Johann Sebastian Bach: Das Weihnachtsoratorium

  • Dieser Tage hörte ich in so einige Aufnahmen des Bach'schen Weihnachtsoratoriums. Aber irgendwie komme ich doch immer wieder auf diesen Klassiker zurück:




    Das fängt bereits in den ersten Taken des berühmten Anfangschores an. Der damalige Thomaskantor Kurt Thomas hat einfach das (für mich) perfekte Tempo (8:51). Klanglich wirklich ausgesprochen gut für 1958. Und die Pauken kommen mal richtig zur Geltung. Das ziehe ich sogar noch der Einspielung von Karl Richter vor. Majestätischer geht das nicht. So muss dieses erhabene Werk erklingen.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Dieser Tage hörte ich in so einige Aufnahmen des Bach'schen Weihnachtsoratoriums. Aber irgendwie komme ich doch immer wieder auf diesen Klassiker zurück:




    Das fängt bereits in den ersten Taken des berühmten Anfangschores an. Der damalige Thomaskantor Kurt Thomas hat einfach das (für mich) perfekte Tempo (8:51). Klanglich wirklich ausgesprochen gut für 1958. Und die Pauken kommen mal richtig zur Geltung. Das ziehe ich sogar noch der Einspielung von Karl Richter vor. Majestätischer geht das nicht. So muss dieses erhabene Werk erklingen.


    Lieber Joseph,


    Besser kann ich auch meinen Eindruck nicht beschreiben, wenn ich den Auftakt zu dieser Aufnahme höre. Dieses Spiel, und vor allem der Chor, gehen wirklich immer wieder - so oft man die Aufnahme auch hören mag - unter die Haut. Das ist wirklich ein Jauchzen und Jubilieren, wie es der Text besagt, und genau dieses von KURT THOMAS gewählte Tempo vermittelt unmittelbar den Eindruck, daß sich hier etwas Bedeutungsvolles vollzieht. Der gut dosierte Gebrauch der Pauken und die starke Akzentuierung des Vortrags durch Orchester und Chor verstärken diese Wirkung. Nicht umsonst ist diese so alte Einspielung auch immer wieder in der ganz engen Wahl, wenn nach der "besten" Aufnahme dieses immer wieder beeindruckenden Werkes gesucht wird.


    Viele Grüße, und schon jetzt besinnliche und friedvolle Weihnachtstage!


    wok

  • Dieser Tage hörte ich in so einige Aufnahmen des Bach'schen Weihnachtsoratoriums. Aber irgendwie komme ich doch immer wieder auf diesen Klassiker zurück:


    Besser kann ich auch meinen Eindruck nicht beschreiben, wenn ich den Auftakt zu dieser Aufnahme höre. Dieses Spiel, und vor allem der Chor, gehen wirklich immer wieder - so oft man die Aufnahme auch hören mag - unter die Haut. Das ist wirklich ein Jauchzen und Jubilieren, wie es der Text besagt,

    Na, das freut mich aber, - dass ich in der Hochschätzung dieser Aufnahme nicht allein bin. Ich kam mir schon ein wenig musikalisch ungebildet vor, weil ich diese Kurt Thomas-Interpretation regelmäßig Jahr für Jahr an Weihnachten höre, seitdem ich mir 1965 die Schallplatten-Kassette kaufte (sie erschien 1959). In keiner anderen Aufnahme, in die sich immer wieder einmal reinhörte, und in keiner Radio-Übertragung, die ich verfolgte, begegnete ich dem Geist des Weihnachtfestes so tief ansprechend, beschwingt sich entfaltend mitreißend wie hier.

  • genau dieses von KURT THOMAS gewählte Tempo vermittelt unmittelbar den Eindruck, daß sich hier etwas Bedeutungsvolles vollzieht. Der gut dosierte Gebrauch der Pauken und die starke Akzentuierung des Vortrags durch Orchester und Chor verstärken diese Wirkung.

    so eine pesante-Musik hätte Bach nicht in einem Dreiachtel-Takt notiert.

