Ein Zugpferd der Decca im Abseits? - Sir Georg Solti

  • Lieber Herr Schmidt ,
    zunächst beste online Grüsse nach Wien !
    Wer war schon Solti ?
    Einer der Grössten überhaupt . Der Retter von Macher in Covent Garden ! In Chicago ! Für die Decca ! Sein "Ring" ! Sein Rigoletto mt Moffo, Kraus , Merrill ! W e r könnte das - alle zusammengenommen , Herren Maestri ! - noch so wie Sir George ??? Keiner .
    Seine Beethoven Symphonien ; sei Mahler .
    Menschlich mag ja "problematisch" gewesen sein (s.:Interview von Christa Ludwig vor ien paar Jahren im "Spiegel" ) , aber welch ein faszinierender Diriegnt , welch ein chramanter Unterhalter !
    Solti bekommt ***** plus * !
    herzliche Grüsse aus Düsseldorf
    Frank georg Bechyna

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Hi Norbert


    Zitat

    Leider hat er (Solti) sich in späten Jahren, warum auch immer, dazu hinreißen lassen, zwei absolute Opern-Flops aufzunehmen. Weder sind Jessye Norman und Placido Domingo ideale Besetzungen im "Lohengrin", noch sind es Pavarotti und Leo Nucci im "Otello".


    Also der Abschieds-Otello für Chicago ist eine gerne geprügelte Opernaufnahme. Ich werde sie mir voraussichtlich auch nicht kaufen, da gibt es noch die eine oder andere bessere, die ich nicht habe (ich gestehe aber, dass ich Otello nicht sehr oft höre). Der Grund ist für mich aber nicht eine angeblich so schlechte Leistung von Pavarotti. Es ist Leo Nucci, der dem Jago nicht gerecht werden kann. Der Otello ist natürlich keine Bühnenrolle für Pavarotti, da würde die Stimme nicht lange mitmachen, aber für einige konzertante Aufführungen reichte es sehr wohl und ich finde es gar nicht schlecht gesungen.


    Also die Frage an die Experten: Ist Pavarottis Otello wirklich so schlecht wie allgemein behauptet, oder habe ich doch richtig gehört?



    PS: Wenn eine Operneinspielung nur dann zustande käme, wenn man alle Rollen ideal besetzt hat, hätten wir eine sehr überschaubare Zahl an Opernaufnahmen. Beim Solti-Lohengrin muss also mehr daneben gegangen sein als nur zwei "nicht ideale" Besetzungen, damit die recht mäßige Beurteilung gerechtfertigt ist.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus
    PS: Wenn eine Operneinspielung nur dann zustande käme, wenn man alle Rollen ideal besetzt hat, hätten wir eine sehr überschaubare Zahl an Opernaufnahmen. Beim Solti-Lohengrin muss also mehr daneben gegangen sein als nur zwei "nicht ideale" Besetzungen, damit die recht mäßige Beurteilung gerechtfertigt ist.


    Das ist wohl wahr, aber wenn in einer Oper die beiden Hauptpartien fehlbesetzt sind (die Norman viel zu "reif" für die Senta und Domingo grauenvoll textunverständlich), dann gibt es wenig Gründe, die für den Kauf einer Aufnahme sprechen.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hi Norbert,


    also was isses nun, Lohengrin zweimal "nicht ideal besetzt", oder zweimal "fehlbesetzt"? Für mich würden die beiden Formulierungen relativ viel Unterschied machen.


    Das Domingo-Problem kenne ich schon von anderen Aufnahmen, aber er dürfte ihn immerhin ordentlich singen, was in den letzten dreißig Jahren nicht so oft der Fall gewesen sein soll. Bei Jessye Norman muss es mehr die Interpretation sein, die ungewohnt ist, denn sie war ja erst 41 zur Zeit der Aufnahme, was nur wenig über dem Durchschnitt bei den Elsas ist.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Nun, wenn ich in dem von Dir zitierten Abschnitt von "absoluten Flops" schreibe, dann erfordert es imo nicht sehr viel Phantasie, die Meinung "nicht ideal besetzt" eher als höfliche Untertreibung zu verstehen.


    Zwiefellos besteht zwischen "fehlbesetzt" und "nicht ideal besetzt" ein Unterschied. Sollte durch die unklare Formulierung ein Mißverständnis aufgetreten sein, hoffe ich, es hiermit geklärt zu haben.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo Theophilus,


    ich hätte bezüglich der "Lohengrin"-Aufnahme Soltis auch von "fehlbesetzt" gesprochen. Es ist eine typische Aufnahme aus den "fetten" Tagen der Schallplattenindustrie: geblockte Star-Power ohne Sinn und Verstand. Das fängt bei der krassesten Fehlbesetzung an: FiDi als Heerrufer. Ein abgesungener Star-Bariton, der zu diesem Zeitpunkt (1985) bestenfalls noch interpretatorisch eindrucksvolle Liederabende geben konnte, in einer Rolle, die gemeinhin vielversprechenden Nachwuchsbaritonen am Anfang ihrer Karriere anvertraut wird. Man fragt sich wirklich, was diesen doch so eminenten Musiker und Künstler veranlaßt haben mag, an so einem PR-Projekt (Werbeslogan der Decca: "Die endgültige Aufnahme") teilzunehmen.


