Deutschlands wichtigster Dirigent? - Sir Simon Rattle

  • Hallo Theophilus,
    z.B. an Daniel Harding, Mikko Franck, Franz Welser-Möst.
    Ich frage mich allerdings, ob es überhaupt bekannte Namen sein müssen. Ich glaube, man sollte überhaupt die Frage neu durchdenken und nicht "shooting stars" oder reife Meister an die Orchester binden, sondern vielversprechende jüngere Dirigenten, die mit dem Orchester wachsen. Was natürlich riskant ist, eines genauen Ausleseverfahrens bedarf - und wahrscheinlich nicht funktioniert bei einem Orchester, das sich seinen Chef demokratisch wählt.
    :hello:

    ...

  • Hallo Edwin


    Aha. Nun ja, Welser-Möst ist ja kein Jung-Dirigent mehr und hat sich im letzten Jahrzehnt eigentlich nicht wirklich für einen derartigen Posten empfohlen. Ich glaube, ein Orchester wie die Berliner würde das Risiko eines Jungstars nur dann eingehen, wenn sie ihn früh genug kennen lernen und mehrere erfolgreiche Begegnungen mit ihm hinter sich haben. Offenbar hat sich aber keiner ausreichend empfehlen können...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Theophilus,
    Du vergißt nur, daß seit Rattles Wahl einige Jährchen ins Land gingen - und damals war Welser-Möst noch ein - sagen wir: - jüngerer Star.
    Meiner Meinung nach geht es in so einer Frage immer (zumindest auch) um die Plattenverträge. "Berliner Philharmoniker" allein verkauft sich besstenfalls national, den internationalen Verkauf kurbelt nur der international gefragte Dirigent an. (Auch die Wiener Philharmoniker nehmen nicht mit Newcomern auf!)
    Wie ich sagte: Es wäre ein völliges Neudenken des Konzepts notwendig, wohl auch eine Aufnahmepause etc. Aber das riskiert ein europäisches Orchester natürlich nicht.
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Hallo Theophilus,
    Du vergißt nur, daß seit Rattles Wahl einige Jährchen ins Land gingen - und damals war Welser-Möst noch ein - sagen wir: - jüngerer Star.
    ...


    Nun, W-M war vermutlich auch vor einigen Jahren nur ca. 6 Jahre jünger als Rattle, also keine Generationsdifferenz im Unterschied zu den beiden anderen. ;)
    ("Gab" es die vor fünf Jahren überhaupt schon?)


    Aber die Berliner haben ein grundsätzliches Problem. Das ganze vorige Jahrhundert hindurch waren sie gewohnt, einen der absoluten Topstars als Orchesterleiter zu haben. Diese Tradition scheint sich im Moment nicht so recht fortführen zu lassen und auf welches andere Prinzip könnte man wechseln?


    (Die Wiener werden sich sicher ins Fäustchen lachen, ein Problem weniger für sie...)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Alfred Schmidt


    Zudem wollte (oder musste ?) Rattle dem Orchester zeitgenössisches Repertoire aufzwingen, und ich freue mich, feststellen zu dürfen, das dies erneut nicht funktioniert hat.
    Widerstand kommt hier stets vom Publikum, aus den Reihen der Orchester und last but not least aus den Direktionsetagen der Tonträgerkonzerne.


    Klar, und die Erde ist eine Scheibe. :D


    Die Berliner Philharmoniker haben sich mit Rattle selbst einen engagierten Vertreter der Moderne ausgewählt. Das war übrigens mit Abbado auch nicht anders, in dessen Amtszeit sehr viel Moderne erklang.
    Da alle Mitglieder der Philharmoniker regelmäßig kammermusikalisch aktiv sind, lohnt ein Blick in die entsprechenden Konzertprogramme, wo sich neben "klassischem" Repertoire auch viel Moderne findet. Schwer vorzustellen, dass dies auf Druck der Konzertveranstalter geschieht. ;)
    Moderne Projekte werden auch mehrheitlich vom Orchester getragen bzw. beruhen sogar auf Wünschen seitens des Orchesters. Es werden ja auch regelmäßig Auftragswerke vergeben. Selbstverständlich aber gibt es Differenzen bei einzelnen Komponisten und Werken, vor allem naturgemäß bei Uraufführungen. Das ist aber keine Prinzipienfrage über die Moderne ( Diese wird sowieso nur sehr selten von ausübenden Musikern geführt, sondern eher - bezeichnenderweise - von Musikliebhabern, speziell in Klassikforen :D), sondern da geht es um die (wiederum sehr sinnvolle) Frage der musikalischen Qualität im konkreten Fall. In der Tat hab ich mich bei Rattle aber auch schon manchmal gefragt, ob dieses Werk nun aufgeführt wurde, weil es musikalisch so bedeutsam ist, oder weil einer seiner dicksten Kumpels es komponiert hat. Aber das ist nun auch kein so ungewöhnlicher Fall.


