Stellenwert der "Klassischen Musik" und Opern in der Jugend und Gesellschaft

  • Lieber Caruso,


    vielen Dank für den Artikel. Der Zuwachs bezieht sich aber auf den Konzertbereich, was ich ja auch nicht bestreite. Hingegen stellt der Artikel im Opernbereich einen erheblichen Einbruch seit der Zeit der sich immer mehr verstärkenden sogenannten Regietheaters (nahezu 50%) fest, was unsere These bestätigt. Mag es auch nicht allein das Regietheater sein (einige wenige Inszenierungen sind ja auch durchaus akzeptabel, wenn der Regisseur wenigstens die Handlung nicht verdreht, soweit sie zeitlos ist, oder gar eine ganz neue erfindet), sondern auch ein Teil auf das verminderte Angebot zurückzuführen sein, so steht zumindest fest - und ich weiß es aus eigener Erfahrung, aus dem Bekanntenkreis, aus Zuschriften und Anrufen, die ich von mir völlig fremden Leuten aus verschiedene Teilen Deutschlands zu Leserbriefen in Zeitschriften erhielt, aber auch aus den Beiträgen vieler hier Mitdiskutierenden - dass diese Art der Inszenierung viele Opernliebhaber aus den Opernhäusern vertrieben hat. Da beweist auch der Artikel nichts anderes.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Das ist schon nicht uninteressant:


    Wenn ich die Aussage des Artikels, dass "Die Zahl der Opernbesucher in Deutschland [...] zwischen 2005 und 2013 von jährlich 4,5 auf 3,9 Millionen Menschen gesunken." ist, mal grob linearisiere, komme ich zwischen 2000 und 2010 auf einen Abfall von 0,75 Millionen Besuchern. Das ist ausgehend von rund 4,9 Mio. Besuchern in 2000 ein Verlust von ca. 15%. Andererseits ist in dem Artikel zu lesen, dass im ersten Jahrzent nach 2000 die Zahl der Opernvorstellungen in Deutschland um 13% eingebrochen sei. Damit blieben pi x Daumen "satte" 2%, die den Opernhäusern (eventuell) aus Protest gegen das Regietheater fernblieben.


    Möglicherweise ist die Sache also doch etwas komplizierter ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Lieber Michael,


    danke, du hast den Durchschnitt fast richtig berechnet. Die knapp 50 % beziehen sich auf die Zeit von 1990, also die letzten 25 Jahre, und das ist auch die Zeit, seit der die Seuche des Verunstaltungstheater immer heftiger grassierte. Jährlich etwa 2 % zu Lasten des Regietheaters, dann dürften nach weiteren 25 Jahren - falls dieser verfehlte Weg weiterhin beschritten wird - nur noch ein paar Hartgesottene ins Opernhaus gehen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • stellt der Artikel im Opernbereich einen erheblichen Einbruch seit der Zeit der sich immer mehr verstärkenden sogenannten Regietheaters (nahezu 50%) fest, was unsere These bestätigt.


    Lieber Gerhard!
    Monokausale Erklärungen sind selten überzeugend. Das weißt Du ja auch. Sagst Du ja sogar!


    Und trotzdem glaubst Du fest daran, dass der Überdruss an dem, was Du Regietheater nennst, entscheidend war.
    Brachmann glaubt, dass damit die Zahlen nur zum Teil erklärt werden. In den östlichen Bundesländern sind Theater geschlossen oder fusioniert worden. Es gibt mithin weniger Spielstätten und also auch weniger Plätze. Zudem spielen viele Häuser nicht nur in den neuen Bundesländern schon längst nicht mehr sechs oder gar sieben Tage die Woche. Das heißt, weniger Vorstellungen, also auch nochmals weniger Plätze.
    Sicher könnte man beides quantifizieren aber die Mühe will ich mir wirklich nicht machen. Ich will nur, dass nicht vorschnell das von Brachmann zusammengestellte Zahlenmaterial flott als Bestätigung für eine These genutzt wird. Nimm einfach Dein Bekenntnis zu Multikausalität ernst.


    Sicher sind Besucher weggeblieben, weil sie die Inszenierungen geärgert haben. Andere sind gekommen weil sie endlich nicht mehr verstaubte Inszenierungen geboten bekamen. Brachmann erwähnt Kosky und Jens-Daniel Herzog, man könnte auch Dew in Darmstadt, Achim Freyer in Mannheim und... und... und... nennen. Sie ziehen mit spannenden Inszenierungen Besucher neu in die Opernhäuser. Ob die wieder kommen, wird davon abhängen, ob ihre Erwartungen auch künftig befriedigt werden.
    Dass die, die gegangen sind, sich gänzlich zurückgezogen haben und neuen Inszenierungen nicht mal - von Zeit zu Zeit wenigstens - eine Chance geben, spricht nicht dafür, dass das eingefleischte Opernfans waren. Für die gäbe es einfach keinen Ersatz für das hier und jetzt einer lebendigen Opern-Aufführung.


    Beste Grüße
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Ich glaube nicht, dass eine monokausale Betrachtung dem Phänomen gerecht wird.
    Man müsste zumindest auch andere Bereiche ansehen, zum Beispiel den Tonträgermarkt.
    Wenn auch dort Opern rückläufig wären, stützte das nicht gerade die das-RT-ist-Schuld-These.


    Vielleicht ist es ja auch ganz anders und Oper als Kunstform erreicht mit den den Werken zugrunde liegenden Sujets immer weniger die Hörer, ganz einfach, weil trotz aller Modernisierungsbemühungen kaum noch eine Deckung mit der Lebenswirklichkeit der Menschen erzielt wird? Was bleibt ist die museal anmutende Bewunderung weniger.
    Instrumentale Musik ist möglicherweise wesentlich zeitloser.


    Viele Grüße
    Frank

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  • Zudem spielen viele Häuser nicht nur in den neuen Bundesländern schon längst nicht mehr sechs oder gar sieben Tage die Woche. Das heißt, weniger Vorstellungen, also auch nochmals weniger Plätze.

