Gustavo Dudamel: Ihm gehört die Zukunft

  • Hat jetzt eigentlich mal jemand seine Mahler 5 gehört oder kann auf eine Rezension verweisen?



    würde ich glatt kaufen, wenn ich einen positiven Anschubser bekomme.

  • Ich habe den Mahler gehört - kann aber keinen Kaufanschubser geben. Dem Orchester hört man die Mühe an, mit den Noten zurecht zu kommen, und Dudamel kann furiose Höhepunkte bauen, bleibt sonst jedoch sehr kleinteilig und ziemlich beliebig. Aber von einem so jungen Dirigenten an der Spitze eines relativ unerfahrenen Orchesters einen Parade-Mahler zu erwarten, der mit den Leistungen eines Bernstein, Boulez, Horenstein etc. mithalten kann, ist vielleicht einfach zu hoch gegriffen.
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von ThomasBernhard
    Hat jetzt eigentlich mal jemand seine Mahler 5 gehört oder kann auf eine Rezension verweisen?


    In der FAZ vom 18.8.2007 schrieb Christiane Tewinkel eine Rezension über diese Aufnahme, die Spaltenüberschrift lautete "Galionsfigur". Vielleicht hat hier jemand ein Online-Abo und kann recherchieren.

  • Ich habe die Rezension ist, soweit ich mich erinnere nicht sehr positiv ausgefallen- ich muss sehen, ob ich die Ausgabe noch irgendwo habe. Im aktuellen FF ist ebenfalls eine Besprechung- und die kommt einem Verriss sehr nahe. Persönlich denke ich:


    Edwin hat recht, wenn er schreibt:


    Zitat


    Ich habe den Mahler gehört - kann aber keinen Kaufanschubser geben. Dem Orchester hört man die Mühe an, mit den Noten zurecht zu kommen, und Dudamel kann furiose Höhepunkte bauen, bleibt sonst jedoch sehr kleinteilig und ziemlich beliebig. Aber von einem so jungen Dirigenten an der Spitze eines relativ unerfahrenen Orchesters einen Parade-Mahler zu erwarten, der mit den Leistungen eines Bernstein, Boulez, Horenstein etc. mithalten kann, ist vielleicht einfach zu hoch gegriffen.


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Eine kurze Korrektur:


    Ich habe die Rezension gerade noch einmal abgerufen: Dudamel wird eine hervorragende Leistung bescheinigt. Nur einen Stich "Abendland und Weltschmerz" könne seine Interpretion vertragen. Offenbar hatte ich vorhin zwei Besprechungen verwechselt.


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Am 28.8. gaben Gustavo Dudamel und das S. Bolivar Youth Orchestra ein Konzert in der Alten Oper Frankfurt, u. a. stand die Eroica auf dem Programm. Leider(?) konnte ich mir keinen persönlichen Eindruck verschaffen. Die tags darauf in der FAZ erschienene Besprechung (J. Spinola) war allerdings vernichtend.


    Aus der Erinnerung in Kürze: Sehr ausgelassenes Spiel. Nach jedem Satz tosender Beifall. Nach der Pause Auftritt des Orchesters in den Nationaltrikots. Vor allem die Eroica blieb in nahezu allen musikalischen Belangen auf der Strecke. Details wurden ohne Rücksicht auf den Gesamtbau feurig ausgespielt. Orchestermusiker bar jeder Kenntnis von musikalischen Zusammenhängen. Niedergang des Abendlandes. Spinolas Fazit: Wenn der gigantische Aufwand, der derzeit in Venezuela betrieben wird, nichts anderes hervorzubringen vermag, als eine solche ohne tieferes Verständnis für die Sache drauflos spielende Samba-Combo, dann gute Nacht.


    Hat jemand das Konzert besucht und kann berichten?


    Loge

  • Im neuen Fono-Forum wird die Mahler-CD von Götz Thieme in Grund und Boden verrissen: Dudamel gebe dem ersten Satz etwas Schunkelndes, der zweite und dritte Satz wirken übereilt, "Von Welt, lLebe, Geist Natur keine Spur"

  • Ich finde wir sollten solche Leute wie Dudamel nicht fördern, indem wir ihnen allzuvviel Aufmerksamkeit im Forum schenken, denn sonst ist es gut möglich, daß in Zukunft die "Klassikszene" in eine "Popszene " verwandelt wird.