    Was das Publikum betrifft, hat Lohengrins ja schon einiges dazu geschrieben. Ich kann mich an viele umjubelte Uraufführungen und auch sonstige "Moderne" erinnern. Die Moderne ist ein fester akzeptierter Bestandteil der Berliner Programme, und wenn man sich die Konzertprogramme anschaut, braucht auch keiner zu befürchten, dass man das Stammrepertoire dadurch verdrängen würde. "Klassische" Moderne fällt da auch gar nicht mehr so ins Gewicht. Ein Sinfoniekonzert von Boulez mit ausschließlich Werken von Bartók, Schönberg, Webern und Berg fällt nicht mehr sonderlich auf.


    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Wobei mir der nächste Rattle'sche Manierismus einfällt, der gar nichts mit seinen Interpretationen zu tun hat: Das Hochhalten der Partitur.


    Also ich habe Rattle in den letzten 10 Jahren in sehr vielen Konzerten in Berlin erlebt, eine Partitur hat er nie hochgehalten. Mir ist nur eine relativ häufig angewandte Geste in Erinnerung, nämlich die gestische Hinwendung zum nun leeren Orchesterpodium nach dem Motto: Denen gehört den Applaus. Solche Gesten, zumal wenn stereotyp wiederholt, wirken auf mich immer problematisch. Ich hüte mich aber, sie zu bewerten. Denn man kann es schlicht nicht, wenn man den Menschen nicht selbst kennt. Ich habe auch immer das Gefühl, man kann es als Künstler in so einer Situation nicht richtig machen. Verzichtet man auf ostentativ zur Schau getragene Bescheidenheit, gilt man als arrogant, sonst als falsch.


    Zitat

    Wieso hat man eigentlich bei einem Abbado oder einem Boulez nie das Gefühl, ihre Auftritte wären eine Perswonality-Show...?


    Weil es sich in der Außenwirkung um ausgesprochen introvertierte Persönlichkeiten handelt. Extrovertiertere Persönlichkeiten wie Rattle geraten sehr viel leichter in Verdacht, nur Selbstdarsteller zu sein. Leider sind beide Fälle weder Voraussetzung noch Ausschlusskriterium für musikalische Höchstleistungen.


    Allgemein bin ich sehr gespannt, wie es sich mit Rattle weiterentwickelt. Die heutzutage gerne verklärte Abbado-Ära (die aufgrund der Kürze gar keine war) lief bei weitem nicht so reibungslos, wie heute dargestellt. Weiterhin ist es aufgrund der aktuellen Marktverhältnisse absurd zu erwarten, Rattle würde nun quasi bei Karajan anknüpfen. Enttäuscht bin ich von Rattle vor allem hinsichtlich zweier Dinge: Erstens ist es Ihm bei mir persönlich bisher nicht gelungen, sich für spezifische Repertoirebereiche zu empfehlen. Bei Abbado wusste ich: Bei Mahler oder Brahms musste man hin, auch bei vielem anderen. Ich ging also in der Tat nicht nur wegen dem Werk, sondern auch wegen der Kombination mit dem Dirigenten. Bei Rattle fällt mir spontan nichts vergleichbares ein, obwohl ich sehr gute Konzerte erlebt habe. Weiterhin konnte er nicht an die großartige Tradition der konzertanten Opernaufführungen von Abbado anknüpfen, das waren aber wohl auch die größtmöglichen Fußstapfen.


    Gruß
    Sascha

  • Hallo Sascha,
    aus der Ferne (Wien) betrachtet, sieht manches anders aus - ob genauer oder verzertter, wage ich nicht zu sagen.
    Was mir hingegen auffällt, ist, daß Deine Diagnose in Grundzügen mit meiner übereinstimmt. Nur ist Deine Bewertung anders.


    Daß Rattle Modernes miteinbezieht, ist auch in meinen Augen der große Pluspunkt.


    Zitat

    Also ich habe Rattle in den letzten 10 Jahren in sehr vielen Konzerten in Berlin erlebt, eine Partitur hat er nie hochgehalten.


    Wie gesagt: In Wien ist es ein Wunder, wenn er's nicht macht. Also offenbar ein Kalkül: Wenn es einmal in Wien so großen Jubel dafür gegeben hat, machen wir's halt wieder. Sympathisch? Ich bin mir höchst unsicher...


    Zitat

    Bei Abbado wusste ich: Bei Mahler oder Brahms musste man hin, auch bei vielem anderen. Ich ging also in der Tat nicht nur wegen dem Werk, sondern auch wegen der Kombination mit dem Dirigenten. Bei Rattle fällt mir spontan nichts vergleichbares ein, obwohl ich sehr gute Konzerte erlebt habe.


    Du bringst ziemlich genau auf den Punkt, was auch mir auffällt.
    Es herrscht meiner Meinung nach eine gewisse Beliebigkeit bei ihm - verursacht, glaube ich, durch das wahllose Anhäufen von Stücken, als müsse er die ganze Musikgeschichte dirigieren. Vielleicht war er deshalb am Anfang besser: Er hat sich auf wesentlich weniger Projekte konzentriert.
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Antracis
    Die heutzutage gerne verklärte Abbado-Ära (die aufgrund der Kürze gar keine war) lief bei weitem nicht so reibungslos, wie heute dargestellt. ... Bei Abbado wusste ich: Bei Mahler oder Brahms musste man hin, auch bei vielem anderen.


    Hallo Sascha,


    ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass Abbado zu Beginn seiner Berliner Zeit gerade für seinen Brahms viel Kritik bekommen hat, nach dem Motto, geh erst mal mit dem Orchester üben und finde einen eigenem Stil. Das war ziemlich vernichtend (ich glaube u.a in der FAZ). Vor kurzem habe ich nun eben diese Brahms-Sinfonien mit Abbado und der Berlinern erworben und bin davon sehr angetan.


    Ich schätze, dass man Rattle auch erst aus der Distanz wirklich beurteilen kann. Es ist doch völlig egal, ob er Partituren hochhält oder nicht, meinetwegen kann er noch ganz andere Dinge veranstalten, entscheidend ist das Ergebnis. Und da würde ich mal festhalten, dass bspw. seine Aufnahme der 5. Sinfonie von Mahler, von der er ja sehr überzeugt ist, keine Offenbarung ist, gleiches gilt von seinem Beethoven, übrigens auch den Klavierkonzerten mit Brendel. Das FAZ-Interview fand ich aber auch eher sympathisch und ehrlich, und das schien mir nicht nur eine Pose zu sein. Ich denke, man sollte das in Angriff genommene Kernrepertoire (Brahms Requiem, Bruckners IV, demnächst Haydn) auch hier im Forum beleuchten, veilleicht finden sich überraschende Einsichten. Von der neuen Bruckner - Aufnahme habe ich kürzlich eine gute Besprechung gelesen, was freilich noch nicht viel sagen will:





    Viele Grüße,
    Christian

  • Hallo Christian,


    Zitat

    Und da würde ich mal festhalten, dass bspw. seine Aufnahme der 5. Sinfonie von Mahler, von der er ja sehr überzeugt ist, keine Offenbarung ist


    Jetzt möchte ich doch mal wissen wieso. Ich fand diese 5. wirklich grossartig und ein Tonmeister der immerhin Grammypreisträger ist auch, also wieso ?


    Gruss :hello:


    Syrinx

  • Hallo Syrinx,


    wenn die Interpretation keine Offenbarung ist, kann auch kein noch so Super-Tonmeister die Aufnahme retten.



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Richtig, der Tonmeister, den ich meine sass ja auch sowieso im Publikum, aber ich denke er versteht schon einiges von Musik.


    Das war jetzt aber wohl kein eAntwort auf meine Frage, oder ?(


    Gruss


    Syrinx

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  • Hallo Syrinx,


    aus meiner Sicht war bisher keine von Rattle auf dem Kontinent geleitete Aufnahme eine Offenbarung. Ich habe in fast alle Aufnahmen hineingehört und schnell wieder zurückgestellt.


    Das war in Birminngham ganz anders...



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Hallo Liebestraum,
    Es geht mir jetzt einfach mal um eine Begründung. Es scheint hier zum grossen Teil einen Konsens über die MAhler 5. (eröffnungskonzert) zu geben. Entweder ich hab was überlesen, aber so richtig begründet hat das bisher noch keiner.
    Ich habe das KOnzert nicht live gehört, aber auf DVD gesehen. Ich war begeistert, weil das Orchester mit grossem Einsatz musiziert hat, es gut aufeinander gehört hat, gerade im Adagietto. Für mich bestand ein guter Kontakt zwischen Orchester und DIrigent Es war durch und durch lebendig und musikalisch. Das sind die Dinge, die ich mir zutraue beurteilen zu können.. Möglicherweise gibt es DInge, die nicht gut waren, die ich nicht mitbekommen habe, ich habe die Partitur der 5. MAhler nie gesehen, habe das Stück sowohl im Konzert wie auf Aufnahmen öfters gehört. Nebenbei gesagt bin ich aktiver studierter Musiker, aber kein Dirigent und auch kein Musikwissenschaftler. Also bitte was habe ich da nicht mitbekommen ?


