Karfreitag- welche Matthäus-Passion hört ihr ?

  • Auch ich kann das Thema variieren



    Die Johannespassion hat neben der Matthäuspassion auch ihren Platz in der Karwoche.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Du musst ein ausgesprochner Masochist sein, daß du dir ausgerechnet die schlechteste, derzeit auf dem Markt befindliche Aufnahme der Matthäus-Passion antun konntest, denn ich bete schon seit geraumer Zeit täglich inbrünstig darum, daß Brilliant-Klassik seinen geplanten KOMPLETTEN Schütz-Zyklus mit DIESEN Protagonisten nicht möge fortführen.


    Hallo BigBerlinBear,


    pauschal gesehen kann ich bei den Schütz-Aufnahmen von Brilliant die Kritikpunkte bestätigen, die in diesem Forum bereits an anderer Stelle genannt wurden: dominierende Continuo-Orgel und sängerische Fehlleistungen (Sänger hat Probleme mit dem Stimmumfang seines Parts, Latein oder Deutsch wird mit deutlich hörbarem muttersprachlichem Akzent gesungen). Bei der Aufnahmetechnik kommen dann noch teilweise Übersteuerungen hinzu - das ist bei Digitalaufnahmen fatal, weil es bei Überschreiten der 0 dB-Grenze sofort zu starken nichtlinearen Verzerrungen kommt (weswegen ein Toningenieur, der diesen Namen auch verdient, normalerweise 3-6 dB Aussteuerungsreserve einkalkulieren sollte).


    Speziell für die Matthäus-Passion treffen aber einige der genannten Kritikpunkte nicht zu. Eine Continuo-Orgel gibt es hier nicht, deutliche Probleme mit Stimmumfang oder muttersprachlichen Akzent konnte ich beim ersten Hören nicht feststellen. Allerdings war die Aufnahme an einigen wenigen Stellen übersteuert, was aber für mich noch tolerierbar war.


    Von solchen preiswerten Aufnahmen sind sicher nicht unbedingt künstlerische und aufnahmetechnische Höchstleistungen zu erwarten. Sie sind aber eine günstige Möglichkeit, das entsprechende Werk erst einmal kennenzulernen, um dann später eine andere Aufnahme zu kaufen.


    Und auch hier gilt: Niemand ist unnütz - er kann immer noch als schlechtes Beispiel dienen ;)


    Bei Schütz ist ansonsten Weser-Renaissance mein Favorit (Kleine geistliche Konzerte, Geistliche Chormusik 1648 und besonders die Cantiones Sacrae). Ich hoffe sehr, dass dieses Ensemble noch weitere Werke von Schütz aufnimmt.


    Im übrigen bin ich kein Masochist (und schon gar kein ausgesprochener), nur weil ich eine Aufnahme höre, die Dir missfällt. Die "Schmerzgrenze" für künstlerische oder aufnahmetechnische Fehlleistungen ist sicher individuell verschieden: Was der eine noch als tolerierbar ansieht, ist für den anderen bereits unerträglich. Daher sollte man mit solchen Formulierungen vorsichtig umgehen.


    Viele Grüsse von Fugato

  • Nachdem ich in der jetzt vergangenen "Passions-Saison" 2007 die MaPa zweimal im Konzert mitsingen durfte und ich mich während der vergangenen Wochen intensiv mit den verschiedenen Markus-Passion-Rekonstruktionen beschäftigt habe, war mir am Karfreitag dann irgendwie doch eher nach der Johannes-Passion zumute ;)


    Gewählt habe ich als alter Karl-Richter-Fan diese schöne Aufnahme aus dem Jahr 1964:



    Vor allem Ernst Haefliger als Evangelist hat mir gut gefallen!

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Hallo, liebe Passions-Freunde,


    ich höre dieses Jahr wieder die Matthäus-Passion von Bach, und zwar live in der Essener Philharmonie vom Chor und Orchester des Collegium Vocale Gent unter Leitung von Philippe Herreweghe u.a. mit Dorothee Mields, Hana Blazikowa, Christoph Prégardien und Simon Kirkbride, aber schon genau eine Woche vor Karfreitag.
    Früher habe ich zu Karfreitag die Matthäus-Passion traditionell in der Kölner Philharmonie erlebt, aber seit etliche Jahren singe ich wieder aktiv in unserer Choral-Schola die Karfreitags-Liturgie mit. Da war ich natürlich froh, mal die Matthäus-Passion außerhalb von Karfreitag hören zu können.