    Domingos Probleme sind hinreichend bekannt. Er singt zwar recht schön (und ich finde den italienischen Belcanto-Einschlag durchaus wohltuend, siehe Sandor Konya), versteht aber nicht die Bohne vom Text. Und das ist gerade bei Wagner absolut tödlich, da hier das Zusammenspiel von Wort und Ton besonders wichtig ist. Ich empfinde Frau Norman als Elsa auch zu "reif" und schwer (verglichen z.B. mit Elisabeth Grümmer), zudem hat sie stimmlich offenbar nicht ihren besten Tag bei der Aufnahme erwischt. Ein Pluspunkt der Aufnahme sind dagegen die wirklich herrlichen Wiener Philharmoniker und der großartige Chor. Doch das reicht für eine Aufnahme nicht aus, wenn die Hauptpartien derartig defizitär gesungen werden.


    Zum Otello Pavarottis gibt es ja sehr geteilte Meinungen. Diejenigen, die der "baritonalen" Tradition anhängen, also Sänger wie del Monaco oder Vinay in dieser Rolle bevorzugen (z.B. J.M. Fischer), sprechen P. jegliche Berechtigung zum Singen des Otello ab. Andere wiederum, die sich mehr an geneuin tenoralen Interpreten wie Tamagno oder Lauri-Volpi orientieren, sehen den Versuch Ps. als im Prinzip gelungen an (z.B. Kesting). Rein gesangstechnisch stimme ich Kesting zu: P. singt die Partie sauberer und höhensicherer als etwa Domingo. Nur fehlt ihm leider das notwendige stimmdarstellerische Temperament, P. ist doch ein sehr passiver Otello, edel gewiß, aber z.B.nicht rasend in seinen Zornesausbrüchen. Das kreatürliche Leiden der Figur kommt bei P. einfach zu kurz. Ein interessanter Versuch, nicht mehr, aber auch nicht weniger.


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo Giselher,


    vielen Dank für deine Ausführungen. Sie waren sehr aufschlussreich.


    Zitat

    Ich empfinde Frau Norman als Elsa auch zu "reif" und schwer (verglichen z.B. mit Elisabeth Grümmer), zudem hat sie stimmlich offenbar nicht ihren besten Tag bei der Aufnahme erwischt.


    Da offenbar jeder diesen Eindruck hat, muss es ja wohl stimmen. Das ist bedauerlich, aber die zweite Bemerkung bezüglich ihrer mäßigen Tagesverfassung könnte ein Schlüssel dafür sein. Ich habe auch schon einmal irgendwo aufgeschnappt, dass Frau Normans Organ relativ starken Schwankungen unterworfen sein soll. Und wenn man in einer schwachen Phase eine Aufnahme in einer Rolle machen muss, die ohnehin typfremd ist, kann es schon einmal unbefriedigend werden.
    Grundsätztlich hätte Jessye Norman zu dieser Zeit stimmlich in der Lage sein müssen, ein der Elsa adäquates Rollenporträt abzuliefern, wenngleich ihr eher intellektueller Zugang zu einer Rolle gerade bei Elsa wahrscheinlich immer ein etwas ungewohntes Ergebnis ergeben hätte.


    Umso faszinierender ist dann die Tatsache, dass die bei der Kempe-Aufnahme schon über 50 Jahre alte Elisabeth Grümmer die Elsa immer noch überzeugend singen konnte!



    Zitat

    Rein gesangstechnisch stimme ich Kesting zu: P. singt die Partie sauberer und höhensicherer als etwa Domingo. Nur fehlt ihm leider das notwendige stimmdarstellerische Temperament, P. ist doch ein sehr passiver Otello, edel gewiß, aber z.B.nicht rasend in seinen Zornesausbrüchen.


    Einverstanden, mit dieser Formulierung kann ich gut leben.
    Wobei ich noch eine Ergänzung machen möchte: ich glaube, dass von Verdi ein echter Tenor gedacht war. Wenn man diese Prämisse akzeptiert, kann man meines Erachtens sagen, dass Verdi selbst nicht erwartet hat, dass Otello einst die Paraderolle hochgetriebener Bariton-Röhren sein wird (oder von mir aus auch stark abgedunkelter Ex-Tenor-Röhren). Diese Entwicklung in Verbindung mit immer lauter werdenden Orchestern ist der Hauptgegner für Big P. in dieser Rolle. Und Tamagnos werden immer Ausnahmeerscheinungen sein....

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo,


    ich hole diesen thread wieder aus der Versenkung, weil ich im letzten Jahr drei Opernaufnahmen mit Solti erstanden habe, die zu meinen absoluten Favoriten im CD-Regal gehören.


    Dabei war ich bis dahin von seinem Dirigat nicht sehr angetan. Ich bin, als ich anfing, mich mit dem Operngesang zu beschäftigen, mit italienischer und französischer Oper eingestiegen und konnte Soltis Einspielungen wie dem erwähnten Otello oder dem Maskenball nicht viel abgewinnen. Letztere gehört zu meinen Lieblingsopern, und ich habe mein Ideal dort in Panizzas Dirigat (Met 1940) gefunden. Solti erschien mir dagegen schwerfällig.


    Mein jüngster Sohn wünschte sich eine Aufnahme der "Zauberflöte" und sein Lieblingssänger Hermann Prey sollte den Papageno singen. Ich wollte Burrows als Tamino - also erstand ich die Einspielung unter Solti und war begeistert, dass der "Schmetterer", als der er mir in Erinnerung war, so subtil dirigieren konnte.


    Seine Einspielung von Glucks "Orfeo ed Euridice" mit Marilyn Horne, Pilar Lorengar und Helen Donath wäre eine meiner Opernaufnahmen für die einsame Insel. Ähnlich gelungen die schon erwähnte "Nozze di Figaro" mit einem luxuriösen Aufgebot an Sängern, die schon fast zu perfekt klingt (als kühl und seelenlos empfinde ich sie jedoch nicht).


    Was mir an diesen Aufnahmen gefällt, wurde von Gerrit schon gesagt:


    Zitat

    Zitat: unsentimental, vorwärtsdrängend, schnörkellos


    Vielleicht auch "a little bit British"? Ich habe nämlich oft ein Faible für Künstler aus Großbritannien, und Solti hat ja eine ganze Weile dort gewirkt.


    :hello: Petra

    Einmal editiert, zuletzt von petra ()

  • Wenn auch einige Stunden zu spät: Vor genau zehn Jahren starb der Maestro. ;(


    Ich kenne kaum etwas von ihm, aber die Live-Aufnahme des Mozart-Requiems 1991 im Stephansdom halte ich für die Referenzaufnahme.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • @ Felipe II.
    Da sieht/hört/liest man wieder einmal, wie unteschiedlich die musikalischen Geschmäcker sein können. Für mich hat das Mozart-Requiem aus der Stephanskirche bloß historischen Wert, weil als Requiem zu Mozarts 200. Todestag aufgeführt (geplant war übrigens, dass Bernstein dieses Requiem dirigieren sollte, aber er ist zu früh verstorben). Aber weder vom Orchesterklang und schon gar nicht von den Solisten (trotz sehr prominenter Namen) halte ich diese Aufnahme für ideal (und auch nicht repräsentativ für Solti).


    Ich habe ihn nur an zwei Konzertabenden (5. Mahler mit Chicago Symphonie Orchestra in Wien und 8. Mahler mit Orchestre de Paris in Paris) und einmal als Operndirigent ("Falstaff" in der Wiener Staatsoper) erlebt und habe da ganz andere Erinnerungen, als bei dieser Mozartaufnahme (ich habe damals das Bild im TV gesehen und den Ton im Radio gehört - und auf Video aufgenommen). Aber das ist vielleicht/wahrscheinlich wirklich eine Frage des persönlichen Geschmackes.
    Während ich den "Ring" auf DECCA als eine Referenzaufnahme betrachte, kenne ich bei Mozart jede Menge Einspielungen, die ich doch deutlich über Solti´s Interpretationen setzen würde. Und ebenso ein Maßstab ist für mich seine Einspielung der 8. Mahler (Bernstein dirigiert dieses Riesenwerk vielleicht etwas sensitiver, bei Solti bevorzuge ich jedoch die Qualität die Solisten und die insgesamt höhere Dramatik).


    Michael 2

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Liebe Taminos,


    mittlerweile habe auch ich mich durch einige Solti-Klassiker durchgehört.


    Das leicht vergiftet klingende erste Fazit ist, daß Solti ein sehr verläßlicher Dirigent war, wirklich enttäuscht hat mich wenig (obwohl, wie Alfred aus meiner Sicht völlig zu Recht betont, sein Haydn wenig begeistert). Absolute Jubelstürme jedoch hat auch nichts entfacht!
    Das meiste bewegt sich auf dem Niveau: solide, überdurchschnittlich, aber nicht mehr.
    Manches gewinnt seinen Referenzstatus auch durch fehlende gleichwertige Konkurrenz, obwohl es nicht beglückt, z. B. Don Carlos oder Aida.
    Der gerühmte Ring ist natürlich erstklassig, dennoch aber sehr effekthascherisch und blechbetont. Mir gefällt Böhms Zyklus besser, auch wenn die Besetzung Soltis bis heute auf das Gesamte gesehen unübertroffen ist. Auch Furtwänglers Dirigat finde ich spannender, Leinsdorf keinen Deut schlechter. In der Besetzung liegt, so glaube ich, häufig Soltis Geheimnis bei Opernaufnahmen; dies ist aber auch eine Qualität eines Dirigenten.
    Trotz aller Moserei: Ich hätte ihn gern einmal live erlebt, z. B. mit seinem superpräzisen Mahler (der vielleicht etwas wenig zum Singen kommt).


    LG,


    Christian

  • Zitat

    Original von Il Grande Inquisitor


    Das meiste bewegt sich auf dem Niveau: solide, überdurchschnittlich, aber nicht mehr.
    Manches gewinnt seinen Referenzstatus auch durch fehlende gleichwertige Konkurrenz, obwohl es nicht beglückt, z. B. Don Carlos oder Aida.


    Einspruch, Euer Ehren!


    Gerade Soltis Einspielung mit dem LPO von Haydns wohl populärsten "Schlachtrössern", den Sinfonien Nr. 94 und 100, war für mich nach Jahren fast unbedingter HIP-Treue ein Ohrenöffner und erinnerte mich daran, dass gute Musik in erster Linie eine Frage der Interpretation und erst in zweiter, wiewohl wichter, Linie eine der "richtigen" Besetzung ist. Ich berufe mich ungern auf fremde Autoritäten, aber die damalige Begeisterung der FONO FORUM über diese Einspielung ist mir heute noch gut im Gedächtnis, weil sie so gegen den damaligen HIP-Strich lief.


    Auch die Sonderstellung seiner Aufnahme von ORFEO ED EURIDICE, auf die petra zu Recht immer wieder hinweist, oder seiner ARABELLA sind wahrlich nicht das Resultat mangelnder hochwertiger Konkurrenz. Gleiches gilt für seinen TANNHÄUSER, seinen EUGEN ONEGIN und nicht zuletzt die überragende Qualität von Renée Flemings Debütrecital "Signatures", die auch ihm zu verdanken ist. Dass ich ihm bei Verdi und Mozart regelmäßig andere vorziehe, lässt nicht übersehen, dass seine Einspielungen - zuverlässiger als die vieler anderer - für mich fast immer an 2. - 4. Stelle, fast nie aber im Mittelfeld stehen.


    Solide und überdurchschnittlich sind wahrlich keine schlechten Prädikate und werden dem Gros seiner Einspielungen gerecht, die bei einem, der so viel aufgenommen hat wie er, natürlich nicht immer Spitzenniveau haben konnten. Allein das hebt ihn m. E. aber schon genügend aus der Schar großer Kollegen hervor. Wer aber mit so verschiedenen Komponisten wie Gluck, Tschaikowsky, Wagner und Strauss jahrzehntelang eine Referenzposition halten konnte, verdient eine bessere Würdigung als diese mit mildem Tadel gewürzte Lob.


    Über seine Verdienste als Opernhaus- und Orchesterleiter habe ich schon in dem Thread Was macht für Euch einen guten Dirigenten aus? geschrieben.


    :hello: Rideamus

  • Zitat

    Original von Rideamus
    Gerade Soltis Einspielung mit dem LPO von Haydns wohl populärsten "Schlachtrössern", den Sinfonien Nr. 94 und 100, war für mich nach Jahren fast unbedingter HIP-Treue ein Ohrenöffner und erinnerte mich daran, dass gute Musik in erster Linie eine Frage der Interpretation und erst in zweiter, wiewohl wichter, Linie eine der "richtigen" Besetzung ist. Ich berufe mich ungern auf fremde Autoritäten, aber die damalige Begeisterung der FONO FORUM über diese Einspielung ist mir heute noch gut im Gedächtnis, weil sie so gegen den damaligen HIP-Strich lief.



    Es hat mich auch gewundert, dass hier jetzt schon zum wiederholten Male Soltis Haydn so harsch kritisiert wird. Natürlich spielt Solti einen traditionellen, eher großorchestralen Haydn - deshalb sollte man ihn auch nicht mit Brüggen oder Kujiken vergleichen, sondern etwa mit Jochum (der hier des öfteren für seinen Haydn hochgelobt wurde) oder Karajan. Und da schneidet Solti ausgezeichnet ab: besonders in der Herausarbeitung der Kontraste (das Hereinbrechen des Mittelteils im zweiten Satz von Nr. 101!) und bei der dramatischen Aufladung der musikalischen Strukturen. Mit anderen Mitteln und klanglichen Ergebnissen ist das gar nicht so weit weg von den gleichzeitigen und späteren HIP-Bestrebungen. Mir liegt es jedenfalls mehr als Jochums eher einebnender Musizierstil. Allerdings klingt Soltis Haydn heute für mich trotzdem ein wenig "historisch" - und das nicht nur im Vergleich mit HIP, sondern auch angesichts der gleichzeitig oder wenig später entstandenen Haydn-Aufnahmen Salonens, Rattles und Wolffs.