    Das ist nun aber eine Milchmädchenrechnung! Man spielt genau so viel, dass man den Bedarf vor Ort deckt. Würde man mehr Vorstellungen spielen, kämen deshalb ja nicht mehr Menschen. Kämen mehr Menschen, würde man auch mehr spielen.


    Übrigens wurde auch in den alten Bundesländern Theater fusioniert.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat

    Vielleicht ist es ja auch ganz anders und Oper als Kunstform erreicht mit den den Werken zugrunde liegenden Sujets immer weniger die Hörer, ganz einfach, weil trotz aller Modernisierungsbemühungen kaum noch eine Deckung mit der Lebenswirklichkeit der Menschen erzielt wird? Was bleibt ist die museal anmutende Bewunderung weniger.
    Instrumentale Musik ist möglicherweise wesentlich zeitloser.

    Ich halte das, was du schreibst, für sehr fragwürdig! Erstens ist der Rückgang nicht drastisch, zweitens wollen die Menschen Geschichten erzählt bekommen und nicht nur abstrakter Musik lauschen, drittens bringt die Verbindung von Wort und Musik den Menschen Musik näher und entfremdet sie ihnen nicht - und viertens ist der Versuch, den "Modernisierungsbemühungen" einen Persilschein auszustellen, sie von jeder Schuld am Rückgang freizusprechen, meines Erachtens mindestens genauso großer Unfug wie das Gegenteil, ihr nämlich alle Schuld in die Schuhe zu schieben!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • drittens bringt die Verbindung von Wort und Musik den Menschen Musik näher und entfremdet sie ihnen nicht -


    Das mag Deine Haltung sein, ist vermutlich aber nicht allgemeingültig.
    Meiner Wahrnehmung nach haben doch nicht wenige Menschen so ihre Probleme mit "vokaler Klassik" und Opern.
    Ich kann bspw. (bisher) kaum was mit Opern anfangen, ein bißchen Wagner mal außen vor gelassen.

    Zitat

    und viertens ist der Versuch, den "Modernisierungsbemühungen" einen Persilschein auszustellen, sie von jeder Schuld am Rückgang freizusprechen, meines Erachtens mindestens genauso großer Unfug wie das Gegenteil, ihr nämlich alle Schuld in die Schuhe zu schieben!


    Da sind wir uns gerne einig.
    Davon ab habe ich bewusst vorsichtig, als Überlegung, nicht als Fakt, formuliert. ;)


    Viele Grüße
    Frank

  • Die Verbindung zwischen Wort und Musik macht die Musik zumindest greifbarer zugänglicher, belässt sich nicht als "Fremdsprache" in reiner Abstraktion, sondern schlägt eine Brücke zum Menschen und seiner ihm vertrauten Sprache. Man muss diese Brücke nicht gehen, kann sie aber gehen. Jeder Mensch trägt ein Musikinstrument in sich: seine Stimme! Auch das ist etwas Vertrautes, auchj wenn das Selbersingen leider auf dem Rückzug ist, das Erlenen von klassischen Musikinstrumenten aber vermutlich auch.
    In verona sitzen immer noch jeden Sommer Abend für Abend 20000 Menschen und mehr beeeinander und lauschen einer Opernaufführung. Vergleichbares für den Bereich der Instrumentalmusik habe ich (in diesem Ausmaß) jetzt nicht wirklich auf dem Schirm. Es bringt aber auch gar nicht so viel, jetzt die Vokalmusik gegen die Instrumentalmusik auszuspielen, nur weil der eine eben diese und der andere eben jene mehr mag. Beides wird überleben, da bin ich mir ganz sicher.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Grundsätzlich sicher richtig, jedoch glaube ich, dass das Wie des Singens für heutige Ohren zunehmend ungewohnt, der Brückenbau somit dann doch nicht so einfach ist. Du musst da wahrscheinlich mal ein bißchen aus Deiner Perspektive als Operfan heraustreten.

    Zitat

    Beides wird überleben, da bin ich mir ganz sicher.


    Sehe ich ebenso.


    Viele Grüße
    Frank

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  • Zwischen 2000 oder 2005 und 2015 dürfte sich der Einfluss des sog. Regietheaters kaum verändert haben. Wenn man den abschätzen will, muss man erstens möglichst viele andere Faktoren benennen und versuchen, abzuschätzen. Dann muss man mit, sagen wir 1975 oder vielleicht 1985 vergleichen (oder wann auch immer "Regietheater" noch eine Ausnahme gewesen wäre). D.h. man hätte es typischerweise mit einer Entwicklung über drei Jahrzehnte oder mehr zu tun und es scheint mir wahrscheinlich, dass man in einem solchen Zeitraum zahlreiche andere Faktoren findet, so dass es extrem schwierig werden dürfte, Effekte eines bestimmten, dazu sehr vagen Faktors ("Regietheater") nachzuweisen.


    Z.B. fällt der "Siegeszug" der an zentralen Spielstätten als Touristenattraktion gebotenen Musicals (wie Cats, Starlight Express etc.) auch exakt in diesen Zeitraum seit Anfang/Mitte der 1980er. Während Musicals vorher in kleinerem Rahmen Teil des Opern/Theaterbetriebs waren, haben diese spektakulären Shows sicher auch einen Teil der Gelegenheitsoperngänger abgeschöpft.


