Salut,
sicherlich noch weniger beliebt als des Meisters Sinfonien sind seine Klaviersonaten, mindestens 59 an der Zahl. Sie gelten allgemeinhin als altehrwürdig verstaubt, ja werden teils sogar als Anfänger-Stücke missbraucht. Wer jedoch vorsichtig den Staub abbläst und das angelaufene Silber aufpoliert, der wird erkennen, dass es sich um musikalische Kleinode handelt.
Da Haydn um diese Tage seinen 273. Geburtstag hat (sichergestellt ist nur sein Taufdatum am 1. April 1732), wollen wir uns doch ehrfürchtig diesen kleinen Sinfonien widmen, oder?
Haydn schreibt im Laufe seines Lebens verschiedene Zyklen von Sonaten, so die zunächst zu nennenden neun kleinen frühen Sonaten und die neun frühen Sonaten. Um 1765/1772 erscheinen weitere sieben Sonaten, 1773 komponiert Haydn einen Zyklus von sechs Sonaten für Fürst Nikolaus von Esterházy, welche 1774 bei Kurzböck in Wien als Sei Sonate per Cembalo erschienen. 1776 und 1780 folgen zwei weitere Zyklen, bestehend aus jeweils sechs Sonaten, darunter auch die sicherlich bekannteste Sonate in C-Dur [Hob. XVI:35], die häufig Anfängern zugemutet wird. Auch der Prinzessin Marie Esterházy wirdmet Haydn drei Klaviersonaten und selbst während seines Londonaufenthaltes lässt er es sich nicht entgehen, wiederum drei Sonaten dieses Genre, die englischen Sonaten aus seiner Feder fließen zu lassen. Haydn scheut bei seiner Komposition keineswegs die für diese Zeiten entfernten Tonarten wie Fis-Dur [Hob. IX:26], As-Dur [Hob. XVI:43 und 46], cis-moll [Hob. XVI:36] und h-moll [Hob. XVI:32].
Bei aufmerksamem Studium der Sonaten fällt auf, dass der zweite Satz der cis-moll-Sonate [er steht in A-Dur!] thematisch mit dem ersten Satz der G-Dur-Sonate [Hob. XVI:20] identisch ist. Haydn selbst bemerkte dies, während er die Druckvorlagen zur Korrektur las und schrieb dem Verleger in typisch haydnscher Manier:
Unter anderen finde ich notwendig, um der Kritik einiger Witzlinge auszuweichen, auf der anderen Seite des Titelblatts unterstrichen beizudrucken:
AVVERTISSEMENT Es sind unter diesen 6 Sonaten zwei einzelne Stücke,
in welchen sich etwelche Täkte einerlei Idee zeigen:
der Verfasser hat dieses um den Unterschied der
Ausführung mit Vorbedacht getan.
Der erschienene Druck war Katharina und Marianna Auenbrugger gewidmet, pianistische Größen ihrer Zeit; gar Leopold Mozart war von den musikalischen Fähigkeiten der beiden Fräulein durchaus beeindruckt.
Mit welch spitzer Zunge, vermischt mit Charme, Anmut bis hin zur Raserei Haydns Klaviersonaten interpretiert werden können, zeigte unlängst Mitsuko Uchida in einer Fernseh-Dokumentation. Leider habe ich keine Aufnahme von ihr finden können.
[Joseph Haydns Klavier]
Cordialement,
Ulli