    Wobei mir im Gegensatz zu Rideamus der "HIP-Strich" (schönes Wort :D) heute doch viel ausgeprägter scheint als in den 80ern ?(.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Hallo.


    Tatsächlich habe ich auch das Gefühl, dass von den großen Drei - Karajan, Bernstein, Solti -, der letztgenannte mittlerweile am wenigsten beachtet wird. Vielleicht war er als Person nicht exzentrisch oder polariserend genug, ich weiß es nicht.


    Als ich anfing, Wagner und Strauss zu hören, habe ich auch Solti-Aufnahmen erworben. Nun lässt mich sein Strauss jedoch kalt, da er mir zu gewaltig, manchmal auch schlicht zu laut daherkam. Bei seinem Wagner gefiel mir das energievolle, teils enthusiastisch wirkende Spiel sehr gut. Sein Tannhäuser beispielsweise! Soltis Ring-Einspielung höre ich nach wie vor gern; nicht zuletzt deshalb, weil sie meines Erachtens sehr gut besetzt ist und wirklich toll klingt (und zwar kein karajanscher Schönspülklang, der alles zudeckt, sondern ein aufnahmetechnisch feiner, detailreicher und gleichwohl satter, praller Sound - während ich das schreibe, nehme ich mir vor, die Walküre in den Player zu legen).
    Im Übrigen aber muss ich gestehen, dass es mich eben nicht sonderlich zu Solti drängt, da ich immer die Gefahr verspüre, dass "too much" geboten wird.


    :hello:


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Hi!


    Zitat


    Original von lohengrins


    karajanscher Schönspülklang, der alles zudeckt


    :boese2:


    LG Florian


    :hello:

    Gustav Mahler: "Das Wichtigste in der Musik steht nicht in den Noten."

  • Das ist aber nicht nur ein Phänomen, das bei Karajan auftritt. Hier im Forum kommt es mir meistens so vor, als würde das immer auf ihn allein reduziert.
    Zudem ist Schönklang m.E. nichts Negatives, im Gegenteil, nur derzeit anscheinend eben nicht angesagt - was mir aber (ehrlich gesagt) absolut egal ist.


    Nun aber zurück zu Solti. :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo.


    Ich denke, dass zu beider (Solti und Karajan) Hoch-Zeit auch die Jagd nach dem technisch besten Klang eröffnet war - manche Aufnahme aus jener Zeit klingt wesentlich besser als heutiges.


    Was ich dazu an dieser Stelle sagen wollte, ist, dass bei Solti ein sehr detailreicher und mir auch realistisch anmutender Klang auf die Tontäger gebannt wurde. Bei Karajan hingegen scheint mir ein perfektes und damit letztlich überirdisch-künstliches Klangbild das Ziel gewesen zu sein.


    Dass es sich insofern um eine Geschmackssache handelt, ist klar.


    :hello:


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Rideamus schrieb:


    Einspruch, Euer Ehren!


    Gerade Soltis Einspielung mit dem LPO von Haydns wohl populärsten "Schlachtrössern", den Sinfonien Nr. 94 und 100, war für mich nach Jahren fast unbedingter HIP-Treue ein Ohrenöffner und erinnerte mich daran, dass gute Musik in erster Linie eine Frage der Interpretation und erst in zweiter, wiewohl wichter, Linie eine der "richtigen" Besetzung ist.


    Auch die Sonderstellung seiner Aufnahme von ORFEO ED EURIDICE, auf die petra zu Recht immer wieder hinweist, oder seiner ARABELLA sind wahrlich nicht das Resultat mangelnder hochwertiger Konkurrenz. Gleiches gilt für seinen TANNHÄUSER, seinen EUGEN ONEGIN und nicht zuletzt die überragende Qualität von Renée Flemings Debütrecital "Signatures", die auch ihm zu verdanken ist. Dass ich ihm bei Verdi und Mozart regelmäßig andere vorziehe, lässt nicht übersehen, dass seine Einspielungen - zuverlässiger als die vieler anderer - für mich fast immer an 2. - 4. Stelle, fast nie aber im Mittelfeld stehen.


    Solide und überdurchschnittlich sind wahrlich keine schlechten Prädikate und werden dem Gros seiner Einspielungen gerecht, die bei einem, der so viel aufgenommen hat wie er, natürlich nicht immer Spitzenniveau haben konnten. Allein das hebt ihn m. E. aber schon genügend aus der Schar großer Kollegen hervor.



    Stattgegeben!


    Ich bin absolut Deiner Meinung, daß sich Solti dank seines offensichtlichen Qualitätsanspruchs wohltuend von vielen "unsicheren Kantonisten" abhebt, daher meinte ich "solide und überdurchschnittlich" eben auch nicht so vergiftet, wie solche Wertungen in manchen Ohren klingen mögen. Solti ist eben nicht mittelmäßig.
    Du kennst ja weit mehr als ich von Sir Georg, so daß ich mich auf recht dünnem Eis bewege. Seinen Haydn (96 + 101) empfand ich aber als reichlich mechanisch; zur gleichen Zeit hörte ich eine Aufnahme der Wiener unter Carlos Kleiber (94), die dem Optimum für mich recht nahe kam - beschwingt, präzise und geistreich.
    Die Mahler-Aufnahmen sind außerdem aus der eindeutig ersten Riege.