    Es sollte mich schon sehr wundern, wenn grade ein "Jugendorchester" - noch dazu eines aus Lateinamerike - zur Spitzenklasse zählen würde.


    Aber genau das wird man uns einzureden versuchen - und eine CD nach der anderen wird produziert werden. Die Leute werden zwischen den Sätzen applaudieren, der "Maestro" wird Grimassen schneiden und herumhüpfen - und man wird "die Befreiung der Klassik feiern"


    Wehret den Anfängen - und schweigt ihn tot


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Ähem... das European Community Youth Orchestra, das Bundesjugendorchester oder Leonard Bernstein sind Dir schon ein Begriff? ;-)


  • Vollste Zustimmung! :jubel:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Zitat

    European Community Youth Orchestra, das Bundesjugendorchester


    Schon wenn ich das Wort "European Community" lese wird mir übel. - und natürlich habe ich keine CDs mit den beiden genannten Orchestern - irgendwie assoziere ich "Olla Podrida" damit .......sorry


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich bin schockiert über herablassende Töne über Musiker aus Asien oder Südamerika und über Jugendorchester, wenn man sie noch gar nicht gehört hat. Das passt nicht recht zum hohen Anspruch eines niveauvollen Klassikforums.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Das passt für meine Begriffe weder innerhalb noch außerhalb eines niveauvollen Klassikforums, und zwar ungeachtet dessen, ob man den betreffenden Künstler gehört hat oder nicht.


    :faint:


    Loge

  • Zum Unterschied von einigen hier, die den Stab sehr schnell über Dudamel brechen, habe ich ihn live erlebt. Und zwar am 18. Mai 2007 am Pult der Wiener Symphoniker, die kein südamerikanisches Jugendorchester sind und durchaus nicht jeden X-Beliebigen einladen. Das Programm:
    Claude Debussy: Prélude à l’aprés-midi d’un faune
    Francis Poulenc: Konzert für zwei Klaviere und Orchestre (mit den Labèques)
    Igor Strawinski: Le Sacre du Printemps


    Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich bin nicht restlos begeistert, aber ungeachtet dessen: Dieser Dudamel ist eine unerhörte Begabung.
    Natürlich dirigiert er exzessiv, für meinen Geschmack auch zu nur-impulsiv, wodurch der großräumige Aufbau der Werke nicht ganz gelingt. Und natürlich tendiert Dudamel zu den Übertreibungen in punkto Tempo, Lautstärke und Rauhigkeit, die heute fast etwas wie eine Modeerscheinung sind. Kurz: Er führt sich ein wenig zu sehr als "junger Wilder" auf.


    Dennoch waren da auch sehr fein abgestimmte Farben bei Debussy und bei Poulenc eine derart bezwingende Frische, daß ich zumindest diese beiden Programmpunkte insgesamt durchaus erfreulich fand.


    Eine andere Frage ist, ob wir auf einen Dudamel-Hype zusteuern, dieser Dirigent also mittels Vermarktungsstrategie auf eine Persönlichkeit und einen Stil festgelegt wird, ehe er eine Chance bekommt, sich zu entwickeln. Diese Gefahr sehe ich sehr wohl. Ich halte es aber für unfair, es Dudamel anzulasten und die Mechanismen, die dazu führen, zu mißachten.


    Etwas Anderes ist für mich die Frage, wie die DG auf die kuriose Idee kommt, ein mittelklassiges südamerikanisches Jugendorchester mit Mahler unter Vertrag zu nehmen. Meiner Meinung nach ist das eine Frage des Geldes. Dieses Orchester ist sicher relativ preisgünstig, und man bekommt sehr früh den "Shooting Star" mit seiner Spielwiese, ohne daß es durch europäische Spitzenorchester allzu sehr ins Geld ginge. Das Schielen auf die Entdeckerlust der Käufer mag dabei auch eine gewisse Rolle spielen.


    Dudamel programmatisch totschweigen, nur weil er jung ist, scheint mir in einem Forum, das sich nach einer Opernfigur eines Komponisten benennt, dessen Kindheitswerke von manchen Forumsmitgliedern bewundert werden, etwas fehl am Platz.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Dudamel programmatisch totschweigen, nur weil er jung ist, scheint mir in einem Forum, das sich nach einer Opernfigur eines Komponisten benennt, dessen Kindheitswerke von manchen Forumsmitgliedern bewundert werden, etwas fehl am Platz.