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Seit meiner Jugend gehört eine Bach-Passion in der Karwoche, auch für mich als Katholiken, unbedingt dazu. Einige Jahre habe ich die karfreitäglichen Aufführungen des Bach Collegium München unter Hansjörg Albrecht besucht. Heuer gibt es mal was Anderes, nämlich die Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle. Die Solisten: Camilla Tilling, Magdalena Kožená, Mark Padmore, Topi Lehtipuu, Christian Gerhaher und Thomas Quasthoff. Ich bin schon sehr gespannt, zumal es sich um eine Vorstellung "ritualisiert" von Peter Sellars handelt. Man wird sehen und hören, wie sich die Philharmoniker Bachs Musik angeeignet haben.

    Man kann wirklich sagen, daß ich Mozart sehr, sehr viel verdanke; und wenn man sich ansieht, wie z. B. meine Streichquartette gebaut sind, dann kann man nicht leugnen, daß ich das direkt von Mozart gelernt habe. Und ich bin stolz darauf!
    Schönberg

  • Hallo zusammen,


    wie jeder weiß, ist das am Karfreitage zu verlesende Evangelium die Passionsgeschichte nach Johannes. (Das gilt für beide großen christlichen Kirchen im deutschsprachigen Raum.) Also kann am Karfreitag natürlich nur eine Johannes-Passion in den Player wandern, um aus Nullen und Einsen eins der größten Themen der Menschheitsgeschichte zu rekonstruieren.


    In diesem Jahr wird es eine Neuanschaffung sein, die ich höre. Ich hatte sie erworben, weil sie in einem Artikel zum 80. Geburtstag von Hermann Prey, der hier die Christusworte singt, empfohlen wurde. Leider habe ich sie immer noch nicht gehört:



    Die Matthäus-Passion gehört also in frühere Stadien der Passionszeit. In diesem Jahr habe ich die Einspielungen mit Herreweghe (die ältere), Harnoncourt (die jüngste) und McCreesh gehört. Gardiner, Schreier und Harnoncourt I hatten mal Pause ...

  • Ja, welche Matthäus-Passion höre ich? Die Johannes-Passion. :angel:


    Alter Favorit:




    Ehrlich gesagt konnte ich die sehr viel höhere Einschätzung der Mt nie nachvollziehen. Allerdings fehlen mir bei den Passionen die Aufnahmen Karl Richters.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Auch in diesem Jahr:


    J. S. Bach: Matthäus-Passion BWV 244
    Großer Musikvereinssaal Wien, 18. April 1962.


    Solisten:


    Fritz Wunderlich (Evangelist, Tenor - Arien)
    Otto Wiener (Christus)
    Wilma Lipp (Sopran - Arien)
    Christa Ludwig (Alt - Arien)
    Walter Berry (Petrus, Bass - Arien)
    Wolfgang Schellenberg (Hoherpriester)
    Peter Wimberger (Pilatus),
    Robert Springer (Judas, 2. Priester)
    Otto Binder (1. Priester)
    Mia Pavlik (1. Magd)
    Elfriede Rosner (2. Magd)


    Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde Wien
    Wiener Sängerknaben
    Wiener Symphoniker
    Dirigent: Karl Böhm


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Werde ich jetzt von den Gralshütern der geistlichen Musik zerrissen, wenn ich gestehe: Unsere Ostertradition ist Wagners "Parifal"? Meistens besuchen wir in der Karwoche eine gute "Parsifal-Aufführung". In manchen Jahren - wie in diesem wählen - wir dann eine gute Aufnahme oder eine DVD aus. Meistens ist es dann die legendäre Solti-Aufnahe. Kaum ein Musikwerk löst bei mir mehr religiöse - oder sind es pseudoreligiöse - Gefühle aus als die tranzendale Musik dieses Werkes.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Operus,


    viele Jahre war es in Stuttgart gute Tradition, am Karfreitag um 16 Uhr in der Staatsoper den Parsifal zu geben und ich erinnere mich an grandiose Aufführungen in den 70er und 80er Jahren.


    Leider wurde diese Praxis nicht fortgesetzt. Es wurde mit den Jahren kunterbunt. Dieses Jahr sollen die Freunde des Balletts auf ihre Kosten kommen.
    Kleines Trostpflaster: Parsifal steht am Gründonnerstag auf dem Spielplan. Ende März ist übrigens Premiere.
    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo liebe Forianer,


    gestern war zwar nicht Karfreitag, aber der Freitag vor dem Passionssonntag, und da stand in der Essener Philharmonie die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach auf dem Programm, dirigiert von keinem Geringeren als Phlippe Herreweghe, den man ja sicherlich zur Zeit mit einigen anderen wie Harnoncourt, Kuijken, Gardiner und Cleobury als "state of the art" bezeichnen kann, was Bach betrifft.
    Der Chor des Collegium Vocale aus Gent, bestehend aus zwei Doppelchören mit je 12 SängerInnen, paritätisch besetzt mit je drei pro Stimme, wobei die Altstimmen ohne Ausnahme mit Countertenören besetzt waren un d einem Extrachor von sechs jungen Damen, stellte sämtliche acht Solistinnen und Solisten. Hinzu kamen Simon Kirkbride als profunder Christus und Christoph Prégardien als überragender Evangelist.
    An Karfreitag muss ich selbst singen, allerdings nicht die Matthäuspassion, sondern die Karfreitagsliturgie mit unserer Choralschola. Das ist jedes jahr so.


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich gehe einmal davon aus, dass jeder Evangelist die Leidensgeschichte unterschiedlich erzählt. Der eine stand dem Geschehen etwas näher und erzählt realistisch, ein anderer ergänzt aus seiner Phantasie. Welches Libretto ist das beste? Eine Analyse konnte ich in vorliegendem Thread nicht finden.


    Den Barockkomponisten war es ein religiöses Bedürfnis das Neue Testament zur Vorlage zu nehmen und alle ziehen am gleichen Strang.


    Ein zeitgenössischer Komponist sieht die Angelegenheit vielleicht etwas kühler und differenzierter, benutzt ein ganz anderes Instrumentarium und bringt ungewohntes Notenmaterial zum Einsatz.


    Vielleicht ist es auch für den bekennenden Christen einmal eine Abwechslung, das gleiche Geschehen in einem anderen Gewand zu erleben.



    Ich stelle Pendrecki zur Diskussion und kann mir sehr gut vorstellen, dass dieser zur zeitgenössischer Architektur geschmacklich besser passt, als die Alten Meister.


    Wer die finanzielle Ausgabe für ein risikobehaftetes Werk scheut, hat die Möglichkeit bei JPC die Trackliste abzuarbeiten.


    Eine vergleichende Analyse der Evanglien untereinander von einem theologisch kundigen Forianer würde eine Lücke schließen.


    :angel:
    Engelbert

  • Lieber Engelbert,


    die Abhängigkeit der Evanglisten voneinander ist ein spannendes Thema. Die meist vertretende Auffassung ist die folgende:


    Das Markus-Evangelium ist das älteste (um 70 n. Chr.). Im Wesentlichen ist es ein Passionsbericht mit ausführlicher Einleitung.


    Matthäus und Lukas kannten das Markus-Evangelium und haben dessen Aufbau benutzt, aber auch eine Menge Formulierungen übernommen. Matthäus und Lukas stand aber noch eine zweite Schrift zur Verfügung, die sog. Logienquelle. Das ist eine (verschollene, aber weitgehend rekonstruierbare) Sammlung von Aussprüchen und Gleichnissen Jesu. Matthäus und Lukas haben die Logienquelle in den Bericht des Markus eingefügt und darüber hinaus jeweils eigenes Sondergut hinzugefügt. - Man suche z. B. in Wikipedia nach "Zweiquellentheorie" oder "synoptisches Problem". Das Standardwerk dazu ist derzeit wohl Udo Schnelle: Einleitung in das Neue Testament.