    Weit interessanter an dem Artikel finde ich den zweiten Teil:
    "[Vergleich mit dem Bildungsbürgertum im 19. Jhd.] Natürlich ist das unsauber gerechnet. Aber grundsätzlich stimmt der Befund: Noch nie haben so viele Menschen klassische Musik gehört wie heute, und noch nie war ihr Anteil an der deutschen Gesamtbevölkerung so hoch wie jetzt. Wie kann dann der Eindruck entstehen, der klassischen Musik komme das Publikum abhanden? Ganz klar: Es geht nicht um die Quote. Es geht um Machtverlust. Nicht die Masse der Musikhörer gibt den Ausschlag für die Strahlkraft von Musik, sondern ob diese Masse tonangebend ist. Die sieben Prozent von heute wiegen weniger als die 0,7 Prozent von 1871. Das Publikum wächst, sein Einfluss schrumpft." (von mir hervorgehoben)


    Denn der Rechtfertigungsdruck steigt, weil alles Mögliche nach den von der Kulturförderung zu verteilenden Geldern giert:
    "Wer Kulturamtsleiter ist oder im Stadtrat über die Verteilung von Geldern entscheidet, hat nicht allein die Wahl zwischen einer „Galerie der Romantik“, einer „Mozartwoche“ oder Mittelalterfestspielen im Klostergarten. Street Dance, Kartoffeltage oder der Karneval jedweder Kulturen konkurrieren um die Mittel. „Kultur für alle“ heißt nicht mehr: Jeder hat Zugang zu einer definierten Kultur, sondern alle Kulturen wollen Zugang zu öffentlichen Mitteln. Hier liegt der Grund für den Rechtfertigungsdruck auf eine numerische Minderheit, die noch immer die Mehrheit der Etats für sich beansprucht. Denn natürlich sind die erfreulich hohen Auslastungszahlen erkauft mit öffentlichen Zuschüssen."


    Das Fazit am Ende, man solle sich daher lieber nicht zu sehr auf staatliche Förderung verlassen, sondern mehr private Sponsoren auftun, ist natürlich neoliberaler FAZ-Blödsinn. Dass man z.B. in den USA von der Dichte und Breite des Opernbetriebs in D/CH/A nur träumen kann, ist allgemein bekannt.


    Es stellt sich daher nicht nur die Aufgabe, bei der Verbreitung klassischer Musik nicht nachzulassen. Sondern man muss tatsächlich eine Rechtfertigung geben, warum Klassik/Oper eben nicht einfach das Vergnügen der oberen Zehntausend ist, bei der nicht einzusehen ist, dass sie in diesem Maße staatlich unterstützt wird. Sondern etwas, was sich mit öffentlichen Mitteln zu erhalten lohnt, und zwar teurer, aber eben auch in einem Sinne wertvoller ist als ein "Karneval jedweder Kulturen".

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Der große Erfolg der Lloyd Webber u.a. Musicals seit den 1970ern und besonders den 1980ern zeigt m.E., dass Musiktheater per se nicht out ist. Die Lebenswirklichkeit der Menschen hat mit Phantasiekatzen oder Löwenkönigen sicher nicht mehr zu tun als mit der schwindsüchtigen Mimi oder mit Cäsar und Kleopatra ;)


    hängende Schallplatte: Meine Hypothese ist nach wie vor, dass wir inzwischen mindestens zwei Generationen von Hörern haben, die mit mikrophonal verstärktem Populärgesang aufgewachsen sind und daher klassisches Singen tendenziell "künstlich" finden. Das ist keine alleinige Ursache, aber m.E. ein Grund dafür, dass es zunehmend Hörer gibt, die fast nur Instrumentalmusik hören. Es gibt natürlich parallel auch welche, die an der Oper andere Dinge stören. Dass es eine sehr leicht zu parodierende Kunstform ist, die schnell droht, in unfreiwillige Komik zu kippen, ist aber nichts neues. Von wann stammt der Marx-Brothers-Film?


    Es gibt aber ebenso nach wie vor Opernfans, die (fast) nur am Musiktheater Interesse haben. Oder Theaterfreunde, die eben auch Oper schätzen, aber wenig mit reiner Instrumentalmusik anfangen können.
    Mag sein, dass die Fokussierung der Oper auf "ernstere Werke" auch ein Faktor ist. Ich bin mir relativ sicher, dass in den 1950ern/60ern einige Operetten und Opern"schlager" zu den bekanntesten klassischen Musikstücken zählten, die auch vielen Nicht/Kaum-Klassikhörern bekannt waren, so wie heute Bolero oder O fortuna.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Du musst da wahrscheinlich mal ein bißchen aus Deiner Perspektive als Operfan heraustreten.

    Ich habe keine Perspektive als "Opernfan", sondern bin mit Vokal- wie Instrumentalmusik gleichermaßen beschäftigt, auch wenn mir die eine vielleicht etwas näher steht als die andere, aber die Diskrepanz zwischen beiden ist bei mir bei weitem nicht so groß wie bei dir, der sich ja der Oper fast total verweigert.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Das ist nun aber eine Milchmädchenrechnung! Man spielt genau so viel, dass man den Bedarf vor Ort deckt. Würde man mehr Vorstellungen spielen, kämen deshalb ja nicht mehr Menschen. Kämen mehr Menschen, würde man auch mehr spielen.....



    Lieber Stimmenliebhaber!


    Das sagt der Theaterpraktiker?
    Uns wurde die Reduzierung von 7 auf 6 Vorstellungen in der Woche - das war in den 60er Jahren - mit dem Hinweis auf knappere Zuschüsse (bekanntlich geht ja in der Oper nichts ohne Zuschüsse) und Tarifverträge von Chor, Orchester, Technik usw. erklärt.
    Die Schlagzeile von Lutz Rosenzweig in Berliner "Abend" (die Zeitung gab es damals noch); "Die Gewerkschaften sind Schuld".
    Damals brachte man dann übrigens statt einer Opern-Vorstellung am Montag eine Liederabend. Da brauchte man nur einen Sänger und eine Pianistin. Und die Leute haben trotzdem Eintritt bezahlt.
    Insofern stellt sich doch die Frage: würde man wirklich mehr spielen können, wenn die Nachfrage da wäre? Warum haben dann bestens ausgelastete Häuser Tage, an denen sie zu sind?
    Als in Hannover Luigi Nonos „Unter der großen Sonne mit Liebe beladen” in der Inszenierung von Franz Konwitschny so ein sensationeller Erfolg war, wollte man zusätzliche Vorstellungen anbieten. Das war ein Riesenproblem! Es wurden keine Mitwirkenden gebraucht, die nicht zum Ensemble gehörten. Und es gab Abende, an denen das Haus zu war! Trotzdem war es ein Problem. Ich weiß nicht, wie man es schließlich gemacht hat, aber es wurde später als einer der Gründe dargestellt, warum der Etat überzogen wurde. Aber - wie gesagt - Du bist der Praktiker. Ich habe nur mäßig Einsicht, was es alles braucht, "den Vorhang aufgehen zu lassen".