    :D


    Lieber Edwin,


    Willst Du damit die Möglichkeit nicht ausschließen, daß Dudamel auch ein Genie ist? Oder daß es in jenem Jugendorchester eines geben könnte?


    LG, Paul

  • Dudamel habe ich bisher nur einmal gehört- anlässlich des Geburtstagskonzerts für Papst Benedikt. Gut seine Körpersprache, seine "Mätzchen" mögen einem gefallen oder nicht, aber seine Leistung als Dirigent fand ich ansprechend. Und er ist ja auch erst- wie alt? Siebenundzwanzig? Die Gefahr besteht freilich, dass er frühzeitig verheizt wird, aber da wäre er der erste nicht. Und seine Qualitäten als Musiker haben ja auch nichts damit zu tun, welche Orchester er dirigiert. Gut, er polarisiert offenbar wie die Besprechungen seiner letzten CD zeigen: Ein kapitaler Verriss im FF- eine gute Besprechung in der FAZ.
    Warten wir ab, wie sich seine Karriere entwickelt.



    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Jugendarbeit im Klassikbereich ist extrem wichtig, denn schließlich werden hier nicht nur die Profis von morgen herangezüchtet, sondern auch das Publikum von morgen.


    Ich finde es schade, wenn auf ein Jugendorchester herablassend geschaut wird.
    Im Falle des Simon Bolivar-Jugendorchester muß man wirklich von einem Wunder sprechen, das weit über die klassische Musik hinausreicht.


    In Venezuela ist es gelungen, große Teile der Jugendlichen von der Straße wegzuholen mit einem gigantischen klassischen Musikausbildungsprogramm..


    Dies dürfte auf der Welt ziemlich einzigartig sein und das Venezuelanische Jugendorchester ist in seiner künstlerischen Klasse einzigartig und ein Wunder.


    Ok, ich habe jetzt das Wort "Wunder" etwas überstrapaziert und allgemeingültige Interpretationen sind natürlich von diesem Jugend- Orchester nicht zu erwarten.


    Aber ich sehe das Eintreten von der DG auch als Unterstützung für das venezuelanische Musikausbildungsprogramm, denn der Enthusiasmus und das Können dieser jungen Instrumentalisten wird auch seine Wirkung auf unsere Jugend nicht verfehlen-hoffe ich wenigstens.


    Es handelt sich jedenfalls nicht um ein "mittelmäßiges" Jugendorchester sondern um ein jugendliches Spitzenensemble, welches man, auch wenn ihre Interpretationen nicht an die Wiener Philharmoniker heranreichen, mit Respekt behandeln sollte.


    Dudamels neuen Job in Los Angeles sehe ich mit etwas Sorge.
    Hoffentlich klappt das, denn ich bin der Meinung, daß ein solcher prestigeträchtiger Posten zu früh für ihn ist.
    Es wäre schade, wenn er verheizt würde, denn, da bin ich mit Edwin einer Meinung, er ist eine unerhörte Begabung.


    Zur Jugendarbeit:
    Egal, ob es sich um ein Jugendorchester wie das Bundesjugendorchester-welches auch hervorragend ist- ein Kinderkonzert, ein Studentenorchester etc. handelt:
    Dies alles ist extrem wichtig, damit die klassische Musik auch weiterhin ihre Zuhörer findet.


    All das sind Pflänzchen, die man sehr, sehr sorgsam pflegen muß, sonst sägt man als Liebhaber klassischer Musik an dem Ast, auf dem man sitzt.


    :hello:
    Michael

  • Zitat

    Original von Michael Schlechtriem
    Aber ich sehe das Eintreten von der DG auch als Unterstützung für das venezuelanische Musikausbildungsprogramm


    Ein sehr guter Punkt.


    Loge

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  • Lieber Melot,

    Zitat

    Ich bin schockiert über herablassende Töne über Musiker aus Asien oder Südamerika und über Jugendorchester


    Lieber Loge,

    Zitat

    Das passt für meine Begriffe weder innerhalb noch außerhalb eines niveauvollen Klassikforums, und zwar ungeachtet dessen, ob man den betreffenden Künstler gehört hat oder nicht


    Ich schließe mich eurem Protest an.


