Salvatorkirche, wo man auch seinen Grabstein fand. Vermutlich läuft man drüber, wenn man bei Loden-Frey vorbeigeht...

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  • Missa "Entre vous filles" und Missa "Susanne un jour"


    Der Titel der Messe „Entre vous filles“ geht auf ein gleichnamiges französisches Chanson zurück, das ursprünglich von dem Komponisten Jacobus Clemens non Papa (* nach 1510 – † vor 1556) stammt. Der Titel lässt sich ins Deutsche übersetzen mit: „Unter euch Mädchen“. Der Text dieses Chansons enthält amouröse, teils kokett-frivole Anspielungen und war in seiner Zeit recht beliebt. Solche weltlichen Lieder wurden häufig als Vorlage für Parodiemessen verwendet, bei denen Motive, rhythmische Wendungen oder sogar ganze Abschnitte in die musikalische Struktur einer Messe übertragen wurden.


    Jacobus Clemens non Papa: Chanson „Entre vous filles“


    Originaltext (mittefranzösisch):


    "Entre vous filles de quinze ans,

    La plus jolie est ma mignonne.

    Elle a les yeux vifs et rians,

    Et le regard doux comme estonne."


    Deutsche Übersetzung:


    "Unter euch Mädchen von fünfzehn Jahren

    ist die Schönste mein Liebling.

    Sie hat lebhafte und fröhliche Augen

    und einen Blick, sanft wie ein Wunder."


    Der Text ist ein typisches Beispiel für die höfisch-galante Poesie der Renaissance. Es handelt sich um ein kurzes Liebeslied, das in zärtlich bewundernden Worten eine junge Frau preist. Der Tenor ist leicht, verspielt und schwärmerisch – ein Tonfall, den Lasso zwar musikalisch aufnimmt, aber durch die geistliche Form der Messe sublimiert und in einen kontemplativen Zusammenhang überführt.


    Orlando di Lasso komponierte die Missa „Entre vous filles“ wahrscheinlich in den 1560er-Jahren, möglicherweise während seiner frühen Jahre am bayerischen Hof in München, wo er ab 1556 als Kapellmeister wirkte. Der Stil und die stilistische Nähe zu Clemens non Papa sprechen für eine relativ frühe Schaffensperiode. Die Messe wurde nicht zu Lebzeiten in Druck gegeben, ist aber in mehreren handschriftlichen Quellen überliefert.


    In seiner Missa „Entre vous filles“ verwandelt Lasso ein weltliches Lied in ein Werk geistlicher Würde. Er übernimmt thematisches Material des Chansons als cantus firmus und verarbeitet es kunstvoll in allen Teilen des Ordinarium Missae – Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus (inklusive Benedictus) und Agnus Dei.


    Lasso gelingt es, die tänzerische Lebendigkeit und das melodische Flair des Originals mit der Feierlichkeit der Liturgie zu verbinden. Die Musik wirkt dabei weder parodistisch im modernen Sinne noch spöttisch, sondern zeigt Lassos außergewöhnliches Gespür für stilistische Verschmelzung. Insbesondere im Kyrie lässt sich noch deutlich die rhythmische Prägnanz des Chansons erkennen, während die späteren Messsätze stärker in Richtung polyphoner Verdichtung tendieren.


    Orlando di Lasso, einer der produktivsten und vielseitigsten Komponisten der Renaissance, bewies mit seiner Missa „Entre vous filles“ einmal mehr seine Meisterschaft in der Kunst der musikalischen Verwandlung. Die Messe basiert auf einem gleichnamigen französischen Chanson, das ursprünglich aus der Feder von Clemens non Papa stammt – einem Zeitgenossen, dessen Melodien Lasso gut kannte und schätzte.


    Indem Lasso dieses weltliche Lied in eine sakrale Form überführte, verwandelte er profane Klänge in ein liturgisches Klanggewebe von großer Raffinesse. Seine Missa „Entre vous filles“ ist ein faszinierendes Beispiel für die hohe Kunst der Parodiemesse: Ein weltlicher Ursprung wird nicht verleugnet, sondern durch die polyphone Meisterschaft Lassos veredelt und in einen neuen, spirituellen Zusammenhang gestellt.


    Die musikalische Sprache dieser Messe ist geprägt von melodischer Eleganz, kunstvoller Stimmführung und einer durchdachten Balance zwischen Textverständlichkeit und kontrapunktischer Dichte. Besonders eindrucksvoll gelingt Lasso der Übergang vom leichtfüßigen Charakter des Chansons zur Ernsthaftigkeit und Erhabenheit der liturgischen Messe – ein Beweis für seine Fähigkeit, die Grenzen zwischen Weltlichem und Geistlichem kunstvoll zu überschreiten.


    Die "Missa „Entre vous filles“ folgt dem traditionellen Ablauf des lateinischen Ordinariums – Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus et Benedictus, Agnus Dei – und entfaltet dabei eine reiche musikalische Sprache, die durch abwechslungsreiche Stimmführung und subtile Anspielungen auf das zugrunde liegende Chanson geprägt ist.


    Bereits im Kyrie, das in drei Abschnitte gegliedert ist (Kyrie I – Christe – Kyrie II), greift Lasso auf die melodische Substanz der Chanson-Eingangszeile zurück. Der polyphone Satz wirkt dabei zugleich durchsichtig und klangvoll – ein filigranes Spiel aus Linien, das bei aller Struktur stets musikalischen Reiz bewahrt.


    Das Gloria eröffnet Lasso mit feierlicher Homophonie, bevor sich der Satz in freier, aber immer textdienlicher Polyphonie entfaltet. Anklänge an das Chanson sind hier nur noch angedeutet – eher zarte Schatten denn klare Zitate –, und lassen Raum für die Entfaltung des liturgischen Textes.


