Manon Lescaut (Puccini), Hamburgische Staatsoper, 29.03.2019

  • 1. Akt: Ein junges armes Mädchen (Manon) soll vom Bruder (Lescaut) ins Kloster gebracht werden. In einer Dorfschenke verliebt sie sich in einen ebenfalls armen Studenten (Des Grieux) und flieht mit diesem nach Paris.

    2.Akt: Der Armut überdrüssig lässt sie sich von einem reichen, aber alten Steuereintreiber (Geronte) aushalten. Des goldenen Käfigs lästig, wendet sie sich, vom Bruder vermittelt, wieder dem Studenten zu. Beide wollen fliehen. Als Manon für die Flucht ihren Schmuck zusammenrafft wird sie von Geronte entdeckt und der Polizei ausgeliefert.

    3. Akt: Manon wird nach Amerika verbannt, Des Grieux folgt ihr.

    4. Akt: Manon und Des Grieux irren durch die Wüste, Manon stirbt.

    Die Handlung ist banal und vorhersehbar, die Beziehungen zwischen den Personen ohne nennenswerte psychologische Tiefe (welche meinem Empfinden nach auch Puccinis Komposition nicht hat). Leider entwickelt sich damit auch keine Empathie für die Handelnden, vor allem nicht für die Titelheldin. Die wurde heute von der 39jährigen lettischen Sopranistin Kristine Opolais gesungen. Im ersten Akt ging sie die Rolle eher stimmlich zurückhaltend an, überzeugte aber mit schönem lyrischem Klang. Ab dem zweiten Akt meinte man, eine andere Sängerin vor sich zu haben, die Stimme wurde zunehmend dramatisch, mit bleibender warmer Mittellage, zum Teil bei den ganz hohen Tönen, wenn sie herausgeschleudert wurden, aber auch leicht grell. Das verlor sich im Laufe der Aufführung und Frau Opolais bot insgesamt eine sehr gute gesangliche Leistung. Als ihr Bruder imponierte der italienische Bariton Vittorio Prato, neben seiner gesanglich guten Leistung vor allem auch darstellerisch. Letzteres lässt sich von dem spanischen Tenor Jorge de Leon leider nicht sagen. Die meiste Zeit saß er wie ein Häufchen Elend auf der Bühne (was vielleicht von der Regie beabsichtigt gewesen war) und wirkte physisch eher altväterlich denn als junger Student. Gesanglich war seine Leistung in Ordnung, aber auch nicht mehr. Zwar schallstark und höhensicher klang mir sein Tenor doch etwas steif, ohne ein spezifisches Timbre oder der Möglichkeit, mittels Stimmfarbe emotional das Herz zu berühren. Weitere Rollen waren mit Oleksiy Palchikov (Edmondo) und Gabriele Rossmanith (Musikerin) besetzt. Tigran Martirossian war die undankbare Rolle eines besonders widerlich auftretenden Geronte zugedacht; bucklig, stränige Haare und im zweiten Akt mit vorgebundenem erigierten Geschlecht ausgestattet (wie auch seine Angestellten) sollte er wohl das Verwerfliche reiner sexuellen Lust karrikieren. Ähnliches sahen wir bereits gestern im Hamburger Thalia-Theater (Rom: Zusammenschnitt von Coriolan, Julius Cäsar sowie Antonius und Kleopatra): Schauspieler mit vorgebundenem Geschlechtsorgan, allerdings nicht in erregtem Zustand. Aber immerhin spielte der Coriolan in grauer Vorzeit, als die Menschen womöglich noch nicht so bekleidet wie im 18. Jahrhundert oder heute herumliefen. Für die Inszenierung dieser heutigen Manon Lescaut-Aufführung zeichnete Philipp Himmelmann verantwortlich, das Einheitsbühnenbild stammte von Johannes Leiacker und die Kostüme hatte Gesine Völlm entworfen. Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg spielte unter der Leitung von Francesco Ivan Ciampa (der für Christoph Gedschold eingesprungen war). Für die drei Protagonisten gab es etliche Bravos.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • Habe selten, insbesondere im letzten Akt, eine so leere Bühne gesehen. Klar, eine Wüste ist in der Regel gegenstandslos, aber dann war da ein Stuhl zu viel. Und sonst war das nichts, was man Bühnenausstattung nennen könnte.

    Der Geronte hatte sich zu diesem Zeitpunkt offensichtlich längst nach Hause aufgemacht und verzichtete offenbar auf seinen Applaus. (Nein, keine "ist vorzeitig zurück in die Gerontologie"-Witze bitte!).

  • Eine noch "leerere" Bühne habe ich im Oktover 2017 im Moskauer Bolschoi-Theater gesehen. da fehlte selbst der Stuhl. Zudem bewegte sich das Sängerpaar damals beim Schlussgesang nach hinten, so dass sich der Schall zunehmend im Bühnenhaus und nicht mehr in den Zuschauerraum hinein ausbreitete. Das war um den schönstimmigen Tenor Murat Karahan schade, nicht jedoch um die recht schrill singende Anna Nechaeva. Dagegen war Kristine Opolais geradezu eine Offenbarung. Im übrigen verstehe ich voll und ganz, dass Tigran Martirossian (Geronte) sich dem vermutlichen Unmut des Publikums nicht aussetzen wollte, so wie ihm die Rollengestaltung von der Regie "offensichtlich aufgezwungen worden" war. In Moskau traten im Übrigen alle Beteiligten am Ende der Oper vor den Vorhang. Die Personenregie war aber auch "gesitteter" gewesen.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • Tigran Martirossian war die undankbare Rolle eines besonders widerlich auftretenden Geronte zugedacht; bucklig, stränige Haare und im zweiten Akt mit vorgebundenem erigierten Geschlecht ausgestattet (wie auch seine Angestellten) sollte er wohl das Verwerfliche reiner sexuellen Lust karrikieren. Ähnliches sahen wir bereits gestern im Hamburger Thalia-Theater (Rom: Zusammenschnitt von Coriolan, Julius Cäsar sowie Antonius und Kleopatra): Schauspieler mit vorgebundenem Geschlechtsorgan, allerdings nicht in erregtem Zustand.

    Es ist schon interessant, die Berichte von den Inszenierungen zu lesen. Auch hier wieder eine, die vielen zur Warnung dienen kann. Anscheinend geht wohl heute bei manchen Regisseuren nichts mehr ohne solch aufdringlichen Schwachsinn.

    Aber vielleicht werden auch einige, die so etwas unbedingt sehen wollen, durch diese Beschreibung zum Besuch angeregt.:no::no::no:


    Liebe Grüße

    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Es ist schon interessant, die Berichte von den Inszenierungen zu lesen. Auch hier wieder eine, die vielen zur Warnung dienen kann. Anscheinend geht wohl heute bei manchen Regisseuren nichts mehr ohne solch aufdringlichen Schwachsinn.

    Aber vielleicht werden auch einige, die so etwas unbedingt sehen wollen, durch diese Beschreibung zum Besuch angeregt.:no::no::no:


    Liebe Grüße

    Gerhard

    Ich würde es so sagen, lieber Gerhard: Es schreckt mich ganz gewiss nicht ab. :D Nichts für ungut!

  • Ich würde es so sagen, lieber Gerhard: Es schreckt mich ganz gewiss nicht ab. :D

    Es würde mich sicherlich auch nicht abschrecken. Aber ich fände es schlicht überflüssig und blöde. Und ich habe für Blödes auf der Bühne sehr wenig übrig!

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Für mich ist es insofern abschreckend, als ich für solche einen Blödsinn nicht bereit bin, auch nur einen einzigen Cent Eintritt zu zahlen.


    Liebe Grüße

    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Es würde mich sicherlich auch nicht abschrecken. Aber ich fände es schlicht überflüssig und blöde. Und ich habe für Blödes auf der Bühne sehr wenig übrig!

    Ja, richtig Blödes muss ich auch nicht haben (Blödelei hingegen gerne mal). Meine Überzeugung ist aber: Ob etwas künstlerisch blöd ist, wird jeweils durch den Kontext, also das ästhetische Spielfeld entschieden, das abgesteckt wurde. Heißt: Ich müsste das Ganze erst sehen, bevor ich über Einzelnes urteilen wollte.

  • Worüber hier verhandelt wird:



    Man kann sich die Inszenierung anschauen, verpasst aber auch nix, wenn man es nicht tut.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Für mich ist es insofern abschreckend, als ich für solche einen Blödsinn nicht bereit bin, auch nur einen einzigen Cent Eintritt zu zahlen.

    Nicht, dass wir es nicht schon gewusst hätten ... :untertauch:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • Das ist nun mal so in der Welt. Wer genügend Geld hat, kauft sich das, was ihm interessant vorkommt. Wer mit dem Geld rechnen muß, überlegt, was er sich leisten kann oder will. Ehe ich mich in der Oper ärgere, gehe ich lieber gut essen, mit meiner Frau oder mit Freunden beim Stammtisch. Wer sehr wenig Geld hat, sammelt zusätzlich Flaschen (sehe ich täglich) oder hat mehrere Jobs , und dem ist herzlich egal, worüber wir uns aufregen, vom Klimaschutz bis zur Oper.

    Nein, das ist nun mal nicht so in der Welt, sondern das ist nun mal so bei Herrn La Roche! - Ich beispielsweise verfüge entgegen anders lautenden Vermutungen nicht über ein exorbitantes Vermögen und bin trotzdem bereit, Geld dafür auszugeben, mir eine Inszenierung anzuschauen, die ich nicht kenne und die mich möglicherweise enttäuscht. Dafür verzichte ich sicherlich auf andere Dinge, die mir persönlich weniger wichtig erscheinen. - Immerhin besitze ich im Vergleich zu anderen hier noch soviel Neugier und geistige Beweglichkeit, mich auf auf Unbekanntes einlassen zu können ...


    Und im übrigen ist es schon fast ein bösartige Unterstellung pauschal zu behaupten, jemand der über wenig Geld verfügt, würde sich nicht auch über die Klimakatastrophe entsetzen.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Und im übrigen ist es schon fast ein bösartige Unterstellung pauschal zu behaupten, jemand der über wenig Geld verfügt, würde sich nicht auch über die Klimakatastrophe entsetzen.

    Das ist halt die Gnade der älteren Generation, dass sie nicht mehr das erleben wird, was sie der Welt eingebrockt hat...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • ... Das war um den schönstimmigen Tenor Murat Karahan schade ...

    Murat Karahan wurde im NEUE-STIMMEN-Thread von Rodolfo vorgestellt. Es gab danach ein paar weitere Beiträge zu dem Tenor, der wirklich das Prädikat "schönstimmig" verdient! Ist das nicht viel wichtiger als alle Bühnenbilder und Requisiten?


    Entdeckungen: Neue Stimmen

    Auch die Beiträge 883ff.

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Auch ich habe noch genug Beweglichkeit, mir immer wieder Neues anzusehen, aber ich überzeuge mich möglichst vorher, dass es auch das ist, was angekündigt wird, und nicht irgendeine Verunstaltung des Werkes. Für Blödsinn gebe ich mein Geld nicht aus!


    Liebe Grüße

    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Und glaubst Du, daß diese Beweglichkeit mir fehlt?

    Und wir sind in einem Alter, wo wir beratungsresistent geworden sind, und das ist gut so.

    Den Rest mag sich jeder denken.

    Immer häufiger kann ich bei Dir feststellen, daß Du irgendeinen Frust hier im Forum abläßt, denn ich kannte Dich als sachlich.

    Das hat viel mit dem Stuß zu tun, der hier teilweise abgesondert wird. Da geht selbst mir die Sachlichkleit ab und zu flöten :evil:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • anderen mangelnde Neugier und geistige Beweglichkeit anzudichten.

    Hier muss niemand irgendwem irgendetwas andichten, sondern jeder schreibt das, was er schreibt, und daraus ergibt sich dann ein klares Bild.

    daß Du irgendeinen Frust hier im Forum abläßt

    Das sagt der Richtige! Wer hat denn hier mal wieder völlig themenfremd die Klimakatastrophe bzw. ihre angebliche Nichtexiszenz ins Spiel gebracht? So, wie man am Stammtisch halt alles ineinanderrührt...

    Das hat viel mit dem Stuß zu tun, der hier teilweise abgesondert wird.

    :jubel::jubel::jubel:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • "Ist das nicht viel wichtiger als alle Bühnenbilder und Requisiten?"


    Schade, was man aus dieser schönen Oper gemacht hat. Für diesen Klamauk wären mir Zeit und Geld zu schade!


    MfG

    W.S.

  • Schade, was man aus dieser schönen Oper gemacht hat. Für diesen Klamauk wären mir Zeit und Geld zu schade!

    Mich persönlich interessieren Berichte von Aufführungen in 90 % aller Fälle sehr (Ausnahmen sind solche, die inhaltlich und formulierungstechnisch den vorangegangenen Berichten desselben Autors nahezu 1:1 gleichen), sie gehören für mich mit zum Wertvollsten, was so ein Forum leisten kann, was auch daran liegt, dass Repertoire-Aufführungen in der Presse kaum noch eine Rolle spielen. Was mich persönlich überhaupt nicht interessiert, sind Hypothesen, wer für was Geld ausgeben würde und wer nicht. Und ich finde es sehr schade, dass gelungene, plastisch geschriebene Aufführungsberichte in diesem Forum mit schöner Regelmäßigkeit durch solche langweiligen und uninteressanten Hypothesen verwässert werden und verstehe es aus diesem Grund sehr gut, dass nur sehr wenige hier Lust haben, über Aufführungen zu berichten.

  • Ausnahmen sind solche, die inhaltlich und formulierungstechnisch den vorangegangenen Berichten desselben Autors nahezu 1:1 gleichen

    Hm, wen könntest du bloß damit meinen? :D

    Was mich persönlich überhaupt nicht interessiert, sind Hypothesen, wer für was Geld ausgeben würde und wer nicht. Und ich finde es sehr schade, dass gelungene, plastisch geschriebene Aufführungsberichte in diesem Forum mit schöner Regelmäßigkeit durch solche langweiligen und uninteressanten Hypothesen verwässert werden und verstehe es aus diesem Grund sehr gut, dass nur sehr wenige hier Lust haben, über Aufführungen zu berichten.

    :thumbup:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Uiih, jetzt driftet das Thema aber ganz schön ab. Irgendwie endet alles immer wieder beim RT...


    Ich bin mit meinen Ansprüchen an Opernaufführungen sicherlich sehr eigen und konservativ. Lieber fahre ich nach Italien oder Tschechien als mir in Hannover vor der Haustür eine tolle Oper in gruseliger Aufführung anzusehen.

    ABER: Die Aufführung, um die es hier geht, habe ich selber besucht und kann sagen, dass es etwas arm an Ausstattung war, aber eben nicht aufdringlich "modern" oder bemüht provokant. Die oben erwähnten Umschnallgenitalien waren EIN kleines Accessoire und völlig übersehbar (verzeihbar). Die Aufführung kann mir sowas nicht vermiesen. Manon Lescout habe ich schon bessere gesehen, aber diese war immer noch sehenswert.

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  • Die dem Bericht folgende "sachliche" Diskussion ist absolut überflüssig!


    Solches bringt uns nicht weiter, sondern endet stets im Unfrieden.

    Es wäre besser, wenn manche ihre Meinung für sich behielten.

  • Die dem Bericht folgende "sachliche" Diskussion ist absolut überflüssig!

    Lieber Erich,


    Du hast recht, ich habe meine 3 Beiträge gelöscht. Hartmut Reck hat es nicht verdient, daß sein Thema solche Auswirkungen hat.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber Erich,


    auch ich gebe dir recht. Leider ist das in fast allen Themen so, einer lenkt in ein eine ganz andere Richtung und dann kommen die Antworten darauf dort, wo sie nicht hingehören. Auch ich habe - wie La Roche - meine Antwort gelöscht.


    Liebe Grüße

    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)