    Natürlich haben die drei synoptischen Evangelisten auch verschiedene theologische Interessen. Z. B. stellt Lk (entstanden um 90 n. Chr.) die Passion mit starkem Akzent auf dem "leidenden Gerechten" dar. Markus schreibt offenbar für griechische Leser, er erklärt hebräische/aramäische Ausdrücke und Gebräuche, was er gegenüber jüdischen Lesern wohl kaum hätte tun müssen. Bei Markus ist z. B. charakteristisch, dass nicht einmal die Jünger die Messianität Jesu erkennen (Motiv des "Jüngerunverständnisses"), wohl aber die Dämonen. Wenn Jesu bei Mk Wunder tut, gebietet er sofort den Zeugen, darüber zu schweigen.


    Auch Matthäus (entstanden um 90 n. Chr.) wandte sich offenbar an Heidenchristen, d.h. solche, die nicht vorher jüdischen Glaubens waren. Ein Schlüssel zum Verständnis des Mt ist das Ende: Der Missionsbefehl (Mt 28, 16-20) - geht hin und machet zu Jüngern alle Völker ... hier wird - wie übrigens auch in der Genealogie am Anfang des Mt! - die Universalität der Neuen Botschaft betont: Alle Völker sind gemeint.


    Das Evangelium nach Johannes (entstanden ca. 100 - 110 n. Chr.) ist weitgehend unabhängig von Mk, Mt und Lk. Während in den paulinischen Briefen die Großform der Schrift streng themenorientiert ist und die Evangelien Mk, Mt und Lk streng zeitorientiert sind, versucht Johannes, beide Möglichkeiten miteinander zu verbinden. Man spürt allenthalben, dass Johannes einen neuen Ansatz der frohen Botschaft verfolgt. Ein solcher war auch dringend notwendig, denn Jesu Wiederkehr, die er vorhergesagt hatte, ließ nun schon zwei Generationen auf sich warten.


    Interessant ist die Abweichung bzgl. des Todestages Jesu: Alle vier Evangelien sagen, dass es ein Freitag war. Aber: Nach Joh war es der Rüsttag des Passahfestes, d. h. der 14. Tag des Monats Nisan. Die anderen drei sagen, dass es der erste Tag des Passahfestes war, d. h. der 15. Nisan.


    Nach Joh kämen damit die Jahre 30 und 33 n. Chr. in Frage. Nach den anderen drei Evangelisten die Jahre 27, 31 und 34 n. Chr.


  • Lieber Wolfram,


    vom Datum des jüdischen Kalenders her mag das sein.Ich sehe diese Abweichung dennoch momentan nicht. Sowohl Mt 27,62; Mk 15 42 als auch Lk 23,54 stellen klar, dass es der Rüsttag war und stimmen damit mit Joh 19,42 überein. Aber zum Ablauf des Kreuzigungstages gibt es tatsächlich Abweichungen.Die tradierte Vorstellung ist: Verhaftung am Abend, Verhöre in der Nacht, Verurteilung am frühesten Morgen, Kreuzigung um die dritte Stunde ( Mk 15,25 - also 9.00 Uhr) und Tod um die neunte Stunde( Mk 15,34 - also 15 Uhr)


    Nach Johannes fand hingegen der Prozess erst um die 6. Stunde, also gegen 12 statt ( Joh, 19,14) Das Kreuzigungsgeschehen fand also deutlich später am Nachmittag statt und sollte durch das Brechen der Beine ja vorgreifend " erledigt" werden. Ob dieses knappe Zeitfenster am Ende eines Rüsttages - der Sabbat begann ja am Sonnenuntergang dieses " Karfreitags"- wirklich einen realistischer Verlauf darstellt, mögen die Experten beantworten. Ich stelle die Differenz mit Interesse fest, bedeutsam ist sie nicht für mich.