    Im Credo, dem umfangreichsten Teil der Messe, zeigt sich Lassos Meisterschaft in der musikalischen Bewältigung großer Textmengen. Polyphone Abschnitte wechseln sich mit syllabischen Passagen ab, die für Textverständlichkeit sorgen. Einige rhythmische Wendungen erinnern entfernt an das Chanson, doch treten sie nun stärker in den Hintergrund und lassen das Bekenntnis des Glaubens in seiner ganzen Ernsthaftigkeit hervortreten.


    Mit dem Sanctus und dem folgenden Benedictus betritt die Musik einen festlicheren Raum. Weitausgespannte Melodielinien durchziehen die Stimmen, die sich in kunstvoller Verflechtung begegnen. Besonders das „Hosanna in excelsis“ hebt sich durch rhythmische Lebendigkeit und klangliche Strahlkraft hervor und bildet einen der glanzvollsten Momente der Messe.


    Das abschließende Agnus Dei ist von verdichteter Ausdruckskraft. Während der erste und zweite Abschnitt im dialogischen Wechsel gestaltet sind, schließt das dritte Agnus Dei die Messe in ruhiger Kontemplation – als stilles Gebet und würdevoller Nachklang einer musikalischen Verwandlung, die das Weltliche hinter sich gelassen hat.


    Missa "Entre vous filles" (Track 12 bis 18)

    "Ὁ βίος βραχύς, ἡ δὲ τέχνη μακρή, ὁ δὲ καιρὸς ὀξύς, ἡ δὲ πεῖρα σφαλερή, ἡ δὲ κρίσις χαλεπή." Ἱπποκράτης

  • Orlando di Lasso: Missa „Susanne un jour“


    Ein geistliches Drama in musikalischer Verwandlung



    Unter den zahlreichen Messvertonungen von Orlando di Lasso nimmt die Missa „Susanne un jour“ eine besondere Stellung ein. Sie beruht auf einem bekannten französischen Chanson gleichen Namens, das einstimmig wohl von Didier Lupi Second (* um 1520 – † nach 1559) komponiert wurde, in polyphoner Fassung aber vor allem durch Lassos eigene Bearbeitung weite Verbreitung fand. Dieses Chanson erzählt in ausdrucksstarker Sprache die biblische Geschichte von Susanna im Bade – eine Frau, deren Tugend und Reinheit von zwei lüsternen Alten bedroht wird, die sie schließlich der Untreue bezichtigen. Ihre Rettung erfolgt durch das Eingreifen des Propheten Daniel, der die Wahrheit ans Licht bringt.


    Didier Lupi Second: Chanson "Susanne un jour"


    Orlando di Lasso: Chanson "Susanne un jour"


    Die Geschichte, aus dem alttestamentlichen Buch Daniel stammend, wurde in der Renaissance nicht nur als moralisches Beispiel für Tugend und Gerechtigkeit gelesen, sondern auch als bewegendes psychologisches Drama. Lassos Chansonfassung gehört zu den eindringlichsten musikalischen Ausdeutungen dieses Stoffs – mit starkem Affektgehalt, klarer Textausdeutung und einer dramatischen Steigerung, die ihrer Zeit weit voraus war.


    In der auf dem Chanson basierenden Missa „Susanne un jour“ überträgt Lasso das geistlich-moralische Narrativ nun in den Rahmen des lateinischen Messordinariums – eine Transformation, die nicht bloß formaler Natur ist, sondern tiefer symbolischer Bedeutung. In einer Zeit, in der die Gegenüberstellung von Schuld und Unschuld, Verführung und Standhaftigkeit, göttlichem Gericht und menschlicher Intrige zentrale Themen des geistlichen Denkens waren, fügt sich diese Messe nahtlos in den kulturellen Kontext der Gegenreformation ein.


    Die Musik folgt dem klassischen Verlauf der Messe – Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus et Benedictus, Agnus Dei – und verarbeitet dabei thematisches Material aus dem Chanson in nahezu allen Sätzen. Lasso geht dabei subtil vor: Er übernimmt charakteristische melodische Wendungen, behält den emotionalen Grundton der Vorlage bei und verleiht der Musik zugleich liturgische Würde. Die Messe wirkt auf diese Weise wie ein geistlich abstrahiertes Echo des ursprünglichen Erzählgesangs – frei von konkretem Text, aber durchdrungen von dessen affektiver Kraft.


    Besonders eindrucksvoll ist die Fähigkeit Lassos, zwischen dramatischer Spannung und ruhiger Kontemplation zu wechseln. Die Musik spricht nicht in dogmatischer Strenge, sondern in menschlich nachvollziehbaren Gesten. Die Polyphonie bleibt stets durchhörbar, die Stimmen eng verwoben, aber klar gegliedert – ein idealer Klangraum für geistige Sammlung und andächtige Betrachtung.


    Die Missa „Susanne un jour“ steht damit exemplarisch für Lassos Fähigkeit, weltlich geprägte Formen in geistliche Sphären zu überführen. Sie ist ein Werk, das sowohl emotional berührt als auch theologisch reflektiert – eine Messvertonung, in der die Musik zugleich Anklage, Trost und Gebet ist.


    Orlando di Lasso: Missa "Susanne un jour"

    "Ὁ βίος βραχύς, ἡ δὲ τέχνη μακρή, ὁ δὲ καιρὸς ὀξύς, ἡ δὲ πεῖρα σφαλερή, ἡ δὲ κρίσις χαλεπή." Ἱπποκράτης