  • Ich bin so frei und sage meine Meinung auch dazu - ich kann allen zustimmen, die das WO unter Kurt Thomas wertschätzen, denn ich gehöre ebenfalls dazu. Nur in einem Punkt bin ich nicht dabei, nämlich, dass der Eingangschor zur ersten Kantate in einem adäquaten Tempo gespielt wird. Da bin ich entschieden näher an m-müllers Meinung: Kurt Thomas verschleppt das Tempo, es gemahnt mich eher an ein Trauerkondukt, als an einen Jubelchor. Ansonsten aber völlige Zustimmung - ich habe einige WOs, würde diese aber (neben der unter Richter) auch auf die einsame Insel mitnehmen...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • So,


    Ich höre gerade die in Beitrag 267 ( Seite 9 ) genannte neue Otto Aufnahme. Ob es eine neue Referenz ist mag ich nicht zu beurteilen. Aber sie ist sehr, sehr gut. Flotte Tempi aber nie gehetzt die die gebotene Innigkeit zulassen. Chor, Orchester gefallen mir ohne Abstriche. Sehr gute Textverständlichkeit und hervorragende Aufnahme Qualität.



    Danke für den Tip und guten Rutsch !


    Kalli

  • Aber irgendwie komme ich doch immer wieder auf diesen Klassiker zurück:

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    Lieber Joseph II.,


    mir geht es ganz ähnlich wie Dir, ich habe zuerst am Heiligen Abend obige Aufnahme gehört (allerdings nur die Teile I-III), und anschließend mein weiteres "altes Schlachtroß" herausgeholt, um es mir über die Feiertage zu Gemüte zu führen:


    Der a..... Code B000025U4P ergibt kein eindeutiges Resultat.


    Ich muß gestehen, ich habe nur diese beiden GA, ansonsten einige Auszüge aus diesem Werk. Ich bin damit so zufrieden, daß ich nie das Bedürfnis verspürt habe, mir weitere Aufnahmen zu kaufen. Dabei ist mir bewußt, daß ich bei allen HIP-Freunden damit nicht auf Gegenliebe stoßen werde.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Zitat von nemorino

    Dabei ist mir bewußt, daß ich bei allen HIP-Freunden damit nicht auf Gegenliebe stoßen werde.

    Da hast du allerdings RECHT, alte Zöpfe gehören ab! :untertauch:


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Da hast du allerdings RECHT, alte Zöpfe gehören ab!

    …. und was soll man machen, lieber Fiesco, wenn man die "alten Zöpfe" so schön findet??

    Um nur bei den Sängern zu bleiben: Wo findet man heutzutage auch nur annähernd eine solch illustre Schar, wie sie Kurt Thomas (EMI) und Karl Richter (DGG) vorzuweisen hatten?


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • Zitat von nemorino

    Wo findet man heutzutage auch nur annähernd eine solch illustre Schar, wie sie Kurt Thomas (EMI) und Karl Richter (DGG) vorzuweisen hatten?

    Lieber nemorino, in sehr vielen der neueren Aufnahmen, aber die kennst du ja gar nicht, also kannst du das ja auch gar nicht beurteilen!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Es ist ja nicht so, dass ich nicht auch in andere Aufnahmen des Weihnachtsoratoriums gehört hätte. Wenn mir dann aber schon der Anfang zu verhetzt und/oder leichtgewichtig daherkommt, vergeude ich meine Zeit gar nicht erst weiter. Wenn mir wer eine HIP-Interpretation zeigt, die ähnliche Tempi anschlägt wie Kurt Thomas, bin ich gern bereit, es nochmal damit zu versuchen. Am ehesten kommt dem wohl noch Harnoncourts erste Einspielung von 1972 nahe.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat von musikwanderer

    Kurt Thomas verschleppt das Tempo, es gemahnt mich eher an ein Trauerkondukt, als an einen Jubelchor.

    Ist zwar aus dem Zusammenhang, aber hat mir Freude bereitet!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Dieser Tage hörte ich in so einige Aufnahmen des Bach'schen Weihnachtsoratoriums. Aber irgendwie komme ich doch immer wieder auf diesen Klassiker zurück:




    Das fängt bereits in den ersten Taken des berühmten Anfangschores an. Der damalige Thomaskantor Kurt Thomas hat einfach das (für mich) perfekte Tempo (8:51). Klanglich wirklich ausgesprochen gut für 1958. Und die Pauken kommen mal richtig zur Geltung. Das ziehe ich sogar noch der Einspielung von Karl Richter vor. Majestätischer geht das nicht. So muss dieses erhabene Werk erklingen.

    Vollste Zustimmung! Hier gehe ich mit Joseph II. und einigen anderen, die sich hierzu ebenfalls positiv geäußert haben, absolut konform.