    Lieber Alfred,

    Zitat

    Schon wenn ich das Wort "European Community" lese wird mir übel.


    bitte nicht das European Community Youth Orchestra oder das Bundesjugendorchester beleidigen.
    Es ist eine ganz besondere Ehre für jeden jungen Musiker, dort mitspielen zu dürfen.
    Und jeder, der dort mitspielen darf, ist ein sehr großes Talent auf seinem Instrument.
    Ich hatte noch niemals das Bedürfnis und werde es auch niemals haben, ähnlich über österreichische Jugendorchester zu schreiben.
    Das am Rande.


    LG,
    Michael

  • Zitat

    Original von musicophil


    :D


    Willst Du damit die Möglichkeit nicht ausschließen, daß Dudamel auch ein Genie ist? Oder daß es in jenem Jugendorchester eines geben könnte?


    Lieber Paul,
    so ist es.
    Ich bin bei einigen dieser relativ jungen Dirigenten doch lieber einmal vorsichtig, ehe ich den Stab über sie breche.
    Außerdem: So wahnsinnig jung ist Dudamel nur in Relation zu einign Stationen seiner Karriere: Also mit 18 Chefdirigent des Bolivar-Jugendorchesters, und wenn er 2009 Los Angeles übernimmt, ist er 28. Ein paar Vergleiche: Bernstein war 25, als er Assistant Conductor der New York Philharmonic wurde, Welser-Möst übernahm mit 30 das London Philharmonic, Karajan war mit 27 GMD in Aachen, Haitink übernahm mit 30 das Concertgebouw, Rattle war 25, als er Birmingham bekam.


    Der Unterschied ist nur, daß die Tonträgerindustrie heute nach Shooting stars giert und möglichst junge Talente aufspürt, um den Marktwert zu testen - und wenn's nicht klappt, kommt eben der nächste Shooting star dran. Deshalb wird Dudamel auf den ganz jungen Sonnyboy zurecht gemacht - es wird suggeriert, daß da ein ganz junger Kerl aus dem Bauch heraus dirigiert. Und das ist ein wenig mein Problem: Er dirigiert über weite Strecken wirklich so - sollte aber altersmäßig bereits überlegter handeln.


    Soll heißen: So jung ist er nicht mehr, daß er so dirigieren kann, wie er dirigiert. Aber ich halte es durchaus für möglich, daß er einer der großen Stars wird.


    Auf keinen Fall sehe ich einen Grund, ihn systematisch totzuschweigen.


    :hello:

    ...

  • Hallo.


    Ich denke, dass Dudamel quasi prototypisch für eine Aussage wie "klassische Musik kann doch Spaß machen" herhalten muss. Und wenn ich mir seine Auftritte im Fernsehen (ich habe ihn live noch nicht erlebt) anschaue, so muss ich sagen, dass er dieses Image bestens bedient.
    Die Aufmerksamkeit, die so für klassische Musik geweckt wird, ist gewiss gut. Ob sie der Musik oder eben nur Dudamel nutzt und inwieweit es tragfähig ist, hier vor allem den Spaß-Faktor zu betonen, steht auf einem anderen Blatt. Insofern bin ich da zwiespältig. Ergibt sich die Gelegenheit, würde ich mir aber schon von dem Dirigenten Dudamel live ein Bild machen wollen; er wird ja mal nach Berlin kommen.


    :hello:


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Nachdem ich Dudamel vor kurzem erstmalig bei der TV-Uebertragung eines Konzertes bei den Londoner Proms erlebte, habe ich die Beiträge dieses Threads mit grossem Interesse gelesen - zugegeben diejenigen Alfreds mit grosser Verwunderung und einiger Kritik an seinen Äusserungen.


    Zunächst einmal etwas zu seiner kritischen Haltung gegenueber "Jugendorchestern". Vor sehr vielen Jahren, als diese Orchester noch nicht so en vogue waren wie heute, hörte ich einmal ein deutsches Jugendorchester (welches, weiss ich nicht mehr) mit einem Wagner-Programm unter Hans Wallat und den Solisten Nilsson und Nimsgern. Meine anfängliche Skepsis (von Alfreds Vorurteil war ich gar nicht so weit entfernt) verflog, als ich sah und hörte, mit welchem Engagement und mit welcher Qualität diese jungen Leute sich ins Zeug legten und sich damit von einigen quasi verbeamteten Musikern abhoben, deren Haltung oftmals nichts anderes ausdrueckte als :"Alter, nun motiviere mich mal!". Heute gibt es jede Menge Jugendorchester auf einem hohen Niveau, dass sich z.B. Dirigenten wie Claudio Abbado gluecklich schätzen, mit den Kollegen von morgen zu arbeiten.


    Auf der Suche nach einem kleinen von mir akzeptierten Ansatz in Alfreds Beiträgen stiess ich auf seine Angst, die Klassikszene könnte sich zur Popszene wandeln, wie sie ja auch in manchen Beiträgen zum Netrebko-Thread durchscheint. Meine Antwort : Solange Kuenstler wie Netrebko und auch Dudamel am Abend Seriös-Professionelles abliefern, kann mir die Art der Vermarktung egal sein.


    Dudamel als Spass-Dirigenten zu bezeichnen, scheint mir gar nicht mal so abwegig zu sein; war dies nicht ein Etikett, das auch einem Bernstein oft angeheftet wurde? Jedenfalls hatte ich Spass, einem Dudamel bei seinem Londoner Konzert zuzuschauen, der offenbar auch Spass am Dirigieren zu haben schien. Typisch fuer die Proms das Prorgamm : im ersten Teil Shostakovichs Zehnte, im zweiten Teil Musik z.T. aus Lateinamerika und in einem Stil, der der Popszene gefährlich nahe kam, nämlich den Sinfonischen Tänzen aus Bernsteins West Side Story.


    Ob Dudamel das ganze Programm nun auswendig dirigierte, ist mir egal. Ich unterstelle einmal, dass er Noten lesen kann. Wie er aber mit einer an Kleiber Sohn erinnernden Leichtigkeit den Taktstock fuehrte und damit seine Intentionen an das Orchester uebertrug, fand ich faszinierend und ueberzeigend. Natuerlich werde ich mich hueten, von DSch auf das Mainstream-Repertoire zu schliessen, aber : Seit wann ist Mainstream ein Vorwurf? Schliesslich macht sich Dudamel das Leben schwerer, wenn er sich mit diesen Werken einfuehrt, in dem die Vergleichsmöglichkeiten auf der Strasse liegen. Ich werde jedenfalls versuchen, im Internet an die Uebertragungen seiner Konzerte heranzukommen.


    Unterstreichen wuerde ich auf jeden Fall die kritischen Einwände Edwins gegen Dudamels Vermarktung durch die DG, nicht jedoch gegen sein Engagement bei den LA Philharmonikern. Ist er gut, wird er sich durchsetzen, besonders als einer, der auf Salonen nachfolgt.


    Die Tamino eigenen Threadtitel verfuehren zu Polarisierung und Polemisierung; dadurch "verkauft" sich ein Forum besser. Ich denke, Alfred hat zuviel Ahnung von Musik, als dass ich in seinen Dudamel-Beiträgen etwas anderes als gewollte Anheizung eines Threads sehen könnte. Oder sollte ich mich irren?


    Nichts fuer ungut, Alfred.


    Schöne Gruesse von einem, aus dessen Land ein ebenfalls blutjunger Dirigent (Mikko Franck) kommt.


    Mikko

  • Gustavo Dudamel wird im Juni die Berliner Philharmoniker bei deren diesjährigem Waldbühnen-Konzert dirigieren. Was nicht sonderlich überrascht, unterstützen die Berliner doch das Orchester Simon Bolivar und damit auch den jungen Dirigenten. Auf dem Programm stehen Werke u.a. von Villa-Lobos, Revueltas, Chavez und Marquez. Ein Repertoire also, was Dudamel liegen dürfte und was ich mir auch als CD gewünscht hätte anstelle der beispielsweise weiter oben erwähnten Beethoven-Einspielung. Mit welcher Verve, aber auch großem Verstand Dudamel bei dieser Musik vorgeht, ist - Mikko erwähnte es - unter anderem bei der Londoner Prom-Night zu begutachten gewesen. (Bei YouTube zu finden...)


    Ich prognostiziere ihm eine verheißungsvolle Zukunft. Und das nicht nur dank des Marketing-Tickets der DGG, auf dem er nunmehr fahren kann, sondern aufgrund seiner außerordentlichen Begabung. Den Vorwurf, er stamme aus Südamerika und verfüge nicht über den angemssenen klassischen Stallgeruch, halte ich auch für absurd. Anders herum wird ein Schuh daraus: Wo bleiben die Fördermöglichkeiten und Ideen mit Perspektive, die jungen Leuten hierzulande solche musikalischen Wege ebnen? Meinetwegen kann der nächste Hoffnungsträger aus dem Packeis kommen: Hauptsache, er fasziniert und begeistert mich mit einer erfrischenden und authentischen Art, die Fackel der Musik weiter zu tragen.


    Ich werde im Juni in Berlin dabei sein, hoffe auf angenehmes Wetter und würde gerne einmal auf Paul Lincke verzichten, glaube aber nicht, dass das klappt...


    LG
    B.

  • Im Mai erscheint bei DG eine CD unter dem Titel Fiesta mit seinem Jugendorchester:




    Hier die Infos laut JPC:


    Orchesterstücke aus Südamerika.
    Revueltas: Sensemayas
    +Marquez: Danzon Nr. 2
    +Ginastera: Estancia
    +Bernstein: Mambo aus "West Side Story"
    Künstler: Simon Bolivar Youth Orchestra of Venezuela, Gustavo Dudamel
    Label: DGG , DDD, 2007


    Im Großen und Ganzen also ein Programm, das seinem Auftritt bei dem Lucerne Festival entspricht.


    Eine weitere Gefahr, neben seiner verfrühten Verfeuerung durch Mainstream-Repertoire, sehe, ist der Umstand, dass er Gefahr läuft von seinem Publikum/Fans auf ein gewisses Programm festgelegt wird. Mit anderem Worten muss er immer die selben Stückchen spielen um Erfolg zu haben, gereiftere Interpretationen von den großen Klassikern aber keinen Absatz finden. Sie sind nicht das was seine Fans gewohnt sind und der Rest der Klassikkenner haben ihn längst als Juxdirigenten abgestempelt. Bleibt zu hoffen, dass L.A. ab 2009 diesem Trend entgegenwirkt.

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

  • In der Tat - ich muß schon gestehen, daß ich es genieße, wenn meine Prognosen - als Vorurteil abgestempelt - dann so punktgenau eintreffen.


    Sankt Crossover schau oba ...... :baeh01:


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe Herrn Dudamel in Berlin als Dirigenten der Puccini Bohème neulich live erlebt und war nciht begeistert.
    Er hat sehr viel Verve, Passion und Temperament, das steht ausser Frage-aber er hat ganz offensichtlich mit Sänger-Oper nicht allzuviel Erfahrung oder nciht genug Sensibilität . In einer Puccini Oper ist nun mal nicht der Dirigent der Star sondern Rodolfo und Mimi.
    Wenn man einen Publikums-Liebling wie Kaufmann stellenweise zudröhnen lässt, kann das zwar ungerechterweise auch auf dessen angeblichen Mangel an Durchschlagskraft zurückfallen, aber wer differenziert hört und etwas von Stimmen versteht, weiss, wie man mit solchen Stimmen als Dirigent umgehen muss.
    Das hat mich ehrlich gesagt ziemlich enttäuscht.
    Betrifft aber nur diese eine Erfahrung.


    Für südamerikanische Reisser ist er sicher unübertrefflich!!!!



    F.Q.

  • @FQ
    Genauso habe ich das Dirigat empfunden,sein Temperament ist streckenweise zu unsensibel.
    Auch mich hat er als Operndirigent enttäuscht.


    Rita



  • Dazu kann ich nur sagen: Ja und Nein. Einerseits bestätigt die kommende Erscheinung die Kritiker, die meinen Dudamel sei ein Clown, der immer nur Mambo und Co. dirigiert. Andererseits ist sie noch lange kein echtes Cross-Over (echte Cross-over = Pavarotti and Friends), nur weil die Scheibe nicht dem gängigen Repertoire der DGG entspricht. Auf jeden Fall dürfte die Musik wenigstens authentisch dargeboten werden.


    Dass aber eine pauschale und unüberprüfte Verdammung von jungen Künstlern und Jugendorchestern Vorurteil bleibt, daran wird auch Dudamel nicht ändern können.

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

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