    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Zitat

    Original von Siegfried
    Lieber Operus,


    viele Jahre war es in Stuttgart gute Tradition, am Karfreitag um 16 Uhr in der Staatsoper den Parsifal zu geben und ich erinnere mich an grandiose Aufführungen in den 70er und 80er Jahren.


    Leider wurde diese Praxis nicht fortgesetzt. Es wurde mit den Jahren kunterbunt. Dieses Jahr sollen die Freunde des Balletts auf ihre Kosten kommen.
    Kleines Trostpflaster: Parsifal steht am Gründonnerstag auf dem Spielplan. Ende März ist übrigens Premiere.
    :hello:


    Ob in diesem Jahr dort tatsächlich "karfreitägliche" Gefühle entstehen.sei dahingestellt.Dies kann man aber unter dem hiesigen Thread erörtern. Um wirklich religiöse Gefühle geht es nach meiner Meinung im Parsifal auch nur eingeschränkt. :untertauch:


    Auch ich liebe da mehr die Gewohnheit der Kindheit, im Fernsehen eine Matthäuspassion anzusehen, inzwischen meist auf MDR eine "Thomaner" Aufführung, meist nachts. Auf 3sat habe ich so auch mal Rattle gesehen und war sehr angetan.


    Schon jetzt höre ich zur Einstimmung Mc Creesh, angeregt aus diesem Forum. Am Tage selbst geht dann bei mir aber nichts über Rilling.


    Und es ist übrigens auch möglich das Matthäusevangelium als Evangeliumstext am Karfreitag zu lesen, üblich ist es bei den Andachten zur Todesstunde um 15:00 Uhr.


    Und auch wenn es nicht zur Matthäuspassion passt: Mal als ganz anderen Zugang gibt es afrikanische Musik mit Bachklängen vorwiegend aus der Johannespassion hier.
    http://ecx.images-amazon.com/i…BW3AAJL._SL500_AA300_.jpg
    Eine Vorstellung, wie es bei Albert Schweitzer so geklungen haben mag.
    Eine besinnliche Passionszeit und ein frohes Osterfest.
    Wenzeslaus :hello:

  • Hallo Wenzeslaus,


    die Lambarene-CD gefällt mir auch ganz außerordentlich gut,


    ansonsten höre ich zu Karfreitag eher Händels Messias, als eine ausgesprochene Passions-Musik (in der Bearbeitung vom "Wolferl", dirigiert von Rilling)

  • Lieber Oolong,


    bzgl. des Rüsttages muss man differenzieren - es gibt den Rüsttag vor dem Sabbat und den Rüsttag vor dem Passahfest.


    Die Synoptiker stellen das Abendmahl so dar, dass es als Passahmahl gehalten wurde (Beispiel Mk 14, 12: Und am ersten Tag der ungesäuerten Broten fragten sie: Wo willst Du, dass wir dir bereiten ...).


    Da das Passahmahl in der Nacht vom 14. auf den 15. Nisan gehalten wurde, bedeutete dies im Kontext der Passionsgeschichten von Mk, Mt und Lk, dass die Kreuzigung am 15. Nisan stattfand, und dieser wäre obendrein der Tag vor dem Sabbat.


    In Joh 19,14 heißt es aber (während der Verhandlung vor Pilatus): Es war aber der Rüsttag auf Passah, um die sechste Stunde. Und er spricht zu den Juden: Sehet, das ist euer König !


    Das heißt, die Verurteiliung und Kreuzigung hätte am Rüsttag für Passah, d. h. am 14. Nisan stattgefunden, allerdings auch bei Joh am Tag vor dem Sabbat.


    Ein guter Punkt, den Du nennst, ist auch, dass die Uhrzeiten von Kreuzigung und Tod verschieden angegeben werden.


    Ein wesentlicher Punkt ist: Unsere heutigen Fragen Was?Wann?Wo? spielten für damailige Autoren keine so wichtige Rolle wie für uns. Die Evangelisten wollten keinen Polizeibericht schreiben. - Aber sie wollten eine gewisse Theologie vertreten und stellten die Geschcihte entsprechend dar. Z. B. stirbt Jesus nach einigen Evangelien zur selben Stunde, zu der die Passahlämmer im Tempel geschlachtet werden (weiß jetzt nicht, welche). In anderen Evangelien nicht.