    Möglich, daß sich bei mir seit der Jugendzeit jahrelange Hörgewohnheiten manifestiert und fest eingeprägt haben.

    Ich hatte ja damals auch kaum Vergleichsmöglichkeiten, denn es gab seinerzeit über viele Jahre nur diese LP.


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • in sehr vielen der neueren Aufnahmen, aber die kennst du ja gar nicht, also kannst du das ja auch gar nicht beurteilen!

    Sei da nicht so sicher, lieber Fiesco, ich kenne mehr Aufnahmen, als ich im Bestand habe. Aber keine, die solche "Granaten" als Solisten aufzuweisen hat. Vielleicht sagst Du mir mal ein Quartett von dieser Güte?

    Wenn mir dann aber schon der Anfang zu verhetzt und/oder leichtgewichtig daherkommt, vergeude ich meine Zeit gar nicht erst weiter.

    Lieber Joseph II.,


    das ist auch mein Standpunkt. Sicher gibt es zwischen "zu langsam und verhetzt" etliche Schattierungen, aber für mich muß der Eingangschor feierlich klingen, mit Andacht und Würde. Sonst habe ich den Eindruck, die Ausführenden hätten es eilig, zu ihrem Weihnachtsmenü zu kommen^^!

    Ich verkenne nicht, daß auch der Musikgeschmack gewissen Wandlungen unterworfen ist, aber mich haben die Aufnahmen von Thomas und Richter so geprägt, daß ich keinen Bedarf nach Alternativen habe. Das mag einseitig sein, aber warum soll ich mir HIP-Einspielungen ins Regal stellen, wenn ich schon im voraus weiß, daß ich nächstes Jahr wieder zu meinen "alten Freunden" greifen werde ….

    Und für meine Begriffe kann weder bei Thomas noch bei Richter von "verschleppen" die Rede sein. Sie bringen gleich zu Beginn die feierliche Note ins Spiel, die mir am meisten zusagt.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Ihr lieben so kommen wir hier eh nicht weiter, ihr könnt hören was ihr wollt und ich höre was mir gefällt, allerdings kein Thomas, und schon gar kein FiDi! Sorry!!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Was ist nicht verstehe, ist, warum die eigene Vorliebe für einen bestimmten Aufführungsstil mit so harscher und - wie ich finde - überzogener Kritik an dem, was andere schätzen, verbunden werden muss. Ich weiß mich in dieser Diskussion mit Joseph, nemorino und chrissy einig. Von Haus aus neugierig, habe ich alle "Weihnachtsoratorien" gehört, deren ich habhaft werden konnte. Und das sind bekanntlich sehr viele. Mit dem Ergebnis, dass ich auch immer wieder auf die alten Einspielungen zurückfinde. Die HIP-Produktionen kommen mir zu vegan vor, um es salopp auszudrücken. Ich vermisse das Fleisch, die Pracht und die Herrlichkeit. Die entdeckte ich dieser Tage auch in der Aufnahme von Fritz Werner bei Erato. Ein Dirigent, der meine ganze Hochachtung verdient.


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich merke immer mehr in vielem bin ich hier im Forum völlig fehl am Platz! :(

    Das ist das gleiche in Grün wie bei Regietheater, also werde ich mich auch hier jetzt raushalten! 8)


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Ich merke immer mehr in vielem bin ich hier im Forum völlig fehl am Platz! :(

    Das ist das gleiche in Grün wie bei Regietheater, also werde ich mich auch hier jetzt raushalten! 8)


    LG Fiesco

    Nein, lieber Fiesco, das bist Du ganz sicher nicht und bei mir schon gar nicht!

    Man muß nur akzeptieren, daß andere eine andere Ansicht und andere Hörgewohnheiten haben,

    auch wenn diese zum eigenen Geschmack völlig konträr sind.

    Erinnerst Du Dich? Wir hatten mal eine Meinungsverschiedenheit über Countertenöre. Ich hatte damals ziemlich brutal geäußert -

    für mich ist das das Allerletzte. Du dagegen hast wohl eine Vorliebe für diese Stimmen. Wir haben unsere gegenteiligen Meinungen

    und Ansichten friedlich akzeptiert und alles war wieder gut und in Ordnung. So soll und muß es grundsätzlich sein


    In diesem Sinne - herzliche Grüße

    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Ich merke immer mehr in vielem bin ich hier im Forum völlig fehl am Platz! :(

    Das ist das gleiche in Grün wie bei Regietheater, also werde ich mich auch hier jetzt raushalten! 8)


    LG Fiesco

    Aber das ist hier - wie dort- der falsche Weg. Nimm´s mir nicht übel, lieber Fiesco, wenn ich das in dieser Deutlichkeit sage.