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Instrumentale Musik ist möglicherweise wesentlich zeitloser


    Nicht nur "möglicherweise", sondern tatsächlich.
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • Lieber Johannes,
    ehe ich jetzt endlich den PC abschalte, möchte ich Dir noch kurz für Deine Beiträge danken. Sie haben meines Erachtens wichtige Gesichtspunkte hervorgehoben und weiter erörtert. Dazu muss ich nichts hinzufügen.


    Übrigens gibt es die "Schlager", die weit über die Klassikgemeinde hinaus bekannt sind, auch heute. Die Kalaf-Arie ist vielleicht das bekannteste Beispiel. Interessant ist ja auch , wie viele Produkte mit Klassik beworben werden - zugegeben nur mit Schnipseln. Aber denen wird doch Werbewirkung zugetraut. - für Bier, Parfum, Katzenfutter und was weiß ich! Oder?


    Gute Nacht


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Insofern stellt sich doch die Frage: würde man wirklich mehr spielen können, wenn die Nachfrage da wäre?

    Ja, könnte man, trotz Proben und Tarifverträgen, also gewiss 4-5 Mal pro Woche statt 2-3 oder 3-4x, natürlich nicht 7x.


    Warum haben dann bestens ausgelastete Häuser Tage, an denen sie zu sind?

    Weil sie dann nicht mehr "bestens ausgelastet" wären? ;)


    An einem Tag ist orchesterdienstfrei, klar, da kann keine Opernvorstellung stattfinden, aber sechs Mal pro Woche könnte man theoretisch spielen, hätte dann aber nie Abendproben auf der Bühne, macht man also auch nicht, könnte man aber, wenn es voll werden würde (über die Feiertage oder so macht man es dann doch mal).

    Als in Hannover Luigi Nonos „Unter der großen Sonne mit Liebe beladen” in der Inszenierung von Franz Konwitschny so ein sensationeller Erfolg war, wollte man zusätzliche Vorstellungen anbieten. Das war ein Riesenproblem!

    Klar, weil der Erfolg so nicht eingeplant war, sondern überrascht hat. So eine Dispo muss ja langfristig geplant sein. Und so scheitern halt in der Realität immer wieder Dinge, die in der Theorie so schön einfach sind! ;)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Besten Dank, lieber Stimmenliebhaber, für die aufschlußreichen Erläuterungen.
    Mit herzlichen Grüßen


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Ich habe keine Perspektive als "Opernfan", sondern bin mit Vokal- wie Instrumentalmusik gleichermaßen beschäftigt, auch wenn mir die eine vielleicht etwas näher steht als die andere, aber die Diskrepanz zwischen beiden ist bei mir bei weitem nicht so groß wie bei dir, der sich ja der Oper fast total verweigert.


    Dein Nick sowie Deine Themenschwerpunkte im Forum ließen mich zu dem (falschen) Schluss kommen, Du hörtest überwiegend Vokalmusik.


    "Verweigern" klingt so negativ.
    Opern liegen mir überwiegend einfach (noch) nicht und solange es so viel - aus meiner Sicht ungleich interessantere - Instrumentalmusik noch zu entdecken gibt bzw. Eindrücke zu vertiefen sind, verspüre ich keinerlei Drang, mir das Feld der Oper zu "erarbeiten".


    Viele Grüße
    Frank

  • Hallo,


    Lang, lang ist es her, seit ich hier den letzten Beitrag verfasst habe.

    Noch viel länger ist es her, dass ich diesen Thread eröffnet habe.

    Ich denke es ist an der Zeit, den Staub von diesem Thread und meinem Account zu pusten und die Debatte zu befeuern.


    Ich bin nach Jahren des Studiums (und ich studiere nach wie vor) mittlerweile an einer Mittelschule in Wien gelandet, wo ich das Vergnügen habe, Deutsch und Geschichte zu unterrichten.

    Die 10 - 16 jährigen sind weit von klassischer Musik entfernt, was vielleicht daran liegt, dass die Kinder zum Teil aus Ländern kommen, wo der Zugang zu Musik und vor allem zur klassischen Musik sehr eingeschränkt ist.

    In den älteren Jahrgängen wird deutscher Rap gehört :untertauch:

    Die Begründungen dafür, sich nicht mit dieser Musik zu beschäftigen sind interessant.

    Die SchülerInnen kommentieren, ihnen würde diese Musik nicht gefallen, weitaus häufiger merkt man jedoch, dass viele von ihnen jedoch noch nie etwas davon gehört haben.

    Schwierig wird es für viele Kinder und Jugendliche vor allem da, wo sie sich konzentrieren müssen.

    Zudem sind die Stoffe der Oper oftmals zu lange für den Unterricht, bei zwei Einheiten Musik in der Woche ist es nun einmal schwer, eine Oper mit 2 Stunden zu hören und zu bearbeiten.

    Da ich ab und an Musik suppliere, versuche ich den Kindern einfach Klangeindrücke zu Musikrichtungen geben, nicht nur aus der klassischen Musik, sondern auch von Jazz, Swing, Soul und dergleichen mehr, das sind in der Hoffnung, das in ein paar Jahren, wenn die geistige Reife doch etwas gewachsen ist, diese Eindrücke dazu führen, dass die SchülerInnen ihren Horizont erweitern.

    Ich bin auch Klassenvorstand (in Deutschland nennt man das glaube ich Klassenlehrer) und war vor kurzem mit den Kindern in der Kinderoper "Pinocchio".

    Für die Kinder (10-11 Jahre alt) war das großartig, der Besuch hat doch großen Eindruck bei vielen hinterlassen!


    Interessant war für mich, dass das Vorurteil aller Altersstufen unserer Schule darin bestand, dass die Oper und klassische Musik etwas sei, dass nur "reichen" Leuten zustünde, Kinder keinen Zugang hätten, man teure Kleidung anhaben müsste und die Oper und Institutionen klassischer Musik generell etwas seien, das "Leute wie sie" dort gar nicht hinein dürften.

    Traurig eigentlich, das Kinder so etwas glauben :/


    Ich hoffe mal, den Kleinen meiner Klasse etwas die "Furcht" vor Oper und Co. durch den Besuch genommen zu Vielleicht wird ein Schüler/eine Schülerin ja sogar ein mal Tamino?:saint:


    LG. Stefan

    Die gute Zeit fällt nicht vom Himmel, sondern wir schaffen sie selbst; sie liegt in unserem Herzen eingeschlossen

    .

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  • Lieber Traubi,


    vielen Dank für deinen Beitrag und dass du dich so für die klassische Musik engagierst. Zunächst glaube ich, dass das Elternhaus heute - auch bei den "reichen" Leuten - schon weiter weg von klassischer Musik ist, als es zu meiner Jugendzeit war. Und wenn die Eltern noch bereit sind, die Kinder an die Oper heranzuführen und den Kindern eine Einführung geben, wo finden sie hier ein Opernhaus, dass die Werke so zeigt, wie sie vom Komponisten geschaffen und von den Eltern geschildert wurden? Ich weiß von Eltern, die das versucht haben und dann eine solch bittere Enttäuschung erlebten, dass die Jugendlichen nie mehr eine Oper besuchen wollten.

    Ich habe aber auch den Eindruck, dass an den Schulen (vor allem meine ich hier die Gymnasien) viel weniger als zu unserer Zeit in Sachen Musik getan wird. obwohl es heute reichlich Mittel gibt, um die Schüler heranzuführen. Da musste zu unserer Zeit ein altes Klavier und die Stimme des Lehrers reichen. Ich z. B. hatte nur ein "armes" Ersatzelternhaus, in dem man klassische Musik kaum kannte. Bei mir hat der Lehrer das Interesse mit den genannten einfachen Mitteln gezündet. Ich finde es daher wunderbar, wie du das machst.

    Früher war Musik ein Pflichtfach wie viele andere. Hier jedenfalls kann man heutzutage am Gymnasium die Musik gänzlich abwählen und die viele Schüler tun das auch, weil sie wegen fehlender Hinführung glauben, das da sei wohl nichts für sie. Man kann immer nur hoffen, dass ihnen einmal "ein Licht aufgeht".

    Hinzu kommt natürlich, dass sie durch die vielen Medien, die uns heute zur Verfügung stehen, in ganz andere Richtung geleitet werden. Schade!


    Liebe Grüße

    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • wo finden sie hier ein Opernhaus, dass die Werke so zeigt, wie sie vom Komponisten geschaffen ....... wurden?

    Dazu Richard Wagner 1878:

    „.. ach! es graut mir vor allem Kostüm- und Schminke-Wesen; wenn ich daran denke, daß diese Gestalten wie Kundry nun sollen gemummt werden, fallen mir gleich die ekelhaften Künstlerfeste ein, und nachdem ich das unsichtbare Orchester geschaffen, möchte ich auch das unsichtbare Theater erfinden!.. “


    und Wieland Wagner 1951:

    "... was ihm [Richard Wagner] - selbst noch bei der Aufführung seines <Parsifals> im Jahre 1882 -zur Verfügung stand, war ausschließlich die Gasbeleuchtung. In ihrem mühseligen, wenig wandelbaren aber warmen Schein konnten Eindrücke entstehen, die in der Erinnerung all jener lebendig sind, welche noch von diesem >Wunder< zu erzählen wissen: das geheimnisvolle Halbdunkel, in dem die Farben der herrlich gemalten Hängedekorationen jene magische Illusion erziehen konnten, der Wagners Werk nicht entraten vermag. Hier war aus der Not eine Tugend geworden. Die um so viel größere Strahlkraft des elektrischen Lichtes würde die berühmte Wandeldekoration Joukowsky aus dem Mysterium ihres Dämmerlichtes unbarmherzig herausreißen, wir stünden vor nichts als einem Streifen bemalter Leinwand, der uns höchstens mit historischen Interesse erfüllt. Wirklich glaubhaft erschiene uns diese Art der Bühnenkunst nicht mehr."

  • Und was soll uns das jetzt im Hinblick auf das Heranführen Jugendlicher an die Oper sagen?

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Und was soll uns das jetzt im Hinblick auf das Heranführen Jugendlicher an die Oper sagen?

    Liebe Mme Cortese,


    nichts, absolut nichts. Aber soll sich doch jeder selbst lächerlich machen, wenn er es möchte.


    Liebe Grüße

    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • [...]

    Da ich ab und an Musik suppliere, versuche ich den Kindern einfach Klangeindrücke zu Musikrichtungen geben, nicht nur aus der klassischen Musik, sondern auch von Jazz, Swing, Soul und dergleichen mehr, das sind in der Hoffnung, das in ein paar Jahren, wenn die geistige Reife doch etwas gewachsen ist, diese Eindrücke dazu führen, dass die SchülerInnen ihren Horizont erweitern.

    Ich bin auch Klassenvorstand (in Deutschland nennt man das glaube ich Klassenlehrer) und war vor kurzem mit den Kindern in der Kinderoper "Pinocchio".

    Für die Kinder (10-11 Jahre alt) war das großartig, der Besuch hat doch großen Eindruck bei vielen hinterlassen![...]

