Zitatcaruso41: Ich habe ja die Inszenierung nicht gesehen und werde mir kein Urteil erlauben, denke aber, man sollte verschiedene Stimmen hören: Also auch diese aus der BZ!
Ist ja richtig, dass man hier mehrere Meinungen hören sollte, aber da musst Du doch nicht gleich mit dem Ich-schreib-das-mal-in-roten-Grossbuchstaben-Oberlehrer-Stil ins Haus fallen, lieber caruso41. Und jetzt kommt der Knaller: Ich setze mich mit dieser Meinung auseinander und erlaube mir sogar ein eigenes Urteil. Wat sachste nu?
Zitataus der BZ-Kritik: Castorfs Ring ist eine, warum auch nicht, mühsam zu entziffernde Interpretation - nicht unbedingt des Werkes, aber unserer Zeit und der Zeitläufte, die sie geprägt haben.
Genau das ist ja das Problem. Warum wird nicht das Werk interpretiert? Kann er es nicht, will er es nicht oder wie oder was? Eine adäquate Werkinterpretation darf ruhig sperrig oder nicht unmittelbar zugängig sein, aber welchen Sinn macht eine Inszenierung, die das Werk missachtet oder mit Desinteresse behandelt (z.B. in der "Walküre", wo es wohl keine klare Personenführung oder Interpretation der Ereignisse gab)?
Zitataus der BZ-Kritik: Wer meint, dieser Ring sei einfallslos, der hat die Augen nicht aufgemacht oder schon nach dem "Rheingold" den Stab gebrochen. Castorfs Ring ist wild und romantisch, politisch, ohne dogmatisch zu sein, er bricht mit Traditionen und Ideologien, auch denen, denen der Regisseur einst folgte.
"Einfallslos" war dieser "Ring" gewiss nicht. er hatte wohl eher - wie Katharinas "Meistersinger" - zu viele Einfälle, ohne sie unter einen Hut oder auf einen Nenner bringen zu können oder - noch schlimmer! - zu wollen. Ein nur lose zusammenhängendes Sammelsurium halb ausgegorener Ideen und dummer Provokationen ist nie und nimmer ein ausreichendes Konzept für eine Inszenierung. (Übrigens: Wo war in diesem Ring denn die in der Kritik erwähnte Romantik?)
Zitataus der BZ-Kritik: Troztdem tat er (Castorf) einem Leid da vorne, dann eine hilflose Geste, die weit aufgerissenen Arme und dann zeigt er dem Publikum den Vogel. Das ist nicht gerade höflich, aber so war sein Ring ja auch nicht.
Meiner Meinung nach hat Castorf dem Publikum vier Abende lang permanent den Vogel gezeigt. Da muss sich doch niemand wundern, wenn er es mit gleicher Münze heimgezahlt bekommt. Wenn der Mann den "Ring" nicht interpretieren kann oder will, fühlen sich viele Zuschauer völlig zu recht verarscht. Das kann ich gut nachvollziehen. Sein "Ring" mag zwar kurzweiliger als Dorsts vorige Umsetzung gewesen sein, aber besser ist sie auf keinen Fall. Und dass hier in Zukunft ein Zuspruch erfolgt, wie es bei Chereau war, halte ich zumindest für sehr unwahrscheinlich. Das Schlimme an Castorfs "Ring" ist meiner Meinung nach, dass er das Publikum nicht ernst nimmt und nun dafür - trotz einiger positiver Stimmen - die Quittung bekommen hat. Einzig der freche Humor, der hin und wieder im "Rheingold" aufblitzte, war sicher eine spannende Sache, die man weiter hätte verfolgen können. Eine gewisse Ironie schadet einer "Ring"-Inszenierung wahrscheinlich nicht. (Zu diesem Thema kann ich Loriots Texte zum "Ring" aus seinem Opernführer empfehlen.)