    Wäre es nicht besser, sich einmal argumentativ auf die Frage einzulassen, was eigentlich - ganz sachlich betrachtet - für die Wahl der so ausgeprägt flotten Tempi spricht, in der die HIP-Versionen des Weihnachtsoratoriums daherkommen und - wie ich finde - so eminent deplaziert und regelrecht verstörend, die musikalische Aussage verfehlend wirken.


    Sind sie diesem Werk wirklich angemessen? Welche sachlichen Gründe sprechen dafür, sie zur interpretatorischen Grundlage zu machen?

    Ja, ich weiß: Angeblich soll Bach sie selbst gewählt haben. Wer aber kann das mit Sicherheit belegen?

    Wenn man das Tempo beim Eingangs-Part zu schnell wählt, kommt der im zugrunde liegenden Text imperativisch-appellative, und sich im Quart- und Terzfall der Melodik ausdrückende und von nachfolgenden Pausen in seinem Gehalt unterstrichene Gestus der Musik nicht wirklich zur Geltung.


    Es ist ja doch eine tief innerliche, religiös motivierte und darin höchst bedeutsame Freude, zu der hier in dem "Jauchzet, frohlocket" aufgerufen wird. Das muss Wirkung entfalten können, und deshalb hat Bach hier eineinhalbtaktige Pausen mit eingelagerter Orchester-Bekräftigung dieser appellativen Aufforderung vorgesehen.

    Die heutigen HIP-Interpretationen hüpfen in ihrem immensen Tempo, das sie vorlegen, wie völlig gedankenlos darüber hinweg.

    Ich finde: Sie sind leer vom religiösen Gehalt der Bachschen Musik.


    Aber das wäre zu diskutieren, - wie bei den Regietheater-Operninszenierungen.

    Nur keiner lässt sich hier wirklich in sachbezogen-detaillierter Weise darauf ein.

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  • ihr könnt hören was ihr wollt und ich höre was mir gefällt, allerdings kein Thomas, und schon gar kein FiDi!

    Lieber Fiesco,


    ehrlich gesagt, ich verstehe Deine Aufregung nicht, obwohl ich mir die größte Mühe gebe. Kein Mensch will Dir doch vorschreiben, was Du hören oder nicht hören sollst, ich (und einige andere) haben nur unsere gegenteiligen Geschmäcker genannt, wofür soll sonst ein Forum gut sein?

    Und ich habe Dich freundlich gebeten, mir ein Sängerteam zu nennen, das es mit denen von Karl Richter und Kurt Thomas aufnehmen kann. Statt so aufgeregt zu reagieren, wäre eine Antwort darauf doch wesentlich konstruktiver gewesen. Dann könnte man die einzelnen Stimmen gegeneinander vergleichen und Vor- und Nachteile diskutieren.

    Das ist das gleiche in Grün wie bei Regietheater, also werde ich mich auch hier jetzt raushalten!

    Die RT-Debatten sind weitgehend nicht mein Feld, das überlasse ich gerne anderen, auch wenn ich hin und wieder zu einer bestimmten Sache meine Meinung sage. Doch ich schaue da nicht immer, aber doch öfter rein und lese dann mit, aber wie Du unsere Unterhaltung damit vergleichen kannst, ist mir ein Rätsel. Ich habe mir die einzelnen Beiträge hier soeben noch einmal angesehen, ich kann beim besten Willen nirgends einen Angriff oder eine persönliche Beleidigung finden, von keiner Seite! Umso unverständlicher ist mir Deine Reaktion.

    Natürlich kann Dich niemand zwingen, Dich hier ab sofort rauszuhalten, aber der Grund dafür leuchtet mir nicht ein. Ich fände es jedenfalls schade, wenn aus einem sachlichen Austausch verschiedener Ansichten nun ein Streit oder gar Zerwürfnis entstände.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber Helmut

    Das hast Du alles sehr treffend gesagt und trifft auf meine volle Zustimmung.

