Nikolaus Harnoncourt pro und contra

  • Zitat

    Ich wüsste nicht, wo ich ihn ernsthaft beschimpft habe?


    Wenn du nicht mehr weißt, was du heute geschrieben hast, wird es echt bedenklich. Und ob es ernsthaft oder anders war, spielt auch keine große Rolle.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus


    Wenn du nicht mehr weißt, was du heute geschrieben hast, wird es echt bedenklich. Und ob es ernsthaft oder anders war, spielt auch keine große Rolle.


    Ich weiß sehr wohl, was ich geschrieben habe und es entspricht definitiv meiner Meinung, der sich niemand anzuschließen verpflichtet fühlen muß.


    Zitat

    Brems dich also bitte etwas ein.


    Da meine Meinung offenbar nicht gern gesehen wird [wer verträgt schon die Wahrheit?], werde ich jetzt die Notbremse ziehen und mich aus diesem Thread vollständig und endgültig zurückziehen, da es mir bereits wieder stinkt, dass mit NH zur Inkonsequenz treibt.


    Möge dieser Thread im historisch informierten Schönklang ersterben.


    :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Ich weiß sehr wohl, was ich geschrieben habe und es entspricht definitiv meiner Meinung, der sich niemand anzuschließen verpflichtet fühlen muß.


    Du scheinst nicht verstehen zu wollen, worum es hier geht. Du kannst jegliche Meinung haben und sie artikulieren, aber es sollte unter keinen Umständen in Beschimpfung von Künstlern ausarten. So weit sollte auch dein bei Mozart vorhandener Mangel an Toleranz gegenüber anderen Auffassungen in der Lage sein.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Forianer,


    für Harnoncourt ist klar, dass seine neuen Aufnahmen der Mozart-Werke ganz anders klingen müssen, als seine früheren Einspielungen, sonst würde sie ja keiner kaufen und eine Daseinsberechtigung wäre echt zweifelhalft.



    Aber den Mozart pascha-haft umzudeuten und zu erklären, nach dem Motto, nur so könnte man Mozart heute noch spielen, ist sehr befremdlich, und grenzt an Alterstarrsinn.


    Die meisten späten Mozart-Sinfonien und -Opern hat er ja nicht mit Originalinstrumenten aufgenommen.


    Wer Werke hervorragend auf Originalinstrumenten musiziert erleben möchte, der greife zu:














    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Zitat

    Original von Theophilus


    Du scheinst nicht verstehen zu wollen, worum es hier geht. Du kannst jegliche Meinung haben und sie artikulieren, aber es sollte unter keinen Umständen in Beschimpfung von Künstlern ausarten. So weit sollte auch dein bei Mozart vorhandener Mangel an Toleranz gegenüber anderen Auffassungen in der Lage sein.


    Und Du scheinst nicht zu begreifen, dass ich niemanden beleidigt habe. Du kannst das interpretieren, wie Du willst. Letztlich fühlst Du Dich nur persönlich angefriffen.


    Ich jedenfalls zähle mich nicht zu jenen, die stumpfsinnig alles hinnehmen und ertragen, was angeboten wird und auch nicht jahrelang suchen, um dann letztlich etwas "Schönes" daran finden zu müssen: Dafür ist mir meine Lebenszeit zu kostbar. Die Musik, die ich schätze, duldet keine Toleranz: Entweder die Musik ergreift mich, oder ich ergreife die Flucht.


    Wie bereits angedeutet, erübrigt sich jede weitere an mich gerichtete Äußerung zu diesem Thema im Thread.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Und Du scheinst nicht zu begreifen, dass ich niemanden beleidigt habe. Du kannst das interpretieren, wie Du willst. Letztlich fühlst Du Dich nur persönlich angefriffen.


    Wenn du jemanden einen Stümper schimpfst und dabei meinst, ihn nicht beleidigt zu haben, erübrigt sich allerdings jegliche Diskussion. Da werden wir beide auf keinen gemeinsamen Nenner kommen. Außerdem fühle ich mich nicht im Geringsten persönlich angegriffen. Ich bin lediglich der Meinung, dass deine Ausdrucksweise hier nicht dem Forumsstil entspricht und man darauf achten sollte, dass sie nicht einreißt.



    Zitat

    Die Musik, die ich schätze, duldet keine Toleranz


    Fast ein Thema für einen eigenen Thread. Im ersten Moment empfinde ich diese Sicht der Dinge als sehr traurig, weil viel zu einengend und damit potentiell schöne Dinge von vornherein ausgrenzend. Aber jedem Tierchen sein Plaisierchen.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Erstaunlich, dass noch kein Wort über Harnoncourts Beethovenzyklus gefallen ist. Der ist zwar größtenteils auf modernen Instrumenten gespielt (bis auf die Bläser) klingt aber trotzdem sehr hip.


    Ich bin sehr an Harnoncourts Kantateneinspielungen interessiert, werde aber noch warten, bis die billiger werden.


    Mozart und Harnoncourt passt vielleicht nicht ganz, obwohl ich mir die Sinfonien zulegen würde.


    Harnoncourt hat mir auf jeden Fall Bruckners 8., Bruckners 5. und Bruckners 9. auf eine Weise nahe gebracht, wie ich das zuvor nicht kannte. Blöderweise stand die neunte unter Harnoncourt zeitgleich mit der neunten unter Cellibidache auf dem Programm. Die 9. unter Harnoncourt ist schon ein wenig anders akzentuiert, als ich das von anderen Aufnahmen dieser Sinfonie kenne. Sie wirkt "roher".

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Ich persönlich habe Nikolaus Harnoncourt viele aufwühlende Konzertübertragungen und Opernerlebnisse vor allem im Radio (Oper auch live) zu verdanken. Ich traue mich hier "blasphemisch" zu schreiben, dass es mir im Grunde völlig egal ist ob aus einem Autograph ein rubato eingehalten wird oder nicht und wer denn nun recht hat mit der Einhaltung oder Nichteinhaltung, mich interessiert das musikalische Resultat. Und das war für mich bei Nikolaus Harnoncourt bisher immer zumindest interessant, meist sehr bewegend und oft eben wirklich aufwühlend. (Und meistens auch so begründet, dass ich es glaubhaft fand.) Er ist ein Entdecker in der Musik, und ein großes Verdienst von ihm ist, dass er sich für viele selten gespielte Werke einsetzt. Wenn man ihn in Gesprächen hört oder liest, so schwingt für mich immer der Wunsch nach zumindest persönlicher Authentizität mit. Ich werde Harnoncourts Wirken weiter mit großer Hochachtung und mit Interesse verfolgen. Vielleicht klappt es ja mal mit einem in einem Gespräch mit Karl Löbl vor einigen Jahren geäußerten Wunsch, "Porgy and Bess" zu dirigieren ...


    Herzlicher Gruß
    Alexander

    Freundlicher Gruß
    Alexander

  • Hallo,


    nun ist es also wieder soweit:
    Das Thema Harnoncourt wird zur Belebung der Streitfreudigkeit ( "Ring frei") auf die Tagesordnung gesetzt.
    Schon als ich gestern das Thema las, wusste ich schon, was folgen wird.
    Als in diesem Forum über andere Musiker mit Vergnügen hergezogen wurde, entschloss man sich richtigerweise, den Thread zu löschen.
    Wenn es ums Thema Harnoncourt geht, dann ist es offensichtlich erlaubt und wahrscheinlich sogar erwünscht, ordentlich vom Leder zu ziehen.
    J.E. Gardiner kann in diesem Forum unwidersprochen als "musikalisches Universalgenie" gepriesen werden ( diese Formen der "Rezensionen" erinnern mich schon eher an Praise and Worship zu Gunsten eines Menschen) Niemand regt sich darüber auf.
    Was aber hier -wieder einmal- geäussert wurde, sind teilweise schon vernichtende Aussagen, die erstens haltlos sind und zweitens voll auf deren teilweise launenhafte Urheber zurückfallen, vor allem auch wegen des seriös in keinster Weise mehr zu vertretenden Tonfalls.


    Woran mag es nun aber liegen, dass sich einige berufen fühlen, diesen Intepreten mit einer derartigen Emotionalität anzufeinden?
    Nun, dazu fallen mir drei Gründe ein:


    1. Expressive vorgetragende Klangrede trifft auf Unverständnis
    Harnoncourts Interpretationen erschliessen sich dem Hörer durch aktives Zuhören und geistig-emotionales Nachvollziehen.
    Wenn es um die Musik von Monteverdi bis Beethoven geht, braucht der Musiker ein sehr gutes Verständnis, und auch der Hörer ein gewisses Grundverständnis von der musikalischen Rhetorik, der Klangrede.
    Bei ihr geht es um die Mitteilung von genau spezifizierten Affekten durch ein bewusstes Aufgreifen von rhetorischen Mitteln, auch und gerade im Hinblick auf Gestus und Körperlichkeit.
    Die Musikgattungen wurden als Dramen, Romane oder Predigten gesehen, Artikulation und Dynamik dienten dazu, den Tonfall eines Redners nachzuahmen. Das semantische besetze Vokabular der erst durch die reichhaltige Artikulation richtig ausgesprochenen musikalisch-rhetorischen Figuren wurde in der Entstehungszeit der Kompositionen von den gebildeten Kennern weitgehend verstanden.
    Heute muss sich der ernsthafte Musiker, aber auch der interessierte Hörer versuchen, sich diese Kenntnis wieder anzueignen, was durchaus möglich ist. Hier kommen nun bei Harnoncourt zwei Aspekte zusammen, die sich für einen Hörer, der hierzu nicht bereit ist, unangenehm auswirken können:
    In seiner Person verbindet sich eine hohe, forschende und hinterfragende Intellektualität mit einer unglaublich mitreissenden, spannungsreichen Emotionalität. Gerade diese Kombination muss auf gewisse Hörerschichten irritierend wirken.
    Man stelle sich nur einmal vor, dass man vor sich zwei Menschen stehen hat, die in einer vollkommen unbekannten Fremdsprache auf einen einreden.
    Der eine redet in eher langweiligen und moderaten Tonfall, der andere Hochemotional, mit allen Zwischenstufen vom Zorn bis zur zärtlichen Liebe.
    Es dürfte klar sein, dass man die Rezeption der Rede der zweiten, leidenschaftlich vortragenden Person viel eher als störend empfinden würde.
    Der Vergleich hinkt, weil eine Musik in den Grundzügen der Reihenfolge von Tönen, Rhythmen und Harmonien von jenen gewissen Hörergruppen durchaus wiedererkannt wird. Umso befremdlicher muss es natürlich wirken, wenn sich die Klangrede in jenen Ohren trotzdem nach Bahnhof anhört.
    Als Folge kann nur die ablehnende Reaktion einsetzen.



    2.
    Die oberflächliche Rezeptionshaltung von Hörern
    Für viele Klassikhörer eröffnet die klassische Musik die Möglichkeit des Eintauchens in eine heile, bessere Welt.
    Stellen wir uns folgende kleine Geschichte vor:
    Gestresst und von der rauhen Wirklichkeit des Alltags erschöpft, zieht sich unser Klassikfreund seine Pantoffeln an, giesst sich ein gutes Glas Rotwein ein und legt sich eine Bach oder Mozart-CD ein, die er von einem Bekannten wärmstens empfohlen bekam: "Hör`dir mal diese Jupiter mit Harnoncourt an, wahnsinnig gut, sage ich dir..." hat dieser mit einem Leuchten in den Augen beim Abschied noch gesagt.
    "O ja, Mozart! Unser Wolferl ! Wenn ich Musik von dem höre, ist das für mich wie Urlaub. Und diese Jupiter-Symphonie kenne ich ja auch schon - und wie!
    Das ist doch die, wo vorne auf dem Cover dieser gestrenge ältere Herr zu sehen ist.
    Wie hiess der noch? Ach ja, Böhm, ja herrlich! Gerade die ist doch meine Lieblingsplatte."
    Er stellt seinen Entspannungssessel stellt er auf "Füsse hoch" nicht ohne vorher zufrieden das anheimelnde Knistern des Kamins wahrgenommen zu haben. Nun greift er zur Fernbedienung, drückt auf "play"....
    "ABER WAS IST DAS ???"
    Der macht mir ja meinen ganzen schönen Mozart kaputt!
    Huch, und jetzt diese Blechbläser. Was soll denn dieser Wechsel von hart-fordernd und lieblich-sanft? Mozart ist doch immer leicht und flüssig ! Mein Musiklehrer hat das doch damals immer als herrlich appollinisch bezeichnet. Ist schon lange her....muss 1938 gewesen sein.
    So nun ist aber gut. Schluss, aus! Diese Musik ist voller Konflikte, und davin habe ich weiss Gott schon genug!
    Ich mag diesen gewissen "Herrn Harnoncourt" überhaupt nicht :angry:. Vorgehen müsste man gegen den....mal sehen, gab es da nicht so ein Forum im Internet?"

    An dieser Stelle steigen wir aus der Geschichte aus.


    Bei von Richter herkommenden Bachfreunden mögen sich ähnliche Szenen abgespielt haben. Da wurde die Musik dann als furchtbar zerstückelt empfunden. Das wahre, pastose Religioso fehlte einfach.
    Sich fragen, warum der das so spielt oder gar genauer hinhören?
    "Ja warum denn? Dieses trockene Zeug spricht nicht an, basta!"


    Auch in diesem Forum arbeitet sich nach meiner Beobachtung ständig jemand daran ab, dass die Interpretationsgeschichte sich davon abgewendet hat, in der "Tugend des ausschliesslichen Schönklangs" zu schwelgen.
    Schuld an allem ist, vor allem natürlich, wieder einmal jener Graf, der aus idealistischen Motiven seine sichere Cellistenstelle bei den Wiener Symphonikern aufgab.
    Harnoncourt sucht in der Musik nicht nach dem Hässlichen, sondern nach dem Wahren. Die Wahrheit des Lebens und damit auch der Musik besteht aus wunderbaren und hässlichen Dingen.
    Die Schönheit eines Bergtals kommt erst durch den Kontrast zum ernsten Hochgebirge wirklich zur Geltung.
    Die Schönheit des Meeres oder auch des Landes wird dann besonders deutlich, wenn beide -manchmal auch hart- aufeinandertreffen.
    Zwischen unzähligen Kontrastpaaren wie rauh-lieblich, heiter- ernst, weich- hart, gebunden - gestossen, schwerer Taktteil - leichter Taktteil, Tutti - Solo, schwerfällig - leichtfüssig, non-Vibrato - starkes Vibrato etc. spielt sich die Wahrheit der (musikalischen) Kunst ab.
    Wer also dem verlorenen Schönklang hinterhertrauert und seinen Frust hierüber in polemischer Form am personifizierten Übeltäter Harnoncourt auslassen muss, offenbart der mitlesenden Öffentlichkeit nur, dass er über eine ästhetisch einseitige und oberflächliche Rezeptionshaltung verfügt, die den Willen und vielleicht auch die Fähigkeit, hinhören und dazulernen zu wollen, eindeutig vermissen lässt.


    3. Die Liebe zum eigenen Interpretenidol


    Diese Liebe ist so verständlich und legitim, weil sie eben menschlich ist.
    Wenn es ein Interpret geschafft hat, einem die Musik eines Komponisten besonders berührend und mitreissend nahezubringen, entwickelt der empfindsame Hörer oft eine besondere emotionale Beziehung zu diesem Vermittler der guten Musik.
    Man braucht sich nur bei Tamino einzulesen ( aber nicht nur hier) um diese Beobachtung immer wieder neu machen zu können.
    Ich brauche nur die Namen Karl Richter, Herbert von Karajan, Karl Böhm oder auch John Eliot Gardiner zu nennen und schon weiss der Tamino-Kundige, wovon ich spreche.
    Wenn man nun jemanden auf dieser Ebene regelrecht "liebt", dann sind vor diesem Hintergrund gewisse verbale Abwehrreflexe gegenüber einem Interpreten noch verständlich, der sich besonders profiliert von dem bisher Gewohnten und vor allem Geliebten unterscheidet.
    Harnoncourts Interpretationen werden also als Angriff gegen den geliebten Interpreten aufgefasst. Entweder hat der eigene Favorit recht oder "dieser Herr aus Österreich".
    "Will der meinen "Liebling" durch seine Konzerte und Aufnahmen jetzt wohl ad absurdum führen, na warte...."
    Da geht man dann auf die Barrikaden und verbreite seine verbalen Giftsalven.
    Übrigens gilt das auch für Leute, die in ihrer schon fast singulären Einseitigkeit meinen, sich in die Gedanken- und Gefühlswelt eines längst verstorbenen genialen Komponisten derart eingelebt zu haben, dass sie sozusagen schon mit den Augen des Komponisten die Dinge beurteilen könnten.
    Von einem derart seriösen und gewissenhaften Musiker wie Harnoncourt zu behaupten, er habe Mozarts Werke umgeschrieben und dann mit originärem Titel veröffentlicht, ist wieder einmal einer dieser unsäglichen Tiefschläge eines Verfassers, dem seine überaus grosse Liebe zu Mozart möglichweise nicht mehr ganz zuträglich sein mag.
    Den Versuch, durch launenhafte Beiträge stilistisch irgendwie mit dem Privatstil Mozarts zu kokettieren, finde ich einerseits lächerlich und andererseits -unter Qualitätsgesichtspunkten- einfach nur ärgerlich.


    Abschliessend gehe ich nun auf einige der zuvor gemachten Aussagen ein.


    Zitat


    Original von Alfred_Schmidt
    ...daß mich an Harnoncourt stört, daß er (im Gegensatz zu den von mir geschätzten Dirigenten) darauf spezialisiert scheint das Hässliche, Unvollkommene in Partituren nicht nur nicht zu glätten - sondern es geradezu betont.


    Dieses offensichtliche Missverständnis liegt m.E. an der von mir in Punkt 2 schon skizzierten Rezeptionshaltung, die ich beim Verfasser vermute.
    Durch ein jahrelanges Wiederholen der immer gleichen Vorurteile werden Falschaussagen nicht richtiger.
    Allein schon die Formulierung zeigt das komplette ästhetische Missverständnis:
    Es sollte niemals die Aufgabe des Interpreten sein, dass Rauhe oder gar Hässliche als Unvollkommenheit der Partitur auszumachen oder gar auszumerzen.
    Damit würde sich der Interpret unziemlich über den Komponisten stellen, was ausgerechnet Harnoncourts Intentionen nicht entspricht.
    Harnoncourt betont nicht das Hässliche, aber er unterdrückt diese Kontraste auch nicht, sondern lebt sich mit den Musikern in sie ein.
    Gegenüber dem kundigen Hörer tritt er gemeinsam mit dem Orchester als Vermittler einer möglichst grossen Bandbreite von Affekten auf, und dies in denkbar engagierter und mitreissender Form.


    Zitat


    Original von Masetto
    Harnoncourt geht ein Werk sehr theoretisch an


    Er geht die Werke sehr forschend, kritisch-hinterfragend, neugierig und informiert an. "Theoretisch" möchte ich diesen Zugang nicht nennen.
    Wenn es dann aber zum praktischen Musizieren kommt, geht er die Werke sehr energiegeladen, hochengagiert, spannungsgeladen, einfühlsam und mit grossem musikantischem Feuer an (musikantisch ist die Steigerung von musikalisch).
    Die Spannung, die er in einem Konzert zwischen den Musikern und dem Publikum manchmal aufzubauen vermag, sehe ich nur als mit dem vergleichbar, was über den ebenfalls musikantischen Furtwängler legendenhaft berichtet wird.


    Zitat


    Original von Alfred_Schmidt
    Für mich wurde er bereits unglaubwürdig, als er erklärte mit modernem Instrumentarium den Klang alter Instrumente erreichen zu wollen


    Wo hat er das erklärt? Könnten wir da ein Zitat bekommen?
    Ich meine mich erinnern zu können, dass anderer Stelle derselbe Verfasser sinngemäss polemisch behauptete, dass Harnoncourt den Klang der alten Instrumente selbst nicht mehr ertragen mochte.
    Solche Aussagen sind falsch.
    Richtig ist, dass Harnoncourt die Lebendigkeit und Wahrheit der Alten Musik für das heutige Publikum packend und verständlich vermitteln wollte.
    Durch sein intensives Studieren und Probieren haben er und seine Mitstreiter entdeckt, dass sich dieses Ziel aus musikalischen Gründen leichter auf historischen Instrumenten verwirklichen liess.
    Es ging ihm nie um die törichte Illusion, vergangene Klangwelten 1:1 rekonstruieren zu können.
    Obwohl er den musikalischen Wert der alten Instrumente hoch einschätzte, war und ist ihm immer die expressive und individuelle Persönlichkeit der Musikers vorrangig gewesen.
    Es ist zwar nicht so leicht aber nicht unmöglich, die Klangrede auf den "normalen" Instrumenten stilgerecht zu spielen.
    Weil er sich immer bewusst war, dass man die Alte Musik ( wozu eigentlich auch Mozart und Beethoven gehören) nicht einigen Spezialensembles überlassen kann, die über die seltenen Originalinstrumente verfügen, hat er sich entschlossen, den vielen Einladungen der neugierig gewordenen Symphonieorchester nachzukommen. Erste Beispiele waren die Aufführungen der Matthäuspassion, bei denen übrigens auch Leute wie Wieland K. mitwirkten. Später kam dann Mozart mit dem Concertgebouw Orchestra...der Rest ist Geschichte.
    Nicht jeder, der in Wien wohnt, ist offensichtlich interpretationshistorisch informiert, vor allem nicht, wenn es um Musiker geht, die sozusagen vor der eigenen Haustür wirkten und wirken.
    Die oben genannte Aussage demzufolge also vollkommen haltlos.
    Er wollte nicht den Klang der alten Instrumente erreichen, sondern mit einer Spielweise, die seine vorher gemachten praktischen und theoritischen Erfahrungen mit alten Instrumenten miteinbezog, deren Wirkung in Bezug auf die Klangrede erreichen.


    Zitat


    Original von Alfred_Schmidt
    Dennoch - seine Mozart Einspielungen werden von seiner ehemaligen Plattenfirma (Warner) alle auf den Grabbeltisch geworfen - warum wohl ?


    Das ist nun ein recht fieses und unqualifiziertes Argument.
    Was sagen die Preis-Entscheidungen der Bosse des Globalisierten Warner-Konzerns schon über die künstlerische Qualität eines ehemals mit ihnen im Vertragsverhältnis stehenden Musikers aus?
    Nichts, absolut nichts. Was sollen also solche Argumente, wenn nicht eine öffentliche Anti-Stimmung gegen einen missliebigen (Mozart-)Interpreten zu generieren?


    Auf die im weiteren Verlauf aufgrund der Beiträge eines vielschreibenden Verfassers vorhersehbare Eskalation möchte ich noch in Auszügen eingehen.
    Grundsätzliche gebe ich tuonela :), Theophilus und Alexander in allen Punkten recht. :yes:


    Ich zitiere nun aus diesem und anderen Threads einige Passagen des Mitgliedes "Ulli":


    Zitat

    Harnoncourt hat einen an der Waffel


    Zitat

    Der Graf hat eine Macke [...]


    ( hier zitierte er einen anderen Autoren aus der Zeit, aber die hiesige Wiederveröffentlichung spricht für sich)


    Zitat

    Was dieser Mensch in letzter Zeit treibt, geht mir dermassen auf die Nerven, dass ich ihn einfach nicht mehr ernst nehmen kann


    ....von wem spricht dieser gewisse Ulli eigentlich wirklich?


    Zitat

    Auch seine Einspielung von Mozarts KV 522 ist der blanke Schwachsinn.


    Zitat

    Sein Salzburger 'Figaro' war mehr als nur ein Reinfall: Es war zum Kotzen!


    Zitat

    Und - ich muß ehrlich gestehen - ich fühle mich durch diese Produktion noch immer persönlich beleidigt


    Hält sich hier jemand für Mozart, oder warum eigentlich?? ?(


    Zitat

    Soetwas, wie der Salzburger Figaro, ist einfach unerhört - und das sollte es auch bleiben.


    Ja, es war unerhört, nämlich unerhört gut !


    Zitat

    ch habe schon Dirigenten gehört, die meinten, ein Dirigent sei Harnoncourt nicht. Aber seine Kammermusik war gut. Ich habe letzteres nicht geprüft und eigentlich auch kein Interesse mehr daran.


    Diese künstlerische Einseitigkeit und Ignoranz ist rechtlich zwar legitim, aber müssen deren unqualifizierte Ausflüsse tatsächlich veröffentlicht werden?


    Zitat

    Harnoncourt verfälscht, und das offenbar mit ruhigem Gewissen.


    ...sprach hier wieder unser "Mozart"? Unfassbar das Ganze :no:


    Zitat

    Was dieser Stümper in jüngster Zeit mit Mozarts Musik macht, hat mit Mozart nicht im Geringsten mehr etwas zu tun - ich mag eben den Originalklang. :P


    ....siehe meine vorhergehende Replik.
    Zudem ist es wirklich beleidigend und unverschämt, von einem grossen Künstler in dieser Form öffentlich zu schreiben.
    Natürlich, aus der Position des Komponisten W.A. Mozart könnte man NH ggf. so beschreiben...


    Zitat

    Und falls sich nun ein gewisser, geschätzter, Glockenton persönlich angegriffen fühlt, so liegt dies keinesfalls in meinem Interesse. Und falls dies doch so 'rüberkommt: Dann ist eben Gleiches mit Gleichem abgegolten.


    Wer sich hier aus nicht nachvollziehbaren Gründen als jemand outet, der sich persönlich angegriffen fühlt, ist derjenige, dem Harnoncourt wohl "seinen" schönen Figaro kaputtgemacht hat.
    Der Leser mag urteilen, ob das infantil ist, oder nicht.


    Zitat

    Er (Harnoncourt) weiß eben, im Gegensatz zu mir, wie man rücksichtslos zu Kohle kommt


    Das ist nun das Letzte, was ihn interessiert. Er weiss noch nicht einmal in etwa über die Höhe seines Vermögens bescheid ( das macht alles seine Frau), weil es ihn nicht interessiert und nie interessiert hat.


    Zitat

    Da meine Meinung offenbar nicht gern gesehen wird [wer verträgt schon die Wahrheit?], werde ich jetzt die Notbremse ziehen und mich aus diesem Thread vollständig und endgültig zurückziehen, da es mir bereits wieder stinkt, dass mit NH zur Inkonsequenz treibt.


    Meinung und Verunglimpfungen sollte man auseinanderhalten können.
    Wer seine eigene Meinung für die Wahrheit hält, die die anderen nicht vertragen können, offenbart vieles....sehr vieles!
    Ausserdem glaube ich noch nicht, dass dieser Verfasser sein Versprechen einhält und es aushält, entweder hier an anderer Stelle im gleichen Stile vorzufahren.


    Im Sinne der Qualitätssicherung sollten sich m.E. eigentlich alle von den zitierten Äusserungen dieses Mitglieds distanzieren, und zwar einhellig.
    Deswegen bin ich über Liebestraums diesbezüglichen Einlassungen gegenüber tuonela auch etwas enttäuscht.
    Wenn sich hier jemand in dieser Form über Karl Böhm geäussert hätte, wäre er höchstwahrscheinlich schon längst -mit Recht-gesperrt worden.


    Mit vielen anderen Musikfreunden dieser Welt bin ich Nikolaus Harnoncourt für die vielen wundervollen und bewegenden Musikerlebnisse, die wir durch ihn erleben konnten, zutiefst dankbar ! :jubel: :jubel: :jubel:


    Harnoncourt, der wichtigste Musiker für die Interpretationsgeschichte des 20. und angebrochenen 21. Jahrhunderts?
    Unbedingt ja !
    Hochachtung, Respekt und Begeisterung für diesen grossartigen Künstler!


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Nikolaus Harnoncourt .... als ich vor etwas 15 Jahren anfing exessiv Musik zu hören, vornehmlich Alte Musik, habe ich seltsamer Weise seine Einspielungen kaum gekannt.


    Erst mit der Monteverdi Opernbox, lernte ich ihn kennen.
    Die schlechte Tonqualität - es war wohl der unbearbeitete Soundtrack mit allerhand Bühnengeräuschen - hinterließ aber keinen allzugroßen Eindruck bei mir.
    Auch die Interpretation hörte ich mit gemischten Gefühlen.



    Doch dann mit der Zeit lernte ich einige Einspielungen sehr schätzen.
    Und ein Großteil der Aufnahmen sind wirklich sehr, sehr gut.
    Ich bin sicherlich kein Fan von ihm, da stehen andere Namen wie Savall, Christie, Jacobs oder Reyne bei mir an oberster Stelle.


    Doch als Stümper würde ich ihn auch nicht bezeichnen.
    Er hat sicherlich sehr großartige Arbeit für die HIP Bewegung geleistet, vieles war auch ein fehlgriff (Gambenquartett) aber er traute sich eben zu experimentieren.


    Eine Sache die ich auch noch anmerken möchte.
    Die Erwartungshaltung von vielen Hörern ist ja folgende:
    "Harnoncourt dirigiert den Komponisten XYZ - dann will ich einen einwandfreinen XYZ hören !"


    aber es ist sein persönlicher künstlerischer Ansatz, das sollte man respektieren.


    René Jacobs hat das mal folgendermaßen formuliert:


    "Ich kann keine authentische Cesti machen... ich kann nur Authentisch mich selber machen."


    Und das ist der Kern der Sache, das sind künstlerische Ansätze die man zu respektieren hat, deshalb erübrigt sich auch eine Kritik, denn es steht einem eigentlich nicht zu kritisieren.
    Entweder man hört sich seine Version an, oder man läßt es.
    Auf der anderen Seite verstehe ich aber auch den Vorwurf.
    Mann kann Harnoncourt vieles vorwerfen, aber bestimmt keine Inkompetenz.


    Ich empfehle jedenfalls allen die jetzt nur die letzten Aufführungen von ihm gehört haben folgende Box:




    A Celebration - Concentus Musicus Wien - Harnoncourt 10 CD's


    Das sind Aufnahmen aus den Anfängen von 1963 bis zum Jahr 2000.
    Hier sind sicherlich keine Stümper am Werk, sondern experimentierfreudige, begeisterte und musikliebende Musiker!


    Aus allen - teils legendären Aufnahmen - sind Auszüge zu hören.
    Und auch viel Mozart ist zu hören, der überhaupt nicht schlecht gespielt ist.
    Besonders die geistlichen Werke sind großartig.
    Auch viel unbekanntes ist dabei und so lohnt sich diese Box mit Sicherheit für Jeden.



    Auch die älteren Operneinspielungen von Harnoncourt sind doch immer noch up to Date. Wenn ich an seinen Idomeneo denke, oder die frühen Mozartopern.
    Der Idomeneo von ihm ist die beste Aufnahme die ich kenne. (leider sind hier auch wieder einige der schönsten Arien gestrichen, weshalb die Colin Davis Aufnahme nach wie vor bei mir die No.1 ist.)
    Die Aufnahme mit Pitchard ist jetzt nicht so mein Fall ( mehr sage ich dazu nicht) bis auf die Chöre ist das ein bischen am Thema vorbei......

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo zusammen!


    Im Großen und Ganzen schätze ich Harnoncourt und das nicht nur wegen seines Engagements.


    Mein Urteil ist ein - nebst persönlichem Geschmack - ein recht relatives, da die Menge der Aufnahmen die ich kenne, nicht als wirklich groß bezeichnet werden kann.


    Die Aufnahmen, die ich kenne, werte ich im Großen und Ganzen positiv, obwohl mich manches (nicht vieles) mit einem unguten Gefühl zurücklässt.


    Ich besitze die bei teldec erschienenen Aufnahmen der späten Haydn-Symphonien (92 - 104) mit Harnoncourt. Diese gefallen mir sehr gut. Ich kann seine Haydn- Interpretation durchaus nachvollziehen, sie scheinen mir belebt zu sein und die angefeindete Radikalität entdecke ich kaum. Ausnahme: "Militär-Symphonie" . Harnoncourt nimmt meines Erachtens den von Haydn zitierten "Hussaren-Marsch" etwas zu ernst. Zumal dieser am Schluss der Symphonie in abgewandelter, ironischer Einkleidung wiederkehrt - ich denke Haydn hat das mit einem Augenzwinkern versehen, das ich bei H. nicht entdecken kann. Er nimmt das Ganze bierernst - als Abbildung des grausamen Krieges.
    Wie gesagt: Haydn mit H. gefällt mir sehr gut - besser als Brüggen z.B.


    Mozart 40. Ich kenne kaum eine bessere !!! Mozart 41. na ja.


    Es fehlt ihm, wie mir manchmal scheint etwas an Humor, Spitzfindigkeit, ja an Ironie.


    Dvorak: Auch wenn gewöhnungsbedürftig (7. Symphonie), mir gefällt sein Ansatz. Sowieso kann ich seine Wertschätzung Dvorak gegenüber und den Vergleich mit Brahms nur teilen!!!


    So, leider keine Zeit mehr, vielleicht ein anderes mal mehr.


    Nur soviel: Aus meiner Sicht hat Harnoncourt die Schelte nicht verdient, die er hier vielleicht mitbekommen hat. Als herausragendsten und bedeutensten Dirgenten des 20. Jhd. möchte ihn nun aber auch nicht bezeichnen.


    :hello:
    Wulf.

  • Wow, das geht ja ab...ich fühle mich an die Figaro-Diskussion erinnert...
    in aller Kürze nur dies: (habe keine Zeit, und darum die anderen antworten, soweit seeehr lang, nur überflogen)


    Harnoncourt hält auch privat, soweit man das als jemand, der ihn nicht persönlich kennt, überhaupt sagen kann, nicht so viel von lautem Lachen (Lachen kommt, so meinte er mal, fast immer von Auslachen) sein Ausdruck ist mehr der der Freude, ein Lächeln sozusagen. Er sucht in den Werken nicht nach dem Schroffen, es springt ihm quasi entgegen. Und er kultiviert es nicht um seiner selbst willen, sondern um die Harmonie nach der Dissonanz um so vieles stärker zu empfinden. Tut die Dissonanz fast schon weh, ist die folgende Harmonie mehr als nur Wohlklang. So jedenfalls verstehe ich einige seiner Aussagen in seinen Büchern Harnoncourts und in seiner Biographie (von Monika Mendt). Ich mag mich irren, aber zwei Punkte scheinen mir für seine Interpretationen wichtig zu sein, ersterer siehe oben, zweiter Punkt: es geht ihm eben NICHT darum, Musik zu machen, wie sie vor -setzt ein was ihr wollt- XXX Jahren gemacht wurde, also möglichst authentisch, sondern er will diese Musik mit ihr adäquaten Mitteln HEUTIGEN Hörern darbringen. Dabei sollten Musiker wie Hörer Freude daran haben, es geht ihm nicht um eine museale Vorstellung. Adäquat aber können "historische" Instrumente bzw Nachbauten genauso sein wie auch moderne. Vieles hängt letztlich auch von der Spielweise ab.


    Und bitteschön, niemand erwartet doch wohl von einem Menschen, dass er sein Leben lang an irgendwelchen Dogmen starr festhält - DAS wäre doch entsetzlich!!! Entwicklung ist doch bitteschön erwünscht, oder nicht?
    Für mich bleibt Harnoncourt ein grossartiger Musiker, als Chellist, als Dirigent und sowieso als Musikant (die Steigerungsform von Musiker...), da kann auch die eine oder andere Interpretation, mit der ich persönlich vielleicht nicht so einverstanden bin, nix daran ändern. Nobody is perfect, und Harnoncourt ist nicht Gott. Insofern wäre es seeehr verwunderlich, würde er alles zur Zufriedenheit aller machen.


    (Hugh! :D :D )

  • Zitat

    Original von Glockenton
    Als in diesem Forum über andere Musiker mit Vergnügen hergezogen wurde, entschloss man sich richtigerweise, den Thread zu löschen.
    Wenn es ums Thema Harnoncourt geht, dann ist es offensichtlich erlaubt und wahrscheinlich sogar erwünscht, ordentlich vom Leder zu ziehen.


    Keine Unterstellungen bitte!


    Geh ganz einfach mal pauschal davon aus, daß "die Moderation" diesen Thread genau im Auge hat und an diesen Thread genau die gleichen Maßstäbe ansetzt wie an alle anderen Threads auch!


    Und wenn "die Moderation" einen Grund sieht, in irgend einer Art reagieren zu müssen (so wie jetzt), dann wird "die Moderation" das, wie in jedem anderen Thread auch, tun.


    Ich hoffe, daß wenigstens in diesem Punkt keine Mißverständnisse mehr herrschen.


    Norbert, als Moderator

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Salut,


    es scheint eine kurze Stellungsnahme zu den zitierten Äußerungen von mir notwendig zu sein:


    Zunächst beziehen sich diese selbstverständlich auf die Produktion des Salzburger ‚Figaro’ oder auf andere näher spezifizierte Aufnahmen. Aus dem Zusammenhang gerissen verfehlen sie ihren Inhalt. Aber an der akribischen Arbeit des Herauspickens von Glockenton ist eigentlich zu erkennen, dass ER es nicht zulässt, dass etwas gegen seinen Star gesagt wird. Ich habe, ehrlich gesagt, selten eine Aufführung mit Buh-Rufen erlebt. Es ist mir egal, ob diese dem Dirigenten, der Regie, dem Orchester, den Sängern oder der Inszenierung gelten – eines ist jedoch sicher: Mozart galten sie nicht. Und das halte ich durchaus für nachdenkenswert. Ganz im Gegensatz dazu hat es bei Jacobs ‚Don Giovanni’ aus Baden-Baden derlei für die Musik und das Werk unwürdige Äußerungen nicht gegeben. Zufrieden war ich zwar auch damit nicht, aber es lag zumeist an den wenig aussagenden Sängern und Sängerinnen.


    Das Ergebnis der Salzburger Produktion hat in mir wahrhaft Würgereize verursacht. Warum sollte ich dies nicht bildlich korrekt darstellen dürfen? Ich habe nicht mal das passende smilie verwendet, das sich ansonsten auch von anderen Teilnehmern größter Beliebtheit erfreut. Ich wäre auch durchaus bereit gewesen, das Ergebnis zu loben: In dieser Erwartung jedenfalls habe ich eingeschaltet. Mit Lob gehe ich ebenso wenig sparsam um, wie mit [von mir aus] vernichtender Kritik. Ich bin ein sehr direkter Mensch: Wenn ich eines nicht mag, dann ist das Diplomatie, dieses elende ‚um den heißen Brei Herumreden’ – ich mag Klartext.


    ‚Stümper’ halte ich keinesfalls für eine Beleidigung, sondern für eine treffende Bezeichnung zu der in Salzburg dargebotenen Aufführung. Sogar Wikipedia meint dazu [wie ich finde, treffend]:


    Zitat


    Der Stümper war ein Handwerker, der mit stumpfem Werkzeug, also unzulänglich, am (wertvollen) Werkstoff arbeitete und ihn so meistens verpfuschte.


    Und wenn ich etwas ad vomendum finde, so darf sich der dafür Verantwortliche angesprochen fühlen – erwarten tue ich es indes nicht.


    Ob ich Mozart bin? Sicher nicht! Es gibt, zu des Glockentones Beruhigung, jede Menge Werke des Meisters, die ich wenig schätze – sogar verachte.


    Wie ist es denn vergleichsweise, wenn man ein Restaurant aufsucht und schlecht bedient wird? Oder wenn man einen Anwalt konsultiert, der die Interessen des Mandanten nicht zufrieden stellend durchzusetzen vermag? Oder ein Arzt, der nur Kosten verursacht, aber keine Heilung? Wie viele weitere Chancen gibt man solchen Menschen?


    Keine Frage, dass es Menschen gibt, die trazom immer wieder zum selben Arzt rennen, weil der ja angeblich so gut ist...


    Und bitte, liebe Antiullisten, vergeßt nicht, in meinen 'Unverzichtbaren' nach oberpeinlichen Auf... äh... Ausnahmen zu suchen....


    Auf die handfesten Beweise, die besagten Mozart-Gott von jeglichem Unfung in Salzburg freisprechen, warte ich bis heute... und in Zukunft vergeblich. :rolleyes:


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Wegen Harnoncourt hat sich für mich das Tor zur Welt der Musik überhaupt erst geöffnet. Wenn ich vor 20 Jahren nicht seine Platten (z. B. Idomeneo) gehört hätte (sondern nur die von - sagen wir mal - Böhm, Krips und Karajan)*, hätte ich sicher nicht seine Entführung aus dem Serail im Theater an der Wien besucht (die überlange Festwochen-Produktion mit dem Labyrinth, Hilmar Thate als Bassa) oder Così fan tutte in der Staatsoper, und der Stein wäre erst viel später und anders ins Rollen gekommen, mich für Musik zu begeistern. Ich wäre vielleicht heute noch begeisterter Popmusikhörer und hätte zu "Klassischer Musik" Assoziationen zum langweiligen Musikunterricht, den wir im Gymnasium über uns ergehen lassen mussten.


    Mir als Laien hat außerdem immer sehr gut gefallen, was Harnoncourt z. B. in Interviews oder Gesprächskonzerten zu der Musik zu sagen hat, die er dirigiert. Ich fühle mich da immer sehr angesprochen, um nicht zu sagen: ich fühle mich verstanden (wo es doch eigentlich heißen müsste, dass ich derjenige bin, der zu verstehen glaubt). Wenn ich Harnoncourts Worte höre/lese, geht es mir ähnlich wie beim Lesen von Prousts A la recherche du temps perdu. Plötzlich ergibt alles einen Sinn ...


    Was die "Interpretationen" betrifft, finde ich Harnoncourts Projekte und die musikalischen Ergebnisse immer interessant, auch wenn sie manchmal verstören können. Ich lasse mich gerne verstören und etwas aus der gewohnten Bahn bringen, solange ich das Gefühl habe, dass der Ausführende sein Tun wunderbar rechtfertigen kann; ich das Gefühl habe, dass Liebe und Schönheit im Spiel sind und das Spiel erstklassig ist.



    * überhaupt nichts gegen Böhm, dessen Aufnahmen ich aber erst jetzt in den letzten Jahren immer mehr schätze.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Hallo Melot,


    viele reden hier nicht vom Harnoncourt vor 20 Jahren, sondern von seinen mehr als zwiespältigen Aufnahmen der letzten Jahre!



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:


  • Seine "mehr als zwiespältigen Aufnahmen" der letzten Jahre und seine Worte, die er in den letzten Jahren getätigt hat, gefallen mir ganz besonders gut. Die angedeuteten früheren Aufnahmen gefielen mir damals besonders gut und spielen für mich aber nicht mehr die große Rolle, die sie damals gespielt haben, da natürlich immer mehr "Konkurrenz" an Einspielungen dazugekommen ist, die ebenfalls interessant sind.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Hallo


    Ich schreibe in schwarz, nicht in blau oder Rot, also keine Moderatoren- oder Administratorenfarbe - sondern als Mitglied und Threadstarter.


    Eigentlich bin ich sehr überrascht wie militant sich dieser Thread von allen Seiten entwickelt hat - ich hatte eher auf eine schleppende langweilige Diskussion gewartet, DESHALB habe ich ihn mit dem anfeuernden "Ring frei" begonnen - und zudem sehr scharf - aber wie ich meine niemals beleidigend - formuliert. Ich schätze nämlich den Intellektuellen Harnoncourt, weniger jedoch den Musiker .
    Oder anders forumuliert: Der Musikwissenschafter Harnoncourt mag überzeugend sein, seine Aufführungen sind es indes IMO nicht.


    Ich bin prinzipiell dagegen jemand als Stümper zu bezeichnen, der - wenn auch nicht von mir - in großen Teilen der ernstzunehmenden Klassikwelt - Anerkennung und darüber hinaus Wertschätzung erfahren hat. Es dürfte sich also um eine Geschmacksfrage handeln.


    Und entgegen dem römischen Sprichwort bin ich der Meinuing, daß sich über Geschmack sehr wohl streiten lässt - allerdings sollte man dabei die Contenance nicht aus den Augen verlieren.


    Zu meinem persönlichen "Geschmack": Ich lasse mich eigentlich nicht gern verstören, wenn ich Mozart höre - Mozarts Musik ist hiezu ungeeignet. Das ist mein Standpunkt - Punktum


    Aber natürlich kann ich nicht darauf bauen, daß alle meinen Standpunkt teilen. Dennoch bin ich der ehrlichen Überzeugung, daß Harnoncourt (und einige andere) ein Mozartbild erzeugt haben, das viele Abstand von Mozart halten lässt.
    Rokoko war niemals ruppig sondern immer bemüht das Schöne (oft über Gebühr ) zu betonen.
    Man beachte den Baustil , die Malerei, die Sprache in Briefen und Büchern, die Mode - alles voller Verzierungen und Beschöniguingen, selbst die Herren waren geschminkt und parfümiert und man tanzte Menuett und nicht Vulgäres. Es war dies eine Zeit des überfeinerten überspannten Geschmackes - und deshalb liebe ich sie so.


    Harnoncourt würde sich freuen, könnt er diesen Thread lesen - er polarisiert - und ich glaube das wollte er eigenlich schon.


    Nicht sehr glaubwürdig klingt die (sinngemässe) Aussage, Harnoncourt versuche Mozarts Musik (und die anderer Komponisten) den Menschen unserer Zeit nahezubringen - während er gleichzeitig um Historische Aufführungspraxis bemüht ist.
    Dann wieder meint er auf das historische Originalinstrument (oder dessen Nachbau ) könne man verzichten - die TECHNIK wäre entscheidend - Das ist genau jener Bereich der eher spekulativen Charakter hat.......


    DAß Harnoncourt des öfteren Angriffen ausgesetzt ist ist, ist ganz einfach auf seine Omnipräsenz zurückzuführen.


    Die "Klangrede" wie sie hier (sehr gut übrigens) beschrieben wurde, ist etwas, das eigentlich erst im 20. Jahrhundert geschätzt wurde. Vorher wollte man die Musik einfach "geniessen"


    EIN Statement sei mir an dieser Stelle noch erlaubt:
    Karl Böhms Mozazart war NIE süsslich, auch nicht in Ansätzen (obwohl ich persönlich gegen einen süsslichen - oder besser gesagt parfümierten Mozart nichts einzwenden hätte) Böhm dirigierte einen elegant federnden Mozart, der mitunter triumphierend strahlend werden Konnte - Aber das ist nicht Thema dieses Threads


    BTW: In meiner Sammling finden sich - bei aller Kritik ca 30 CDs von Harnoncourt. Denn - man muß ihn nicht lieben - KENNEN jedoch sollte man ihn schon.


    freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Eigentlich bin ich sehr überrascht wie militant sich dieser Thread von allen Seiten entwickelt hat - ich hatte eher auf eine schleppende langweilige Diskussion gewartet


    Wer's glaubt... :pfeif:


    Nein, im Ernst: Mich persönlich hat es wirklich 8o ***geschockt*** 8o, dasss Du so mutig warst, diesen Thread zu eröffnen...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Also, ich hab jetzt noch nicht weitergelesen, aber mir ist die Erregung, die auf der ersten Seite herrscht, nicht ganz geheuer.


    Ich finde Ullis Position grundsätzlich nachvollziehbar - und ich finde ebenfalls, dass er sie äussern können muss, wie er das für richtig hält, das er Grenzen überschreiten würde, kann ich nicht erkennen.


    Interessant finde ich beim Thema NH und Mozart, dass ich von seinen ersten Mozart-Versuchen mit "Idomeneo" und "Entführung" sehr begeistert war - und deshalb natürlich eine gewisse Erwartungshaltung bei den weiteren Einspielungen der Mozart-Opern bestand. Und die wurde nicht eingelöst. Der "Idomeneo" zeigte ein Klangbild, dass ich so gar nicht für möglich gehalten hätte. Vorwärtsdrängend, spannend, wieder dieses rauhe und schroffe, nicht nur Schönklang bei den Sängern, sondern immer auch der Versuch, die Situation der handelnden Personen mit der Stimme zu transportieren. Ich finde, dass das eine Pioniertat war. Auch bei der "Entführung" stellte sich dieser Eindruck ein (wenn ich mich recht erinnere, hat er hier auch schon - sehr moderat - die Instrumentierung verändert). Ganz toll, wie ein altgedienter Mozart-Interpret wie Peter Schreier zum Gelingen dieser Aufnahme beiträgt (für den die Herangehensweise des Dirigenten wohl auch etwas "Neuland") war.


    Bleibt die Frage, warum sich das - in meinen Augen - später so stark eher negativ verändert hat.


    So, jetzt lese ich vorne erstmal weiter.

  • Zitat

    Original von Alviano
    Ich finde Ullis Position grundsätzlich nachvollziehbar - und ich finde ebenfalls, dass er sie äussern können muss, wie er das für richtig hält, das er Grenzen überschreiten würde, kann ich nicht erkennen.


    Na, wenigstens EINER, der Land sieht. Nicht, dass ich mich geschmeichelt fühlen würde, mir geht es definitiv um transparente, subjektive Einschätzung. Man wird mich auslachen, ich weiß....


    :lips:


    Die Pioniertaten sind aber für NH längst vorbei... da sind nun andere andere Reihe [IMO].


    Was mich übrigens irritiert hat [dies als Zusatz oder besser Nachholen], war die Bezeichnung "Altersstarrsinn"... das kenne ich von meinen Schwiegerleuten mehr als genug. Da aber geht es eher um die Manifenste der 1960er... :rolleyes:


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo Masetto,


    das hätte ich beinahe aus dem Auge verloren: auch die Gesamteinspielung der Bach-Kantaten gehört zu den Grosstaten von NH, die ich nicht missen will. Bei aller Vorsicht: ich würde heute wohl eher zu Gardiner greifen - aber ohne NH wäre die Bach-Welt ärmer. Die kleine Besetzung, die Originalinstrumente (vor allem die tiefen Streicher haben es mir angetan), das war damals eine irre Wirkung.


    Und bei den Sängern: ein Kurt Equiluz oder Max van Egmond müssen sich auch heute nicht verstecken (vor allem der Tenor ist schon stupend). Auch Paul Esswood gibt sich grosse Mühe und überzeugt sehr oft bei den leiseren oder ruhigeren Passagen. Die Intonation, vor allem bei den Knabenstimmen, ist natürlich etwas heikler. Aber: konsequent war er, der Hanrnoncourt und der Leonhardt.


    Nebenbei: schön doch auch, dass man manchem Sopran oder Alt heute wiederbegnet: Max-Emanuel Cencic (als Sopranist), Detlev Bratschke (als Altist), Wilhelm Wiedl (als Tenor) oder Christian Immler und Panito Iconomou (beide als Bassisten).


    Also: kaufen, hören, staunen - ich habe die Kassette damals am Stück gehört, allerdings in wohldosierten Mengen - ich gebe aber zu: zwischendrin mochte ich keine Oboe oder Oboe d´amore mehr hören...


    Gruss

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Eigentlich bin ich sehr überrascht wie militant sich dieser Thread von allen Seiten entwickelt hat - ich hatte eher auf eine schleppende langweilige Diskussion gewartet.
    DESHALB habe ich ihn mit dem anfeuernden "Ring frei" begonnen - und zudem sehr scharf - aber wie ich meine niemals beleidigend - formuliert. Ich schätze nämlich den Intellektuellen Harnoncourt, weniger jedoch den Musiker .
    Oder anders forumuliert: Der Musikwissenschafter Harnoncourt mag überzeugend sein, seine Aufführungen sind es indes IMO nicht.


    Militant ist der thread nur durch eine Person geworden, der durch seine Art eigentlich nur gezeigt hat, daß er sehr wohl berührt worden ist von NH, auch wenn er sich das nicht eingesteht. Ansonsten ließe ihn dies ja kalt, und er brauchte keine Verbalinjurien.
    Aber das muß er selbst erkennen - und vor allem auch die Ursache davon. Vielleicht hat er einen Schritt noch nicht getan, den andere schon getan haben: nämlich weiterzugehen.


    Du selbst warst nicht ausfallend - und wenn du NHs Aufführungen nicht schätzt, so ist das einfach deine Annahme (und hat sicher auch etwas mit deiner eigenen Vergangenheit zu tun). Ich könnte dir aber seine Bücher ans Herz legen: ich denke, du gewännest dann etwas mehr Verständnis.



    Zitat

    Ich bin prinzipiell dagegen jemand als Stümper zu bezeichnen, der - wenn auch nicht von mir - in großen Teilen der ernstzunehmenden Klassikwelt - Anerkennung und darüber hinaus Wertschätzung erfahren hat. Es dürfte sich also um eine Geschmacksfrage handeln.Und entgegen dem römischen Sprichwort bin ich der Meinuing, daß sich über Geschmack sehr wohl streiten lässt - allerdings sollte man dabei die Contenance nicht aus den Augen verlieren.


    Genau - aber daraus ergibt sich schon, daß es eben nicht nur um Geschmack geht, sondern um grundlegende persönlich empfundene Angriffe - sonst würde man nicht Aggression verwenden, um sich zu wehren.



    Zitat

    Aber natürlich kann ich nicht darauf bauen, daß alle meinen Standpunkt teilen. Dennoch bin ich der ehrlichen Überzeugung, daß Harnoncourt (und einige andere) ein Mozartbild erzeugt haben, das viele Abstand von Mozart halten lässt.
    Rokoko war niemals ruppig sondern immer bemüht das Schöne (oft über Gebühr ) zu betonen.
    Man beachte den Baustil , die Malerei, die Sprache in Briefen und Büchern, die Mode - alles voller Verzierungen und Beschöniguingen, selbst die Herren waren geschminkt und parfümiert und man tanzte Menuett und nicht Vulgäres. Es war dies eine Zeit des überfeinerten überspannten Geschmackes - und deshalb liebe ich sie so.


    Ja, so sieht der heutige Mensch das Rokoko. Gehst du aber einmal ins Detail und schaust genauer - schaue dabei auch Briefe, Reiseberichte an - , so wirst du hellwache kritikfähige und -ausdrückende Geister dahinter finden, die alles andere tun als behübschend alles zuzudecken, was sie empfanden. Mozarts Musik - nimm die späten Symphonien - drücken dies sehr gut aus. Da ist kein Rokoko-Mozart in unserem Sinne zu spüren, da ist Spannung, Faszination, Dramatik zu spüren. Oder nimm das Dissonanzen-Quartett, da kannst du nicht einen Harnoncourt vorschieben ... Mozart und das Rokoko schlechthin wurden zu dem gemacht im Bürgertum des 19. Jh., weil man gerne die "gute alte Zeit", die Bedeutung der Monarchie, den Prunk und Pomp, wieder aufleben lassen wollte.


    Zitat


    Harnoncourt würde sich freuen, könnt er diesen Thread lesen - er polarisiert - und ich glaube das wollte er eigenlich schon.


    Nein. Das will er nicht. Er will, daß man nachdenkt, sich bewegen läßt in seinem Inneren. Aber er will nicht, um des äußeren Effekts wegen, polarisieren.


    Zitat

    Nicht sehr glaubwürdig klingt die (sinngemässe) Aussage, Harnoncourt versuche Mozarts Musik (und die anderer Komponisten) den Menschen unserer Zeit nahezubringen - während er gleichzeitig um Historische Aufführungspraxis bemüht ist.
    Dann wieder meint er auf das historische Originalinstrument (oder dessen Nachbau ) könne man verzichten - die TECHNIK wäre entscheidend - Das ist genau jener Bereich der eher spekulativen Charakter hat.......


    Lies Harnoncourts Aussagen darüber - das ist einfacher und besser, als irgendwas zu spekulieren, was leider daneben liegt.
    Immer hat er gesagt, daß die Musik - ihr Ausdruck - wichtig ist, nicht primär die Instrumentation oder Technik. Immerhin hat er 1975, das ist mehr als 30 Jahre her, erstmals auf ein "klassisches" Orchester, das Concertgebouw, zurückgegriffen. Natürlich ist es reizvoll und, wenn leicht umsetzbar, auch dankbar, das authentische (nicht: historische) Instrumentarium samt Sitzordnung zu übernehmen. Aber in heutiger Zeit ist das durchaus nicht immer leicht machbar. Und andere Dirigenten, siehe Hogwood oder Norrington z. B., sind da viel rigider vorgegangen als H. Aber ihm wirft man es - ewige Leier seit x Jahren - immer wieder vor. (Ich könnte noch andere Leiern anführen.)


    Zitat

    DAß Harnoncourt des öfteren Angriffen ausgesetzt ist ist, ist ganz einfach auf seine Omnipräsenz zurückzuführen.


    Nein - omnipräsent war HaVauKa auch. Es liegt daran, daß er unbequem ist, daß er den Hörer nicht zurücklehnen und sagen läßt: "wie schön, Mozart zum Tagesausklang". Das ist es. Der Hörer wird auf sich selbst zurückgeführt, und das macht manche - siehe oben - sehr aggressiv.


    Zitat

    Die "Klangrede" wie sie hier (sehr gut übrigens) beschrieben wurde, ist etwas, das eigentlich erst im 20. Jahrhundert geschätzt wurde. Vorher wollte man die Musik einfach "geniessen"


    Das stimmt überhaupt nicht! das ist Denkweise der Nachkriegszeit, des arbeitenden Menschen, der Musik am Feierabend genießen will. Das war in keiner Weise so, auch früher nicht (sieht man von klavierspielenden Damen und ihren Zuhörern im Biedermeier mal ab - oder vom beginnenden Virtuosenzeitalter - aber davon reden wir hier nicht.) Lies einmal Literatur über das 19. Jh. - ich schlage z. B. Hanslick vor -, und du bekommst einen kleinen Einblick. Musik sollte für die Menschen immer An- und Aufregung sein.
    Könntest du dir vorstellen, die Zuhörer der Beethoven-Quartette hätten gähnend genießend in der Ecke gesessen? ;) Ja, klar, sie haben ihn am Schluß nicht verstanden. Aber sie wollten von ihm keine Einschlummermusik, sondern sie wollten mitkommen mit dem, was er bot.


    Zitat

    EIN Statement sei mir an dieser Stelle noch erlaubt:
    Karl Böhms Mozazart war NIE süsslich, auch nicht in Ansätzen (obwohl ich persönlich gegen einen süsslichen - oder besser gesagt parfümierten Mozart nichts einzwenden hätte) Böhm dirigierte einen elegant federnden Mozart, der mitunter triumphierend strahlend werden Konnte - Aber das ist nicht Thema dieses Threads


    Kleine Anekdote - eine wahre:
    Berliner Phil. Böhm nimmt die "große" g-moll-Symphonie auf. Mitten im langsamen Satz kommt es aus der Regie: "Herr Doktor" ("I bin a Dokter", darauf legte er wert) - "Ihre Interpretation hat irgendwie keine Atmosphäre!" "Wooos", regt sich Böhm auf, greift in die Hosentasche, nimmt eine Pille raus und konsumiert sie: "wooos, ka Atmosfer?" - und die ganze restliche Aufnahme murmelt er immer zwischendurch: "ka Atmosfer ... naaa, des gibts net ... kaa Atmosfer ....."
    Tja. Der Mozart eines Böhm war vielleicht "elegant federnd", immerhin eine Leistung bei der doppelten Besetzung des Orchesters - aber er war nicht dramatisch. Das Rokoko-Hafte stand dem im Weg. Und das ist genau das, was ich süßelnd nenne. Man mag es anders nennen, zweifelsohne.


    Herzlichst
    tuonela

  • Zitat

    Original von tuonela
    Genau - aber daraus ergibt sich schon, daß es eben nicht nur um Geschmack geht, sondern um grundlegende persönlich empfundene Angriffe - sonst würde man nicht Aggression verwenden, um sich zu wehren.


    Falsch! Ich mag Aggression ganz und gar nicht. Ich bin - was [ohne überheblich wirken zu wollen] dahingehend zwiegespalten: Ich empfinde [leider] gleichzeitig das Subjektive und Objektive [ich glaube es jedem Leser gerne, wenn er sich darüber totlacht!]. In dem Fall trifft, was selten ist, beides zusammen:


    Es gibt einmal die - von mir subjektiv anhand des Notentextes nachgewiesenen - Fehlinterpretationenen [jedenfalls habe ich keine glaubhafte Gegendarstellung gelesen, die sich am Notentext orientiert], andererseits die persönliche und damit objektive [!] Empfindung, die ich in diesem Fall als Beleidigung darstellt. Wer mich persönlich kennt, kann es nachvollziehen, andere nicht. Selbst, wenn ich das Objektive [das ich durchaus bei anderen sehr ernst nehme] weglasse, bleibt noch immer das Subjektive, nicht minder ernste...


    Zitat

    Militant ist der thread nur durch eine Person geworden, der durch seine Art eigentlich nur gezeigt hat, daß er sehr wohl berührt worden ist von NH, auch wenn er sich das nicht eingesteht. Ansonsten ließe ihn dies ja kalt, und er brauchte keine Verbalinjurien.



    Was heißt hier 'militant'? Ich habe damals die Darbietung ziemlich regungslos verfolgt und bin auch heute noch regungslos. Wenn ich meine - mit Verlaub durchaus subjektiven am Notentext orienteirten Eindrücke - durch die Möglichkeiten der dt. Sprache garniere, so heißt dies noch lange nicht, dass ich mich darüber aufrege und mit hochrotem Kopf tagelang durch die Gegend renne - das würde mir NIE einfallen. Dafür ist meine Lebenszeit viel zu kostbar. Ich könnte meine zu treffenden Aussagen auch durchaus in Musik ausdrücken - nur, das würden wiederum wenige verstehen.


    Zitat

    Das Rokoko-Hafte stand dem im Weg.


    Stand es nicht, denn Mozart hat es einfach wegkomponiert... :P Man kann es 'interpretieren', wie man mag, es ist NIE rokokohaft.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Da gehts mir genau anders herum, als dem lieben Edwin: Lieber eine schlechte - dafür richtige - Umsetzung [z.B. Jacobs (mit Abschlägen)], als eine falsche und dafür gut gespielte.


    Ja, das hat der gute Ulli im Eifer des Gefechts schon beim ersten Mal nicht verstanden. Also nocheinmal, es paßt ja hierher:
    Mir ist es lieber, wenn ein Interpret selbst nachdenkt als daß er Vorgekautes mit eigenen Zutaten repetiert. Wenn dieser Interpret aufgrund seiner Gedankenarbeit zu falschen Schlüssen kommt, ist mir dieses falsche Ergebnis aufgrund einer eigenen geistigen Arbeit lieber (oder meinetwegen: sympathischer), als wenn er auf Nummer sicher geht und Bewährtes wiederholt.


    Große Geister begehen aber bekanntlich auch große Irrtümer. Und hier komme ich bei dem Fanatismus der Diskussion nicht mehr ganz mit.


    Wie die meisten großen Dirigenten hat auch Harnoncourt sehr viel Unsinn gemacht. Das ist eine freche Behauptung "den meisten" gegenüber? - Gut.
    Also: Bernsteins Tschaikowskij ist eine Katastrophe, was er mit Brahms und Schumann gemacht hat, ist zumindest fragwürdig. Karajans Mahler ist indiskutabel, sein Hochglanz-"Boris" die Vergewaltigung eines Meisterwerks. Furtwänglers Temporelationen sind absurd (und sein "Figaro" ist fast ebenso langsam wie der Harnoncourts, nur nicht einmal halb so spannend). Knappertsbuschs Bruckner-Aufführungen waren Werk-Verballhornungen. Böhms gezähmter Beethoven ist eine Studie der Schlafkrankheit. Klemperers Bach ist viel zu schwer. Walters Mahler ist viel zu leicht. Und so weiter und so fort. Alle großen haben irgendwann einmal geirrt. Und auch Karajan hat geirrt.


    Das Wichtige ist nur: Wie bedeutend sind die Interpretationen, in denen die jeweiligen Dirigenten nicht irren? Und wie ist das Verhältnis der Irrtümer zu den gelungenen Interpretationen? Dieses Verhältnis macht meiner Meinung nach den großen Dirigenten aus.


    Nun: Harnoncourt hat sehr viel in Bewegung gesetzt. Ich bin überzeugt, daß es die Originalklang-Bewegung früher oder später auch ohne ihn gegeben hätte. Aber ich glaube auch, daß sie anders ausgesehen hätte. Harnoncourt war ihr Pionier, ihr Vordenker. Was er hier geleistet hat, nimmt ihm niemand aufgrund eines vielleicht nicht ideal aufgeführten "Figaro" (der obendrein wegen einer Provinzprimadonna gehyped und dadurch mit einer falschen Erwartungshaltung versehen wurde) wieder weg.


    Harnoncourts nächste Leistung besteht darin, die Erkenntnisse der Originalklang-Bewegung auf dasNormal-Repertoire zu übertragen. Damit meine ich nicht den Einsatz von Naturtrompeten bei Beethoven - dashalte ich für eine Nebenerscheinung, kann man machen, kann man lassen, ist insgesamt nicht so wichtig.


    Was mir wichtig erscheint, ist hingegen das Herangehen an ein Werk: Die Auseinandersetzung mit der Quelle, also mit dem Manuskript des Komponisten, die Erforschung der Überlieferungstradition, die Korrektur der Fehler, die sich durch diese Überlieferungstradition eingeschlichen haben. Und am Ende dieses Prozesses steht, was ich die Aneignung des Werkes durch den Interpreten bzw. die Aufführung nenne - also: Was macht Harnoncourt aus diesen Erkenntnissen?


    Wenn man einen derart langen Weg zu einem Werk zurückgelegt hat, ist es selbstverständlich, daß man zu einer Überzeugung kommt, die lautet: Ich bin sicher zu wissen, was der Komponist gemeint hat.


    (Übrigens: Jene Dirigenten, die dessen nicht sicher sind, sollten den Dirigentenstab bitte bei der Garderobe abgeben und sich einen Job als Taxifahrer oder Kellner besorgen, auf diese Weise bleibt der Musik viel erspart.)


    Und jetzt, bei dieser Aneignung, wird's haarig. Denn natürlich hat das Publikum, heißt: haben wir bestimmte Vorstellungen von einem Werk. Aber diese Vorstellungen haben sich (das unterstelle ich jetzt einmal) die meisten von uns nicht auf dem Weg des Quellenstudiums angeeignet, sondern auf dem Weg der Rezeption. Diese Rezeption beruht aber zumeist auf den Interpretationen von Dirigenten, die sich das Werk ebenfalls durch Rezeption angeeignet haben - wenngleich diese Rezeption in den meisten Fällen nicht (nur) passiv war (also durch das Zuhören bei Aufführungen), sondern auch das Material miteinschloss, das allerdings entsprechend aufbereitet war.


    Ich will diesen Zugang nicht kritisieren, sondern nur klarstellen, daß die meisten Dirigenten einen kürzeren Weg vom Werkstudium zur Aufführung zurücklegen als Harnoncourt.


    Harnoncourt gewinnt durch diesen längeren Weg aber die Sicherheit, daß seine extremen Werkansichten korrekt sind und entsprechend umgesetzt werden müssen. Und diese Umsetzung ist dann der Moment, aufgrund dessen wir uns jetzt in die Lager teilen "gefällt mir" und "gefällt mir nicht".


    Ungeachtet dessen müssen aber wohl auch Harnoncourts Gegner zugeben, daß er sie zwingt, sich mit den spezifischen Werken ganz anders auseinanderzusetzen. Der Tamino-Thread über den Salzburger"Figaro" ist ein Beispiel dafür. Ohne Harnoncourt wäre die Diskussion allenfalls bei der Feststellung gelandet, daß Anjuschka N. vielleicht noch ein paar Gesangsstunden nehmen und nebenbei Italienisch lernen sollte.

    Aber zurück zu Harnoncourt: Seine Disziplin im Umgang mit dem Werk und durchaus plastischen Vorstellungen vom Willen des Komponisten führen zu mitunter extremen Deutungen, die sicherlich eines nicht tun: Kalt lassen.


    Man muß aber ebenso zugeben, daß Harnoncourt mitunter wahrscheinlich nicht das erreicht, was er will. So gibt es beispielsweise in seiner Einspielung der VIII. Bruckner, noch mehr aber in der V. Bruckner, Unschärfen im Orchester, verwackelte Figurationen etc., über die wir hier nicht diskutieren müssen: Sie sind Tatsache, jeder, der Partitur lesen kann, kann sie unschwer finden und nachvollziehen. Ebenso gibt es bei der IX. Bruckner und im Verdi-Requiem Akkorde, die nicht ausbalanciert und nicht wirklich genau gestimmt sind - auch das kann jeder hören und mit der Partitur überprüfen.


    Ebenso kann man mit der Partitur überprüfen, daß derSalzburger "Figaro" seltsame Phrasierungen hatte - und zwar nicht nur in der Rolle der Susanna, wo es eben die Sängerin nicht anders vermochte, sondern auch im Orchester. Es gab tatsächlich fragwürdige Pausen-Entscheidungen, bewußt stockenden Fluß, extrem langsame bzw. extrem schnelle Tempi.


    Was mich nun in derDiskussion etwas stört: Daß genau diese (angeblich willkürlichen) Tempo- und Vortragsentscheidungen gerade dann als das Gelbe vom Ei gepriesen werden, wenn sie ein Furtwängler vornimmt, ein Knappertsbusch, ein Klemperer, ein Bernstein, ein Kleiber (sowohl Erich als auch Carlos), auf dem Klavier ein Richter, ein Pogorelich. Das ist Messen mit zweierlei Maß. Zumal ich unterstelle, daß, mit Ausnahme von Richter und vielleicht Carlos Kleiber (und mitunter Bernstein), keiner der Genannten auch nur ansatzweise ein derart akribisch genaues Werkstudium betrieben hat wie Harnoncourt.


    Dieser skrupulöse Umgang mit dem Werk kann der Aufführung aber auch dasTemperament kosten. Ja, wenn man die "Slawischen Tänze" unter Szell oder unter Karajan hört, zünden sie mehr. Natürlich. Denn Szell spielt sie ja auf Effekt - und das mit einem bewundernswerten Ergebnis.

    Nur: Genau das macht Harnoncourt eben nicht. Er spielt die "Slawischen Tänze" (wie auch die Johann-Strauß-Werke) mit derselben akribischen Genauigkeit wie einen Bach oder einen Beethoven. Er stellt an diese Musik den Anspruch der symphonischen Qualität. Er realisiert die Partitur in allen Details, verwoben mit seiner Sicht der Dinge - und den "Effekt" macht ausschließlich das Werk, nicht der Dirigent.


    Ist das wirklich so schlimm, wenn man an solcfhe Musik höhere Ansprüche stellt, statt sie noch mehr zum knallbunten Gassenhauer zu degradieren, als es Meister Karajan und seine Möchtegern-Nachfolger machen?


    Ich glaube, daß Harnoncourt eine sehr heilsame Lehre erteilt: Auf die Jahre des Effekts um jeden Preis, des Angleichens der Aufführungen an die Hifi-Anlagen, konfrontiert er uns durch seine extremen Wiedergaben wieder mit dem Werk und zwingt uns im Idealfall, selbst zu überlegen, was der Komponist gemeint haben könnte.


    Ich persönlich bin sehr oft nicht einverstanden mit dem, was Harnoncourt macht. Aber ich bin ihm jedes Mal dankbar, zumindest einen spannenden Impuls für eine Auseinandersetzung mit einem Werk oder einerAuffassung von einem Werk zu bekommen.


    :hello:

    ...

  • Danke, Edwin.

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

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