    Ganz herzliche Grüße,


    Christian


    PS: Und jetzt oute ich mich als nicht forumskundig: Was bedeuten die Abkürzungen HIP, IMO, IMHO usw.??? Hilfe!

  • Zwei der besten Aufnahmen von Sir Georg sind - ohne viel Einspruch vermutlich - folgende:




    Dem Tannhäuser würde ich sogar Referenzcharakter zubilligen, der Parsifal hat wohl mehr gleichwertige Konkurrenz (Karajan, Kubelik, Knappertsbusch, Kegel usw.).


    Überhaupt halte ich Solti für einen sehr, sehr guten Wagner-Dirigenten, hervorragend auch bei Mahler. Sein Beethoven, oft gerügt, ist m. E. unterschätzt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Sein Beethoven, oft gerügt, ist m. E. unterschätzt.


    Ja, aber man muß die Solti-Aufnahmen der Sinfonien einzeln betrachten.



    Hallo Joseph,


    ich habe mittlerweile seit den 80er-Jahren die GA der Beethoven-Sinfonien mit Solti. Für sich gesehen sind das alles zupackende und werkgetreue Interpretationen, die alle Wiederholungszeichen betrachten (obwohl das für mich überhaupt kein zählendes Kriterium ist). Ein Beethoven der Mitte, den ich (mit Außnahme der Sinfonien Nr. 5 (die ist total nicht Solti-typisch)) immer ganz gerne in voller Zufriedengehört habe.
    ;) Es ist einfach so, das diese wirklich fabelhaft klingenden Decca-Aufnahmen von Solti aus Chicago durch andere noch bessere Interpretationen verdrängt wurden.
    Betrachtet man im Vergleich die GA u.a. mit Karajan (alle auf DG), Szell, die Beiden mit Bernstein so empfinde ich bei diesen mehr zupackendes, das mich anspricht. Letztendlich will ich diese strafferen und nicht so lang gezogenen Aufnahmen auch hören und Solti´s eigendlich gute Aufnahmen bleiben liegen.


    :yes: Erst vor kurzem habe ich wiedermal die Sinfonie Nr.8 und mehrere Ouvertüren (auch in der DEcca-Box enthalten) mit Solti gehört und wieder erfreut feststellen müssen, welch fabelhafte Aufnahmen hier vorliegen.
    :yes: Für Solti sind meine Favoriten die Sinfonien Nr.1,2 und 8, sowie die fabelhafte Leonore III; auch die CD der Sinfonie Nr.3 war seinerzeit mein Steckenpferd (wurde später durch Bernstein (DG und CBS) abgelöst).


    :( Weniger gefallen mir die Solti-Aufnahmen der Sinfonien Nr.5 und die Sinfonie Nr.7 ist bei Solti wirklich zu harmlos geraten. Dort fehlt der ansonsten bei Solti übliche Überschwang im 4.Satz total (da verweise ich mit bestem Gewissen auf Karajan :stumm: :D:jubel: ................. jetzt kommt mit blos nicht mit Kleiber :untertauch:).

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • "Heute bin ich ein wohltätiger Diktator."

    Sir Georg Solti nebst Gattin bei Boulevard Bio im Dezember 1994 (ab 36:45).


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Das meiste bewegt sich auf dem Niveau: solide, überdurchschnittlich, aber nicht mehr.

    Hier kann ich nur beipflichten - Und prinzipiell haben die Tamino-Mitglieder ebenfalls - wenn auch indirekt - beigepflichtet:

    Abgesehen vom letzten Beitrag von "Joseph II" lag der Thread brach. Sowas passiert gelegentlich bis öfter - aber kaum bei einem als solchen bezeichneten Weltklassedirigenten, der eins mit Karajan verglichen wurde.


    Der gerühmte Ring ist natürlich erstklassig, dennoch aber sehr effekthascherisch und blechbetont.