    Lieber Traubi,


    ich suppliere ebenfalls manchmal "Musikerziehung". Voriges Jahr hatte ich in einer 1. Klasse (Elfjährige) sogar regulär diesen Gegenstand: zwei Wochenstunden, einmal auf Deutsch, einmal auf Englisch (Dual Language Programme). Ich habe die Kinder auch oft mit "Klassik" und anderen Richtungen konfrontiert und stets Musikbeispiele mitgehabt sowie einen Lautsprecher mit einem mehr als halbwegs ordentlichen Sound. Ich bekam meist positive Rückmeldungen. Die Kinder hatten so eine Musik zuvor noch nie gehört. Natürlich habe ich darauf geachtet, dass es nicht zu komplex wird bzw. dass es kindgerecht bleibt. Da eigneten sich Aufnahmen von "Mozart for Children", "The Young Person's Guide to the Orchestra" oder "Peter und der Wolf" natürlich wunderbar.


    Ich glaube, ein Problem für die Menschen, die nicht Klassik hören, ist, dass diese Musik aktives Zuhören erfordert und dass die Freude dann größer wird, je mehr man die Hörerfahrung erweitert. Dann kommt noch dazu - vor allem bei Kindern wie denen in der Wiener Mittelschule - dass es für viele unbequem ist, mehr als einige Minuten die Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten und nicht gleichzeitig noch etwas anderes zu machen (plaudern, spielen etc.).


    Wir waren im Schönbrunner Schlosstheater ("Hänsel und Gretel", gekürzte Fassung und mit Klavierbegleitung statt mit Orchester), und alle Kinder waren begeistert. Ich finde es sehr wichtig, den Kindern solche Erlebnisse zu bieten, die ihnen sonst ihr ganzes Leben lang vorenthalten bleiben. Und wenn es sie jetzt noch nicht so anspricht, dann besteht zumindest die Möglichkeit, dass sie sich später mal daran erinnern und sich doch noch mal solche Musik anhören - dann vielleicht nicht zum letzten Mal.


    In Österreich - ich glaube vor allem an den Mittelschulen (NMS) - wird der Musikunterricht an Schulen ebenfalls vernachlässigt. Viele Lehrer müssen den Gegenstand unterrichten, obwohl sie dafür nicht geprüft sind und schlimmstenfalls selber wenig Interesse haben. Ich finde das skandalös, und es ist das Gegenteil von guter Schulqualität und Bildung. In der Schule die Grundlagen der Musik zu lernen und einen Einblick in unsere großartige Musikkultur und -tradition zu bekommen, finde ich immens wichtig. Leider ist es oft so, dass die Kinder aber gar nicht damit konfrontiert werden, sondern nur ein paar Popgruppen besprochen werden und die Kinder Referate darüber halten, wenn die Lehrkraft nicht vom Fach ist oder selber nicht KlassikhörerIn ist.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

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  • Aber soll sich doch jeder selbst lächerlich machen, wenn er es möchte.

    Lächerlich ist lediglich, die (in eine Frage eingekleidete) Forderung, Werke so zu zeigen, wie sie vom Komponisten geschaffen wurden; gleichermaßen unsinning wie etwa die Phrase, Werke so zu zeigen, wie es der Komponist gewollt hat.

  • Meine Erfahrungen gehen dahin, dass viele Kinder zumindest bis zur Pubertät Klassik gegenüber sehr offen sind und nur wenig Interesse haben, Musik überhaupt zu kategorisieren/etikettieren.

    Und neulich, als ich in HH mit einer Schar Jugendlicher "Carmen" gesehen habe, war eines überhaupt kein Thema: die zeitliche Verschiebung der Handlung um mehrere Jahrzehnte. Und dass z.B. Carmen sich quasi suizidal ins Messer Don Josés stürzte. Das hat die jungen Leute überhaupt nicht beschäftigt im Gegensatz zu Fragen nach musikalischen Qualitätsaspekten, Spannung, Unterhaltungswert, Charakterisierung der Figuren etc. - mit einem Wort: Der Schein-Aspekt der "Werktreue" spielte keine Rolle, die Unmittelbarkeit der transitorischen Kunstform 'Musiktheater' ist m.E. hingegen der entscheidende Punkt. Und ich bin überzeugt davon, dass das im Wesentlichen auch für die Leute gilt, die Libretto und Partitur gut kennen.


    Aber auch ich spekuliere hier wie meine Vorredner auf der Basis meines äußerst eingeschränkten Erfahrungsbereichs nur unwissend herum. Möchte man wirkliche Erkenntnisse, benötigte man seriöse Studien. Von denen gibt es leider nicht viele. Immerhin: Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung von 2017 musizieren Jugendliche tendenziell wieder mehr, mehr als ein Viertel der Aktiven hauptsächlich klassisch orientiert. Entscheidende Faktoren: Bildungshintergrund der Eltern, besuchte Schulform der Kinder, ihr Migrationshintergrund, Einkommen der Eltern. Und obwohl wir Alten seit langer, langer Zeit immer wieder kräftig wegsterben, ist mir bislang nicht zu Ohren gekommen, dass "die Klassik" mitstirbt. Ich selbst spekuliere vor diesem Hintergrund einfach mal weiter, dass unter den vielen jungen klassisch Aktiven auch die Klassik-Interessierten der Zukunft zu finden sein werden.


    Diskutabel ist natürlich, inwieweit es NÖTIG erscheint, "Jugend und Gesellschaft" (s. Threadtitel) offensiv klassisch "sozialisieren" zu wollen. Anstrengungen dafür gibt es im Vergleich zu früher aber wohl recht viele. An "Einstiegsmöglichkeiten" mangelt es m.E. kaum, auch schulisch gibt es eine ganze Reihe von pädagogischen Konzepten, die regelmäßige Begegnungen mit klassischer Musik ermöglichen und jedenfalls zu meinen Zeiten nicht so verbreitet oder gar nicht vorhanden waren. Allerdings: In allgemeinbildenden Schulen muss Kindern ein breit gefächerter Zugang zur Musik angeboten werden. Da ist 'Klassik' ein Etikett unter mehreren und darf somit auch nicht überbetont werden.

  • Lächerlich ist lediglich, die (in eine Frage eingekleidete) Forderung, Werke so zu zeigen, wie sie vom Komponisten geschaffen wurden; gleichermaßen unsinning wie etwa die Phrase, Werke so zu zeigen, wie es der Komponist gewollt hat.

    Das ist keineswegs lächerlich - sondern selbstverständlich- Wenn ich ein Buch eines Autors lese, dann möchte ich das so lesen wie es der Autor geschrieben haben, nicht irgendwelche von "Gutmenschen" "gereinigte" Fassungen, wo gesllschaftliche Wertvorstellungen der Vergangenheit (die im Stillen natürlich noch immer existieren) getilgt worden sind. Gar nicht so weit von der Anpassung alter Zeitungsberichte in Orwells "!984" entfernt.


    Es gibt eine Tendenz - das Wertesystem aller Zeiten an die "Gegenwart" anzupassen und alles Vergangene der Vergessenheit preiszugeben.

    Das "Mittelmaß" unserer Zeit (und hier schmeichle ich - entgegen meinen sonstigen Gepflogenheiten - sogar) wird zum Maßstab aller Dinge erhoben, der historische Faktor verdrängt, weil er so schonungslos aufzeigt, dass es heute eigentlich nichts geschaffen wird, das den Begriff "Kunst" oder "Kultur" in irgendeiner Weise verdient.


    Ich lege keinen besonderen Wert darauf, darüber zu diskutieren . mir genügt, meinen Standpunkt hier klarzulegen.

    Man mag meiner Auffassung folgen - oder nicht.


    mit einem Wort: Der Schein-Aspekt der "Werktreue" spielte keine Rolle, die Unmittelbarkeit der transitorischen Kunstform 'Musiktheater' ist m.E. hingegen der entscheidende Punkt.

    Dieses von mir hier eingestellte Zizat, bezog sich auf "Jugenliche"

    Es hatte stets gute Gründe, warum man in der Vergangenheit Kindern und Jugendlichen einen geringen Stellenwert in der Gesellschaft einräumte.

    Dieser Personengruppe fehl üblicherweise der "Bildungshintergrund" und die "Erfahrung"

    Wie soll jemand eine Inszenierung eines Werkes beurteilen, der es nur in dieser Inszenierung kennt - weder von der Existenz einer Originalfassung noch von den historischen Hintergründen weiß. Ich persönlich mag Kinder und Jugendliche nur in Ausnahmefällen, dann nämlich wenn sie durch Talent und Wissensdursrt ein Bildungsniveau erreicht haben, wo es sich lohnt mit ihnen zu reden.Die meisten aber handeln unüberlegt -können Schaden und Nutzen nicht unterscheiden und gesellschaftliche Normen nicht einhalten.


    Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung von 2017 musizieren Jugendliche tendenziell wieder mehr, mehr als ein Viertel der Aktiven hauptsächlich klassisch orientiert. Entscheidende Faktoren: Bildungshintergrund der Eltern, besuchte Schulform der Kinder, ihr Migrationshintergrund, Einkommen der Eltern. Und obwohl wir Alten seit langer, langer Zeit immer wieder kräftig wegsterben, ist mir bislang nicht zu Ohren gekommen, dass "die Klassik" mitstirbt. Ich selbst spekuliere vor diesem Hintergrund einfach mal weiter, dass unter den vielen jungen klassisch Aktiven auch die Klassik-Interessierten der Zukunft zu finden sein werden.

    Derzeit stellt sich mir die Sache so da, daß die "Klassisch-Aktiven" vorzugsweise an ihrer Karriere Interesse haben - und nicht an der klassischen Musik als Hörer. Eigentlich müsste es hier nur so von ihnen wimmeln - aber das geschieht nicht. Sie sind vorzugsweise daran interessiert sich selbst darzustellen, ihre Musik ihre Interpretation etc. Das ist nicht verwerflich - macht sie aber für Klassikforen unbrauchbar - und desgleichen als "Klassikhörer"

    Dass aber generell wieder ein wenig mehr Klassik gehört werden könnte, führe ich auf einen gewissen Schwung des Pendels in Richtung "Neokonservativ" zurück, wo man sich abgezzen möchte - und die Mehrheit der Menschheit an den Rand der Armut - und somit Bedeutungslosigkeit drängt, still gehalten, durch entsprechende Unterhaltungsformen.

    Diskutabel ist natürlich, inwieweit es NÖTIG erscheint, "Jugend und Gesellschaft" (s. Threadtitel) offensiv klassisch "sozialisieren" zu wollen

    Das erscheint mir besonders interessant, weil ich vor etwa zwei Tagen diesen Gedankengang - für mich selbst verfolgt habe.

    Klassische Musik ist kein Muss für das Volk, sondern ein Luxusgut wie Wein, Parfüm, Bildung über das für den Job notwendige hinaus.

    Irgendwann wird jemand kommen und erklären, daß all das nicht nötig sei, man wolle allen ein gesichertes Leben in Arbeit und Einfalt bieten - und sich nicht mit "Unnötigen Vergnügungen" belasten.

    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Und neulich, als ich in HH mit einer Schar Jugendlicher "Carmen" gesehen habe, war eines überhaupt kein Thema: die zeitliche Verschiebung der Handlung um mehrere Jahrzehnte. Und dass z.B. Carmen sich quasi suizidal ins Messer Don Josés stürzte.

    Lieber Leiermann,


    bei "Carmen" spielt - wenn die Handlung nicht verzerrt wird - wohl eine Verschiebung um wenige Jahrzehnte nicht so die entscheidende Rolle wie z.B. in historisch betitelten Stücken, wie etwa "Nabucco","Die Trojaner", "Julius Caesar", "Attila" u.ä., wohl aber eine örtliche Verschiebung, wie die Verlegung in ein Bordell oder ein Fitnessstudio.

    Wir wollen hier aber nicht wieder eine Diskussion über das Regisseurstheater entfachen. Ich weiß lediglich von Eltern, die den Versuch gestartet haben, ihr Kind an die Oper heranzuführen, ihm auch eine Einführung gegeben haben und dann gescheitert sind, weil auf der Bühne etwas gezeigt wurde, was mit dem Stück nichts mehr zu tun hatte. Das Kind hatte danach "die Nase voll" von der Oper. Nie wieder!

    Meine Enkelin, die Grundschullehrerin ist, hat es bereit im ersten Schuljahr - also mit Sechsjährigen - auf spielerische Art versucht, sie an die klassische Musik heranzuführen, indem sie Ihnen ein klassisches Stück (etwa den Frühling aus die "Vier Jahreszeiten") kurz erläutert hat und sie dazu malen ließ, was sie bei der Musik empfinden. Ich glaube auch, dass häufigeres unterschwelliges Hören von Musik zu der Erkenntnis führen kann, sich einmal damit zu beschäftigen, wenn klassische Musik im Elternhaus gepflegt würde, wofür es ja heute viel mehr Möglichkeiten als zu meiner Jugend gibt. Es fehlt eben vielfach die Berührung damit. Ich habe meiner Enkelin einiges kindgerechte Material liefern können, ich weiß nur nicht, ob ggf die GEMA etwas dagegen hat, die ja auch schon mal für das Singen von Kinderliedern in einer Kindertagesstätte Geld haben wollte.

    Vielfach sind ja auch diejenigen, die kaum etwas davon kennen, der irrigen Meinung, alle klassische Musik sei "schwere" Musik, was ja auch nicht generell der Fall ist. Gut, Mahler, Strauss u.a. eignen sich wohl kaum für einen Anfänger. Ich selbst habe auch erst mit leichteren Opern angefangen, Mozart, Lortzing, Flotow, einiges von Verdi usw.. Zu den Spätwerken von Verdi (etwa Aida, Otello, Falstaff) und Puccini hingegen habe ich auch erst etwas später Zugang gefunden. Interessanterweise aber war ich in meiner Jugend ein großer Anhänger von Wagner (ausgenommen Tristan und Isolde, die ich erst mit über 50 Jahren kennen und lieben lernte).

    Auch der Wiedererkennungswert spielt sicherlich als Anregung bei Jugendlichen (wie auch bei Erwachsenen) eine wesentliche Rolle. Da du gerade Carmen erwähntest: Das Torerolied z.B. ist so populär geworden, dass es auch viele kennen, die sonst wenig mit klassischer Musik zu tun haben. ("Auf in den Kampf, die Schwiegermutter naht") Wer daher die Carmen einmal kennen lernt, die ja noch weitere zündende Melodien enthält, mag in dieser Oper sicherlich manche Anregung finden, die Klassik vielleicht doch etwas näher betrachten.

    Ich habe meine Begeisterung für die Oper und später auch für andere klassische Musik auch auf meine Frau übertragen, die aus einem sehr ärmlichen Elternhaus kam und nur die Dorfschule in dem kleinen Dörfchen in der Voreifel genossen hatte, wo sie statt Wissen zu erweitern von der Lehrerin überwiegend nur nur Kochen und Stricken gelernt hatten. Selbst meine Schwiegermutter war später von der klassischen Musik, die sie vor meinem Eintritt in ihren Haushalt nicht kannte, immer wieder begeistert. Und in den letzten beiden Jahren haben wir eine Freundin(Witwe), die zu Lebzeiten Ihres Mannes, der weniger daran interessiert war, dazu anregen können, mit uns in die Übertragungen aus der MET zu gehen. Und sie ist uns jedesmal dafür dankbar. Daneben machen wir jetzt auch regelmäßig "Heimkino" mit Oper, Ballett und Konzerten von DVD.

    Die klassische Musik wird wohl nicht untergehen, wenn alle von uns es schaffen würden, auch nur Einzelne, die diese nicht kennen, davon zu begeistern.


    Liebe Grüße

    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Derzeit stellt sich mir die Sache so da, daß die "Klassisch-Aktiven" vorzugsweise an ihrer Karriere Interesse haben - und nicht an der klassischen Musik als Hörer. Eigentlich müsste es hier nur so von ihnen wimmeln - aber das geschieht nicht. Sie sind vorzugsweise daran interessiert sich selbst darzustellen, ihre Musik ihre Interpretation etc. Das ist nicht verwerflich - macht sie aber für Klassikforen unbrauchbar - und desgleichen als "Klassikhörer"

    Dass aber generell wieder ein wenig mehr Klassik gehört werden könnte, führe ich auf einen gewissen Schwung des Pendels in Richtung "Neokonservativ" zurück, wo man sich abgezzen möchte - und die Mehrheit der Menschheit an den Rand der Armut - und somit Bedeutungslosigkeit drängt, still gehalten, durch entsprechende Unterhaltungsformen.

    Zuvor ging es darum, dass wieder mehr Jugendliche aktiv Musik machen, darunter ein gar nicht so kleiner Prozentsatz mit klassischer Musik. Von diesen musizierenden Jugendlichen werden aber nur ganz wenige angehende Profimusiker, die dann das Musizieren als Karriere verstehen - und dann auch kein Interesse an den "Naiven" in den Klassikforen haben. Für die meisten hat das Musizieren mit der Karriere nichts zu tun.


    Ich könnte mir schon vorstellen, dass Klassik wieder mehr konsumiert wird, auch weil diverse Angebote an die Schulkinder herangetragen werden (von solchen Angeboten weiß ich z.T. auch aus meinem Umfeld). Ob das mehr oder weniger ausmacht als eine Abwendung von der Abwendung von der bürgerlichen Vergangenheit, kann ich nicht beurteilen.


    Für heutige Jugendliche ist doch wohl die "klassische" Phase der Rockmusik (60er/70er Jahre) rein historische Ahnenmusik, da könnte sich doch in der Wahrnehmung durchaus einiges nivellieren?

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