    Auch bei meinen heimatlichen Konzerten, bei denen ich ja sehr oft live dabei war, wird der Eingangschor immer gefühlvoll,

    aber nie zu schnell vorgetragen und trifft somit, nach m. M., den feierlichen religiösen Charakter und die Aussage dieser Musik.


    Herzliche Grüße

    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Ich gehe ja selten mit Fiesco konform, aber in diesem Fall muss ich ihn unterstützen (bis auf den Vergleich mit dem RT). Dabei geht es nicht so sehr um den Geschmack, der kann ja wirklich verschieden sein. Aber die preisenden Worte der alten Aufnahmen und die abwertenden der neuen sind nicht auf dem Stand. So wie Richter, Thomas und viele andere spielt heute niemand mehr das WO, selbst in den Kirchen der Vorstädte versucht man ein Orchester zu finden, das auf alten Instrumenten spielt. Ich habe viel Bach gesungen, ich denke, dass das auch für Fiesco zutrifft. Die neue Leichtigkeit, Bach aufzuführen, ist die neue Spiritualität. Und schwer und bedeutungsvoll zu spielen und zu singen, ist nicht von sich aus die religiösere Variante, sondern die sentimentalere. Die Sänger: die vielen jungen Sänger sind der Leichtigkeit der Bachschen Musik besser gewachsen, weil sie das so studiert haben. Zwei Sänger als Beispiel: Fischer-Dieskau singt Bach mit religiösem Overdrive. Er übertreibt und interpretiert wie immer, was er nicht braucht, weil Bach die Emotionen und Gefühle schon komponiert hat. Anderes Beispiel: in der alten Ralf-Otto-Aufnahme gibt es eine Sopranarie: "Spricht der Höchste nur ein Wort" (ich glaube, 5. Kantate). Ich kenne keine bessere Sängerin als Ruth Ziesak, die diese Arie mit einer Kraft und einer Leichtigkeit singt, die sie zur Referenz macht.

    Das Hauptproblem bei den alten Aufnahmen ist aber häufig das Orchester (zu hart, zu groß) und der Chor (zu groß, zu dilettantisch). Die letzten Jahre haben gezeigt, dass gute Chorsänger in den großen Chören kaum mehr zu finden sind, sie singen in Kammerchören oder Vokalensembles.

    Dort ist es streng verpönt, den Bach wie früher zu singen.


    Nachwort: der Musikkritiker der SZ hat für übertriebene Interpretationsansätze, die sich allerdings nicht auf Bach bezogen (das mache ich jetzt)

    von Musik mit Glutamat, also von Musik mit Geschmacksverstärkern, gesprochen.

    Der Eingangschor sollte eben nicht religiös und gefühlsschwanger ausgeführt werden, sondern lebhaftig, um nicht zu sagen, fetzig. Das Original ist aus der Kantate "Herkules am Scheidewege" und heißt dort "Tönet, ihr Pauken". Einige Dirigenten über nehmen diesen Text für den ersten Teil des ersten Chores.

    Canada is the US running by the Swiss (Richard Ford)

  • bei Kirnberger (Die Kunst des reinen Satzes, 2,1, S.130) liest man:


    "Der Dreyachteltakt hat die lebhafte Bewegung des Passepieds; er wird leicht, aber nicht ganz tändelnd vorgetragen."

  • Die heutigen HIP-Interpretationen hüpfen in ihrem immensen Tempo, das sie vorlegen, wie völlig gedankenlos darüber hinweg.

    Ich finde: Sie sind leer vom religiösen Gehalt der Bachschen Musik.

    Dieser Satz ist voll von übertriebenen und nicht belegten Sätzen. Das Tempo ist nicht immens, das war am Anfang so unter Harnoncourt, davon ist man lange ab. Gedankenlos: Herreweghe, Ralf Otto und Gardiner gedankenlos? Das ist grotesk, Gardiner hat ein Buch über die Bachkantaten geschrieben.

    Was wissen wir denn vom wahren religiösen Gehalt der Bachschen Musik?

    Deshalb würde ich so formulieren: die alten Aufnahmen mit ihren zu großen Orchestern, die hart klingen, mit ihren zu großen und dilettantischen Chören und den wie Opernsänger agierenden Solisten sind leer vom religiösen Geist der Musik.