  • Zur Abwechslung mal die:



    Ist aber keine Matthäus-. sondern eine Johannes-Passion. Ansonsten am Ostersonntag wenigstens das Credo aus Bruckners 3. Messe, weil da das "et resurrexit" so wunderbar rüberkommt.


    Viele Grüße
    John Doe

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo Karfreitagsmusik,


    ich werde beide hören, erst die Johannes- und dann die Matthäus-Passion. Der Freitag ist ja lang.
    Welche Aufnahmen, entscheide ich kurzfristig. Vielleicht mit Hollweg, oder Wunderlich/Traxel, oder Gedda /Theo Altmeyer. Aber auf keinen Fall "Otto Wiener" als Christus. Er konnte vieles viel besser.


    Karfreitagsgrüße aus Burgdorf


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)



  • Lieber Wolfram,


    hab herzlichen Dank für die Erhellung dieser bei mir bisher unterbelichteten Kalenderkenntnisse.Hilf mir bitte nochmal auf die Sprünge: Das Abendmahl wäre nach Johannes dann eine Nacht früher als traditionell am " Gründonnerstag" anzusetzen. Am " Donnerstag"- Mittag der Prozeß und die Kreuzigung am gleichen Tag?? Aber das wäre doch nicht der Rüstag für den Sabbat ?( Oder lag dann logischerweise zwischen Prozess und Kreuzigung noch eine - im Evangelium nicht geschilderte- Nacht.


    Und der erste Tag des Passah- Festes ( also von " Donnerstag" bis " Freitag"- Abend) ist dann Rüsttag für den Sabbat gewesen ?


    Wäre denn dann ( nach der Datierung der Synoptiker) ein Prozess vor dem Sanhedrin am ersten Passah- Tag nach den Kultusgeboten überhaupt erlaubt gewesen?


    Ich vermute, ganz schlüssig kriegen wir es nicht. Und wie oben geschrieben kann ich bei allem Interesse an solchen Details gut mit dieser Lücke leben.


    Sei herzlich gegrüßt


    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Allen Musikfreunden ein guten Tag!


    Ich lese hier von einigen älteren Forianern, daß in früheren, längst vergangenen Zeiten die Rundfunkanstalten Passionsmusiken sendeten.


    Ich möchte aus meiner eigenen Erinnerung anfügen, daß ich mich noch an ganz andere Gepflogenheiten erinnern kann: Am Karfreitag war es in den Zeiten des NWDR (vor der Trennung in NDR und WDR, 1956) durchaus üblich, daß einige Stunden lang (mir ist aber nicht erinnerlich, welche das waren) überhaupt keine Sendungen ausgestrahlt wurden. Möglich, daß es ab der "Neunte Stunde" war. Da konnte man im Sekundentakt nur ein Klopfzeichen hören.


    Zum Thema: Auch ich bekenne, daß Bachs Monumentalwerke zum Größten der Musikgeschichte gehören, aber in diesem Jahr lasse ich mal Bach aus. Stattdessen höre ich nach langer Zeit mal wieder die Händel zugeschriebene Johannes-Passion in der bei Hungaroton erschienenen Einspielung mit der Capella Savaria unter Pál Németh. Außerdem ist mir nach Joseph Haydns "Sieben letzten Worte..." mit dem Nordischen Kammerchor und dem Kurpfälzischen Kammerorchester unter der Leitung von Nicol Matt.


    Allen Forianern ein frohes osterfest!

    .


    MUSIKWANDERER

  • Zitat

    Original von OolongDas Abendmahl wäre nach Johannes dann eine Nacht früher als traditionell am " Gründonnerstag" anzusetzen. Stefan


    Der Gründonnerstag ist der Tag,an dem Jesus "das Abendmahl im christlichen Sinne" einsetzte.
    Abendmahl bedeutet,daß man zu Abend/Nacht aß.Es ist die jüdische Sedar-Feier,in der nach altem Brauch das Brot gebrochen und der Wein aus dem Kelch geleert wird.Jesus folgte dieser alten jüdischen Tradition und erweiterte sie zu seinem Gedächtnis.


