Don Carlo in Salzburg

  • Ich habe nicht alles gesehen, aber das meiste. Den Rest werde ich auf Video nachschauen.
    1. Kein Regietheater, die Musik hatte Priorität. Wie wohltuend. Man sieht wieder, welch eine Wucht eine solche Oper hat, wenn die Mätzchen fehlen.
    2. Eine tolle Besetzung. Leider mit einer Ausnahme: Jonas Kaufmann. Die Pudelfrisur mag man noch der Maskenbildnerin zuordnen, aber sein Gesang gegen die anderen ist nur 2. Bundesliga. Auch seine Bühnenpräsenz war schwach, verglichen mit den anderen. Ich glaube, dass seine Karriere in 2 Jahren vorbei ist.
    3. Ich bin nicht der große Verdi - Fan, und die folkloristischen Elemente dieser Oper finde ich ein bisschen langweilig. Aber alle Duo- oder Trioszenen waren von ungeheurer Wucht, die ich nur bewundern kann. Vielleicht wäre es besser für diese Oper, wenn sie gestrafft würde.
    4. Eine kleine Enttäuschung: die große Arie "Sie hat mich nie geliebt". Da waren Erinnerungslücken, mangelnde Intonation und falsche Töne, das war doch schade, denn das ist ja einer der Höhepunkte dieser Oper. Auf der anderen Seite ist es live, und da kann das passieren, und da kann man daran arbeiten.
    Fazit: eine Aufführung, die endlich mal einer großen Bühne würdig war. Die werde ich mir bestimmt aufheben.
    P.S. Ich habe mit einem befreundeten Ehepaar gesehen, und die waren auch sehr angetan.

    Canada is the US running by the Swiss (Richard Ford)

  • Eine tolle Besetzung. Leider mit einer Ausnahme: Jonas Kaufmann. Die Pudelfrisur mag man noch der Maskenbildnerin zuordnen, aber sein Gesang gegen die anderen ist nur 2. Bundesliga.

    Sehe ich nicht so streng. Es gab einiges davon, was man bei ihm immer schon beanstanden konnte (die Geschmäcker werden sich bei ihm nie einigermaßen einigen können), aber er hatte definitiv sehr gute Momente.



    Ich glaube, dass seine Karriere in 2 Jahren vorbei ist.

    Ich wette dagegen. Er singt technisch sehr sauber, was der Stimme gut tut und seine teilweise gewöhnungsbedürftige Tongebung schadet ihr nicht. Er muss nur darauf achten, nicht zu viel zu singen.



    Aber alle Duo- oder Trioszenen waren von ungeheurer Wucht, die ich nur bewundern kann. Vielleicht wäre es besser für diese Oper, wenn sie gestrafft würde.

    Die Chancen stehen nicht schlecht, dass du diese Oper nie mehr ähnlich vollständig hören wirst (bis auf die Ballettmusik gab es praktisch alles, was Verdi dazu eingefallen ist). Die meisten Fassungen, die aufgeführt werden, haben etwa drei Stunden plus reine Spielzeit und nicht vier Stunden wie in Salzburg.



    Fazit: eine Aufführung, die endlich mal einer großen Bühne würdig war. Die werde ich mir bestimmt aufheben.

    Da wäre vielleicht sogar die Blu-ray eine Überlegung wert. Unbedingt muss man noch die wirklich großartige Leistung von Dirigent und Orchester erwähnen. Eine perfekte "Unterlage" für die Sänger.
    Bemerkenswert auch, dass hier eine recht gut gelungene Festspiel-Aufführung einer italienischen Oper zu sehen war - und kein einziger Italiener war in tragender Rolle mit von der Partie (Pappano ist trotz seines italienischen Namens eigentlich als Brite zu bezeichnen)!


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Sagitt meint:


    es wundert schon, dass eine solche Kapazität wie Peter Stein nicht die üblichen Sängergesten, mit den Händen so rumzufuchteln unterbnden hat. Wie das realistisch geht, hätte er bei Haneke abschauen können.


    Die Kostüme, die karge Umgebung können sehr gefallen


    Und Pappano mit den Wienern ohnehin. Er ist einfach ein toller Verdi-Dirigent!


    Matti Salminnen war als König mir zu harmlos, zu wenig hart, die Scene mit Großinquisitor bei weitem nicht so eindrucksvoll wie in der Pariser Inscenierung von Bondy.
    Die Eboli der Maier und Baltsa ebenfalls überzeugender, obwohl die Darstellerin eine sehr schöne Stimme hat, aber die Darstellung.
    Thomas Hampson hat in anderen Inscenierungen , er war auch in Paris dabei, noch "frischer" gesungen.


    Die Aufführung war für mich vor allem wegen Pappano überzeugend.

  • Endlich wieder mal eine Opernaufführung über die man nicht meckern kann.
    Regie, Bühnenbild und Kostüme hervorragend, ohne die Handlung nach Utopia zu verlegen, aber auch ohne Plüsch und Plunder. Elisabetta und Eboli sangen herrlich. Jonas Kaufmann war genau die richtige Besetzung für die Rolle des Carlo. Lediglich die beiden Bässe fand ich schwach. Salminen tastete sich in seiner großen Arie mühsam an die richtigen Tonhöhen heran und der Großinquisitor war längst nicht so gut wie Salminen, der die Rolle vor einigen Jahrzehnten interpretiert hat. Der Chor und das Orchester waren wunderbar und der Dirigent Pappano hatte alles meisterhaft im Griff.
    Ein besonderer Dank gilt dem Regieseur Peter Stein, der von den heutigen abartigen Regiekonzepten nicht Gebrauch machte.


    :hello: Herbert

    Tutto nel mondo è burla.

  • Also: ich bürste streng gegen den Strich und behaupte, dass es eine rundherum gute (orchestral und chrorisch sogar sehr gute) Aufführung war! Pappano hatte die großartigen Wiener und den Chor vollkommen im Griff - was zählen da die geringen chorischen "Wackel"-Punkte schon - Live is Live.


    Matti Salminen war sängerisch etwas schwach, aber seine von sagitt der Harmlosigkeit geziehene Darstellung wird man wohl der Regie anlasten müssen - wenn, ja wenn es nicht auch die Deutung gäbe, dass der König in dieser Oper (eigentlich ja erst 32 Jahre alt und als alter Mann üblicherweise, für mich aber zweifelhaft, dargestellt) kein Handelnder, sondern ein getriebener, ja sogar ein Hintergangener ist. Der Großinquisitor scheint mir in diesem Werk (wie im damaligen Spanien sowieso), auch wenn er nur kurze Auftritte hat, der wahre Herrscher zu sein. Insofern wäre Filippos statuarische Erscheinung als ein von Angst über Macht- und Bedeutungsverlust beherrschter König zu sehen. Und der Sänger-Darsteller des Großinquisitors spielte seine Rolle wahrlich gut - wenn ich nur an seine Parkinson-Hände denke!


    Und Jonas Kaufmann war doch gut! Ich verstehe die beckmesserische Krittelei an ihm nicht. Wenn mir eine Stimme nicht gefällt (und solche Sänger/innen hat jeder von uns im Kopfe), dann wird mir seine Bühnenpräsenz nie behagen. In dieser fast vollständigen Opernaufführung fand ich ihn jedenfalls großartig - auch darstellerisch. Dass ich bis heute nur eine Inszenierung von DON CARLO gesehen habe, mag als Nachteil angesehen werden, deshalb können auch andere mit mehr Erfahrung mit dieser Oper diese Vergleiche gerne in die Waagschale werfen und zu einem anderen Urteil kommen. Macht so gesehen nix, ich fand Kaufmann gut!


    Die übrigen lasse ich mal unkommentiert, weil m.E. keine ernsthaft zu nennenden Kritiken anzubringen sind. Nein, im Gegensatz zu sagitt gefiel mir auch die Eboli!


    Fazit: Ein gelungener Opernabend mit Freudecharakter.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Ich bin ja nicht der große Opernexperte, aber dies war eine der wenigen Opern in letzter Zeit, die ich mir in Gänze angesehen habe. Und ich war stark beeindruckt um nicht zu sagen hin und weg, vor allem von der Musik. Ich hatte nicht erwartet, dass Don Carlos eine so großartige Oper von Verdi ist - eigentlich steht sie doch gar nicht so im Mittelpunkt, oder? Vor allem die Wucht in der Musik und die vielen Bässe haben es mir angetan.


    Die Inszenierung fand ich ausgesprochen gut. Meiner Meinung nach die richtige Mischung zwischen Konservatismus und leichter Abstraktion (sowohl bei den Kostümen, mit Ausnahme der Krönungszene) und dem Bühnenbild. Hervorragend, wie sich das Bühnenbild der überbreiten Bühne des Festspielhauses fast in Cinemascope-Manier angepasst hat. Eine wenig gestört hat mich auf Dauer aber dann das (mit wenigen Ausnahmen) ewige Schwarz der Kostüme. Und nicht so ganz überzeugend fand ich die Verbrennungsszene. Technisch mit dem Rauch im Vordergrund und dem Feuer als Videoprojektion im Hintergrund fand ich sie schwach gelöst. Regiemässig hätte ich auch mehr Widerstand oder Wehklagen der Verurteilten erwartet und auch musikalisch habe ich einen Aufschrei vermisst.


    Aber ansonsten: eine Wucht.


    :thumbsup: Uwe

  • Die Inszenierung und das Diirigat von Pappano waren noch das Beste an diesem Abend. Sängerisch wars leider nur Mittelmaß und es waren Sänger die man eh schon während einer normalen Spielzeit das ganze Jahre hört und sieht. Matti Salminen klang schon reichlich abgesungen.. So wenig Applaus habe ich nach der Arie noch nie gehört. Der Großinquisitor von Eric Halverson klang genauso. Da schnitt Robert Loyd als Mönch , obwohl nur eine Nebenrolle , noch am Besten ab. Kaufmann knödelte sich durch die Rolle und im Duett Posa Carlo hörte man fast keinen stimmlichen Unterschied und hatte den Eindruck das 2 Baritöne gesungen haben. Am Besten haben mir die Eboli und Thomas Hampson als Posa gefallen. Frau Harteros hat immer den gleichen Gesichtsausdruck und so umwerfend und phantastisch als Elisabetta fand ich sie nicht grade. Ich hab die Übertragung auf Arte gesehen ( und da war er wieder der Stern am Modertorenhimmel: Frau Gerlach :) ). Nur den Auftritt des Regisseurs hab ich dort nicht gesehen.

  • Die Chancen stehen nicht schlecht, dass du diese Oper nie mehr ähnlich vollständig hören wirst (bis auf die Ballettmusik gab es praktisch alles, was Verdi dazu eingefallen ist). Die meisten Fassungen, die aufgeführt werden, haben etwa drei Stunden plus reine Spielzeit und nicht vier Stunden wie in Salzburg.

    Ganz einfach: nach Hamburg fahren! Da bekommt man gut 10 Minuten mehr!!!



    es wundert schon, dass eine solche Kapazität wie Peter Stein nicht die üblichen Sängergesten, mit den Händen so rumzufuchteln unterbnden hat. Wie das realistisch geht, hätte er bei Haneke abschauen können.

    Darüber , dass Stein die Sänger so wenig führt und sie so oft sich selbst überlässt, habe ich mich auch sehr gewundert!
    Noch schlimmer fand ich, dass er mit dem Chor so wenig anfangen kann. Und dieser Chor gehört ja nun mal leider nicht zu den spielfreudigen Chören. Er begnügt sich damit zu singen. Dass er Teil der dramatischen Handlung ist, scheint er nicht für wichtig zu halten.



    Und Jonas Kaufmann war doch gut! Ich verstehe die beckmesserische Krittelei an ihm nicht.

    Natürlich kann man gegen den Carlos von Kaufmann Einwände erheben, aber man sollte doch im Blick behalten, dass dies eine Partie ist, die vielleicht zu den schwersten Partien des gesamten Verdi-Faches gehört. Jon Vickers, der ja immer nur die vieraktige Fassung gesungen hat, vertrat mal in einem Gespräch mit James King die Auffassung, dass der Carlos entschieden schwerer sei als Alvaro und Otello! Und wer bitte kann sagen, dass er die Partie wirklich voll überzeugend gehört hat? Ich würde eigentlich nur Vickers nennen wenn ich einen voll überzeugenden Interpreten der Partie nennen sollte. Domingo hatte mit der Tessitura immer seine Probleme, Bergonzi hatte erhebliche Mühe, sich gegen Orchester und die anderen Solisten zu gehaupten, Vargas, Alagna und so weiter waren gute Besetzungen - aber besser als Kaufmann auch nicht.
    Ich wünschte, ich hätte Tucker als Carlos hören können. Nach dem Mitschnitt zu urteilen, muss er hinreißend gewesen sein!



    Matti Salminen war sängerisch etwas schwach, ...

    Dazu sage ich nichts! Ich verehre diesen Sängerdarsteller sehr und verdanke ihm viele starken Eindrücke! Dass er gestern abend nicht so gut war, wie man sich das vielleicht erwartet hat, sehe ich ihm nach!



    Der Chor und das Orchester waren wunderbar und der Dirigent Pappano hatte alles meisterhaft im Griff.

    Aha!
    Irgendwie muss ich da eine andere Aufführung gehört haben.
    Ich war - wie schon nach dem Falstaff in Salzburg - ziemlich enttäuscht von den vielgerühmten Wiener Philharmonikern, Ich fand sie vielfach konzentriert, mich störten verwackelte Einsätze, schlechte Abstimmungen zwischen Holz- und Blechbläsern und eine merkwürdige Neigung Dramatik durch zu erzeugen.
    Ich habe den Carlos unter Pappano zweimal in London gehört. Da gab es keinen Anlass, solche Einwände vorzubringen...


    Aber was soll's?
    Anja Harteros hat für alles entschädigt!


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Endlich wieder mal eine Opernaufführung über die man nicht meckern kann.
    Regie, Bühnenbild und Kostüme hervorragend, ohne die Handlung nach Utopia zu verlegen,
    aber auch, ohne Plüsch und Plunder. Elisabetta und Eboli sangen herrlich.


    Mit einer 3/4 Std. Verspätung habe ich die gesamte Oper dann gesehen und ich möchte mich den positiven Meinungen von Herbert, Musikwanderer und Uwe anschließen. Es war das erste Mal, daß ich diese Oper ganz und fast vollständig "gesehen" habe. Es hatte sich vorher noch nicht ergeben. Ich kannte also bisher nur Szenenausschnitte und die Musik natürlich. Deshalb habe ich keine Vergleichsmöglichkeit, muß aber sagen, daß mir die (schlichte) Inszenierung, wie auch die Kostüme, gefallen haben. Endlich mal keine Verunstaltung, Neudeutung und Verlagerung in die Nazizeit. Und das heißt ja heutzutage schon viel!
    Sängerisch möchte ich vor allem die beiden Damen hervorheben. Die fand ich großartig. Auch Kaufmann fand ich richtig gut und das sage ich, der ihn eigentlich nicht besonders mag.
    Was hier die von anderen kritisierten kleinen negativen Dinge betrifft, so mag das sein, aber man sollte nicht vergessen, es ist live und kleine Fehler und Unzulänglichkeiten machen doch das Ganze menschlich und natürlich.
    Alles in allem, nach der, aus meiner Sicht völlig mißratenen Boheme und der Traviata, hat Salzburg bewiesen, daß es auch anders, nämlich besser und positiv geht.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Sagitt meint:


    Um nicht mißverstanden zu werden: die Eboli hat großartig gesungen! aber wenn mann Meier und Baltsa gesehen hat, wie sie SPIELEN,bleibt diese dahuinter zurück. Mit welcher Intensität die Baltsa etwa Arie gestaltet,nachdem sie von der Königon verbannt worden ist.
    Und Salminnen: kommt mir vor, wie ein etwas trauriger Opa. Das ist nicht Philipp der IIte. Ghiaurov oder auch van Dam gestalten einen König, der machtvoll,versteinert UND isoliert ist. Das ist für mich viel rollendeckender.


    Ich kenne recht viele Wiedergaben dieser großartigen Oper und diese hat mich nur mäßig beeindruckt.Klar, durch die Verhunzung des Regietheaters wird man bescheiden, aber sowohl Bondx als auch Willy Decker haben sehr viel überzeugendere Inscenierungen gemascht als Peter Stein.

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  • Irgendwie muss ich da eine andere Aufführung gehört haben.
    Ich war - wie schon nach dem Falstaff in Salzburg - ziemlich enttäuscht von den vielgerühmten Wiener Philharmonikern, Ich fand sie vielfach konzentriert, mich störten ......


    Ja, da war ich wohl selber nicht recht bei der Sache. So ist mir ein Tippfehler passiert.


    Es sollte natürlich heißen, dass ich die Philharmoniker unkonzentriert fand!



    Sorry
    .

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Im Opernglas 7/8 gibt Stein ein ausführliches Interview. Es sind 5 DIN A4-Seiten, die ich (auch technisch bedingt) hier nicht einstellen kann. Aber er schildert ausführlich, wie es zu dieser Inszenierung kam, was er sich vorstellt, warum er konventionell inszeniert und was ihn an Neudeutungen (am Beispiel einer Konwitschny-Inszenierung in Zürich) stört.


    Er begreift glücklicherweise nicht, warum man nicht mehr in historischen Kostümen inszenieren darf (dann ist man reaktionär!), aber daß das vorwiegend in Deutschland so ist. Er vergleicht erfolgreiche Operninszenierungen mit erfolgreichen Hollywoodfilmen. Und warum sind diese erfolgreich? Weil sie die Geschichte betrachten, historisierend inszeniert werden, mit historischen Kostümen. Authentizität in geschichtlicher Hinsicht ist im Detail gar nicht nötig (meine ich), um der Historie entsprechend Oper oder Film zu machen. Aber Kulisse und Kleidung sollten in der Zeit angesiedelt sein, die historisch zugrunde liegt!!


    Es lohnt sich, diesen Artikel zu lesen! Wir brauchen mehr Stein´s, weniger Calixtos.


    Auch wenn ich die Inszenierung des Carlo szenisch nicht unbedingt so sehe, wie ich das Stück schon gesehen habe, es ist mir so erschienen wie in der Zeit, als man über kahle Bühnen den Weg zur Verunstaltung suchte. Wenn Stein jetzt eine Rückbesinnung auf klassische Inszenierungen ins Leben gerufen hat, dann wird er für mich zum Gott.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Endlich mal kein Regietheater! Das vorweg. Das Negative auch...König Philips Arbeitszimmer in der seine große Arie erklang (leider eine sehr schwache Leistung von Matti Salminen) sah aus wie die Duschräume einer Werkshalle. Und Philips Nachthemd nahm ihm die königliche Würde und hätte man ihm ein Lämplein an die Hand gegeben, so hätte man ihn auch in Max und Moritz ansiedeln können.


    So, damit hat es sich auch mit dem Negativen. Alles andere war mal wieder ein "echtes Opernerlebnis" Warum der "Carlos" immer ein Stiefkind Verdis geblieben ist, ist mir bis heute ein Rätsel. Vielleicht den Italienern zu "Deutsch" dabei ist Schillers Vorlage bis heute aktuell. Diktatur und der Drang nach Freiheit, wir erleben beide Komponenten gerade hautnah.


    Gesamtmusikalische Leitung: Antonio Pappano - Eine wahrhaft exquisite Leistung seines Dirigats. Der Carlos von Jonas Kaufmann (man kann ihn mögen oder auch nicht) Ich mag ihn eher nicht, aber er war wahrlich bemüht. Der Posa von Thomas Hampson brachte ihm den Vorteil seiner wahrhaft großen sängerischen Erfahrung, die er auch gekonnt einsetzte.
    Eine wirklich sehr gute sängerische Leistung lieferte mir Ekatarina Semenchuck als Eboli ab. Ein Sonderapplaus für sie! Zwiespältig dagegen die Leistung von Anja Harteros als Elisabetta, aber vielleicht habe ich da auch zu viel Caballe oder Tebaldi im Ohr. Eric Halfvarson als Großinquisitor klang dumpf und topfig. Robert Lloyd als : Mönch/Karl V gefiel mir dagegen ausgesprochen gut. Die Wiener Philharmoniker und der Chor waren gut aufgelegt und lieferten uns einen wirklich wunderbaren Opernabend. Das sollte Schule machen.


    Gruß


    Bernard :jubel:

    Keine Kunst wirkt auf den Menschen so unmittelbar, so tief wie die MUSIK,
    eben weil keine uns das wahre Wesen der Welt so tief und unmittelbar erkennen lässt



    Arthur Schopenhauer

  • Man sollte auch die positiven Dinge aufzeigen. Arte hat uns in den letzten beiden Wochen doch drei schöne Inszenierungen beschert: die Anna Bolena aus Wien, die ich aber schon beim ersten Mal gesehen hatte, Adriana Lecouvreur aus Covent Garden und jetzt die für meine Begriffe wirklich gelungene Inszenierung des Don Carlos. Auch ich habe schon einige Aufführungen und Versionen des Don Carlos gesehen, meist die vieraktige italienische Version, aber auch die fünfaktige französische Fassung. Diese fünfaktige italienische Bearbeitung brachte auch mir einiges Neue.
    In schlichter, aber sehr wirkungsvoller Szenerie und auch angemessenen Kostümen waren Ort und Zeit der Handlung gut angedeutet. Die Handlung war nicht regietheatralisch verunstaltet und der Regisseur verzichtete auf den heute meist üblichen zusätzlichen Firlefanz drumherum. Lediglich in der Autodafé-Szene erschienen mir die Figuren in den Turbanen oder mit dem Federschmuck auf dem Kopf historisch nicht ganz einzuordnen.
    Von dieser Kleinigkeit einmal abgesehen, war es eine Inszenierung, die man auf der gesamten Strecke mit Genuss ansehen konnte und die mich bis zum Schluss gefesselt hat.
    Zu den Sängern: Am besten gefielen mir Thomas Hampson und die Sängerinnen der beiden Frauenrollen. Auch Kaufmann fand ich nicht schlecht, allerdings gefiel mir seine Darstellungsweise nicht immer. Nachdem ich ihn erst am Montag in Adriana Lecouvreur als wunderbaren Maurizio gesehen hatte, musste ich hier erst zweimal hinschauen, um ihn wiederzuerkennen. Vielleicht lag es tatsächlich an der Pudelfrisur, die ihn die Maskenbildnerin verpasst hatte.
    Der Großinquisitor kam mir nicht so schwach vor, wie ihn hier einige gesehen haben. Die große Arie des Philipp hingegen habe ich schon besser gehört. Überhaupt verkörperte Salminen auch für mich den König nicht als die einsame, kalte, despotische Figur, wie man es aus anderen Inszenierungen kennt.
    Aber vielleicht sollte es auch so sein. Vielleicht wollte der Regisseur auch die beherrschende Macht der Inquisition stärker herausstellen, gegen die auch der König machtlos ist und der er den Marquis Posa opfern muss.
    Alles in allem ein beglückender Abend, der auch dem Publikum - wie es schien - besser gefallen hat als die übrigen Inszenierungen, was sich in dem nicht enden wollenden Applaus zeigte.
    Und, lieber Crissy, wie ich dir schon an anderer Stelle voraussagte, Salzburg bringt (und hat in dern letzten Jahren auch manchmal) hin und wieder lobenswerte und anschaubare Inszenierungen. Es ist insgesamt noch nicht so schwer krank wie beispielsweise Bayreuth.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Und, lieber Chrissy, wie ich dir schon an anderer Stelle voraussagte, Salzburg bringt (und hat in dern letzten Jahren auch manchmal) hin und wieder lobenswerte und anschaubare Inszenierungen.

    Ja, lieber Gerhard, Du hattest mit Deiner Voraussage recht. Vielen Dank und ich habe das in meinem Btr.9 auch lobend kommentiert.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Lediglich in der Autodafé-Szene erschienen mir die Figuren in den Turbanen oder mit dem Federschmuck auf dem Kopf historisch nicht ganz einzuordnen.

    Da dürfe auf zeitgenössische Quellen Bezug genommen werden, in denen berichtet wird, dass an den Öffentlichen Ketzerverbrennungen gewissermaßen Abgesandte aus allen Teilen des kaiserlichen Reiches haben teilnehmen müssen. Darüber sollte den Untertanen dieses Reiches, in dem ja 'die Sonne nicht untergeht', die Macht der Krone demonstriert werden. Zugeich zielten solche 'Schauspiele' (zeitgenössische Bezeichnung) darauf, Ketzer einzuschüchtern und unter den Untertanen so etwas wie eine gemeinsame Identität zu stiften!
    Auf Abbildungen des berühmten Autodafé in Valladolid kann man beispielsweise Indianer erkennen. Wer will, kann diese Abbildungen heute als Mousepad, T-Shirt, Henkeltasse oder Küchenhandtuch kaufen! Makaber!!!


    Wem's gefällt!


    Caruso41




    .

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Wenn ich aber die Inszenierung von Herrn Stein mit der Don Carlo Inszenierung von Peter Konwitschny an der Staatsoper vergleiche gefällt mir die die Wien aufgeführt wird wesentlich besser. Dort ist einfach mehr los auf der Bühne . Ich bin am Freitag Abend sogar während des zweiten Aktes eingeschlafen und erst nach Posas Tod wieder aufgewacht. Wenn man schon die fast vollständige Fassung macht hatte man dann nicht die Ballett Musik ohne Ballett spielen können ? Das wäre mal was außergewöhnliches gewesen. Und Herr Pappano hätte das bestimmt ganz wunderbar dirigiert. Wurde denn der Auftritt des Regisseurs im Fernsehen überhaupt gezeigt ? Auf Arte wurde vorzeitig ausgeblendet.

  • Danke, lieber Caruso, da war ich wohl nicht ganz richtig informiert. Weil diese Figuren nicht hereingetrieben wurden, sondern mir eher wie Staatsgäste erschienen, kam mir der Auftritt für eine Zeit, in der diese Völker und gerade auch die Araber(Mauren) in Spanien unterdrückt wurden, historisch nicht so ganz korrekt vor.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich darf mich der Mehrheit anschließen, die mit dem gesehenen zufrieden sind. Die Aufführung hat mich positiv überrascht, die Regie war für uns eine Freude, die gesanglichen Leistungen sehr zufriedenstellend. Es gäbe nur auf höchstem Niveau einige Kleinigkeiten zu bemängeln, aber bei so einer guten Gesamtleistung möchte ich nicht Beckmesser spielen.

  • Es ist schwierig diese Inszenierung, Ausstattung und Besetzung zu gerecht zu beurteilen, wenn man noch die alten Aufführungen in Erinnerung hat. Versuchen wir es trotzedem.
    Orchester, Dirigat und Chr würde ich als gut - wenn auch nicht aussergewöhnlich beurteilen. Das mag daran liegen, daß man bei Aufführungen der Salzburger Festspiele stets mit einer überirdischen Realisierung rechnet, die wahrscheinlich unerfüllbar ist.


    Lob verdienen die wunderschönen historisierenden Kostüme, von ein paar Fehlgriffen (Nachthemd des Philipp) abgesehen.
    Ohne die kargen Bühnenbilder wirklich zu tadeln - mir haben sie persönlich nicht gefallen - wenngleich sie an Regietheater-Aussatttungen gemessen geradezu perfekt sind - So ist eben alles relativ
    Bei den Sängern haben mich vor allem die Protagonistin der Elisabeth, des Marquis de Posa und des Grande Inquisitore überzeugt, wobei ich hier auch die schauspielerische Leistung mit einbeziehe.
    Alles in allem konnte ich nicht recht warm werden - eine gute Leistung auf hohem Niveau - ein Lichtblick - gemessen an dem was heute auf den Bühnen Europas im Allgemeinen angeboten wird - der letzte zündende Funke fehlte allerdings.
    Aber wir sollten nicht undankbar sein: Diese Aufführung stellt eine Oase in der Wüste des Regietheaters dar.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien.
    Alfred



    PS: Historische Details sind mir zwar stets wichtig - aber man kann die oper und das Sprechstück allenfalls als "historisierend" einstufen, ein gewisser Herr Schiller hat hier - nicht zum ersten Male Geschichte bis zur Unkenntlichkeit verfälscht und seine persönlichen Ideale auf die Bühne gebracht, der Librettist hat den Stoff lediglich für die Oper adaptiert...

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Ganz einfach: nach Hamburg fahren!

    Das hilft gar nicht, da Hamburg keinen Don Carlo im Repertoire hat.



    Da bekommt man gut 10 Minuten mehr!!!

    Das kann, wie erwähnt, gar nicht sein, da bis auf die Ballettmusik alles gespielt wurde. Wenn man mehr will, muss man auf eine vollständige französische Fassung ausweichen.



    Darüber , dass Stein die Sänger so wenig führt und sie so oft sich selbst überlässt, habe ich mich auch sehr gewundert!

    Das sehe ich nicht so. Stein hat die Sänger sehr feinfühlig und geschickt geführt, verzichtete allerdings auf jegliches zusätzliches Aktionstheater.
    Bemerkenswert, dass manche Zuseher ohne ständige zusätzliche Aktion offenbar nicht mehr glücklich werden...



    Und dieser Chor gehört ja nun mal leider nicht zu den spielfreudigen Chören.

    Ein völlig unberechtigter Vorwurf. Der Chor hat das zu tun, was ihm von der Regie aufgetragen wird und keinerlei Eigeninitiative zu entwicklen.



    Er begnügt sich damit zu singen. Dass er Teil der dramatischen Handlung ist, scheint er nicht für wichtig zu halten.

    Derartige unsachliche Vorwürfe richten sich nur gegen den Vorbringer...



    Ich fand sie vielfach unkonzentriert, mich störten verwackelte Einsätze, schlechte Abstimmungen zwischen Holz- und Blechbläsern und eine merkwürdige Neigung Dramatik durch ??? zu erzeugen...

    Bitte ein paar konkrete Beispiele. Ich habe nichts dergleichen gehört.
    Außerdem dürften die gehörten musikalischen Effekte wohl in erster Linie dem Dirigenten zuzuschreiben sein - es sei denn, du meinst, die Philharmoniker haben nicht nach Pappanos Pfeife getanzt...



    Ich habe den Carlos unter Pappano zweimal in London gehört. Da gab es keinen Anlass, solche Einwände vorzubringen...

    Ein Live-Erlebnis kann man in puncto Abstimmung der Instrumentengruppen nie mit einer Rundfunkübertragung vergleichen, da letztere vom Toningenieur nach seinen Vorstellungen abgemischt wird. Absolute Beurteilungen sind da völlig witzlos.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Eine wenig gestört hat mich auf Dauer aber dann das (mit wenigen Ausnahmen) ewige Schwarz der Kostüme.


    Dein Glück, dass du nicht damals gelebt hast! Am spanischen Hof wurde zu dieser Zeit ausschließlich Schwarz getragen. Die einzige Eigenmächtigkeit bei den Kostümen waren die Dekolletés der Damen, die historisch nicht korrekt sind. Damals mussten die Kleider dort hochgeschlossen sein...


    ;)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • König Philips Arbeitszimmer in der seine große Arie erklang (leider eine sehr schwache Leistung von Matti Salminen) sah aus wie die Duschräume einer Werkshalle.


    Das ist korrekt! Der Escorial ist äußerlich ein gewaltiger Bau, aber im Inneren mit Ausnahme einer prunkvollen Kirche höchst spartanisch - um nicht zu sagen karg - eingerichtet.


    :hello:



    Auffallend, wie häufig hier historisch korrekte Darstellung bemängelt wird... ;)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Lieber Theophilus,


    ich will mich ja nicht mit Dir anlegen, und frage mich, ob es überhaupt Sinn macht, auf Deine so apodiktisch gefassten Behauptungen einzugehen, aber einige Punkte mag ich denn doch nicht so stehen lassen!



    Der Escorial ist äußerlich ein gewaltiger Bau, aber im Inneren mit Ausnahme einer prunkvollen Kirche höchst spartanisch - um nicht zu sagen karg - eingerichtet.

    Der Escorial war zu der Zeit, in der die Geschichte von Don Carlos spielt, noch gar nicht fertig und auch dementsprechend nicht bewohnt.
    Der Baubeginn war etwa 1563. Erst 1583 begann man, ihn wirklich zu nutzen! Carlos starb aber schon 1568 - vor Abschluss seines Prozesses! Ob er ermordet wurde, konnte nicht nachgewiesen werden.


    Warum der Historiker Schiller die Geschichte im Escorial spielen lässt, weiss ich nicht!


    Aber man sieht an diesem Detail, wie leicht man auf glattes Eis kommt, wenn man historische Stimmigkeit einer Inszenierung einklagt!



    Dein Glück, dass du nicht damals gelebt hast! Am spanischen Hof wurde zu dieser Zeit ausschließlich Schwarz getragen.

    Dacapo: Die Forderung nach historischer Stimmigkeit ist ein glattes Eis!


    Die sogenannte Spanische Hoftracht, die sich im Zuge der Gegenreformation in ganz Europa durchsetzte, war in Spanien in den 60er Jahren, in denen die Geschichte von Don Carlos spielt, noch nicht vorherrschend. Alle überlieferten Bilder aus der Mitte des 16. Jahrhunderts zeigen noch farbige Garderoben, wie sie in der späten Renaissance üblich waren. Siehe auch Bilder von den großen Autodafé's von Sevilla und Valladolid! Erst in den 70er Jahren setze sich die Tracht, in der tatsächlich die schwarze Farbe Standard war, durch!



    Ein Live-Erlebnis kann man in puncto Abstimmung der Instrumentengruppen nie mit einer Rundfunkübertragung vergleichen, da letztere vom Toningenieur nach seinen Vorstellungen abgemischt wird. Absolute Beurteilungen sind da völlig witzlos.

    Das weiss ich auch! Danke für die Erinnerung!



    Zitat von »Caruso41« Ich fand sie vielfach unkonzentriert, mich störten verwackelte Einsätze, schlechte Abstimmungen zwischen Holz- und Blechbläsern und eine merkwürdige Neigung Dramatik durch ??? zu erzeugen...
    Bitte ein paar konkrete Beispiele. Ich habe nichts dergleichen gehört.
    Außerdem dürften die gehörten musikalischen Effekte wohl in erster Linie dem Dirigenten zuzuschreiben sein - es sei denn, du meinst, die Philharmoniker haben nicht nach Pappanos Pfeife getanzt...

    Wenn Dich die verklapperten Einsätze und die mangelnden Abstimmungen nicht gestört haben, sei doch zufrieden. Und: die Neigung, Dramatik durch Lautstärke zu erzeugen stört nun mal nicht Jeden! Mich schon!



    Das hilft gar nicht, da Hamburg keinen Don Carlo im Repertoire hat.

    In der kommenden Saison vielleicht nicht, aber noch in der letzten Saison habe ich die Produktion erlebt! Es dirigierte Alexander Joel. Die Einstudierung stammt noch von Ingo Metzmacher.



    Das kann, wie erwähnt, gar nicht sein, da bis auf die Ballettmusik alles gespielt wurde. Wenn man mehr will, muss man auf eine vollständige französische Fassung ausweichen.

    Es gab einiges in Hamburg zu hören, was in Salzburg fehlte. Insbesondere Ebolis Traum und der Auftritt Ebolis in der Kerkerszene wären da hervorzuheben!


    Vielleicht wird ja die großartige Produktion der Hamburgischen Staatsoper in der übernächsten Spielzeit wieder aufgenommen. Dann kannst Du ja hinfahren. Und dann treffen wir uns und tauschen uns mal in Ruhe aus!


    Beste Grüße


    Caruso41





    Alles in allem konnte ich nicht recht warm werden - eine gute Leistung auf hohem Niveau - ein Lichtblick - gemessen an dem was heute auf den Bühnen Europas im Allgemeinen angeboten wird - der letzte zündende Funke fehlte allerdings


    Also gute Aufführungen des Don Carlos gibt es doch wirklich nicht allzu selten. Auf London hatte ich schon verwiesen. Auf Hamburg auch!


    In 8 Wochen wird es in Berlin eine Wiederaufnahme geben, deren Ankündigung vielversprechend klingt.



    Es dirigiert: Donald Runnicles


    Solisten: Anja Harteros, Violetta Urmana, Hans-Peter König, Russel Thomas, Dalibor Jenis, Albrecht Pesendorfer



    Weil diese Figuren nicht hereingetrieben wurden, sondern mir eher wie Staatsgäste erschienen, kam mir der Auftritt für eine Zeit, in der diese Völker und gerade auch die Araber(Mauren) in Spanien unterdrückt wurden, historisch nicht so ganz korrekt vor.

    Natürlich waren die Vertreter der Völker des Reiches geehrte Gäste. