Hallo, Forianer!
In diesem thread soll es um musikalische Kompositionen gehen, die von den literarischen Werken William Shakespeares beeinflußt wurden.
William Shakespeare (1564-1616)
war meiner Meinung nach der bedeutendste und beste Dramatiker der Weltliteratur, hinterließ zahlreiche große Tragödien sowie Komödien und Historien. Zudem schrieb er im lyrischen Bereich zahlreiche Sonette.
Ich möchte anfangen mit dem Thema
Beethoven und Shakespeare:
Es ist bekannt, daß Beethoven zahlreiche Dramen Shakespeares gelesen hat, und daß er von den großen Tragödien des Dichters sehr beeindruckt war. Inwieweit aber Shakespeares Werke direkt in seine Musik einflossen, ist z.B. im Falle der "Sturmsonate" umstritten.
"Macbeth" und "King Lear":
ZitatEin Plan, der mit Collin erwogen wurde, betraf eine Oper nach Shakespeares Macbeth. Die Idee sagte Beethoven sehr zu, eine vermutlich dem Jahre 1808 angehörende „Macbeth“ überschriebene Skizze notiert ein Thema in d-moll, Beethovens tragischer Tonart.
Warum kam der Plan nicht zur Ausführung? Hat Collins Bruder Matthias recht, wenn er schreibt „Macbeth, den er (Heinrich Collin) für Beethoven nach Shakespeare zu dichten übernahm, ward in der Mitte des zweiten Aktes liegengelassen, weil er zu düster zu werden drohte“?
Viele Jahre später taucht die Macbeth-Idee nochmals flüchtig in Beethovens Gedankenkreis auf. Der Schauspieler Anschütz – derselbe, der berufen war, dereinst Grillparzers Nachruf an Beethovens Grab zu sprechen – wurde im Sommer 1822 in Döbling mit dem Tondichter bekannt. Er erzählt in seinen Erinnerungen:
„Eines Tages begleitete ich ihn [Beethoven] eine Strecke. Wir sprachen über Kunst, Musik und endlich über Lear und Macbeth. Wie zufällig warf ich die Bemerkung hin, dass mich schon öfter der Gedanke beschäftigt hatte, ob er nicht als Seitenstück zur Egmont-Musik den Macbeth musikalisch illustrieren sollte? Der Gedanke schien ihn zu elektrisieren. Er blieb wie angewurzelt stehen, sah mich mit einem durchdringenden, fast dämonischen Blicke an und erwiderte hastig: Ich habe mich auch schon damit beschäftigt. Die Hexen, die Mordszene, das Geistermahl, die Kesselerscheinungen, die Nachtwandlerszene, Macbeths Todesraserei. Es war im höchsten Grade interessant, seinem Minenspiele zu folgen, in welchem sich die blitzschnellen Gedanken jagten. In wenigen Minuten hatte sein Genius das ganze Trauerspiel durchgearbeitet. Bei der nächsten Frage, die ich an ihn richtete, drehte er sich um und rannte nach einer flüchtigen Begegnung davon. Leider aber war seiner stürmischen Erregung nicht die Tat gefolgt. Als ich nach einiger Zeit das Thema noch einmal berührte, fand ich ihn verdrießlich und schwieg.“
(Zitat aus: Paul Bekker: Beethoven)
Thematisches Material aus den "Macbeth"-Skizzen Beethovens floß in den zweiten Satz seines Klaviertrios D-dur op. 70 Nr. 1 ein.
"Der Sturm (?)"
ZitatWalter Riezler: Beethoven (Zürich 1951, S. 95):
<<Die bekannte Antwort auf Schindlers Frage nach dem Sinn der Sonaten op.31,2 und 57: "Lesen Sie Shakespeares Sturm!", soll man freilich nicht zum Beweise dafür [dass die Sonaten ein "Programm" haben, eine "Anregung" durch eine Dichtung möchte Riezler hingegen nicht ausschließen] anführen. Wer die Dichtung kennt, weiß, daß deren Titel mit dem Inhalt nur sehr wenig zu tun hat, und daß dieser Inhalt zu dem wahrhaft "stürmischen"Charakter der beiden Sonaten nicht im mindesten paßt. [...] Ohne Zweifel wollte hier Beethoven, wie auch sonst oft, einen lästigen, unverständigen Frager mit einer nicht ernst gemeinten Antwort abspeisen. Hat er dem gleichen Frager doch auch einmal gesagt, er habe zu der Sonate op.111 keinen dritten Satz komponiert, weil er keine Zeit dazu hatte"! >>
(dies ist aus einem Beitrag von Johannes Roehl zu Beethovens Klaviersonate d-moll op. 31 Nr. 2 entnommen)
"Coriolan" (?)
ZitatAlles anzeigenNun zur Ouvertüre Coriolan c-moll op. 62:
Beethoven hat sie 1807 als Vorspiel zum Schauspiel "Coriolan" komponiert, allerdings nicht für das bekannte von Shakespeare, sondern das längst vergessene von Heinrich Joseph von Collin. Bereits 1807 wurde das Stück schon seit Jahren nicht mehr gespielt, es handelt sich bei der Ouvertüre also um kein Auftragswerk, sondern eher um eine "freie" Konzertouvertüre.
Von dem von mir bereits häufiger zitierten Buch "Beethoven" von Paul Bekker kann man nun einen ausführlichen Eindruck bekommen, das folgende ist dem Buch entnommen:
Collins Drama ist keine Umdichtung des damals in Deutschland noch wenig bekannten Shakespeare-Dramas gleichen Namens, sondern eine selbständige, auf der Darstellung des Plutarch ruhende Schöpfung. Die Ziele beider Dichter liegen weit entfernt voneinander. Shakespeare gibt die Tragödie einer überragenden Persönlichkeit, die sich „Menschenhaß aus der Fülle der Liebe trank“, an der Betätigung dieses Hasses aber doch wieder durch die Liebe gehindert wird und, ihre Schuld sühnend, als Opfer niedriger Kabalen ein schmähliches Ende findet. Collin fehlen die großen Gesichtspunkte. Seine Sprache ist sorgsam stilisiertes rhetorisches Pathos, sein Drama keine Menschheits- oder Persönlichkeitstragödie, sondern eine in szenische Form gebrachte philosophische Diskussion: Darf der Mensch das tun, was er will, unbehindert auf Rücksichten auf die ihn umgebenden Verhältnisse? Ist er freier Herr seiner selbst oder Angehöriger einer Gesellschaft, deren Gesetze er nicht missachten darf, ohne sich in schwere Schuld zu verstricken? So lauten die Fragen, die Collin am Coriolan-Thema erläutert. Das ganze Werk ist ein Monodrama, dessen Charaktere außer Coriolan nur Staffage sind, Objekte, an denen sich der Held reibt. Coriolan tut das, was er seiner Überzeugung nach einzig tun kann und tun muß. Es bleibt ihm kein anderer Weg, und der führt zur Vernichtung, zum Selbstmord. Diese unverschuldete Tragik, dieser Widerstreit zwischen den angeborenen Gesetzen der Persönlichkeit und den von außen diktierten Gesetzen der Moral bringt Collins Coriolan zu Fall. Der Mensch als Einzelwesen ist der Vernichtung preisgegeben, wenn er die eigene Persönlichkeit nicht in Einklang mit den höchsten Gesetzen der menschlichen Gesellschaft zu bringen vermag.
(zitiert aus einem Beitrag von mir)
"Romeo und Julia":
ZitatBeethoven hat angeblich bei der Komposition des in d-moll stehenden, sehr persönlichen, traurigen 2.Satz (adagio affettuoso ed appassionato) an die Schlußszene von "Romeo und Julia" im Grabgewölbe gedacht und "les derniers soupirs" in sein Skizzenbuch notiert.
(aus einem Beitrag von mir zum Streichquartett F-dur op. 18 Nr. 1)
"Julius Caesar" (?)
Eine ganz persönliche Vermutung von mir ist, daß ihn auch dieses Schauspiel sehr beeindruckt hat, da ich im Beethovenhaus Bonn mitten auf seinem Schreibtisch eine Büste von Brutus erblickt habe.
Soviel zu diesem Thema. Es gibt aber viele Kompositionen anderer großer Komponisten, die sich ganz klar auf Shakespeare beziehen. Ich bin gespannt, was Ihr hier alles zusammentragt.
Viele Grüße,
Pius.