Operninszenierungen - modern vs. "altmodisch"

  • Zitat

    Original von Thomas Pape
    Und, natürlich, der Rigaud ist selbstverständlich inszeniert! Oder hängt der immer noch da, wo ihn sein Erstbesitzer hatte, ggf. in barocker Hängung und ohne künstliches Licht? Man sollte das nicht unterschätzen.


    Das stimmt. Mitunter ist in der aktuellen aggressiven Ausstellungstätigkeit die Helligkeitsverteilung in den Räumen störend: Aus dem Halbdunkel knallen die intensiv bescheinwerferten Bilder hervor, manchmal ist die Beleuchtung des Bildes ungleichmäßig und Teile davon verschummern schon irgendwie.


    Aber das Aufsuchen möglicher Vergleichbarkeiten und Unvergleichbarkeiten ist wie Ulli meinte womöglich lustig, aber kaum viel mehr, und ich habe den Rigaud nur bezugnehmend auf eine bestimmte Frage ins Spiel gebracht, auf die Rolle die etwaige historische Gesellschaftsformen bei der Kunstbetrachtung spielen, und das macht sich eben jeder selber aus, ob er nun den Rigaud nicht genießen kann, weil ein böser Vertreter einer bösen Gesellschaftsordnung verherrlicht wird, oder wie auch immer er beim Betrachten auf die historische Gesellschaftsordnung und die Funktion des Kunstwerks eingeht, daran denkt, etc. Das schien ja Deine erste (rhetorische?) Frage gewesen zu sein.

  • Zitat

    Original von Klawirr


    Bildende Kunst ist, wenn ich das richtig sehe, nicht (oder zumindest nicht in einem Maße wie Musik oder Theater) auf Performanz angewiesen.


    Lieber Medard,


    Wir stimmen in diesem Punkt ganz überein, deshalb schrieb ich ja von "Gradation".
    Allerdings unterschätzt man bei vielen Werken bildender Kunst, daß sie in eine Art zeremoniellen Zusammenhangs o.dgl. eingebunden waren, somit als Teil einer Inszenierung zu betrachten sind. Moderne Präsentationen im Museum unterdrücken solche Eigenschaften meist, lassen dafür andere deutlicher hervortreten (wenn die Präsentation schlecht ist, dann funktioniert freilich gar nix mehr). Auch wenn Präsentation und Aufführung nicht ganz dasselbe sind, sie überschneiden einander häufig.


    LG


    Waldi

  • Zitat

    Original von Walter Krause


    Allerdings unterschätzt man bei vielen Werken bildender Kunst, daß sie in eine Art zeremoniellen Zusammenhangs o.dgl. eingebunden waren, somit als Teil einer Inszenierung zu betrachten sind.
    Waldi


    Lieber Waldi,


    schön daß Du diesen Aspekt aufgegriffen hast. Das von mir oben genannte Beispiel kann ich nun präzisieren (um des genauen Ortes sicher zu sein musste ich nachschlagen): gemeint war das Polyptichon vom "Thronenden Christus" des Andrea Orcagna in der Strozzi-Kapelle von Santa Maria Novella in Florenz. Die Kapelle liegt einem Fenster gegenüber, das auf die Piazza dell' Unita Italiana hinausweist. Fällt direktes Sonnenlicht durch dieses Fenster, verändert der Altar für die Dauer dieser Beleuchtung (von dem scheußlichen Kunstlicht in der Kapelle, das durch Münzeinwurf aktiviert wird, rede ich jetzt nicht) vollständig sein Erscheinungsbild. Ein Erlebnis, das freilich nur wenigen Eingeweihten seinerzeit möglich gewesen sein wird.


    Ist das nun als Inszenierung anzusehen? Ich glaube eher nein. Der Künstler - in diesem Falle Andrea Orcagna - hatte einen Auftrag zu erfüllen. Das Werk war auf diesen Standort bezogen.


    Giottos Fresken (um ein weiteres in dies Richtung gehendes Beispiel zu bemühen) in der Bardi-Kapelle von S. Croce - ebenfalls Florenz - sind in ihrer perspektivischen Verkürzung ebenfalls auf einen Beschauer bezogen, der in eben diese Kapelle nach oben schaut. Auch das versteh ich nicht in dem Sinne als Inszenierung, wie wir von Inszenierung bei der Aufführung einer Oper oder einem Schauspiel sprechen. Eher von der Einbindung in bestimmte Wirkzusammenhänge.


    Wenngleich auch Bildbetrachtung in der Regel einem Spaziergang im Bilde gleicht, so haben wir doch den Unterschied zwischen Gleichzeitigkeit (Bildanschauung) zu Sukzession (Theaterstück).


    Worum es mir zu tun ist, ist dies: daß der Rigaud [weil Bild, und somit gewirkte Wirklichekeit (M.Dvorak)], nicht mit einer Theaterinszenierung verglichen werden kann. Ebensowenig steht das Überpinseln der Mona Lisa zur Debatte: in dieser fertigen Form sind diese Werke nun einmal überkommen (daß indes Restaurierungen für Kunsthistoriker Riesenidentitätskrisen bewirken können, sei nicht verheimlicht, steht aber auf einem anderen Blatt).


    Damit liegen Ulli und ich aber argumentativ immer noch auf einer Linie. Und wahrscheinlich auch mit KSM und Waldi. Der Aspekt, der nun für Theateraufführungen wirksam ist, ist doch derjenige, daß es dafür nie eine verbindliche, gestaltete Form gegeben hat. Daß ganz offensichtlich - so habe ich Ulli jedenfalls verstanden - mit Blick auf die vorhandenen Möglichkeiten inszeniert und musiziert wurde.


    Ein weiterer Aspekt ist die Wahrnehmung des Publikums mit den jeweils sich verändernden Erfahrungs- und Kenntnishorizonten.


    Ganz offensichtlich hat jede Zeit die Inszenierung von (Musik-)theater auf sich bezogen. Eine letzte Kunstklammer mache ich nun doch noch auf. Wo finden in der Malerei des 15. Jh. die Verkündigungen Mariens durch den Engel statt? In einem authentisch arabischen Ambiente des Jahres 4 v.CHr.? Natürlich nicht. Wir sehen - nordalpin - allenthalben Bürgerstuben. Klammer zu.


    Um also auf den Ausgang zurückzukommen: die Inszenierungsfrage muß sich wohl an den Möglichkeiten des Mediums in seiner Zeit beantworten lassen. Und da hat das Theater seit den späten 1920er Jahren Konkurrenz bekommen, ähnlich wie dei Malerei durch die Daguerretypie Jahrzehnte zuvor. Die Möglichkeiten de Mediums müssen also neu ausgelotet werden.


    Gerade weil wir es in der Oper mit einem andern Publikum zu tun haben als bei der TV-Soap.


    Und die netten Spielereien mit dem Aufbrechen der ästhetischen Grenze - wie im "Phantom der Oper" in Hamburg zu erleben - sind wohl eher Yuppi-tauglich, in Bezug auf - sagen wir Wagner (jeder mag nun seinen Liebling hier einsetzen) - eher nicht befriedigend.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Guten Morgen,


    lasst mich ein Beispiel nennen, bei dem eine zeitgenössische Inszenierung nicht funktionieren wird: Haydns Il mondo della luna - die Welt auf dem Monde aus der Sicht der Menschen vor 200 Jahren... der Reiz der Angelegenheit ist doch, zu sehen, wie die Menschen damals sich dies vorstellten. Würde man den Schauplatz so inszenieren, wie wir uns heute dies vorstellen, so wäre die Sache reizlos, denn Bilder vom Mond lassen sich überall abrufen, ein Besuch der Oper [der solche seltenen Dinge zeigen kann] wäre somit beinahe sinnlos, zudem fantasielos. Ganz ähnlich ist dies bei der Verfilmung von Jule Vernes Romanen - der Reiz liegt darin, zu sehen, wie sich die Menschen die Zukunft vorstellten.


    Gleiches trifft auch auf Kino/TV-Produktionen der Reihe "Raumschiff Enterhaken" zu. Hier lässt sich sehr gut beobachten, wie eine Fortentwicklung i.S. eines moderner Werdens stattfindet, wenn man die ersten Filme der Serie mit den relativ neuen Startreckfilmen vergleicht. Mir persönlich liegen die veralteten Serien sehr viel eher. Warum ist das so? Ich staune über die Vorstellungskraft der jeweils zurückliegenden Zeit und ziehe einen internen Vergleich [bezogen hier auf die technischen Möglichkeiten, die damals erdacht wurden] zu heute. Eine Situation zwischen Lachen, Staunen und Weinen.


    :hello:


    Ulli

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Hallo Ulli.


    Ich würde Deinem Posting zustimmen, wenn es in der von Dir angesprochenen Haydn-Oper Il mondo della luna allein darum ginge, wie sich die Leute zu Haydns Lebzeiten den Mond und dort mögliches Leben vorstellten.
    Meines Wissens geht es jedoch um Liebe und Betrug - wobei der Mond als Mittel zum (Betrugs-) Zweck dient. Für mein Empfinden ließe sich das durchaus in die Gegenwart übersetzen, die "paradiesischen" Zustände auf dem Mond sind doch nur ein Sinnbild (was sich zur Not noch mit dem Ausblick auf eine geplante Mondstation oder ähnliches übersetzen ließe).


    :hello:


    Gruß, Ekkehard.


    P.S.: Der Star-Trek-Verweis ist insofern auch ganz aufschlussreich. Die heute neu scheinenden Folgen sind doch so gesehen ebenso veraltet - nur jetzt noch nicht. Auch über diese wird man in wenigen Jahren lachen, staunen und weinen können. Die Zukunft wird unsere Vorstellungen immer übertreffen.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Zitat

    Original von Thomas Pape
    Eine letzte Kunstklammer mache ich nun doch noch auf. Wo finden in der Malerei des 15. Jh. die Verkündigungen Mariens durch den Engel statt? In einem authentisch arabischen Ambiente des Jahres 4 v.CHr.? Natürlich nicht. Wir sehen - nordalpin - allenthalben Bürgerstuben. Klammer zu.


    Lieber Thomas,


    Ich werde fast müde mich selbst zu wiederholen.
    Auf der vorigen Seite schrieb ich


    Zitat

    Genauso ist es auch bei Opern. Wenn ich eine Oper sehe, so wie sie (ungefähr) gebracht wurde wie im Zeitalter des Komponisten, sehe und höre ich ein Werk, wie es DAMALS gebracht wurde. Und erst dadurch kommt die Oper richtig zum Leben.
    Ein Alternativ wäre die Oper zu bringen, wie sie eigentlich gebracht hätte werden. Damit meine ich, daß z.B. Hans Sachs gekleidet wird in Kleidung, wie die damals im 16. Jhdt üblich war. Obwohl das vermutlich eine Abweichung ist der Inszenierung der UA.


    Es ist also nichts neues, was Du hier schreibst. Nur ist es authentischer ein Werk zu präsentieren, wie es ungefähr damals gebracht wurde, als der Komponist lebte, denn wie es heute "üblich" ist.


    Daß also während der Zeit des Komponisten man nicht "naturgetreu" inszenierte, ist eine Tatsache. Keiner verschließt dafür die Augen. Der Komponist aber schrieb Musik, und hatte dabei schon in Gedanken die Ausstattung, die Inszenierung, wie sie zu seiner Zeit war. Und das wird dauernd vergessen.


    LG, Paul


  • Lieber Thomas,


    Trecenteske Zustimmung. Bei Orcagna und Giotto geht es um werkimmanente Elemente inszenatorischer Natur, Bestandteile des ursprünglichen Kunstwerks, die untrennbar dazugehören, nicht um Inszenierung post festum.
    Bei Rigaud ist das schon schwieriger, weil der m.W. nicht für ein ganz spezifisches Ambiente geschaffen wurde, sondern für ein Ambiente, dessen Regeln nur ungefähr festgelegt waren. Das gibt aber ebenso wie gewisse Wünsche und Anweisungen eines Autors oder Opernschaffenden einen Rahmen vor, innerhalb dessen sich eine werktreue Inszenierung zu halten hätte. Viele Urheber von Werken haben keine strikten Auslegungsregeln hinterlassen, bei einem Lehár z.B. aber wissen wir, daß er seine Schöpfungen nicht als Spielwiese für Experimente sehen wollte. Natürlich bleibt trotzdem ein riesiger Raum für Interpretation, der keine scharfen Ränder aufweist. Aber irgendwo steht man dann an einem Punkt, wo das Neuschöpferische stärker ist als das Überlieferte - und dann sollte man doch ehrlich sagen, daß ist nicht mehr Lehár oder was immer, sondern X oder Y unter Verwendung von Motiven/Elementen etc. von Lehár usw.


    Es hat für viele Theateraufführungen sehr wohl verbindliche, gestaltete Bedingungen gegeben. Das unter Beibehaltung des Anspruchs auf Werktreue völlig zu ignorieren, wäre allenfalls dann vorstellbar, wenn der originale Kern für uns bereits völlig unverständlich wäre, quasi nur mehr unverständliche Hieroglyphe bedeuten würde. Eine Aktualisierung in Grenzen ist dagegen natürlich zulässig und meistens notwendig. der Streit geht immer nur um das Ausmaß einer solchen. Gerade weniger begabte Regisseure neigen oft dazu, ihre Mängel durch betonte Neueffekte zu kaschieren, obwohl sie im Grund nur alten, ranzigen Käse anbieten, der in das Zeitungspapier von heute eingewickelt wird. Qualität wird aber immer Bestand haben, und glücklicherweise geben uns die entwickelten Medien die Möglichkeit, die Dinge auch nach lange nachher vergleichend zu werten. Max Reinhardts Inszenierungsstil ist heute nicht mehr 1:1 anwendbar, aber seine Schöpfungen werden zweifellos weiterhin und immer als Meisterleistungen gewürdigt werden. deshalb soll um Himmels willen nicht jeder Regisseur es wie Reinhardt machen; jener sollte sich aber den Qualitätspegel, den Reinhardt vorgegeben hat, zum Maßstab des eigenen Könnens machen.


    LG


    Waldi

  • Lieber Giselher,
    Otto Schenks "Meistersinger" haben angeblich ihren Schwanengesang gesungen. Wenn's stimmt: Nie wieder ein Sachs mit Nachttopf. Nie wieder Eva in eierspeis-gelber Robe. Nie wieder herumzappelnde Meister, die alle Idioten sind. Kurz: Nie wieder Otto Schenks Verfremdung eines Werks zur Bierzelt-Komödie. Sozusagen eine üble Regietheater-Inszenierung weniger!
    Ich bin wirklich erleichtert...
    :hello:

    ...

  • Lieber Edwin,
    weitgehende Übereinstimmung, aaaaaber: Meinen "L'Elisir" liiiiiebe ich, und in dem wird auch nicht rumgestanden, zumindest nicht in den Besetzungen, die ich erlebt habe!!!!!!!! :motz:
    Übrigens hast du die "L'Italiana" von Ponnelle vergessen, seine letzte Arbeit für Wien. Natürlich ist auch da schon viel verloren gegangen, aber zumindest scheint man vor zwei Jahren doch die alten Regiebücher hervorgekramt und wieder gründlich geprobt zu haben, denn da war dann plötzlich wieder einiges vom Esprit der PR-Serie da. (Im Jahr davor bin ich beinahe eingeschlafen - man kann nämlich auch in einer Ponnelle-Inszenierung öde herumstehen! :wacky: )
    Im Moment ist diese Produktion ja in Köln, aber angeblich kehrt sie nächstes Jahr nach Wien zurück. (Zumindest gehe ich davon aus, dass Flórez seinen Lindoro nicht auf leerer Bühne singt ;) )
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Herumstehen in opulentem Bühnenbild.


    Also solange ich nicht weiß, wie das damals auf der Bühne zugegangen ist (und das werde ich so bald auch nicht erfahren, fürchte ich) habe ich absolut kein Problem mit "Herumstehen in opulentem Bühnenbild". Insbesondere bei Opern mit handlungsmäßig eingefrorenen Arien stelle ich mir (wenn überhaupt) den Sänger auch nicht sehr bewegt vor. Das opulente Bühnenbild ist ja sicher etwas anders als im Original, aber als Notlösung sind die von Dir genannten Wiener Inszenierungen durchaus schön anzusehen: Die von Dir merkwürdigerweise besonders verabscheute Ariadne auf Naxos habe ich zufälligerweise gleich mehrfach gesehen und mich immer daran gefreut (schließlich war mein allererstes Opernerlebnis ein radikal negatives mit einer "modernen" Inszenierung).


    Aber ich nehme Dein Posting als Anregung, mal wieder in die Staatsoper zu gehen, die Tosca habe ich vergeblich im Spielplan gesucht, jetzt habe ich ja mehr Anhaltspunkte und werde eher Erfolg haben. An den Inszenierungen von Moses und Aron resp. der Jakobsleiter davor hatte ich schließlich sehr wenig Freude, es wird Zeit die Staatsoper wieder mit ein wenig Staub in besserem Licht erscheinen zu lassen.
    :)

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  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Otto Schenks "Meistersinger" haben angeblich ihren Schwanengesang gesungen. Wenn's stimmt: Nie wieder ein Sachs mit Nachttopf. Nie wieder Eva in eierspeis-gelber Robe. Nie wieder herumzappelnde Meister, die alle Idioten sind. Kurz: Nie wieder Otto Schenks Verfremdung eines Werks zur Bierzelt-Komödie. Sozusagen eine üble Regietheater-Inszenierung weniger!
    Ich bin wirklich erleichtert...


    Otto Schenk schätze ich als professionellen Witzbold ungemein.
    Von daher werde ich auch den Verdacht nicht los, dass diese Inszenierung (wie seine anderen auch) genau das von Dir genannte Resultat zum eigentlichen Ziel hatte. :D

  • Zitat

    Original von pbrixius
    Erst danach bricht sich der Irrtum Bahn, man müsse Gluck verbessern, um ihn aufzuführen.


    Lieber Peter,


    Eigentlich wollte ich nicht reagieren, aber jetzt muß es sogar.


    Ich finde es ziemlich inkonsequent, einerseits dafür zu plädieren, daß Regisseure und Dirigenten die Freiheit bekommen müßen, ein Werk auszuführen, wie es ihnen gefällt. Und wenn Dirigenten das tun, Dich darüber zu beschweren.
    Ich weiß, daß damit wieder die Staubi-Regiediskussion geöffnet wird. :faint:


    Ich erinnere mich eine berühmte Diskussion zwischen Toscanini und einen anderen Interpret über eine bestimmte Komposition von Puccini (????).
    Toscanini fand, daß es einen Druckfehler im Partitur gab. Eine halbe Note zu tief oder zu hoch, oder eine fehlende Note.
    Der Komponist sagte, Toscanini hatte Unrecht. Der war wütend und würde sowas gesagt haben wie: auch Komponisten machen Fehler.


    LG, Paul

  • Lieber Paul, wo hat Peter denn je dafür plädiert, dass Dirigenten und Regisseure Werke aufführen dürfen , wie es ihnen gefällt???
    Zwischen musikalischen Eingriffen und Inszenierungen der Handlung eines Werkes gibt es doch ganz erhebliche Unterschiede!
    Ist es für Dich denn dasselbe, eine Ouvertüre wegzulassen oder eine Szene musikalisch identisch mit der Partitur nach den Vorstellungen eines Regisseurs zu inszeneiren?


    Fragende Grûsse ?(
    Fairy Queen

  • Liebe Titania,


    Entweder im Thread LdL oder im Regie-Staubithread hat er jedenfalls ungefähr gesagt, daß er solche Ausführungen/Interpretationen nicht a priori verdammt, denn das sie legitim sind.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil
    Eigentlich wollte ich nicht reagieren, aber jetzt muß es sogar.


    Lieber Paul,


    was das nun im Gluck-Thread zu suchen hat, weiß ich nicht recht. Ich habe das mal dahin gesetzt, wo es mE hingehört.


    Zitat

    Ich finde es ziemlich inkonsequent, einerseits dafür zu plädieren, daß Regisseure und Dirigenten die Freiheit bekommen müßen, ein Werk auszuführen, wie es ihnen gefällt. Und wenn Dirigenten das tun, Dich darüber zu beschweren.
    Ich weiß, daß damit wieder die Staubi-Regiediskussion geöffnet wird. :faint:


    Eben - und die Diskussion überlasse ich gerne den Spezialisten. Da wirst Du bestimmt von anderen Antwort bekommen.


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Original von musicophil
    Entweder im Thread LdL oder im Regie-Staubithread hat er jedenfalls ungefähr gesagt, daß er solche Ausführungen/Interpretationen nicht a priori verdammt, denn das sie legitim sind.


    Lieber Paul,


    eigentlich dürfte inzwischen bekannt sein, dass ich zur Musi-Fraktion gehöre, wie Titania zur Canti-Fraktion. Die Musik ist bei mir wichtiger als die Inszenierung und ich wüsste nicht, wo ich mich anders geäußert hätte.


    Liebe Grüße Peter

  • so hieß eine Doko-Reihe die ich mal vor gut 10 Jahren bei Classica auf Video Kasette aufnahm und gestern wiederentdeckte und mir ansah.


    Leider habe ich nur 2 Folgen damals erwischt.
    In der einen ging es um den Barockgesang als solchen, sowie den Barocktanz.


    In der zweiten um die Barockoper - um die Inszenierung.



    Und schlagartig wurde ich an diesen Thread erinnert.


    Eines vorweg, sämtliche Inszenierungen die da gezeigt wurden, fand ich grauenhaft angefangen von den Kostümen, Bühnenbildern und dem affektiertem Gemache auf der Bühne.
    Und das betrifft sowohl "Regie-Theater" als auch die "konservativen Inszenierungen"
    Ausnahme waren die Inszenierungen von Rameaus Pygmalion und Lullys Atys.



    Leider empfand ich das ganze aber auch als ziemlich representativ für die Operninszenierungen unserer Generation.


    Dazu äußerten sich auch in der vorhergehenden Folge viele Alte Musik Spezialisten, wie William Christie, Howard Crooke, Christophe Rousset, Rachel Yakar oder die leider verstorbene Francine Lancelot, deren Verdienst es war den Barocktanz wieder lebendig werden zu lassen.


    Es gab dazu aber auch Meinungen von zeitgenössischen Komponisten und Regisseuren. Doch zu meinem großen Erstaunen waren deren Äußerungen von einer solchen Art geprägt, dass es mir die Schuhe auszog.
    Aber am unseeligsten waren die Äußerungen von Peter Sellars, Luciano Berio, Marcel Dusapin oder ganz besonders Georges Benjamin (ein wohl nicht allzu bekannter Komponist unserer Tage...)
    da komme ich noch im einzelnen drauf zurück.



    Es wurden jedenfalls verschiedenen Szenen aus den unterschiedlichsten Möglichkeiten gezeigt, wie man eine Barockoper inszenieren kann.


    Dann gab es ein Statement von einer gewissen Lina Landini (mir völlig unbekannt) doch was sie sagte, war genau das was ich auch vertrete:
    Mit der Entwicklung und Forschung in der historischen Aufführungspraxis hat man viel erreicht, eine völlig andere Spielkultur, die Entdeckung unbekannten Repertoires, die Möglichkeit Alte Musik überhaupt wieder zu spielen - und nicht zuletzt die Annäherung an das, wie es gewesen sein könnte.
    Aber im Bereich der Inszenierung tat sich nichts, es gibt keine historisch informierten Aufführungen, die sowohl die alte Gestik, den Barocktanz mit entsprechenden Kostümen und Kulissen, sowie der Theatertechnik des Barock verbindet - wenn dann sind das vereinzelte Experimente.


    Ein solches machten wohl Les Arts Florissants bei Rameaus "Pygmalion", als sie zusammen mit Howard Crook in der Titelrolle, eine solche Aufführung auf die Beine stellten - und siehe da, nichts lächerliches, alles fügt sich harmonisch zusammen.


    Natürlich gab es auch Szenen aus "Atys" inszeniert von Villegier mit den Balletten choreographiert von Francine Lancelot.
    Aber das ist schon wieder eine Synthese verschiedener Einflüsse.


    Was sagten aber nun die schon angesprochenen Herren zu diesem Problem.
    Für Peter Sellars stellt sich das Problem nicht, er stellt die Inszenierung grundsätzlich in die Gegenwart, da jeder Historisierung ablehnt, auch auf Kosten des Werkes. Da zu meinte er, alles andere wäre eine lächerliche Verleugnung des Lebens.


    Gut, Meinungen muss man respektieren aber nicht teilen - für mich eine absolute Disqualifikatiion und genau das, was ich verachte, wenn die Inszenierung bzw. der Regisseur wichtiger wird, als die Oper


    Luciano Berios Orfeo II wurde gezeigt und von ihm entsprechend kommentiert.
    Ich persönlich fand diese Bearbeitung geschmacklos, vor allem musikalisch, zwar wahr mir klar was Berio wollte, aber dafür bin ich kein Publikum.
    Allerdings finde ich es etwas anmaßend alle als Dummköpfe zu bezeichnen die nicht seiner Meinung sind.


    Egal, viel schlimmer war die Äußerungen von Dusapin und besonders Benjamin.
    Diese verurteilten, dass man soviel Forschung und Geld in alte Instrumente investierte, anstatt völlig neue Instrumente zu entwickeln (was m.E. aber durchaus passiert - sich aber wie in der Musikgeschichte nur langsam durchsetzt)
    Vor allem warfen sie dem Publikum ihre Vergangenheits-seeligkeit vor anstatt sich mit neuer (ihrer ?) Musik auseinanderzusetzen. ( :hahahaha: )


    Zusätzlich meinte noch Benjamin, dass es einmalig in der Geschichte wäre, dass ein Publikum nur "Alte Musik" hört, anstatt auch zeitgenössische Musik zu hören und er meinte (die Sendung ist von 1993 oder 95) dass uns diese Mode in 20 Jahren nur noch peilich wäre.



    Das ist nicht nur blanker Schwachsinn, denn die Pflege "Alter Musik" lässt sich ohne weiteres bis ins 17. Jahrhundert nachweisen !
    Louis XIV setzte sich bereits für das Musikerbe Frankreichs ein, und ließ regelmäßig aus den Alten Quellen spielen, die hundert Jahre und mehr zurückreichen.
    August der Starke und später auch andere Fürsten veranstalteten Maskenbälle und Konzerte zu denen man die alte Mode von 1660 zu tragen hatte, oder noch ältere Mode und man ließ entsprechende Musik spielen.
    Die Ringraves (Reihngrafenhosen) die sich August anfertigen ließ, sind immer noch erhalten !


    Und von Peinlichkeit kann noch keine Rede sein, denn die zwanzig Jahre sind jetzt zur Hälfte um :hahahaha::hahahaha::hahahaha: - und ich werde auch die nächsten 20 Jahre bestimmt weiter Alte Musik mit Begeisterung hören. Ich sehe auch keine Tendenz, dass das Interesse für Alte Musik abnimmt, ganz im Gegenteil.


    Ich hoffe dass die Inszenierungen bald nachziehen, denn für mich ist das was zur Zeit geboten wird eine Verletzung der Werke.
    Ich will keine Punker sehen, die mit dämlichen Verrenkungen auf Rameaus Musik "tanzen"




    Man muss endlich einsehen, das diese Barockopern "Gesamtkunstwerke" waren. Diese Musik braucht Bilder - starke Bilder.
    Keine Divas die mit lächerlichen Verränkungen in grauen Straßenanzügen über die (leere) Bühne kriechen.
    Das "über die Bühne kriechen" beim Singen ist sowieso etwas, was ich hasse wie die Pest (die Sänger mit Sicherheit auch)



    Ich hoffe dass die historisch informierte Inszenierung bald mehrfach aufgegriffen wird, denn erst durch diese speziellen Gesten, bekommt die Poesie die entsprechende Bedeutung, das hat man nicht gemacht, weil es hübsch aussieht, sondern um den Text - der in der Barockoper wichtiger als die Musik ist (!) entsprechend zu unterstützen.


    Nein mein Liberalismus in Bezug auf Inszenierungen ist langsam erstickt.
    Seitdem ich diese Versuche gesehen habe, Barockopern in historischer Weise zu inszenieren, weiß ich dass die beiden anderen Wege einfach falsch sind und das Werk ins Lächerliche ziehen - die Inszenierung wird so zu einem Fremdkörper der nicht zur Musik passt.
    Man muss mit weiterer Forschung endlich ergründen und beweisen, dass das Theater des Barock mit der Musik zusammen gehört.

  • Zitat

    Original von der Lullist
    Für Peter Sellars stellt sich das Problem nicht, er stellt die Inszenierung grundsätzlich in die Gegenwart, da jeder Historisierung ablehnt, auch auf Kosten des Werkes. Da zu meinte er, alles andere wäre eine lächerliche Verleugnung des Lebens.


    Gut, Meinungen muss man respektieren aber nicht teilen - für mich eine absolute Disqualifikatiion und genau das, was ich verachte, wenn die Inszenierung bzw. der Regisseur wichtiger wird, als die Oper.


    Lieber Matthias,


    mir scheint, dass hier wieder zwei Ebenen vermischt werden, die nicht so richtig zusammenpassen wollen. Deine Vorstellung zielt auf ein Museum ab, auf eine Wiedergabe barocker Werke, wie man sie vielleicht zur Zeit ihrer Entstehung hat sehen können, was durchaus seinen Reiz haben kann, das würde auch ich mir mal anschauen, ohne mir allerdings zu wünschen, dass barockes Gestenrepertoire allüberall bei der Aufführung von Barockopern Standard werden sollten.


    Der genaue Wortlaut von Sellars ist mir nicht bekannt, aber tendenziell würde ich ihm zustimmen. Sein Ansatz ist nämlich, zeitgemässes Musiktheater für Menschen von heute zu machen, und die Stücke darauf zu befragen, was sie denn heute noch mitteilen können. Das ist eine völlig andere Ausrichtung, als der Ansatz eine Pseudo-Vergangenheit wieder aufleben zu lassen, die auch nur eine Annäherung sein kann, wir leben nunmal nicht mehr im 17. Jahrhundert.


    Jetzt kommt der Punkt, wo Deine Kritik in eine Schieflage gerät. Der Regisseur wird nicht wichtiger, als die Oper, wenn er eine Inszenierung erarbeitet, die Dir nicht gefällt. Er hat lediglich einen anderen Zugang zu dem Stück, seine Herangehensweise unterscheidet sich von der Deinigen im Grundsatz. Man sollte da auch sehr vorichtig mit der Wertung des "falsch" oder "richtig" sein, es kommt auf die Perspektive an, und die lässt sich relativ leicht verschieben und bringt dann das genannte Begriffspaar schnell ins Wanken.


    Ein Beispiel aus dem Bereich der Musik: Michael Gielen hat immer deutlich gemacht, dass er nichts von der historischen Aufführungspraxis hält, weil wir heutigen Menschen "anders" sind, als jene die vor 300 Jahren gelebt haben, auch anders hören, andere Erfahrungen haben, deshalb plädiert er für ein modernes Instrumentarium, mit dem auch alte Werke gespielt werden sollen. Das ist mir nachvollziehbar, auch wenn ich selbst den Klang der Alten-Musik-Ensembles bevorzuge, der Klang einer tiefgestimmten Gambengruppe ist für mich ein Klang aus einer anderen Welt, der mich immer wieder fasziniert.


    Die Position von Gielen ist ebensowenig "falsch" oder "richtig", wie es die von Sellars ist. Es sind verschiedene Meinungen zum selben Sujet, die beide diskutabel sind.


    Noch ein Beispiel: ich habe tolle Aufführungen von Barock-Opern gesehen, inszeniert von Karoline Gruber, Joachim Schloemer oder Nigel Lowery, ich fand die spannend, unterhaltsam, abwechslungsreich, sehr stimmig in der Bewegung zur Musik, ich wage die Behauptung, sie hätten Dir nicht gefallen - mit "richtig" oder "falsch" hat aber mein Gefallen und Dein vermutetes Nichtgefallen eher nichts zu tun.

  • Hallo Alviano.



    das was ich in Bezug auf Sellars und andere Regisseure meinte, ist wohl nicht so ganz klar geworden.


    Was mich stört ist, wenn ein Werk umgestaltet werden muss, dass es zu der Inszenierung passt - nur darum geht es.
    Da wird dann Ballett weg gestrichen, ganze Szenen entfallen usw.


    Da hab ich kein Verständnis für.


    Und das mein Beitrag nicht "Gottes Wort" ist, sollte klar sein, es ist meine ganz eigene Meinung.



    Mir geht es mehr um ein ständiges Überdenken der Aufführungspraxis - auch in der Musik !
    Denn viele Alte Musik Ensembles haben sich mitlerweile genauso eingefahren wie die modernen Orchester, man hat noch lange nicht alles ausprobiert.

  • Zitat

    Original von der Lullist
    Was mich stört ist, wenn ein Werk umgestaltet werden muss, dass es zu der Inszenierung passt - nur darum geht es.
    Da wird dann Ballett weg gestrichen, ganze Szenen entfallen usw.


    Lieber Matthias,


    das steht in Deinem Beitrag aber so tatsächlich nicht drin - über die Frage der Präsentation, also z. B. die der Strichlosigkeit, darüber haben wir uns an anderer Stelle schon ausgetauscht, und da sage ich klar: es muss praktikabel sein, auch nicht jedes Ballett innerhalb einer Grand-Opera ist unbedingt handlungsbefördernd.


    Nochmal kurz zur Inszenierung: es ist ein Unterschied, ob ein Werk wie der "Atys" von Lully z. B. im Rahmen eines Festivals gezeigt wird, oder ob dieses Stück an einem normalen Stadttheater zur Aufführung gelangt, wo ich das Publikum überhaupt erst an den Komponisten heranführen muss. In ersterem Fall könnte ein Versuch in pseudo-historiserendem Rahmen vielleicht interessant wirken, im letzteren könnte soetwas leicht langweilen und die Zuschauerinnen und Zuschauer in dem Vorurteil bestärken, Barockoper sei eher unspannend.


    Bei der Musik muss gelten: wir wissen nicht, wie das damals geklungen hat, mag sein, dass wir eine gewisse Annährung erreichen, aber auch rein musikalisch interpretieren wir "Alte Musik" aus dem Verständnis von 2008 heraus, mit dem, was wir über die Entsehungszeit und ihre Interpretationspraxis zu wissen glauben. Gielen hält diesen Ansatz für reaktionär, weil er sich vermeintlich der Gegenwart und dem Blick nach vorne verschliesst. Das würde ich nicht in jedem Fall teilen, so gänzlich wegschieben würde ich so eine Argumentation auch nicht.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose

  • Du weißt schon, wie man bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit den vorhandenen Opern umging? Da wurden Änderungen vorgenommen, Passagen aus anderen Werken eingefügt und nachkomponiert, haufenweise Striche gemacht und so weiter und so fort. Wie oft wird denn zum Beispiel heutzutage die Turmszene in "Lucia di Lammermoor" oder der komplette dritte Akt von "Lohengrin" gespielt, um nur zwei Fälle zu nennen. Die Idee von der Komposition als "Werk", das als solches kanonisch sei und nicht verändert werden dürfe, entstand erst in der Tradition Wagners, schon Verdi lag mehr daran aufgeführt zu werden als die Oper um jeden Preis unverändert zu belassen.

  • Wahrscheinlich ist die Antwort auf dieses Dauerproblem gar kein "entweder-oder" sondern ein "und".


    Unter den jeweils gegebenen Umständen sollte beides, also regenerierende wie die restaurative Inszenierungen möglich sein und mindestens toleriert werden. Die möglichst totale Restauration hinsichtlich Vollständigkeit und HIP-Aufführung hat fraglos einen hohen Bildungswert, auch wenn sie zu Darbietungen führen dürfte, wie sie zu Zeiten der Entstehung eines Werkes niemand so gesehen und gehört hat, denn unsere Hirne, Ohren und sogar Bühnen können wir nur sehr bedingt HIPpen. Deswegen ist die Gefahr so groß, dass wir uns bei konsequent restaurativen Aufführungen schnell langweilen. Opern sind nun einmal keine Gemälde, Statuen oder auch nur Filme, und selbst deren Wahrnehmung, erinnern wir uns, war schon vor zehn Jahren, geschweige denn vor Dezennien, eine andere als heute. Der Versuch, die frühere Wahrnehmung möglichst authentisch zu restaurieren, führt im besten Fall ins Museale. Wie gesagt: auch das hat etwas für sich, das Ergebnis sollte aber nicht mit dem Original gleichgesetzt werden, das uns, könnten wir es heute genau so vorgeführt bekommen wie damals, im Zweifelsfalle eher langweilen oder gar aus falschen Gründen amüsieren würde. Man braucht sich nur die Mehrzahl der mittelprächtigen Stummfilme wie DER ROSENKAVALIER oder ein einst revolutionäres Werk wie DAS KABINETT DES DR. CALIGARI anzusehen um ein Bewusstsein dafür zu bekommen, wie unzeitgemäß gerade das einst bahnbrechend Moderne gerade in den darstellenden Künsten war bzw. heute wäre.


    Dass andererseits radikal individuelle Sichtweisen mal frappieren, mal irritieren oder gar verärgern, liegt ebenfalls in der Natur der Sache. Der interessante Aspekt dabei ist, dass mindestens die wirklich bedeutenden Werke des Repertoires all das und zuweilen Schlimmeres überlebt haben, manche vermeintlich verstaubte und tatsächlich zu gering geschätzte - nicht nur, aber vor allem der Barockzeit - aber auch wieder auferstanden und aus staubigen Regalarchiven zu neuem Leben errettet wurden. Mit einer konsequent restaurativen Haltung wäre das nie möglich gewesen. Die Oper als Museum würde auf Dauer nicht weniger Publikum verlieren als ein konsequent radikales, sogenanntes Regietheater. Im Gegenteil, nur dieses kann, mit Augenmaß praktiziert, neue Publikumsschichten gewinnen, wie die zuächst heiß umstrittene Ära Gielen schon im Frankfurt der 80er Jahre bewiesen hat.


    Dass es dabei an beiden Enden zu ebenso überflüssigen wie unvermeidlichen Fehlleistungen gekommen ist, steht auf einem anderen Blatt.


    Die von Armin Diedrich korrekt beschriebenen Verhältnisse wünscht sich wohl niemand zurück. Andererseits, was waren sie anderes als das, was heute an "Highlights" oder sogenannten Querschnitten dargeboten wird und nur deshalb schwindet, weil mindestens ältere Gesamtaufnahmen so preiswert zu haben sind? Natürlich ist bei solchen Gesamtaufnahmen eine denkbar große Vollständigkeit anzustreben, und sei es mittels eines Appendix, damit der Konsument selbst die Wahl hat, ob er alles braucht und haben will. Bei Live-Aufführungen ist das etwas anderes, denn die müssen als Drama in dem Augenblick funktionieren, in dem sie geboten werden. Da aber herrschen andere Gesetze.


    Man hüte sich also vor Pauschalurteilen.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Freie Assoziation...
    Ich las Operus neuen Thread über SängerInnen :P und Humor. Da dachte ich, so was haben wir doch. Suchen und (noch) nicht gefunden.
    Aber ich fand was anderes: eine Empfehlung von Waldi diesen Beitrag aus den Humorthread auch hier zu publizieren. Ich hoffe, Mods akzeptieren es.


    Ich fand dies irgendwo im Netz.


    How to Opera Germanly:


    1) The director is the most important personality involved in the production. His vision must supercede the needs of the composer, librettist, singers and especially the audience, those overfed fools who want to be entertained and moved.


    2) The second most important personality is the set designer.


    3) Comedy is verboten, except when unintentional. Wit is for TV watching idiots.


    4) Great acting is hyperintensity, with much rolling and the ground, groping the wall and sitting on a bare floor.


    5) The audience’s attention must be on anything except the person who is singing. A solo aria, outmoded even in the last century, must be accompanied by extraneous characters expressing their angst in trivial ways near, on or about the person singing the aria.


    6) Storytelling is anathema to the modern director, like realistic “photographic” painting is to the abstract painter. Don’t tell the story, COMMENT on it! Even better, UNDERMINE IT! 7) When singing high notes, the singer must be crumpled over, lying down or facing the back of the stage.


    8 ) The music must stop once in a while for intense, obscure miming.


    9) Sexual scenes must be charmless and aggressive. Rolling on the floor a must here.


    10) Unmotivated homosexual behavior must be introduced a few times during the evening.


    11) Happy endings are intellectually bankrupt. Play the opposite. Insert a sudden murder if at all possible.


    12) Avoid entertaining the audience at all costs. If they boo, you have succeeded.


    13) Rehearse it until it’s dead. Very important.


    14) Any suggestion of the beauty and mystery of nature must be avoided at all costs! The set must be trivial, contemporary and decrepit! Don’t forget the fluorescent lights! (Klieg lights also acceptable.)


    15) The audience must not know when to applaud or when the scene/act ends.


    16) Historical atrocities such as the Holocaust or the AIDS epidemic must be incorporated and exploited as much as possible. Also the lifestyle of the audience must be mocked.


    17) Colors are culinary. Black, white and gray only!


    18 ) The chorus must be bald, sexless, faceless and in trench coats.


    19) If the audience is bored, this is art.


    20) Props are items of junk piled in a corner of the set. They must be overused pointlessly, then dropped on the floor, hopefully when the music is soft. Be careful to keep dangerous objects at the lip f the stage so the blindfolded dancers can kick them into the pit.


    21) All asides must be sung next to the person who is not supposed to hear them.


    22) The leading performers faces must be painted as a white mask to ensure no individuality or variety of expressions, as opera singers can’t act anyway. They just want to pose and make pretty sounds.


    23) Preparation is important. Try to read the libretto in advance to make sure it doesn’t interfere with your staging ideas. Not much harm in listening to the CD once, though that’s not really your job.


    24) Make the conductor feel useful, though he’s really a literal minded hack.


    25) The stage director must avoid any idea that is not his own, though that idea will surely be on this list already.


    26) A costume must serve at least two of the following criteria: a) Make the singer look unattractive b) Obscure his vision c) Make hearing the orchestra difficult d) Impede movement d) Contradict the period in which the opera is set (hardly worth mentioning)


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil
    Freie Assoziation...
    Ich las Operus neuen Thread über SängerInnen :P und Humor. Da dachte ich, so was haben wir doch. Suchen und (noch) nicht gefunden.


    Vielleicht dies oder das?


    :hello:


    Ulli

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Dann bin ich ja froh, daß ich Dir mit jenem Link helfen konnte... dann war die Verlinkung dessen völlig überflüssig...


    :D

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Wobei ich ja sicher war, daß dieswelcher schon garnicht in Frage kam... das hat mir das Verlinken erspart.

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Zitat

    Original von Ulli


    Jein. In beiden Fällen ist der Ort der Aufführung im Prinzip ein falscher - der richtige wäre das Freihaustheater in Wien, das heute leider nicht mehr steht. Somit kommt also eine solche Aufführung des Kunstwerks "am richtigen Ort" [jedenfalls ein Ort, für den es vorgesehen war] nicht mehr zum tragen.


    Hallo Ulli, ich weiß, dass ich dich nicht umstimmen kann, aber dennoch: Dir ist doch sicher bekannt, dass Mozart seine Opern ständig umgeschrieben, d.h. an den jeweiligen Aufführungsort angepasst hat. Wenn der heute eine seiner Opern inszenieren würde, die würdest du nicht wiedererkennen, das wäre Regietheater in Reinstform.


    Zitat


    Bereits Haydn hatte sich seinerzeit erfolgreich gegen solche Werkverpflanzungen zur wehren gewußt:


    Sie verlangen eine Opera buffa von mir; recht herzlich gern, wenn Sie Lust haben von meiner Singkomposition etwas für sih allein zu besitzen. Aber um sie auf dem Theater zu Prag aufzuführen, kann ich Ihnen dießfalls nicht dienen, weil alle meine Opern zu viel auf unser Personale gebunden sind, und außerdem nie die Wirkung hervorbringen würden, die ich nach der Lokalität berechnet habe. Ganz was anders wär es, wenn ich das unschätzbare Glück hätte ein ganz neues Buch für das dasige Theater zu komponieren. Aber auch da hätte ich noch viel zu wagen, in dem der große Mozart schwerlich jemanden andern zur Seite haben kann.


    Auch Haydn ist ein Verfechter modernsten Regietheaters. Gegen den sind die heutigen Regisseure richtige Waisenknaben. Haydn hat ganze Arien (in fremden Opern) durch Eigenkompositionen ersetzt, größere Teil gestrichen, etc., das sollte sich heute mal ein Regisseur erlauben...



    Thomas Deck

  • Zitat

    Original von thdeck
    Hallo Ulli, ich weiß, dass ich dich nicht umstimmen kann, aber dennoch: Dir ist doch sicher bekannt, dass Mozart seine Opern ständig umgeschrieben, d.h. an den jeweiligen Aufführungsort angepasst hat. Wenn der heute eine seiner Opern inszenieren würde, die würdest du nicht wiedererkennen, das wäre Regietheater in Reinstform.


    Heutige Regisseure sind aber keine Mozarts...


    Mit Deiner Vermutung 'Regietheater in Reinstform' wäre ich mir nicht so sicher. So ein Spinner sprang damals im 18. Jahrhundert bereits durch die Gegend. Er hieß Friedrich Ludwig Schröder [1744-1816]. Schröder [...] setzte sich mit seinen Ideen weder in Wien noch in Hamburg durch, obwohl er durchaus auf der Skepsis gegenüber dem Barocktheater aufbauen konnte [...] Er empfand das hochspezialisierte Maschinenwesen für die Theater als nicht mehr notwendig und längst überholt. Das Wort sollte im Vordergrund stehen und die Kulissen nur noch angedeutet sein. Das Publikum hingegen wollte sich die Illusion nicht nehmen lassen [prima la musica, poi le parole - übrigens der Grund, warum Mozarts 'Schauspieldirektor' durchfiel: zuviel 'parole'] - so konnte er seine z. T. speziell für Frankreich entwickelten Konzepte an den nächsten Altpapierwiederverwerter verschenken...


    [Quelle: Wolfgang Greisenegger: Aspekte des Theaterbaus und der Bühnentechnik des 18. Jahrhunderts]


    So gesehen machen heutige Regisseure ja nun auch nichts Neues mehr und sollten sich schnell was anderes, eigenes, überlegen. :P


    Vielmehr war Mozart wie auch Haydn ein Anhänger der neuesten Technik und Effekte. Da könnte ich mir durchaus vorstellen, daß Mozart bei einer laserunterstützten Zauberflöteninszenierung hellauf begeistert gewesen wäre. Okay, Laser ist nicht mehr das allerneueste...


    Anders sieht das wieder aus, wenn man sich antike griechische Inszenierungen heranzieht - aber das sind wiederum zwei paar Schuhe, wenn nicht gar drei... Mozart war aber kein antiker Grieche. So ist's eben.


    Zitat


    Auch Haydn ist ein Verfechter modernsten Regietheaters. Gegen den sind die heutigen Regisseure richtige Waisenknaben. Haydn hat ganze Arien (in fremden Opern) durch Eigenkompositionen ersetzt, größere Teil gestrichen, etc., das sollte sich heute mal ein Regisseur erlauben...


    Wenn sie Haydn hießen, dürften sie dies... sie tun's dennoch.


    :hello:


    Ulli

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

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