    Der jüdische Tag beginnt schon mit dem Sonnenuntergang und endet mit dem folgenden Sonnenuntergang.


    Wenn man davon ausgeht,daß Jesus den solaren Qumran Kalender benutzt hatte,dann hatte er die Sedar-Feier einenTag (Nacht) früher als das "offizielle Jerusalem"begangen.An dem Sedar Mahle nahmen nach den Qumran-Gebräuchen keine Frauen teil - im Gegensatz der sonst üblichen jüdischen Gebräuche.Jesus hat das Sedar Mahl nur mit den 12 Jüngern gefeiert,von der Anwesenheit von Frauen (die sich im Gefolge von Jesus befanden) wird nichts berichtet.Offenbar richtete sich Jesus -wie auch Johannes der Täufer- nach den Gebräuchen und dem Kalender von Qumran.
    So gesehen,paßt es dann zeitlich wieder.
    In der "Nacht zum Donnerstag" nahm Jesus das Sadar-Mahl ein.Danach sollten die Beteiligten bis zum Morgen wachen,wie das nach jüdischem Brauch üblich ist.Aber die Jünger schliefen ein.Jesus wurde noch in dieser Nacht verhaftet.Anschließend wurde ihm am Donnerstag tagsüber der kurze Prozeß.Am Freitag wurde er gekreuzigt und er verstarb um 15.00Uhr.Danach mußte er vom Kreuz genommen werden,weil er bis zum Sonnenuntergang (Beginn des Sabbat) begraben werden mußte.

    mfG
    Michael

  • Begonnen wurde mit dieser Aufnahme:


    J. S. Bach: Matthäus-Passion BWV 244
    Großer Musikvereinssaal Wien, 18. April 1962.


    Solisten:


    Fritz Wunderlich (Evangelist, Tenor - Arien)
    Otto Wiener (Christus)
    Wilma Lipp (Sopran - Arien)
    Christa Ludwig (Alt - Arien)
    Walter Berry (Petrus, Bass - Arien)
    Wolfgang Schellenberg (Hoherpriester)
    Peter Wimberger (Pilatus),
    Robert Springer (Judas, 2. Priester)
    Otto Binder (1. Priester)
    Mia Pavlik (1. Magd)
    Elfriede Rosner (2. Magd)


    Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde Wien
    Wiener Sängerknaben
    Wiener Symphoniker


    Dirigent: Karl Böhm

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Lieber Oolong,


    was bleibt uns auch anderes über, als mit diesen Lücken zu leben ... ?


    Die Evangelisten stimmen darin überein, dass die Kreuzigung an einem Freitag (d. h., am Tage vor dem Sabbat) stattfand. Sie stimmen auch darin überein, dass Abendmahl und Gefangennahme in derselben Nacht stattfanden und die Prozesse vor den Hohepriestern und Pilatus am Morgen. Das letzte Abendmahl war also in jedem Falle in der Nacht von Donnerstag auf Freitag.


    (Bei allen Zeitangaben ist noch zu berücksichtigen, dass nach jüdischer Zeitrechnung ein Tag mit dem Sonnenuntergang beginnt. Vgl. Schöpfung: So ward aus Abend und Morgen der erste Tag - in dieser Reihenfolge. Das hat Schneewittchen ganz richtig dargestellt.)


    Nach der johannäischen Chronologie fiel im Jahr der Kreuzigung das Passahfest auf einen Sabbat. Das bedeutet aber, dass das letzte Abendmahl kein Passahmahl gewesen wäre. - Dagegen spricht, dass Wein nur bei feierlichen Mahlzeiten getrunken wurde, z. B. beim Passahmahl. - Andererseits wollte Jesus vielleicht gerade damit ein besonderes Zeichen setzen.


    Die von Schneewittchen genannte Hypothese, Jesus wäre Qumraner gewesen und hätte sich nach dem essenischen Sonnenkalender gerichtet, wurde gelegentlich diskutiert. Nach diesem Kalender fällt das Passahfest allerdings immer auf einen Dienstag. - Diese Hypothese gilt jedoch als unwahrscheinlich, denn:


    - die Jesusüberlieferung lässt kein Interesse an Kalenderfragen erkennen
    - Jesus hat in Jerusalem im Tempel gelehrt, das lässt sich kaum mit der Tempeldistanz der Essener zusammen bringen
    - alle Evangelien berichten, dass zwischen Abendmahl und Tod keine 24 Stunden liegen
    - die altkirchlichen Quellen, die eine Dreitagesabfolge der Ereignisse von Abendmahl bis Tod nahelegen, tun dies, um christliches Fasten an Mittwochen und Freitagen pseudotheologisch zu untermauern.


    Wir können nicht mit letzter Sicherheit entscheiden, welche Chronologie der Ereignisse die richtige ist - nach den Synoptikern oder nach Johannes. Nach geltender Lehrmeinung sind die Argumente für Johannes die etwas stärkeren.

  • Meine unter allen mir bekannten Aufnahmen der Matthäus-Passion favorisierte Einspielung ist der bei EMI veröffentlichte Live-Mitschnitt Wilhelm Furtwänglers (u.a. mit dem jungen Dietrich Fischer-Dieskau) vom April 1954

    Harnoncourts erste Einspielung (1971) und Herreweghes ebenfalls erste Aufnahme (1985) habe ich ebenfalls in meiner Sammlung, höre sie allerdings weit seltener. Was aber nicht bedeutet, dass ich diese beiden letztgenannten Aufnahmen nicht trotzdem mag (zumal Furtwängler drastische Striche vorgenommen hat, so dass man für eine "vollständige" Matthäus-Passion ohnehin auf andere Einspielungen zurückgreifen muss).


    Marc Minkowski habe ich mit seinen Les Musiciens du Louvre letzten Samstag live in Hamburg mit der Johannes-Passion erlebt. Mit nur 8 Sängern! Das war so großartig, dass man sich sehr darauf freuen kann, sollte es künftig CDs von Marc Minkowski mit den beiden großen Bach-Passionen geben. Die h-moll-Messe ist mit ihm bereits erhältlich.


    Am nächsten Wochenende (9./10./11. April) stehen die drei Live-Aufführungen der Matthäus-Passion mit Sir Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern in Berlin an. Es singt u.a. Thomas Quasthoff. Ich kann ja bei Gelegenheit mal berichten, wie es war (ich habe eine Karte ergattern können, das war nicht gerade einfach).

    2 Mal editiert, zuletzt von Swjatoslaw ()

  • Auf 3Sat kam gestern abend noch die Aufzeichnung der Matthäus-Passion von der Philharmonie Köln unter der Leitung von Philipp Herrewege.
    Sie hat mich zweifach berührt: Angenehm die Frauensoli von Dorothée Mields und Hana Blaziková und der Sänger der Christusworte, der im Abspann anders hieß als in der Ankündigung(?).


    Auch beide Chöre (Collegium Vocale Gent) mit beinahe Kammerchorcharakter und das Collegium Vocale Orchestra fand ich sehr gut und harmonisch aufeinander abgestimmt.


    Was mir Probleme beim Hören bereitet, ist das zwanghaft gepresste Rezitativgesinge des Evangelisten Christoph Prégardien. Das kenne ich besser, nämlich männlicher.
    Ebenso konnte ich den Altus-Soli nichts abgewinnen. Wenn Männerstimmen so zweckfremd eingesetzt werden, dann trübt das den sonst guten Gesamteindruck.


    Meine Meinung, sonst nichts...



    Ab Mitternacht dann noch die Thomaneraufführung desselben Werks bei mdr. Voluminöser, da mehr Mitwirkende und Das Dirigat von Herrn Thomaskantor Biller ließ keine Wünsche offen. Das engagierte Singen der jungen Thomaner öffnete das Herz.I


    Interessant, direkt hintereinander das Werk so völlig unterschiedlich zu erleben. Das Aufbleiben hat sich gelohnt.


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • die - für mich immer noch beste: - die karajansche mit schreier, fischer-dieskau, janowitz, ludwig ... :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

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