    Gruss :hello:


    Syrinx

  • Hallo Syrinx,


    Dein Bemühen um eine Begründung ehrt Dich, ich fürchte allerdings, dass es sich hier im Forum als herrschende Meinung durchgesetzt hat, dass Rattle früher eben einfach besser war, es ist ja auch hier schon mehrfach angeklungen.
    Mir gefällt die 5. Mahler von ihm (sein Antrittskonzert als Chefdirigent, oder?) ebenfalls sehr. Die von Dir angesprochenen Punkte wie Musikalität und Lebendigkeit sind es, die auch ich immer wieder bei Rattle-Dirigaten erlebe und die mir gefallen. Nicht zuletzt das Rhythmische und Detail-genaue sind bei einem (namentlich im Vergleich zu HvK-Zeiten) deutlich entschlackten Streicher-Klang die Punkte, die mir bei Rattle zusagen.


    :hello:


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Er ergibt sich die Frage - und ich bleibe hier strikte neutral - ob nicht von Rattle etwas verlangt wird, was KEIN heutiger Dirigent zu leisten imstande ist.


    Früher hat es genügt gut zu dirigieren.


    Später war es wichtig auf Schallplatte präsent zu sein


    Noch später war es wichtig, daß man Aufnahmen machte, die TONTECHNISCH jenen der vergangenen Generationen überlegen war.


    Karajan jat beispielsweise von der Einführung der Sterophonie sehr partizipiert - Futwänglers Schellack-Mono Aufnahmen waren auf einmal nicht mehr gefragt, nicht mehr "zeitgwemäss" - erst Jahzente später wurde er "wiederentdeckt"


    Die nächste Generation durfe bereis DIGITAL aufnahmen, aber das genügte nicht mehr, es musste HIP sein.....



    HEUTE soll eine Aufnahme einerseits


    • kostengünstig sein - also LIVE- statt Studioaufnahmen
    • unverwechselbar - aber nicht mit "eigenwilligkeiten" behaftet sein
    • durch seine Interpreten auch junges Puiblikum anlocken - vorzugsweise soches aus dem Pop- Bereich
    • von einem Dirigenten geleitet sein, dessen Charisma dem von Karajan entspricht
    • auch das Sammlerpublikum gnädig stimmen, welches seit 40 Jahren jede Aufnahme im Kasten hat


    Diese Wünsche sind unerfüllbar - die Zeit hat sich gewandelt.
    Das was Rattle nicht schafft hätte auch Norringtun, Barenboim oder Welser-Möst nicht geschafft.


    Es ist immer schwierig gegen tote Helden zu kämpfen, Celibidache beispielsweise wurde das irgendwann klar, und er setzte Maßnahmen von dieser Einsicht zumindest posthum zu partizipieren.


    Rattle hat diese Gnate nicht.
    Er ist aufgerieben zwischen den Anhängern der Vergangenheit und jenen der "Zukunft" hat also - egal wie er agiert - immer nur ein "halbes" Publikum. Zudem fehlt ihm jenes Label, das, man kann das interpretieren wie man will - seine Künstler mit allen Mitteln durchboxt - und eisern zu ihnen steht - Die Deutsche Grammophon.....


    Ich werde mir in den nächsten Wochen eine seiner Neuaufnahmen kaufen..


    Und hier stossen wir auf ein weiteres Problem, für das er nichts kann:


    Alles was mnich hier interessiert, habe ich schon mit dutzenden "legendären" Dirigenten -
    Dafür kann er nichts - und das dürfte das Hauptproblem seiner Person sein.


    Ich nehme an, Rattles "Probleme" liegen eher in seiner CD-Vermarkung, denn in seiner Reputation als "Live-Dirigent"


    Der Thread:


    Sir Simon Rattles Beethovenzyklus mit den Wiener Philharmonikern - Geniestreich oder Flop ?


    stösst ja nicht gerade auf Super-Interesse, und ich habe mir die Frage gestellt, warum das so ist. Könnte es sein, daß sich dort niemand äussern will, weil kaum jemand diesen Zyklus kennt bzw gekauft hat ???? - Letzteres wäre schon Aussage genug...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eigentlich ist mir Rattle sympathisch, aber ich habe, bis auf wenige Ausnahmen, nur Aufnahmen mit dem Bournemouth Sinfonietta. In der Tat interessiert es mich herzlich wenig, was er in Berlin veranstaltet.


    Außerdem glaube ich, Rattle verpasst Marketingchancen, wenn er mit Magdalena nicht endlich eine Homestory in der Bunten zulässt. Oder in der Bild. Er sollte mit ANs Management Kontakt aufnehmen. Möglicherweise will er das aber auch gar nicht. Schon ein seltsamer Kerl...

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Ich werde mir in den nächsten Wochen eine seiner Neuaufnahmen kaufen..


    Falls Dir hier noch nichts bestimmtes vorschwebt, möchte ich Dich gerne auf Bruckners Vierte hinweisen, weil mich Deine Meinung hierzu wirklich interessiert. Einer meiner Stammkunden hat nach der FonoForum-Kritik in die Aufnahme reingehört und sie direkt gekauft, obwohl er sonst nichts, aber auch wirklich gar nichts auf die Wand-Aufnahme kommen läßt. Sein Kommentar ging in die Richtung, daß er Details (Hallo, Edwin) gehört hat, die er noch in keiner anderen Aufnahme gehört hat - und trotzdem falle die Aufnahme nicht auseinander.


    :hello:Jürgen

    Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück...

  • Zitat

    Außerdem glaube ich, Rattle verpasst Marketingchancen, wenn er mit Magdalena nicht endlich eine Homestory in der Bunten zulässt. Oder in der Bild. Er sollte mit ANs Management Kontakt aufnehmen. Möglicherweise will er das aber auch gar nicht. Schon ein seltsamer Kerl...


    Mir ist bisher nicht aufgefallen, dass das Paar Rattle/Kozená mit Macht in den Boulevard drängen würde, es überwiegt doch vielmehr der Eindruck, als würde sich die Vermarktung der beiden auf den musikalischen Sektor beschränken. Die gemeinsame Mozart-Platte ist doch nicht zu beanstanden, ich finde, sie gehörte sogar zu den erfreulicheren Neuerscheinungen des letzten Jahres. Auch in „Rhythm is it“ hat sich Rattle nicht unbedingt in den Vordergrund gedrängt, sondern die publicityträchtige Leinwand stets den Tänzern überlassen.
    Vielleicht gehört es aber zum Berufsbild „Künstlerischer Leiter der Berliner Philharmoniker“ dazu, im Vergleich zu Posten ähnlicher Qualität härter kritisiert zu werden. Abbado konnte es doch auch vielen nicht Recht machen.


    Zitat

    Früher hat es genügt, gut zu dirigieren.


    Da ich nicht dem Direktorium der Berliner Philharmoniker angehöre und nicht auf Geschäftsinteressen achten muss, kann ich mich als Musikliebhaber damit auch heute noch gut zufrieden geben. Ich habe Rattle und seine Philharmoniker dank kurzfristigem Kartenglück beim Salzburger Rheingold erlebt und den Abend trotz der wenig begeisterten Kritiken schon allein wegen der Orchesterleistung genossen. Ob er jetzt am Ende die Partitur erhoben hat, kann ich gar nicht sagen, weil ich nicht darauf geachtet habe, es ist mir auch egal.
    Magdalena Kozená werde ich mir am Freitag im Münchner Prinzregententheater anhören, mit Liedern von Schumann, Ravel, Rachmaninow und Bartók. Wer in die BUNTE oder in BILD möchte, sollte nach meinem Rat im übrigen lieber etwas anderes aufführen.

    Man kann wirklich sagen, daß ich Mozart sehr, sehr viel verdanke; und wenn man sich ansieht, wie z. B. meine Streichquartette gebaut sind, dann kann man nicht leugnen, daß ich das direkt von Mozart gelernt habe. Und ich bin stolz darauf!
    Schönberg

  • Zitat

    Original von Hans Sachs


    Falls Dir hier noch nichts bestimmtes vorschwebt, möchte ich Dich gerne auf Bruckners Vierte hinweisen, weil mich Deine Meinung hierzu wirklich interessiert. Einer meiner Stammkunden hat nach der FonoForum-Kritik in die Aufnahme reingehört und sie direkt gekauft, obwohl er sonst nichts, aber auch wirklich gar nichts auf die Wand-Aufnahme kommen läßt. Sein Kommentar ging in die Richtung, daß er Details (Hallo, Edwin) gehört hat, die er noch in keiner anderen Aufnahme gehört hat - und trotzdem falle die Aufnahme nicht auseinander.


    :hello:Jürgen



    Hallo Jürgen,


    die FF Kritik hat mich auch neugierig gemacht. Ich habe gestern bei Saturn reingehört und fand schon bei den Soundschnipseln, die einem dort geboten werden, dass kein Bogen erkennbar war sondern alles in Einzelheiten zerfiel. Ich konnte mich dann nicht dazu durchringen diese Hochpreis-CD zu erwerben.


    LG,
    calaf

    Without deviation from the norm, progress is not possible.
    (Frank Zappa)

  • Hallo calaf,


    ich bin neugierig: wie erkennt man aufgrund von Soundschnipseln, daß kein Bogen vorhanden ist. Ab 20 Sekunden? Ein Bogen ist doch wohl etwas länger als die üblichen Saturn-Schnipsel. Oder könnt ihr bei Euch selbst in die CDs reinhören?


    :hello:Jürgen

    Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück...

  • Zitat

    Original von Hans Sachs
    Hallo calaf,


    ich bin neugierig: wie erkennt man aufgrund von Soundschnipseln, daß kein Bogen vorhanden ist. Ab 20 Sekunden? Ein Bogen ist doch wohl etwas länger als die üblichen Saturn-Schnipsel. Oder könnt ihr bei Euch selbst in die CDs reinhören?


    :hello:Jürgen


    Hallo Jürgen,


    nein selbst reinhören kann man leider nicht. Ich war eigentlich nach der FF Kritik fast wild entschlossen, SSR wieder eine Chance zu geben. Mein Empfinden war jedoch , dass die Musik sogar innerhalb dieser kurzen Schnipsel hörbar zerfällt. Und das genau störte mich bis jetzt oft an den Dirigaten von SSR, zuletzt beim Europakonzert. Daher kein Kauf.


    LG,
    calaf

    Without deviation from the norm, progress is not possible.
    (Frank Zappa)

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  • Hallo.


    Zitat

    Original von Blackadder
    Eigentlich ist mir Rattle sympathisch, aber ich habe, bis auf wenige Ausnahmen, nur Aufnahmen mit dem Bournemouth Sinfonietta. In der Tat interessiert es mich herzlich wenig, was er in Berlin veranstaltet.
    ...


    Mich interessiert auch herzlich wenig, was die Fuldaer Philharmoniker, das sogenannt beste Orchester Deutschlands, so veranstalten. :D


    :hello:


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot


  • Hallo Syrinx,


    ich will versuchen Dir ein "wieso" nachzureichen. Die Aufnahme hatte damals viele Vorschußlorbeeren, allein schon durch die sehr positive Berichterstattung des Konzertes (das bestimmt großartig war, ich will das überhaupt nicht anzweifeln). Die Fachpresse sprach jedenfalls ihre Empfehlungen aus, und Rattle hat irgendwo ja auch sinngemäß gesagt (weiß die Quelle nicht mehr), dass er die Partitur in ihrer ganzen Komplexität durchhörbar gemacht hat, auch Details usw., die sonst untergehen. Es war jedenfalls ein selbstbewusstes Statement, was mir aber gefallen hat.


    Von der Aufnahme selber war ich dann eher enttäuscht, und das liegt vielleicht auch an hochgeschraubten Erwartungen, aber sicher auch am nüchternen Ergebnis. Auch jetzt, Jahre später und gewillt, den Reichtum dieser Aufnahme zu entdecken, bleibe ich immer ratlos zurück. Ich möchte drei Beispiele geben, muss dazu allerdings sagen, dass ich weder Musikwissenschaftler noch Musiker bin, sondern nur passionierter Hörer, der von Berufs wegen hin und wieder auch mit Musik (allerdings Filmmusik) zu tun hat:


    - wenn im ersten Satz nach den "Eingangsfanfahren" bei ca. Min 1:10 leise die Trauermarschmelodie einsetzt, lässt Rattle keine Gelegenheit aus, den natürlichen musikalischen Fluss durch besonderes Betonen der Akzente zu zerstören. Das hört sich für mich gewollt und einstudiert an. Im Vgl. dazu bringt Abbado (DG, CSO) auch alles, wenn nicht sogar mehr zu Gehör, aber die Themen entstehen viel natürlicher aus dem Fluss der Musik. Rattle verfehlt hier für mich den unendlich melancholichen Charakter der Musik. Man muss diese Melodie nicht wie Bernstein auskosten (DG, W.Phil.), Abbado findet eine herrliche Symbiose zwischen "Genauigkeit und Seele", um einen Landsmann von Mahler zu zitieren.
    - im zweiten Satz heißt es: "mit größter Vehemenz". Bei einer digitalen Neuaufnahme, die auch klangtechnisch superb sein soll, kann man hier doch wirklich alle Register ziehen. Das Orchster klingt zumindest auf CD viel flacher und besonders in den Bässen dünner als die alte Barbirolli-EMI-Aufnahme, von der wirklich fulminanten DG-Einspielung Bernsteins dieses Satzes mal ganz abgesehen.
    - im dritten Satz vermisse ich wie schon bei der Trauermelodie des ersten Satzes ein Gespür für den natürlichen, hier zuweilen tänzerischen Fluss der Musik, wieder sind es die Details, die - für mich allerdings ohne rechte Hierarchie - im Vordergrund stehen. Barbirolli strukuriert hier mehr und setzt die einzelnen Orchestergruppen auch klarer voneinander ab.


    Ich hoffe dir mit diesen Hinweisen meine zugegeben etwas pauschale Kritik etwas verständlicher gemacht zu haben.


    Beste Grüße,
    Christian

  • Was ich ihm positives aus letzter Zeit anrechnen möchte ist, daß er beim "Rhapsodien-Abend" in der Waldbühne Delius' "Brigg-Fair" gegeben hat. :yes:

  • Hallo.


    Die Saison hat auch für die Berliner Philharmoniker begonnen. Eine besondere Saison, da zugleich das 125-jährige Bestehen des Orchesters gefeiert wird. Dies wird unter anderem mit einer Ausstellung im Foyer berücksichtigt, die sich der Geschichte des Klangkörpers in der Nazi-Zeit widmet.


    Der musikalische Auftakt ist mit einer Uraufführung eines Werks des Finnen Magnus Lindberg sowie Mahlers 9. am vergangenen Wochenende gemacht. Ich war nicht dabei; in den Kritiken wurde Lindbergs Arbeit wenig gut bewertet, die Interpretation der 9. von Mahler jedoch positiv aufgenommen.


    Pünktlich dazu gab es Am Sonntag im Tagesspiegel ein Interview mit Rattle. Wie ich finde, ist es wieder ein interessantes Gespräch geworden.
    Als Appetithäppchen:
    Sir Simon, was macht Ihr Deutschunterricht?
    Ja, ja mehr und mehr, vielleicht nicht besser, nicht fließend, aber ich versuche. Noch befinde ich mich allerdings nicht auf der Avus der Sprache. Dafür ist mein Engisch in den letzten Jahren definitiv schlechter geworden. Vielleicht ein gutes Zeichen.


    Rattle hat in dieser Saison unter anderem alle Beethoven-Symphonien auf dem Programm. Ich freue mich, ihn im September gleich dreimal erleben zu können; mit Werken von Strawinsky, Busoni, Varèse, Bartok, Debussy, Dvorak und Sibelius.


    :hello:


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Hallo zusammen,
    Letztes Wochenende war ich in der Berliner Philharmonie und habe dort Sir Simon mit den Berliner Philharmonikern live gehört. Es gab Sibelius 5. Sinfonie, Le Martyre de San Sebastian von Debussy und Le roi etoile von Strawinsky.
    Vor der Pause also das Spätwerk von Debussy „Le Martyre de Saint Sébastien“ mit Sophie Marceau als Sprecherin und Susan Gritton , Sopran
    Monica Bacelli , Mezzosopran, Nathalie Stutzmann , Alt dazunoch der Rundfunkchor Berlin. Den Debussy hörte ich zum ersten Mal, meines Wissens nach gibt es auch keine Gesamtaufnahme. Der Rundfunkchor war hervorragend, bei den Solisten brillierte rein stimmlich vor allen Dingen Susan Gritton. Mezzo und Alt haben mir nicht ganz so gut gefallen. Sophie MArceau, die dem einen oder anderen noch aus James Bond bekannt sein dürfte, sprach mit grosser Intensität, zum Glück gab es auch Übertitel, so dass man auch verstehen konnte warum sie so intensiv sprach. Der Text war ein bisschen arg pathetisch, dafür die Musik um so besser. Das Orchester unter Sir Simon begleitete ausgesprochen einfühlsam.
    Nach der Pause dann noch der Strawinsky in dem vor allen Dingen die Männer des Rundfunkchores brillierten. Das Stück an sich ist ausgesprochen merkwürdig, sowohl musikalisch wie auch vom Text und dauert ca. 5 Minuten
    Danach dann Sibelius 5. Sinfonie, die Simon Rattle übrigens auswendig dirigierte. NAch meinem Empfinden war es schlicht grossartig, was rattle da aus den Philharmonikern herausholte. Extrem lebendig und deutlich wurde da musiziert und spätestens im letzten Satz hatte man das Gefühl, dass da wirklich ein Funke auf das Orchester übergesprungen war. Der Sibelius war in jeder Hinsicht extrem musiziert, auch was z.B. das Tempo im letzten Satz betraf (extrem schnell, was bei diesem Satz aber zu einer grossen Spielfreude führte), aber auch was Akzente (da lässt er wohl den ehemaligen Schlagzeuger durchblicken) und die etwas pathetischeren Stellen, waren auch extrem leidenschaftlich gespielt. Dazwischen viele wunderschöne Bläsersoli. Das Ganze wirkte extrem sympathisch und eben äusserst lebendig. Ich kann mir vorstellen, dass dieses etwas überdeutliche in seinen Interpretationen auf Aufnahmen eben auch übertrieben oder zu detailversessen auf den einen oder anderen wirken kann, live war es wie schon gesagt mitreissend. Das ging übrigens auf Seiten des Publikums so weit, dass dieses einfach nicht aufhören wollte zu klatschen (obwohl es nach dem langen Programm keine Zugabe gab) und Sir Simon sich dann fertig umgezogen, also in seinem Strassenanzug beim harten Kern des Publikums verbeugen musste. Nach diesem Genuss, kann ich den Kritikern also nur raten Sir Simon mal in seinem eigenen Hause zu hören.


    :hello:Gruss Syrinx

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    HEUTE soll eine Aufnahme einerseits

    • von einem Dirigenten geleitet sein, dessen Charisma dem von Karajan entspricht


    Gibt es sowas denn überhaupt noch?
    In puncto Charisma war der wichtigste Kontrahent Karajans wohl fraglos Bernstein; Böhm, Solti, Celibidache und Giulini waren wohl auch charismatische Persönlichkeiten - leider sind alle genannten mittlerweile verstorben.
    Heute dagegen fiele mir auf Anhieb keiner ein, der das Charisma eines Herbert von Karajan hätte ... :rolleyes:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Heute dagegen fiele mir auf Anhieb keiner ein, der das Charisma eines Herbert von Karajan hätte


    Das ist doch eigentlich eine sehr erfreuliche Tatsache.


    Das Charisma von Rattle ist mir jedenfalls wesentlich lieber.


    :stumm:

  • Liebe Taminos,


    Ich habe Rattle inzwischen mehrfach live in der Philharmonie erlebt und habe einen zwiespältigen Eindruck. Was auch schon mehrfach in verschiedenen Diskussionen anklang: Manches dirigiert er einfach runter, mit der heißen Nadel gestrickt (schlimm beim diesjährigen Waldbühnenkonzert oder manches beim Sylvesterkonzert, etwa Elyen a Magyar). Außerdem nervt das Marketing um seine Lebensgefährtin, M. Kozena, die ja eine solide Sängerin ist, aber auch nicht mehr. In den Programmen avanciert sie aber zur Star-Diva. Nun ja.
    Dann aber: Als Mahler-Interpret ist Rattle potentiell grandios. Ich habe noch eine brillante Vierte im Ohr, und neulich war ich bei der Saisoneröffnung, wo er eine Neunte hingelegt hat, über die man zwar streiten kann (nicht ganz falsch dazu J. Kaiser in der SZ), die aber ein außergewöhnliches Niveau hatte; insbesondere der dritte und vierte Satz waren schlicht atemberaubend gut gespielt und strukturiert.
    Ich sehe ihn in dieser Saison noch mit Mahler 10 und mit Beethoven 2+3, womöglich auch nochmal nebenher. Ich bin gespannt.
    Mahlers Zweite aus der letzten Saison ist aus meiner Sicht bei aller orchestralen Brillanz schlicht zu laut geraten, ein Problem, das aber beim "Konkurrenten" Barenboim noch viel massierter auftritt, vor allem in der Staatsoper.


    Ich freue mich darauf, Euch von weiteren Taten Simons zu berichten.
    Grüße aus Berlin,



    Christian

  • Zitat

    Original von Il Grande Inquisitor
    Liebe Taminos,


    ...neulich war ich bei der Saisoneröffnung, wo er eine Neunte hingelegt hat, über die man zwar streiten kann (nicht ganz falsch dazu J. Kaiser in der SZ), die aber ein außergewöhnliches Niveau hatte; insbesondere der dritte und vierte Satz waren schlicht atemberaubend gut gespielt und strukturiert.


    Hallo Christian,


    was hat denn Kaiser in etwa geschrieben? Kenne Rattles Aufnahme der 9.ten mit den Wienern, da finde ich allerdings nur die Binnensätze besonders gelungen, beim Finale scheint er mir aber keine wirklich emotionale Dimension zu erreichen. Höre mich gerade durch seine neu erschienene Mahler-Box bei EMI und bin da besonders auf Nr 6 & 7 gespannt.


    Viele Grüße,
    Christian

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