    Noch eine Bemerkung: zumindest die ersten drei Kantaten sind komplette Übernahmen (sog.Parodien) der Kantate "Herkules am Scheidewege". Das Hauptthema dort ist Liebe, Erotik und Streit. Musikalisch ist also der religiöse Gehalt dort nicht von vorneherein vorhanden.

    Als Sänger muss ich dies sagen: ich habe in meiner Jugend viel Bach in großen Chören gesungen, danach in kleineren Chören. Nicht für Geld und gute Worte würde ich noch mal in einem großen Chor mitwirken. Das Hauptproblem beim Singen von Bach ist übrigens nicht das Tempo, sondern die Koloraturen und die ständigen Höhen und Sprünge. Schütz und Händel komponierten viel choraffiner, Bach schreibt im Grunde auch bei den Singstimmen wie für Streicher.

    Canada is the US running by the Swiss (Richard Ford)

  • Das Hauptproblem beim Singen von Bach ist übrigens nicht das Tempo, sondern die Koloraturen und die ständigen Höhen und Sprünge. Schütz und Händel komponierten viel choraffiner, Bach schreibt im Grunde auch bei den Singstimmen wie für Streicher.

    Um mal auf die Solisten zu kommen, ich meine, hier ist wohl in der alten Thomas Aufnahme Josef Traxel mit seiner Arie

    "Frohe Hirten..." kaum zu toppen!

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Ach,


    Jedem das seine - ich sehe ja auch das leichtere, tänzerische - gerade beim " Jauchzet frohlocket " als passender an. Deshalb mag ich neuere Aufnahmen lieber. Aber mir gefällt auch Richter gut - wenn ich es festlich mag. Aber Thomas fand ich als einzige Aufnahme für mich schlecht - ich betone für mich ! Und genau deswegen würde ich es nie kritisieren wenn jemand genau diese Aufnahme besonders gut findet. Bach ist dafür zu groß. Schade, dass niemand die neuere Otto Aufnahme kommentiert, da hätten mich fachkundige Rezensionen schon interessiert.


    Guten Rutsch !


    Kalli

  • Soso, du bist also der Ansicht, dass Bach seine geistlichen Werke, also incl. WO, geschrieben hat, um "Gefühle" der Hörer zu befriedigen, incl. deren Ansichten über "feierlich, religiösen Charakter". Vielleicht sollte man sich, bevor man schreibt, in der Fachliteratur über die geistigen Grundlagen Bachs informieren. Davon gibt es genügend:

    - Dürr: die Kantaten JS Bachs (2 Bände)

    - Wolff/Koopman: die Welt der Bachkantaten (3 Bände)

    - Petzold (ein luth. Theologe): die geistlichen Kantaten Bachs (2 Bände).

    - uvam.

    Bach war Lutheraner, Anhänger der Orthodoxie, wie das deutlich seine geschriebenen Einträge in der Calovbibel zeigen. Kleiner Hinweis: jede Kantate Bachs beginnt mit "JJ" = Jesu juva = Jesu hilf, und endet mit "SDG" = soli Deo Gloria = allein Gott die Ehre! Klartext: diese Werke hat Bach Gott gewidmet und eben nicht einer Zuhörermasse und ihrer "Gefühle". Hilfreich ist auch, die Ansichten Luthers über das Wesen/Ziel der Musik zu kennen.

    Abgesehen davon hat Bach in seinem "Arbeitsvertrag" mit der Stadt Leipzig unterschrieben (neben der Konkordienformel), sich jeglicher "opernhafter" Züge in seiner Kirchenmusik zu enthalten. Klartext: die kitschigen Gefühle von Hörern haben da nichts zu suchen.

    Und genau das hat Bach vollendet hinterlassen!!

  • 3/8-Takt und originaler Text "Tönet, ihr Pauken..." gibt doch eigentlich schon ohne viel zusätzliche Theorie einen guten Ansatz. Man spreche sich den Text (egal ob Tönet oder Jauchzet) mal in "normaler" Sprechgeschwindigkeit mit gewissem Aufforderungscharakter vor. Dann höre man mal ein paar instrumentale Menuette oder Passepieds (eher schneller als Menuett). Da kommt man ziemlich schnell an ein sehr zügiges Tempo, in dem die 32tel als Girlanden noch gerade so artikulierbar sind und der tänzerische 3/8-Rhythmus dominiert. Feierlich im üblichen Sinne von "ernst, getragen etc." ist weder der Text noch der musikalische Affekt dieses Anfangs.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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