    Ein kurze Bemerkung zu "effekthascherisch"

    Nur wenige wissen, daß dieser Ring eigentlich als Live mitschnitt aus Bayreuth gepalnt war, was allerdings daran scheiterte, daß man dor von dem Projekt nichts wusste und es deshalb nicht zustandekam. So beschloss der Produzent - quasi aus Trotz, Verzweiflung oder Flucht nach vorn, das Konzept auf eine Studioaufnahme umzufunktionieren: Eine Studioaufname, die alles Bisherige übertreffen sollte, mit der Illusion einer realen Bühne und realistischen Klangeffekten - wesentlich besser als jeder Mitschnitt einer realen Aufführung auf einer Bühne. Das ist also weder Soltis Schuld, noch sein Verdienst. Er partizipierte in diesem Fall - wie so oft - von der vorzüglichen Aufnahmetechnik der DECCA die besser war als der Stand der Zeit...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • In der oben verlinkten Sendung von 1994 meinte Gastgeber Alfred Biolek (den ich stark vermisse) zu Solti, er sei nun, da Karajan und Bernstein nicht mehr lebten, ja eigentlich der unstrittig größte lebende Maestro. Eine fast jugendliche Aura umstrahlte den bereits hochbetagten Solti auch da noch, was durch seine 25 Jahre jüngere Ehefrau noch unterstrichen wurde (die übrigens 2021 ebenfalls von uns gegangen ist). 1997 starb Solti dann für viele ziemlich überraschend mit knapp 85.


    Seither ist es nach meinem Eindruck deutlich ruhiger um ihn und sein diskographisches Vermächtnis geworden. Speziell in den USA hat er heute eine überwiegend schlechte Presse, wenn man sich etwas umhört. Das artet für meine Begriffe dann allerdings leicht zu einem undifferenzierten Bashing aus, wo jede Solti-Aufnahme madig gemacht wird. Seine steile Karriere erklärt sich letztlich doch durch meisterhaft gelungene Einspielungen speziell in den 1950er und 60er Jahren, deren Höhepunkt der berühmte "Ring" war. 1969 übernahm er das Chicago Symphony Orchestra und stand wohl auf dem Gipfel seines Ruhmes. Die Rastlosigkeit, die ihn bis ganz zuletzt auszeichnete, führte zu Massen an weiteren Aufnahmen für Decca, vielfach Neuauflagen, die aber nur in seltenen Fällen an ihre Vorgänger heranreichten oder diese gar übertrafen. Das verstellt den Blick darauf, dass es auch in den späteren Jahren noch einige Perlen gab. Insgesamt scheint sein Stern aber doch mittlerweile mehr verblasst zu sein als jener Karajans und vor allem Bernsteins, dem jetzt sogar ein großer Spielfilm gewidmet wurde, der seit kurzem im Kino läuft und bald auch auf Netflix.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Kein Einspruch, Euer Ehren! :-) Es grüßt Hans

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*


  • Von späten Solti-Perlen war die Rede. Eine Aufnahme, die ich in diesem Zusammenhang unbedingt erwähnt haben möchte, ist das Requiem von Mozart, das am 5. Dezember 1991, dem 200. Todestag des Komponisten, im Wiener Stephansdom erklang. Mit Arleen Auger, Cecilia Bartoli, Vinson Cole und René Pape hatte man ein formidables Solistenquartett aufgeboten. Es sang weiterhin die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor und es spielten die Wiener Philharmoniker. Die filmische Fassung (auf DVD erschienen) faszinierte mich bereits vor vielen Jahren, nicht zuletzt wegen Soltis sehr dramatischer, stellenweise eruptiver Lesart.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • In der oben verlinkten Sendung von 1994 meinte Gastgeber Alfred Biolek (den ich stark vermisse) zu Solti, er sei nun, da Karajan und Bernstein nicht mehr lebten, ja eigentlich der unstrittig größte lebende Maestro. Eine fast jugendliche Aura umstrahlte den bereits hochbetagten Solti auch da noch, was durch seine 25 Jahre jüngere Ehefrau noch unterstrichen wurde (die übrigens 2021 ebenfalls von uns gegangen ist). 1997 starb Solti dann für viele ziemlich überraschend mit knapp 85.


    Seither ist es nach meinem Eindruck deutlich ruhiger um ihn und sein diskographisches Vermächtnis geworden. Speziell in den USA hat er heute eine überwiegend schlechte Presse, wenn man sich etwas umhört. Das artet für meine Begriffe dann allerdings leicht zu einem undifferenzierten Bashing aus, wo jede Solti-Aufnahme madig gemacht wird. Seine steile Karriere erklärt sich letztlich doch durch meisterhaft gelungene Einspielungen speziell in den 1950er und 60er Jahren, deren Höhepunkt der berühmte "Ring" war. 1969 übernahm er das Chicago Symphony Orchestra und stand wohl auf dem Gipfel seines Ruhmes. Die Rastlosigkeit, die ihn bis ganz zuletzt auszeichnete, führte zu Massen an weiteren Aufnahmen für Decca, vielfach Neuauflagen, die aber nur in seltenen Fällen an ihre Vorgänger heranreichten oder diese gar übertrafen. Das verstellt den Blick darauf, dass es auch in den späteren Jahren noch einige Perlen gab. Insgesamt scheint sein Stern aber doch mittlerweile mehr verblasst zu sein als jener Karajans und vor allem Bernsteins, dem jetzt sogar ein großer Spielfilm gewidmet wurde, der seit kurzem im Kino läuft und bald auch auf Netflix.

    Zu dem, was Du schreibst, lieber Joseph, fiel mir spontan das Sprichwort "the higher they climb the harder they fall" ein und frage mich gerade, ob es in Bezug auf Sir Georg Solti zutrifft, denn er gehört zwar bei mir nicht mehr zu den meistgehörten Dirigenten, wie zu Anfang meiner Klassikzeiten, aber manche Aufnahme mit ihm zählt immer noch zu meinen Favoriten.


    Was Du in Bezug auf die "späten Perlen" schreibst stimmt für mich absolut.


    Solti war z.B. der Auffassung, es gäbe keine unentdeckten Meisterwerke mehr bis er eine Aufnahme (von Sir Adrian Boult) von Liszts "Eine Faust Symphonie" hörte und beschloss, das Werk im Konzert zu dirigieren und dann für die Platte/CD aufzunehmen.



    Auch war er bereit "zigtausendmal" dirigierte Werke anhand der Partitur "neu kennenzulernen" und (für mich) faszinierend genial neu zu interpretieren, siehe Beethovens und Mahlers 5. Sinfonie:



    Ebenfalls sehr bemerkenswert ist die sehr späte Zuwendung zu den Sinfonien Schostakowitschs, z.B.


    (auch die Sinfonien 1, 8, 9 (gleich zweimal) und 10 hat er für die Platte/CD aufgenommen, aber da ist beim Werbepartner kein Cover mehr zu finden)

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Seither ist es nach meinem Eindruck deutlich ruhiger um ihn und sein diskographisches Vermächtnis geworden. Speziell in den USA hat er heute eine überwiegend schlechte Presse, wenn man sich etwas umhört. Das artet für meine Begriffe dann allerdings leicht zu einem undifferenzierten Bashing aus, wo jede Solti-Aufnahme madig gemacht wird. Seine steile Karriere erklärt sich letztlich doch durch meisterhaft gelungene Einspielungen speziell in den 1950er und 60er Jahren, deren Höhepunkt der berühmte "Ring" war. 1969 übernahm er das Chicago Symphony Orchestra und stand wohl auf dem Gipfel seines Ruhmes. Die Rastlosigkeit, die ihn bis ganz zuletzt auszeichnete, führte zu Massen an weiteren Aufnahmen für Decca, vielfach Neuauflagen, die aber nur in seltenen Fällen an ihre Vorgänger heranreichten oder diese gar übertrafen. Das verstellt den Blick darauf, dass es auch in den späteren Jahren noch einige Perlen gab. Insgesamt scheint sein Stern aber doch mittlerweile mehr verblasst zu sein als jener Karajans und vor allem Bernsteins, dem jetzt sogar ein großer Spielfilm gewidmet wurde, der seit kurzem im Kino läuft und bald auch auf Netflix.

    In den letzten Jahren hat sich Decca erbarmt und drei große Solti-Boxen auf den Markt gebracht:


    2017 erschien die umfangreichste der drei Boxen, "Solti Chicago - The Complete Recordings" (108 CDs), die mittlerweile leider schon wieder vergriffen ist und auf dem Gebrauchtmarkt zu abstrusen Preisen gehandelt wird:

    Wie der Zufall es will, hatte ich nach langer Suche letzte Woche Erfolg und konnte ein Gebrauchtexemplar in sehr gutem bis neuwertigem Zustand für einen sehr guten Preis erstehen, gestern kam sie an :jubel:


    2021 erschien dann die Box "Solti London - The Orchestral Recordings" (36 CDs), die aktuell leider ebenfalls vergriffen ist:

    Vor ein paar Monaten gab es noch einige wenige Neuexemplare für 99€ bei Saturn/Media Markt, da habe ich zugeschlagen - eine gute Entscheidung, da nun OOP. Hier fehlen aber anders als bei der Chicago-Box die Opernaufnahmen.


    Noch vor wenigen Wochen folgte dann schließlich diesen Oktober die (bislang?) letzte Box, "Solti Europe - The Orchestral Recordings" (45 CDs, 2 DVDs):

    Auch hier fehlen die Opernaufnahmen. Da die beiden Vorgängerboxen schnell vergriffen waren (wie leider oft bei Decca üblich, die im Mai diesen Jahres erschienene Blomstedt-Box ist wohl auch schon bereits vergriffen bzw. nur noch für den doppelten Preis im Shop des Gewandhausorchesters zu finden), empfiehlt es sich wohl, hier zuzugreifen, solange man noch die Möglichkeit hat.


    Laut Werbebanner auf der jpc-Seite soll dies auch die letzte Box sein, Soltis Opernaufnahmen (abseits derer aus Chicago) werden wohl nicht wieder aufgelegt - mit Ausnahme der Super-Mega-Hyper-SACD-Luxusausgabe des Rings (übrigens aktuell im Angebot - aber immer noch sehr teuer, man zahlt zusammengerechnet schlappe 310€):





    Liebe Grüße

    Amdir