Heute erst gekauft BÜCHER

  • für meine Recherchen in Sachen Kunstgeschichte bzw. Modegeschichte :






    Leider konnte ich die Ausstellung damals nicht sehen, das bereue ich bis Heute.
    Man hat da so ziemlich alles zusammengetragen, was an erhaltenen "Allongeperücken" oder Perücken aus dem 18. Jahrhundert erhalten blieb.


    Ich kenne nur wenige Bilder davon, aber die waren doch sehr beeindruckend.
    Das Buch gilt als Grundlagenwerk zur Perückenmode im Barock.


    Und da ich mir demnächst ja auch meine erste eigene Barock-Perücke anfertigen lasse, will ich das auch nochmal studieren, damit meine Skizzen nachdenen das Teil gefertigt wird, möglichst nahe an authentischen Vorbildern orientiert sind.


    Trotzdem hoffe ich, dass diese Ausstellung doch noch einmal wiederholt wird.

  • Ich möchte auf Georg Heyms erst kürzlich wiederentdeckte Anthologie "Ausgefallen sind sie, die sie lange lockten" verweisen, in der der oft als haarig verschrieene Expressionismus gewissermaßen den Finger auf die gekräuselte Wahrheit oder so ähnlich.


    Leider folgt das Verlagsprocedere der inneren Logik so vieler Karrieren, frisch alphabetisiert und auf der Abendschule den Zusatzkurs "Stil: Etikette und ihre Grenzen" belegt, daher naturgemäß mit geiler Schreibe in der Klaue, wie die Jugend so erfrischend richtig zu sagen pflegt, nu schon LektorIn, teils ProgrammchefIn, manchmal gar VerlegerIn, und ab geht die wilde Luzie, jetzt wird ein Autor verhackstückt (newar, Kla?). Und so sind die Verunzierungen des von Ravenswhopper, St. Loony of the Cream Bun and Jam, auf den Markt geworfenen Bandes gewöhnungsbedürftig - ein Photo von Benn ziert das Cover, florale Jugendstilelemente umranken ihn, ein rokokoverzierter Kammerdiener läßt im Hintergrund das Bad ein - Marat-Allegorie oder purer Blödsinn?


    Doch die Lyrik läßt es krachen, schonungslos, gezackt, präzise, furchterregend! Nix von weicher Melodik oder mildem Charakter wie bei dem Weichei Beethoven - statt dessen dezidiert konkrete habituelle Performanz, persuasiv und autochthon! Kein vager Feuilletonton und huberige Schwafelei, hier geht's ans Eingemachte, verstanden, Incontinentia?


    Fazit: Lesen, Dösen, mit langer Mähne aufwachen!



    Christian, expressiv



    PS: Hab die Bildrechte nicht bekommen, daher trau ich mich nicht, eins einzustellen!

  • Zitat

    Original von Il Grande Inquisitore
    Hab die Bildrechte nicht bekommen, daher trau ich mich nicht, eins einzustellen!


    Verehrter Inky,


    dafür gebe ich Dir den copyrightfreien Schutzumschlag der zeitgleich in Lima erschienenen Übersetzung durch Hedwig Toepfer de Martinez an die Hand.






    audiamus



    .

  • Dank Dir, lieber Audiamus! So wird aus der ehemaligen Dritten womöglich eine Vierte Welt!


    Auch von mir noch einen Tip zum Thema Einkaufsratgeber: Ich trachtete ja schon seit langem nach einem original fusselfreien Hochleistungsflokati, konnte mich aber bis heute nicht durchringen, ein Angestelltes danach zu fragen. Doch nun die Lösung für gebeutelte Exzentriker:


    Gesammelte Sentenzen des Diogenes oder "Verschwinde, Du Ökofuzzi, das ist meine Tonne!", bzw. für Bellini-Fans "Versperr' mir nicht dauernd den Mond!"


    erschienen als Reader zur Geheimvorlesung des Dr. Hundsgebell, gegen eine Schutzgebühr von etwa 24,73 SFR als Kopiervorlage erhältlich


    Der geballte Antimaterialismus, kann ich Euch sagen! Kein sehrendes Sehnen mehr nach der Lektüre, nur noch karge Wonne. Mei, des befreit! Statt schwülen Gedünsts endlich ein frischer Wind für die lockenfreien Ohren und die Befindlichkeiten dazwischen! Auch die gepeinigte Metrik blüht hernach auf.


    Je nu


    Christian

  • Zitat

    Original von der Lullist
    was man fürs Studium alles lesen muss .... :rolleyes:


    Damit wurde ich ín meiner gestrigen Lektüre auch auszugsweise mit Zitaten beworfen.


    "Kunst muß das als häßlich Verfehmte zu ihrer Sache machen, nicht länger, um es zu integirieren, zu mildern oder durch den Humor, der abstoßender als alles Abstoßende, mit seiner Existenz zu versöhnen, sondern um im Häßlichen die Welt zu denunzieren, die es nach ihrem Bilde schafft und reproduziert, obwohl selbst darin noch die Möglichkeit der Affirmation als Einverständnis mit der Erniedirgung fortdauert, in die Symphatie mit den Erniedrigten leicht umschlägt... Das ästhetische Verdikt übers Häßliche lehnt sich an die sozialpsychologisch verifizierte Neigung an das Häßliche, mit Grund, dem Ausdruck des Leidens gleichzusetzen und, projektiv, zu beschimpfen"


    Der erste Teil des Zitats ist ja klar nachvollziebar, den zweiten teil darf man mal wieder 5 mal lesen, bis man TWA folgen kann...


    viel Spaß damit

  • Zitat

    Original von der Lullist
    den einzigen Philosophen den ich bisher gelesen habe war "Machiavelli" :O


    8) Dann hast Du ja den coolsten bereits hinter Dir :beatnik:


    Wobei das Zetern Adornos wider der Kulturindustrie auch nicht von schlechten Eltern ist :D
    -> ahnte er etwa, weche Ausmaße es heute annehmen würde? :rolleyes:

    Viva la libertà!

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich bin gespannt auf diesen ersten Band, den ich gekauft habe, neugierig geworden durch die Vorstellung der Reihe durch Schmidt und Weizsäcker auf Phönix:




    Wenn's sich gut und unterhaltsam liest, werde ich einen weiteren Nachbarn aussuchen.
    Grüße
    Accuphan

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Zitat

    Original von Barezzi, 16.11.
    Bin ja mal gespannt, ob das Buch auch logisch ist. :D


    Es ist logisch, lieber Stefan, und besteht aus zwei Teilen. Der erste ist eine sematische Grundlagenübersicht, angelehnt an die Büchlein von Kamlah/Lorenzen "Logische Propädeutik" (BI 1967, heute Metzler) und Tugendhat/Wolf "Semantisch-logische Propädeutik" (Reclam 1983 Nachdrucke), die ich zur Vertiefung nur empfehlen kann.


    Zum zweiten Teil Deines Buches, einer standardmäßigen und recht komprimierten Einführung in die formale Logik, sind unbedingt weitere Titel heranzuziehen, ich selbst empfehle gern Beckermann "Logik" [de Gruyter ²2003], Zoglauer "Logik" [UTB ³2008] sowie, der Praxis wegen, Bucher "Logik" [de Gruyter ²1998]. Auch Essler/Martinez "Logik" [Klostermann 2 Bände, erstmals wohl 60er] können hilfreich sein, die sind aber einmal stark schwafelig, desweiteren im zweiten Band sehr in die mathematische Problematik hineinreichend.


    Übrigens sind alle bisher erschienen 5 Detel-Bände exzellent, nur eben sehr stark komprimiert. Man wird nie ohne ergänzende Lehrbücher auskommen, die die Problematiken im Einzelnen auffächern.


    Zwei weitere, abschließende Bände sollen im Reclam-Detel für die Praktische Philosophie folgen.



    Alex.

  • Zitat

    Original von Graf Wetter vom Strahl
    Zwei weitere, abschließende Bände sollen im Reclam-Detel für die Praktische Philosophie folgen.


    Ja, und dann noch - wie ich aus Verlagskreisen gehört habe - ein Supplement-Band für die Unpraktische Philosophie.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Hallo Alex,


    schöne Liste. Ich bin in meinem Studium damals für die Logik-Kurse von Ernst Tugendhat an der FU, der so ein freundlicher alter Herr war und in seinen Seminaren ging es etwas schleppend voran, zu Horst Wessel, der heißt wirklich so, an der HU gewechselt. Da hat es dann etwas gedauert, bis ich überhaupt irgendwas verstanden habe :D.



    Etwas allgemeiner, aber auch sehr brauchbar: "Logik und Philosophie", (1999)


    :hello: Matthias

  • Ich hab in Frankfurt mal einen Logikkurs bei Essler angefangen, bin aber nach einigen Wochen fahnenflüchtig geworden.


    Aber das Buch fang ich nachher wegen euch spaßeshalber nochmal an zu lesen.


  • Scheint ja doch einige zu interessieren hier, das mit der Logik.


    Wie gesagt, der erste Band vom Essler geht gut. Ein Kalkül des natürlichen Schließens wird langsam entwickelt (Essler hat als meines Wissens einziger der neueren Darstellungen noch das Tableauverfahren), gut einsehbar, hin und wieder lediglich durch die Freude am Reden und etwas sehr blumige Beispiele beeinträchtigt (da hält der Logiker sich schadlos...).


    Beckermann bietet die gründlichste, allgemeinverständlichste, sorgfältigste Einführung, die iss´. Das Buch muß jeder durchgehen, der sich jetzt neu an die formale Logik macht. Ein besseres gibbet nich:



    Beckermann hat das Baumverfahren in Aussagen- und Prädikatenlogik. Zu Beginn dieser beiden Logikfamilien werden alle semantischen und syntaktischen Grundbegriffe jeweils wunderbar erläutert. Das Buch startet mit einer formidablen Einführung in die absolut basale Terminologie (besonders sorgfältig die Differenzierung von "deduktiven" und "induktiven" Schlüssen, die weit über das gewöhnliche Gebrabbele hinausgeht, das man sonst so liest) und es endet in einer metatheoretischen kleinen Bestandaufnahme (etwas Klassenlogik, ansonsten Beweisverfahren für die Kalküle).


    Zoglauer ist eine wunderbare Ergänzung zu Beckermann. Hier wird einiges vertieft, Zoglauer hat auch aristoteliche Logik (Syllogistik) und bietet insgesamt mehr genuin "philosophischen" Stuff - bleibt dabei allerdings manchmal auch (notgedrungen) ein wenig im luftleeren Raum. Ganz stark ist Zoglauer bei der Vollständigkeit der zweiwertigen Funktoren, der Konjunktiven und Disjunktiven Normalform sowie im hinteren Teil des Buches bei Peano-Axiomen und Gödelisierungsverfahren. Ein kleiner Überblick über modale und deontische Logik schließt das kleine, enorm hilfreiche Bändchen ab.



    Nur ist der Zoglauer für sich genommen ohne nähere Vorkenntnisse kaum zu handhaben, denke ich mir...


    Der dritte im Bunde wäre in meinen Augen Bucher.



    An ihm ist bemerkenswert, daß unendlich viele hilfreiche Beispiele geboten werden. Bucher beginnt mit Mengenlehre, geht ganz ausgreifend auf Aussagenlogik ein (inkl. Polnischer Notation!!), kommt über Syllogistik (wunderbares Kapitel!) zur Prädikatenlogik. Relationen bekommen dann ein eigenes Kapitel (sehr vernünftig!), das Ding endet mit zarter Modallogik. Bucher hat ein Händchen für Erklärungen, wenn er machmal auch ein wenig tief ins Mittelalter blickt (aus dem er offensichtlich kommt).


    Zu diesen drei Einführungen in die formale Logik ist die derzeit beste Ergänzung in leichtverständlicher Argumentationstheorie Tetens (2004).



    Ich labere nicht lange, selber lesen! Sowas müßte Pflichtlektüre in jeder Oberstufe werden, dann klappt´s auch mit dem Argumentieren über theoretische, praktische wie ästhetische Themen, welches letztere zum Beispiel für Tamino mal ein Segen wäre... :boese2:


    Schließlich die beiden semantischen Ausgangswerke zu den eher syntaktischen Büchern über formale Logik. Ich nannte sie ja vorhin schon. DER Klassiker ist Kamlah/Lorenzen.



    Wenn man den Zeitgeist abzieht (und ein wenig wird man das wohl müssen, die beiden Autoren haben sich etwas zu gern in ihre "methodische Aufbruchstimmung" gelegt, in der sie allerdings zweifellos auch befindlich waren), dann hat man nach wie vor die beste Einführung in das, was philosophisches Tun an der Basis bedeutet.


    DIE Ergänzung hierzu ist (in explizitem Anschluß an Kamlah/Lorenzen) Matthias´ "schleppender" Tugendhat mit Frau Wolf.



    Toller kleiner Überblick über das Grundarsenal an analytischer Begrifflichkeit, bisweilen (wie stets bei Tugendhat) mit anderen Mitteln und Quellen zu hinterfragen.


    Soweit von mir,



    Alex.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich wollte nichts gegen Tugenhat gesagt haben. Viele seiner Bücher, auch das oben erwähnte, habe ich mit großem Gewinn gelesen. Aber in den Seminaren, in die ich mal anfangs reingeschaut habe, schleppte er halt sehr freundlich meine lieben StudienkollegInnen so mit. Da war ich zu ungeduldig.


    :hello: Matthias

  • Heute ist Bonhoeffers „Gemeinsames Leben“ bei mir eingetroffen.



    Das Büchlein habe ich bereits zu dritten Mal gekauft, ein Exemplar ist von mir irgendwann verschenkt, eines in gründlicher Lektüre zugrundegerichtet worden.


    Bonhoeffers Theologie steht mir so nahe wie kaum eine andere. Ich liebe seine teils heftig ignorierten „Ethik“-Manuskripte sehr, die manchem problematisch erscheinende Radikalität der „Nachfolge“ (1937) habe ich verschlungen, die Fragmente aus der Zelle, von Bonhoeffers Freund und späterem Biographen Eberhard Bethge nach Kriegsende unter dem Titel „Widerstand und Ergebung“ herausgegeben, schließlich enthalten in der Tat so etwas wie eine „neue, am Diesseits orientierte Stufe“ von Bonhoeffers Denken und Erleben, welche mich jedesmal beeindruckt. Dies vorweg, damit man weiß, wer hier berichtet.


    Zum Autor selbst wird man ja hoffentlich keine Worte mehr verlieren müssen. Dietrich Bonhoeffer wird völlig konfessions- und sogar religionsübergreifend als eine bedeutende Gestalt und, was viel mehr ist, als ein Mensch des 20. Jahrhunderts gekannt und gelesen.


    „Gemeinsames Leben“ nun ist, als eine Art „christliches Haus- und Weisungsbuch“, sozusagen aus den Finkenwalder Predigerseminaren entstanden, die Bonhoeffer von 1935 bis zur Zwangsschließung 1937 in diesem abgelegenen Ort bei Stettin leitete.


    „Gemeinsames Leben“ ist allerdings viel mehr als nur die bloße Festschreibung bestimmter Experimentierformen christlicher Gemeinschaft. Denn auch wenn Bonhoeffer das schmale Büchlein in kürzester Zeit heruntergeschrieben haben sollte (wie Bethge uns berichtet), so ist in ihm doch eine ziemlich frühvollendete Durchdringung möglicher Gemeinschaftsformen unter den Menschen zu finden, was andererseits auch wieder nicht erstaunt, wenn man Bonhoeffers Laufbahn vom Vikariat in Barcelona über die Zeit in England als Sekretär des ökumenischen Jugend-Weltbundes bis Finkenwalde verfolgt.


    Das sehr leicht lesbare, weil eben auch für weitere und weiteste Kreise gedachte „Gemeinsame Leben“, das 1939 bei Kaiser in München veröffentlicht worden ist, war Bonhoeffers letzte Buchpublikation. Es ist abgefaßt in jener klaren aber dennoch tiefen Sprache, die für Bonhoeffers spätere Manuskripte insgesamt charakteristisch ist.


    Die Gliederung in fünf Kapitel ist diese: „Gemeinschaft“, „Der gemeinsame Tag“, „Der einsame Tag“, „Der Dienst“ sowie „Beichte und Abendmahl“.


    Der praktische Konsequenzialismus, der dieses Buch so wertvoll macht, wird heute beinahe wieder genauso leichtfertig belächelt und als „unrealistisch“ abgetan, wie zur Zeit der liberalen Theologie, in die er ´39 hineingeschrieben wurde.


    Bonhoeffer bleibt unbequem, er war es im Leben, Schreiben und im Sterben. Wenn sein Leben und Sterben mit so viel Hingabe, Respekt und Teilnahme gesehen werden, warum nicht seine Schriften, die doch viel gelesen und weiterhin in aller Hände sind? Nun, ich vermute, weil das Leben und Sterben eines großen Einzelnen in vergangenen, extremen Umständen keinen unmittelbaren Appell an unsere heutige Wirklichkeit mehr mit sich tragen – zumindest keinen, der sich eins-zu-eins übersetzen ließe.


    Das ist mit seinen (praxisnahen) Werken anders. Bonhoeffers auffordernde Stimme reicht darin ungebrochen, ungefiltert bis in jede Gegenwart und sein teils komprimßloses Zuendedenken bestimmter Fragen wurde sogar von den Nächsten manchmal nicht recht geduldet. So schreibt Eberhard Bethge etwa im Nachwort zu „Gemeinsames Leben“ von der »problematischen Tendenz einer vollständigen Trennung von „geistlich“ und „seelisch“«, die Bonhoeffer im „Gemeinsamen Leben“ entwickelt.


    Dies ist aber gerade der Kniff an Bonhoeffers Ausführungen.


    Mit der Trennung von „geistlicher“ und „seelischer“ Liebe (auch "pneumatische" und "psychische Wirklichkeit") geht Bonhoffer auf den letzten Seiten des ersten Kapitels „Gemeinschaft“ auf die für ihn wesentlichste Trennlinie innerhalb des Begriffes Liebe ein. In der geistlichen Liebe ist Jesus der Bezugspunkt jeglicher Form von menschlicher Gemeinschaft. Bonhoeffer drückt das so aus:


    Seelische Liebe macht sich selbst zum Selbstzweck[…]. Sie pflegt, sie kultiviert, sie liebt sich selbst und sonst nichts auf dieser Welt. Geistliche Liebe aber kommt von Jesus Christus her, sie dient ihm allein, sie weiß, daß sie keinen unmittelbaren Zugang zum anderen Menschen hat. Christus steht zwischen mir und dem Anderen. Was Liebe zum Anderen heißt, weiß ich nicht schon im voraus aus dem allgemeinen Begriff von Liebe, der aus meinem seelischen Verlangen erwachsen ist […].“


    Man wird, und dazu muß man nicht lang suchen, auch in den Jesus-Logien der Evangelien solchen Konsequenzialismus (übrigens ein Fachbegriff aus der heutigen Moralphilosophie resp. Ethik) finden. Es ist vom heutigen Standpunkt aus hochinteressant zu sehen, welche Ausweichbewegungen über die Jahre und Jahrzehnte unternommen wurden, um Bonhoeffers Konsequenzdenken abzuschwächen, gleichzeitig aber seine (dergestalt entschlackte und bisweilen um ihre eigentliche Pointe gebrachte) Brisanz und Aktualität zu retten. Und zur Unbequemlichkeit seiner Aussagen hat sich Bonhoeffer auch selbst schon pointiert geäußert:


    Billige Gnade ist der Todfeind unserer Kirche. Unser Kampf heute geht um die teure Gnade […]“ (Beginn der „Nachfolge“).


    Mir ist das „Gemeinsame Leben“ besonders durch diese dezidiert problembezogenen Ausführungen, welche nur am sachlichen Resultat und nicht an der möglichen Aufnahme innerhalb der Leserschaft orientiert sind, lieb geworden; was in den folgenden vier Kapiteln entwickelt wird, ist größtenteils wieder weit massenkompatibler abgefaßt. Hier geht es, oft im Duktus herkömmlicher protestantischer Kommunitätsbewegungen (z.B. des Pietismus), um die Ausrichtung des eignen Tagesablaufs als "Gemeinschaft unter dem Wort Christi", wie Bonhoeffer selbst sagt.


    Einige der Punkte, die in den vier weiteren Kapitel besprochen werden, sind elementare Forderungen der „Bekennenden Kirche“ in Abhebung von den mit dem Regime kooperierenden „Deutschen Christen“ gewesen. Es ist geradezu Bonhoeffers Signatur, diese harten ekklesiologischen („kirchenwissenschaftlichen“) Fakten und Forderungen oft in „weiche“ Kontexte einzubetten verstanden zu haben.


    Wir lesen in den vier übrigen Kapiteln elementare Hinweise zur praktizierten Gemeinschaft im Geiste Christi, Passagen, die mit ihrer Anlehnung an das Vokabular der ersten Klostergründer und der christlichen Mystik manchem wohl allzu „frömmelnd“ vorkommen werden. Doch es gibt auch tiefsinnige und allgemeingültige Beobachtungen, die in ihrer unprätentiösen Schlichtheit, mit der sie formuliert werden, nur umso eindrucksvoller wirken:


    Wer nicht allein sein kann, der hüte sich vor der Gemeinschaft. Er wird sich selbst und der Gemeinschaft nur Schaden tun. […] Umgekehrt aber gilt der Satz: wer nicht in der Gemeinschaft steht, der hüte sich vor dem Alleinsein. […] Jedes für sich genommen hat tiefe Abgründe und Gefahren. Wer Gemeinschaft will ohne Alleinsein, der stürzt in die Leere der Worte und Gefühle, wer Alleinsein sucht ohne die Gemeinschaft, der kommt im Abgrund der Eitelkeit, Selbstvernarrtheit und Verzweiflung um.“


    „Gemeinsames Leben“ ist ein eingängiges und alltagsbezogenes Buch. Es geht um konkrete praktische Probleme, und in den Lösungen, die angeboten werden, sie zu meistern, scheint deutlich eine Lebensweisheit und innere Erfahrenheit durch, die bei einem so jungen Mann – Bonhoeffer war zweiunddreißig Jahre alt bei Abfassung – erstaunen mögen.


    Daß Menschen jeglicher religiöser Provenienz, jeglicher „spiritueller Ausrichtung“ sowie jeglicher Herkunft, jeglichen Bildungsniveaus und jeglichen Selbstverständnisses Bonhoeffers Ausführungen noch heute mit Gewinn verfolgen (besonders selbstverständlich die evangelischen Christen), spricht für die Anlage des Büchleins als Vademecum derjenigen, die eine funktionierende und von Selbstsüchten freie Form des Zusammenseins im Namen der Person Jesus Christus vor Augen haben. Doch auch jeder andere kann fündig werden...


    Ich bin familiär mitten in einer evangelischen Gemeinde aufgewachsen, ich weiß, wie not die „geistreich-geistlichen Wünsche“ tun, die hier geäußert werden… ;)



    Ach so, falls irgendjemand wegen vorgeblich "unzulässiger religiöser Thematik" Bedenken hegen möchte, den will ich bitten, dieselben doch zunächst einmal auf die Tatsache zu richten, daß hier der bloße Inhalt eines Buches sowie die Umstände seiner Produktion referiert wurden, wie die Inhalte und Entstehungsbedingungen jedes beliebigen anderen Buches auch referiert werden können. Meine eigene Einstellung würde ich andernortes genauso nicht verhehlen, es liegt also kein Fall einer irgendgearteten Besonderheit vor, missionieren oder sowas will ich nicht – nur informieren. Über ein Stück neuerer Kulturgeschichte.



    Alex.

  • Lieber Alex,


    jetzt bedanke ich mich für den Tip. Ich kenne bislang nur die "Nachfolge" und natürlich "Widerstand und Ergebung" und war sehr beeindruckt. Habe ich mit Gewinn gelesen.
    Also, um deine Argumentation am Ende zu unterstützen, man kann "religiös unmusikalisch", der Überzeugung nach atheistisch, der Herkunft nach jüdisch sein, und dennoch Bonhoeffer mit mehr als nur Respekt gegenüber der Konsequenz seines Weges begegnen.


    :hello: Matthias

  • Ach so, und ich fall schon auf die Knie. :D Den Weber kenne ich doch gar nicht, laß Dir mal vom Klawirr meinen Stand in Sachen Sozialwissenschaften durchgeben, da hab ich keine Chance, was zu orten.


    Es grüßt, wo nicht a- oder un-, so doch dyssozial,


    Der Graf.

  • Zitat

    Original von Matthias Oberg


    :yes:.....und von Max Weber. :D


    :hello:


    Schau an, ich kenn's von Bolz.... :D (Taucht bei ihm in einem Buchtitel auf).


    Dir, lieber Alex, herzlichen Dank für den Hinweis; das Buch ist schon bestellt.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Guten Abend


    heute erhalten:



    Bernhard Morbach:


    "Die Musikwelt des Barock"


    Baerenreiter-Verlag 2008


    Zitat

    Kurzbeschreibung
    Für Musik und Gesellschaft öffneten sich ab 1600 neue Horizonte: Die Gattung Oper entstand, Städte und Bürger spielten eine größere Rolle im Musikleben, und auch in der Neuen Welt wurde die europäische Musik rezipiert. Werke von Bach und Händel werden heute noch viel gespielt, aber auch unbekanntere Komponisten haben oft ebenso Beachtliches geschaffen.
    Bernhard Morbach schildert diese Entwicklungen in bewährter Weise. Der Leser wird mit Johann Mattheson als zeitgenössischem Gewährsmann durch die Welt der Formen und Gattungen geführt. Weitere Themen sind das barocke Instrumentarium, Komponistinnen, die Instrumentalisierung der Kunst durch die Mächtigen sowie die Geistesgeschichte der Zeit.


    Die CD-ROM enthält den Notentext von über 50 Kompositionen im PDF-Format, eine Sammlung von Bildern mit Musikdarstellungen sowie ergänzende Texte.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • @ Barezzi:
    Ich lese gerade Teil 4, allerdings ohne die anderen Teile zu kennen (zwar nicht optimal, aber aus gegebenem Anlass).

    Ließt sich eigentlich relativ gut und verständlich, wenn auch sehr trocken...


    Daneben noch neu in meinem Besitz


    :jubel: :D :jubel: :D :jubel:

    "Phantasie ist unser guter Genius oder unser Dämon."
    - Immanuel Kant (1724-1804)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose