Der Heldentenor, eine ausgestorbene Spezies?

  • Zitat

    Original von Alviano
    Ludwig Suthaus macht mich auch nicht wirklich froh und Heikki Siukola bringt zwar mit seinem Brüll-Tenor Häuser zum Einsturz - wirklich schön ist dessen Gesinge aber gewiss nicht.(...)und Heikki Siukola mit seiner Kraftmeierei - die schlimmste Darbietung dieser Rolle, die mir überhaupt erinnerlich ist.


    Ja ja, so ist es: Saenger, die keine Stimme haben, werden heute als besonders sensibel, kultiviert und lyrisch gelobt. Wer eine ordentliche Stimme hat - wie Siukola - wird sofort als Brueller verunglimpft. In Wahrheit kann man im Vergleich zu dem hervorragenden Siukola fast alles andere heutzutage in die Tonne kloppen. Heldentenoere alter Schule kommen heute eben nicht mehr so recht bei einem gewissen Teil des Publikums an. Da hatte Ripley mit ihrer Einschaetzung weiter oben schon recht. Schade.

  • GiselherHH hhat vollkommnen Recht mit der Bemerkung, dass HHeldentenöre nicht geboren, sondern gemacht werden. In etlichen Sängerbiografien wird eine behutsame Entwicklung der Stimme von kleinen, leichteren zu immer schwereren Partien als Voraussetzung für eine lange "Lebensdauer" der Stimme und eine Wandlung vom leichteren zum Heldentenor genannt. Dass die Bedingungen für eine solcherart fürsorgliche Stimmentwicklung heute schwierig sind, wurde in diesem thread mehrfach dargestellt. Es kann doch kaum rein genetisch erklärt werden, warum in den 30iger Jahren zahlreiche Heldentenöre existierten, auf die man mit Wehmut wie auf Fossilien zurückblickt. Ist eine Besserung der Situation zu erwarten?
    Gruß
    Lohengrin

  • Zitat

    Original von Mengelberg
    Wer eine ordentliche Stimme hat - wie Siukola - wird sofort als Brueller verunglimpft. In Wahrheit kann man im Vergleich zu dem hervorragenden Siukola fast alles andere heutzutage in die Tonne kloppen.


    Siukola mag eine Attraktion sein, wenn es um Lautstärke geht - die ist wirklich beachtlich. "Hervorragend" ist anders. Ich hab den Sänger als ungenau und undifferenziert in Erinnerung. Durchaus schade, dass er im letzten Moment als Tannhäuser in Bayreuth absagen musste. Wie Heikki Siukola den zweiten Akt bewältigt hätte, das hätte mich durchaus interessiert...

  • Es gibt ja die These, dass ein Heldentenor erst als Buffo auf der Bühne reifen muss, um dann eines Tages die Welt zu überraschen. So war es ja mit dem unglücklichen Kruse. Auch Gambill hat als Spieltenor und dann als Rossini-Sänger begonnen. Aber sein Heldentenor klingt doch arg angestrengt, wenn auch sehr bemüht geführt.

  • Zitat

    Original von AlvianoSiukola mag eine Attraktion sein, wenn es um Lautstärke geht - die ist wirklich beachtlich. "Hervorragend" ist anders. Ich hab den Sänger als ungenau und undifferenziert in Erinnerung. Durchaus schade, dass er im letzten Moment als Tannhäuser in Bayreuth absagen musste. Wie Heikki Siukola den zweiten Akt bewältigt hätte, das hätte mich durchaus interessiert...


    Es gibt eine sehr gute Aufnahme des Tannhaeuser mit Siukola, die, wie ich finde zeigt, dass er neben der noetigen Kraft noch alles das zu bieten hat, was einen hervorragenden Heldentenor ausmacht. Ich habe ihn ausserdem viele Male in Berlin als Tristan erlebt. Nicht einmal das furchtbare, laute Dirigat von Simone Young konnte Siukola damals etwas anhaben.
    Und als ungenau habe ich ihn jedenfalls nicht in Erinnerung. Als ungenau und unsauber empfinde ich normalerweise Saenger, denen die Kraft fuer den Heldentenor fehlt, da diese oft in ausufernde Portamenti und lautes Deklamieren verfallen, anstatt die Noten zu singen.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Mengelberg
    Es gibt eine sehr gute Aufnahme des Tannhaeuser mit Siukola, die, wie ich finde zeigt, dass er neben der noetigen Kraft noch alles das zu bieten hat, was einen hervorragenden Heldentenor ausmacht. Ich habe ihn ausserdem viele Male in Berlin als Tristan erlebt. Nicht einmal das furchtbare, laute Dirigat von Simone Young konnte Siukola damals etwas anhaben.
    Und als ungenau habe ich ihn jedenfalls nicht in Erinnerung. Als ungenau und unsauber empfinde ich normalerweise Saenger, denen die Kraft fuer den Heldentenor fehlt, da diese oft in ausufernde Portamenti und lautes Deklamieren verfallen, anstatt die Noten zu singen.


    Die letzten Male, die ich Heikki Siukola auf der Buehne hörte, war 2002 und 2003, als er in Savonlinna Tristan sang. Ich hatte damals den Eindruck eines echten Heldentenors alter Schule (wie z.B. Ludwig Suthaus), wie er heute die Ausnahme ist. Jedoch war es sehr störend, wie falsch er sang, also musikalisch unsicher und in falscher Tonhöhe. Neben ihm im Liebesduett zu singen, muss fuer seine Isolde (Renate Behle) nicht einfach gewesen sein.


    Haben Sie schon einmal etwas von Pekka Nuotio gehört? Bei der Premierenfeier zur "Götterdämmerung" erinnerte Regisseur Götz Friedrich an diesen Tenor, der auch in Deutschland gesungen hatte.


    Mikko

  • Zitat

    Original von Mikko
    Jedoch war es sehr störend, wie falsch er sang, also musikalisch unsicher und in falscher Tonhöhe.


    Genauso habe ich Heikki Siukola auch in Erinnerung - der übrigens von Haus aus ein lyrischer Tenor war, der erst später schwere Partien in sein Repertoire aufnahm.


    Martinucci, Giacomini, meinethalben auch Siukola - nichts was ich für wirklich hörenswert hielte...

  • Zitat

    Original von heldenbariton
    Mir ist unverständlich, warum Windgassen, der von Anlage her eher lyrisch war, als Heldentenor bezeichnet wird....
    singen ist das eine, aber was draus wird ist oft unschön anzuhören...
    :hello:Heldenbariton


    Falls ich diese Aussage akzeptiere : Wie soll ich Jess Thomas, René Kollo, Peter Hofmann, Siegfried Jerusalem, Robert Dean Smith, Peter Seiffert, Stig Fogh Andersen, Ben Heppner (als Beispiele) nennen? Alles "lyrische" Helden! Wo liegt die Grenze, ueber die ein Sänger Heldentenor ist?


    Mikko

  • Hallo Mikko,
    bei den von Dir genannten Tenören ist ein echter Heldentenor,
    Ben Heppner.Der hat die große Stimme und ein dunkles Timbre,
    woran man früher den Heldentenor erkannte.aber heute singen
    auch schwachstimmige lyrische Tenöre die Partien.Es gibt ja
    Mikrophone und Lautsprecher.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hierzu meine unmaßgebliche Meinung in einigen losen Hypothesen formuliert:


    1.
    Antwort: Momentan grundsätzlich ja. Aber selbst, wenn dieses nicht so wäre, hätte diese „Spezies“ einen sehr schweren Stand bei den Hörern und Kritikern und auch bei den Mitwirkenden dieses Forums.


    „Früher hatte jedes mittlere Opernhaus seinen Heldentenor, wenn heute Windgassen ausfällt....“ frei zitiert nach Kesting.


    2.
    Nach dem 2. Weltkrieg wurde in Bayreuth - einem der stilbildenden (!) Orte des Wagnergesangs - ein Neuanfang gestartet. Bestimmte Phänomene der Aufführungspraxis der 30er und 40er Jahre - auch politsch bzw. gesellschaftspoltisch basierend - wurden ad acta gelegt. Es kam auch zu einer „Entrümpelung“ der Inszenierungen. Die schlankere Stimme eines Wolfgang Windgassens oder anderer passte hierzu besser. Das „laute Dröhnen“ etc. bestimmter Wagnersänger der früheren Jahre war nicht mehr modern. Eine Stimme wie die von Max Lorenz, als Vertreter des Heldentenors par excellence, welche aber bestimmte Eigenarten aufwies, wurde zunehmend kritischer betrachtet. Auch eine Vielzahl der Threadteilnehmer würden auf bedeutende technische Mängel Lorenz’ hinweisen oder dieser Stimme sogar ablehnend gegenüber stehen („undifferenziertes Singen, Freiheit bei der Rhythmik, mangelndes Legato etc.“). Es veränderte sich der Geschmack der Hörerschaft in Verbindung mit fehlender Nachfolge.


    3.
    „Jahrhundertstimmen“ wie die eines Melchiors mit Tiefe, sehr guter Mittellage, durchschlagender Höhe, Legato und Tragfähigkeit in Verbindung mit lyrischer Qualität gibt es auch nicht alle Tage.


    4.
    Gleichzeitig veränderte sich international ebenso langsam der Geschmack. Das Zeitalter der veristischen Komponisten war zu Ende, aber die meisten Sänger wurden in der Nachfolge Carusos, Ruffas und Schaljapins groß und sangen - ohne Abwertung - dementsprechend. Selbst das Triumvirat der 70er Jahre: Größen wie Domingo, Pavarotti oder Carreras sind Ausprägungen dieses Gesangs (vgl. z. B. Kesting). Werke Verdis; Puccinis und anderer Veristen waren im Hörerinteresse ganz oben (Anmerkung: Verdi zähle auch ich nicht zum Verismo); wenn man den italienischen Gesang beleuchtet. Der vormals hochgeschätzte Gesang eines Alessandro Bonci oder eines Giovanni-Battista Rubini hätte dem Mehrheitsgeschmack dieser Zeit nicht mehr entsprochen. Ohne Aufführungspläne zu analysieren möchte ich annehmen, dass die wahren Belcanto-Opern [oder gar die Barockopern] nicht allzu häufig darauf zu finden waren. Man bedenke nur, dass für die Aufnahmen und Aufführungen einer Maria Callas als Protagonistin des „dramatischen Koloraturgesangs“ und der Werke des „Belcanto“ (vgl. Kesting: „vollkommene Tongebung, perfektes Legato, Portamenti, Appoggiaturen, Messa die Voce, Koloraturen“) oft nicht die wirklich „belcantofähigen“ Partner und Partnerinnen zur Verfügung standen, weil es sie in der Qualität und Häufigkeit nicht gab. Ich denke hier z. B. an die Werke Bellinis. Wo waren die für den verzierten Gesang ausgebildeten Stimmen für das Mezzofach, Altfach (!), Baritonfach und Bassfach (!) in der anzunehmenden Qualität und Häufigkeit. [Die schriftlich niedergelegte „Einrichtung“ der Mittellagen setzte m. E. später ein, die Stimmlagen gab es aber immer...“].


    5.
    Die Veränderung führte sogar noch weiter. Die „Barockoper“ fand und findet immer mehr Interesse (Händel, Graun etc.). Dazu bedarf es aber anders geschulter Stimmen...von Kastratenstimmen mal abgesehen. Die Renaissance der Countertenöre in dieser Vielzahl ist ein Beispiel dafür. Wie viele hervorragende Spezialisten für die Opern des Barocks heute anzutreffen sind wissen die Threadteilnehmer. Gab es diese in den 50er oder 60er Jahren?


    Fazit:
    Die Ausprägung der Stimmen ist ein zeitenabhängiges Phänomen und unterliegt auch der "Mode":
    Waren es im 19. Jahrhundert insbesondere Stimmen, basierend auf einzigartiger Technikschulung (Patti, Bonci etc.) eben echte Belcantostimmen, wurden es in der Nachfolge des Verismo und des Wagnergesangs Sänger anderer Ausprägung. Seit Ende der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts findet - nicht nur aber auch - in Folge der Callas eine Hinwendung zum ‚Belcantogesang’ und noch später zum ‚Barockgesang’ statt.


    Ausblick:
    So wie es eine Renaissance des verzierten Gesangs gegeben hat, wird es auch eine Wiedergeburt bzw. eine Wiederentdeckung des Wagnergesangs und Stils früherer Jahre geben (aber hoffentlich lediglich des Gesangsstil...; damit hier keine Missverständnisse auftreten.). Zeitversetzt werden dann auch wieder naturalistische Stimmen en vogue sein wie die eines Max Lorenz’.


    Zum generalisierenden Duktus bezüglich der Sänger und des Gesangsstils der jeweiligen Epochen möchte ich noch erwähnen: Ausnahmen bestätigen die Regel. Falls ich den Eindruck hinterlassen habe, dass ich einem bestimmten Gesangsstil vollkommen ablehnend gegenüber stehe, ist dieses nicht richtig.


    Bis dann.

    4 Mal editiert, zuletzt von keith63 ()

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Dieses Thema interessiert mich ganz besonders, da der Wagner – Tenor für mich immer die faszinierendste Stimmgattung war. Ich möchte mich bei meiner Charakterisierung nur auf die Tenöre beschränken, die ich auch „live“ gehört habe und bei denen ich demzufolge ihre stimmlichen Fähigkeiten unverfälscht durch die jeweilige Aufnahmetechnik beurteilen kann und möchte die letzten 40 Jahre chronologisch durchgehen:
    Für mich ist Wolfgang Windgassen der unangefochtene König. Abgesehen von der geistigen Durchdringung der jeweiligen Partien zeichnete er sich durch eine nie mehr erlebte Stimmschönheit und Sensibilität aus, die einen riesigen Farbenreichtum ermöglichten aus. Wer beispielsweise durch „Nun, weißt Du, fragende Frau, warum ich Siegmund nicht heisse“, oder „So starb meine Mutter an mir“ ungerührt bleibt, dem ist meiner Meinung nach nicht zu helfen. Was kümmert mich im Vergleich dazu die Länge der Wäleserufe, die übrigens in Wien 1965 an die 10 Sekunden zu halten wusste.
    Als nächsten erlebte ich Ticho Parly, der ja auch in Bayreuth Ende der 60er die Siegfriede sang; eine brockige unsauber unter grossem Druck geführte Stimme, dem es auch ziemlich an Musikalität mangelte.
    Bei Hans Hopf erstaunte eine unglaublich strahlende Höhe, aber alles unter der g wurde mit dem auch auf Aufnahmen zu konstatierenden unangenehmen Gewaber gesungen und dazu eine Darstellung, die mit provinziell noch gelinde umschrieben ist.
    Jess Thomas wird von mir ambivalent betrachtet. Sein Timbre ist nicht sehr attraktiv, und er schien mir immer eher ein Bariton zu sein, der die Spitzentöne seiner Stimme aufgesetzt hat, ohne sie verblenden zu können; ich kann aber nicht verhehlen, dass mir seine Rollenportraits einen gewissen Eindruck machten.
    Jean Cox ist von der Stimmführung her, wenn auch mit schönerem Timbre, als Parallele zu Hopf zu betrachten, wobei mir allerdings sein Timbre weitaus schöner erschien.
    Dann hat mir ein gewisser Sven Olof Eliasson, ein Schwede mit weissem unangenehmen Timbre in Zürich während Jahren viele Wagner-Partien vergellt.
    Als das erste Wagner-Rezital von René Kollo erschien, dachte man wirklich, in ihm Windgassens Nachfolger gefunden zu haben. Aber schon bald machte sich bei ihm die Marotte bereit, die er in späteren Jahren bis zur Manie auslebte, die hohen Töne von unten anzusingen, was sich musikalisch als äusserst quälend erwies.
    Bei Siegfried Jerusalem musste ich konstatieren, dass er trotz seines ausgesprochen schönen Timbres, keine einzige Partie (abgesehen vom tiefliegenden Parsifal, bzw. dem Siegmund) wirklich durchzuhalten vermochte.
    Schon in den 70er Jahren waren die auffallenden technischen Mankos (Stimmdruck, kehlige Töne usw.) zu konstatieren, die bei Peter Hoffmann zu einem frühzeitigen Karriereabruch führten.
    Einen recht positiven Eindruck machte mir in späteren Jahren ein gewisser Craig (hoffentlich erinnere ich mich richtig an den Namen) der im Wilson-Ring die Siegfriede sang. Dies im Gegensatz zu den jämmerlichen Heldentenorversuchen von Francisco Araiza.
    Über Siukkola gross zu reden, möchte ich mir ersparen. Sicherlich ist die Lautstärke beeindruckend, aber ein unmusikalischeres Falschsingen habe ich in 40 Jahren nie erlebt.
    Peter Seiffert würde zwar über die nötige Lautstärke verfügen, aber 1. erscheint mir sein weisses Timbre, dem die erforderlichen baritonalen Tiefen fehlen als nicht sehr attraktiv und zweitens finde ich seine mangelnde Rollenvorbereitung, was den Text betrifft, schlicht und einfach unprofessionell.
    Mit Ben Heppner habe ich wieder Hoffnung gefasst, aber was man in letzter Zeit von ihm hören muss, scheint LEIDER auf eine stimmliche Überforderung hinzuweisen.
    Wie Eingangs gesagt, habe ich mich hier auf die Fachvertreter beschränkt, die ich „live“ erlebt habe; wenn ich Leute von Urlus über Völker, Melchior, Suthaus und Moser mitberücksichtigen würde, würden sich gewisse Beschreibungen etwas verschieben.

  • Hallo m.joho,


    ich freue mich, dass mit dir ein Windgassen-Freund hierhergefunden hat. Wer diesen Künstler wie ich noch persönlich auf der Bühne erleben durfte, wird dir in deinen Ausführungen weitgehend zustimmen.
    Deine Beschreibung der restlichen Sängergilde basiert auf guter Beobachtung und geht mit meiner Einschätzung ziemlich konform.
    Was auf allen Bühnen am wenigsten gefragt sein dürfte, ist die unartikulierte Brüllerei, mit der manche "Helden" ihre stimmlichen Schwächen kaschieren wollen.
    Für viele ausgebrannten Kehlen bleibt als Rettungsanker schliesslich noch ein Lehrstuhl an einem Konservatorium. :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Das ist zwar nur mehr am Rande zu diesem Thema gehörig, aber unten den Sängern im Forum gibt es wahrscheinlich keinen Heldentenor (?)... was wirde oder wurde diesen Tenören zugemutet? Dass sie besonders auch in die Tiefe gehen, weiß ich, aber sind diese Tenöre auch hohe Stimmen, oder ist da ab dem b1 Schluss? Keine hohen c2? Oder doch? Oder ist es einfach nur wegen der Stimmfärbung? Das interessiert mich nun vor allem von meiner komponierenden Seite. Ich hoffe, es ist nicht zuuuu off-Topic. :( =)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Hallo c.m.d,
    was die Heldentenöre gemeinsam haben sollten,
    ist ein baritonales Timbre und eine kräftige resonanz=
    reiche Mittellage.Es gab Heldentenöre, die ein strahlendes
    C" singen konnten (L.Melchior, H.Hopf, E.Kozub).Der
    Heldentenor kann aber auch mit einem B' eine erfolgreiche
    Karriere machen.Ich glaube, bei den Wagnerrollen ist ein B'
    schon selten, zu Wagner kommen noch einige andere Rollen,
    die ein B' erfordern (z.B.Otello oder Samson).Die Heldentenöre
    die en hohes C haben, singen ja auch viele Partien aus dem
    italienischen oder französischen Fach, die Töne über dem B'
    beinhalten.Auf jeden Fall müssen sich die meisten Helden=
    tenöre das B' schon schwer erkämpfen.


    :hello:Herbert

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Die Veränderung führte sogar noch weiter. Die „Barockoper“ fand und findet immer mehr Interesse (Händel, Graun etc.). Dazu bedarf es aber anders geschulter Stimmen...von Kastratenstimmen mal abgesehen. Die Renaissance der Countertenöre in dieser Vielzahl ist ein Beispiel dafür. Wie viele hervorragende Spezialisten für die Opern des Barocks heute anzutreffen sind wissen die Threadteilnehmer. Gab es diese in den 50er oder 60er Jahren?


    Mir fällt nur einer ein: ALFRED DELLER! Kein Barockopernspezialist, aber er sang einige Händel-Opern ein, z.B. Sosarme!


    LG joschi


    PS: Ein bissl OT, sorry!

  • Danke, vielmals Herbert! Also ist ein Heldentenor ein Bariton mit tenoralem Timbre und guter Höhe... :stumm:
    Nein, mir ist schon klar, was du sagen wolltest - Danke :D

  • Zitat

    Original von c.m.d
    Danke, vielmals Herbert! Also ist ein Heldentenor ein Bariton mit tenoralem Timbre und guter Höhe... :stumm:
    Nein, mir ist schon klar, was du sagen wolltest - Danke :D


    Oft sogar ein Bariton mit baritonalem Timbre und guter Höhe, die dann allerdings doch etwas tenorales Squillo haben sollte, ansonsten zerfetzt es dem Sänger irgendwann das Zwerchfell. :D
    Und der Siegmund ist ja eigentlich auch eine Baritonpartie, oder. :pfeif:


    Gruß
    Sascha

  • Zitat

    Original von Herbert Henn
    Es gab Heldentenöre, die ein strahlendes
    C" singen konnten (L.Melchior, H.Hopf, E.Kozub).
    :hello:Herbert


    Ich frage mich oft, wie die Entwicklung verlaufen wäre, wenn der hier zitierte Ernst Kozub als Heldentenor erfolgreicher gewesen wäre. Solti hatte ihn schon bei seiner Tristan-Aufnahme eingesetzt, und Kozub entspricht als Melot viel mehr dem Heldentenor als der Charaktertenor (Fritz Uhl), der hier den Tristan singt. Nach meinen an Sängern wie Melchior gebildeten Masstäben war Kozub wirklich ein Heldentenor mit baritonalem Timbre und strahlenden Höhen. Zwar weiss ich nicht, ob John Culshaw's Version stimmt, warum es nicht zu einem Ring unter Solti mit Kozub als Siegfried gekommen ist, doch ich weiss, dass Kozub (leider) ein sehr von der Abendverfassung abhängiger Tenor war, gerade bei Wagner und Strauss, der sehr unter schlechten Nerven (und mangelhafter Technik) litt. Wenn Kozub erst einmal anfing zu "cracken" (und sei es schon bei den Circe-Rufen in der Ariadne), war der Abend "gelaufen". Zum Glueck habe ich jetzt einen Ariadne-Mitschnitt aus Stockholm gehört und konnte mich ueberzeugen, dass dies nicht immer so war. Auch gibt es von ihm einen hervorragenden Tannhäuser aus Venezia (mit dem jungen Kollo aus Walther), bei dem er so phantastisch war, wie ich ihn live leider nie in dieser Partie erlebte. Es ist sicher kein Zufall, dass Kozub nach seinem (einzigen) Stolzing in Bayreuth nicht wiederverpflichtet wurde.


    Aber : Welch ein Material!


    Gruesse


    Mikko

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Nun, Tannhäuser mit Kozub habe ich auch einen im Regal liegen, der allerdings aus Köln stammt. Ggf. bitte ich um Nachfrage per PM. Vor einiger Zeit brachte die Melodram auch eine durchaus lohnende Londoner "Walküre" heraus ; und in den Hamburger DVDs, die soeben bei Arthaus erscheinen, singt er den Freischütz-Max.

  • Dann gibt es noch eine "Zauberflöte".(1955)


    Pamina: E.Grümmer,
    Tamino: E.Kozub,
    Königin der Nacht: E.Köth,
    Sarastro: G.Frick,
    Papageno: G.Ambrosius,
    Orch des HR.G.Solti. (WALHALL, 4,99 €)


    Da hört man, daß mancher Heldentenor, auch Mozart
    singen konnte.Ich habe Kozub als Alfredo und als Kalaf
    in Köln,ca.1958 gehört und gesehen.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Original von Mengelberg
    Hallo Mikko,
    wie komme ich denn an den Tannhäuser mit Kozub heran?
    :hello:
    M.


    Hallo Mengelberg!


    Leider weiss ich nicht, ob dieser Mitschnitt von 1969 noch erhältlich ist. Unter der Leitung Heinz Wallbergs sangen Hillebrecht, Kehl, mein finnischer Landsmann Kari Nurmela und Arnold van Mill. Ich weiss jedoch, dass es eine Internetgruppe gibt mit Namen OperaShare, die diese Aufnahme (und weitere u.a. mit Kozub) ins Netz gestellt hat.


    Gruesse


    Mikko

  • Hat jemand schon Erfahrungen gesammelt mit John Keyes? Ich sah und hörte eben den Ersten Akt "Walküre" in der (schlechthin fulminanten) Amsterdamer Aufführung - und mir blieb der Mund offen: Leuchtendes baritonales Timbre, schier endloser Atem, glänzende vokale und schauspielerische Gestaltung. Ist er immer so gut oder ist das sozusagen ein einmaliger Treffer?
    :hello:

    ...

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Hallo Edwin,
    dus sprichst sicher von der DVD, oder...? Ich kenne nur die CD, die ein paar Jahre später aufgenommen wurde und auf der der Siegmund ebenfalls mit John Keyes besetzt wurde. Auf dieser Aufnahme bin ich ich nicht besonders glücklich mit ihm.
    Ich habe ihn aber mehrmals in München gehört - dort hat er jahrelang den Parsifal gesungen. Und das war manchmal toll, manchmal auch mehr als grenzwertig. John Keyes ist sehr tagesformabhängig...

  • Hallo Ulfk179,
    ich spreche tatsächlich von der DVD. Offenbar ist diese höchst unterschiedliche Tagesverafssung der Grund, daß er nicht gar so groß herausgekommen ist. Jedenfalls dieser Erste Akt - sagenhaft!
    :hello:

    ...

  • also ich fand Thorsten Kerl ganz überzeugend; während der Proben zu Tiefland sang er mit mir privat den Tannhäuser durch...


    ich glaube, daß es eine Menge an Mißverständnissen darüber gibt, wie Wagner zu singen ist - es gibt noch immer Sänger, die undifferenziert die ganze Partie durchbrüllen...wenn man solche bevorzugt...


    Edwin hat schon geschrieben, daß es viele leise Stellen bei Wagner gibt, nur werden sie nicht eingehalten...
    Florestan und Max sind keine Heldentenorpartien, wurden nur so besetzt... meine Grundregel wäre - überall wo Koloraturen vorkommen, ist ein Brüller fehl am Platz.... (Durch die Wälder..)


    hatte einmal einen solchen bei mir im Zimmer, es ging um die Tenorpartie in Irrelohe... bei Schreker denkt man ja sofort an Heldengebrüll...
    der Typ hatte die Frechheit, sich mir gegenüber (beim Pianino) hinzustellen, und mir 40 Minuten lang ins Gesicht zu schreien... daß er sämtliche piano Anweisungen ignoriert hat, brauch ich nicht zu erwähnen... ich war nachher im Betriebsbüro, und der Tenor kam nicht zum Einsatz...
    Rhythmisch wars natürlich auch daneben... :evil:

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Um mal auf den Titel des threads zurückzukommen:


    Ich glaube nicht, dass Heldentenöre wirklich ausgestorben sind. Da draußen laufen sicher genug Leute rum, die die Stimmbänder/Physis und auch das Temperament mitbringen würden.


    Das Problem liegt wohl eher in der Ausbildung und im Erkennen des Heldentenors während der Ausbildung.


    Ich hab mal ein Buch gelesen, und zwar "Die Stimme des Sängers" von Peter-Michael Fischer. Der schreibt da sinngemäß, dass die Höhe der deutschen Heldentenöre schon immer problematisch war, was auf das Nichterkennen und daher Nichttrainieren des Übergangs in die Hochoktave um f zurückzuführen ist.


    Melchior wurde ja auch nicht als HT geboren, sondern dazu ausgebildet. Lorenz hatte den gleichen Lehrer, nämlich Grenzebach, das ist imo kein Zufall.

  • Hallo Theiresias,
    ich denke, daß sich die Vorstellung, die man von der Stimme eines Heldentenors hatte, grundlegend geändert hat. Vor 50 Jahren sollte der HT ein dunkles Timbre haben. Er sollte möglichst aus dem Baritonfach kommen, viel Tiefe, eine kräftige Mittellage und Höhe, mindestens bis zum B. haben. Heute haben die s.g. Heldentenöre durchweg leichtere Stimmen. Das fing mit Kollo, Hofmann, Jerusalem, etc. an. Dann folgten: Heppner, Botha, oder in jüngster Zeit, Kaufmann, Tenöre, die auch im italienischen Fach erfolgreich sind.
    ich habe mich an diese leichteren Stimmen gewöhnt, höre aber auf Tonträger, mit einer gewissen Wehmut immer wieder gerne die großen Stimmen der Vergangenheit: R.Vinay L.Melchior, L.Suthaus, H. Hopf, E.Kozub und noch einige aus den 40er und 50er Jahren.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose