Gerüchten zufolge war die Tonhalle Zürich heute abend ausverkauft. Kein Wunder nach den letzten Auftritten von Patricia Kopatchinskaja und Fazil Say in unserer Stadt. Auf dem Programm standen Schuberts Violinsonate Nr. 2 a-Moll, Beethovens Sonate Nr. 8 für Violine und Klavier, Brahms' Violinsonate Nr. 3 d-Moll und Ravels Tzigane.
Im Schubert hatten wir noch den Eindruck, in einem ganz normalen Konzert zu sitzen, wenn auch in einem guten, mit Gänsehauteffekten ab dem letzten Satz. Im Beethoven fielen sogar mir als Banausin die ganz unerhörten Akzente des Klaviers auf. Ein Begleiter versicherte uns später, die stünden so tatsächlich in der Partitur, Say habe nur übertrieben. Die Spannung im Publikum stieg spürbar an, man hörte erste leise, begeisterte Lacher, was sich im Brahms nahtlos fortsetzte. (Zwischenfrage: wo hört man solche Lacher sonst noch in unseren Klassiktempeln?) Die Tzigane schliesslich verschlug einem schier den Atem vor Intensität und riss den Saal vollends zu Begeisterungsstürmen hin. Das lag nicht nur am populären Stück. Die beiden sind bekannt dafür, dass sie gerne aufs Ganze gehen, und hier haben sie es getan. Nach sämtlichen Zugaben habe ich in der vorderen Saalhälfte genau zwei Leute gesehen, die nicht standen - und die allermeisten waren für die Zugaben da geblieben. Das Zürcher Publikum gilt sonst als eher reserviert.
Dieses Duo schreibt Geschichte. Vielleicht nicht unbedingt Aufnahmegeschichte. Aber Konzertgeschichte. Und mit an der persönlichen Geschichte ihrer Konzertgänger, die sich wie wir hoffentlich noch nach vielen Jahrzehnten an diesen Abend und an ähnliche erinnern werden. Die klassische Musik ist aus dem Spiel vor Publikum entstanden und dafür gedacht, und ein gelungener Konzertabend verschafft einem ein Hoch, wie es keine Konserve zustandebringt. Dass der Konzertbetrieb vor lauter Perfektion nicht mehr spannend ist, ist in meinen Augen einer der Gründe dafür, dass das Interesse an der klassischen Musik schwindet. Wenn Kopatchinskaja und Say mal in der Gegend sind: Hingehen! Auch und gerade mit jungen Leuten!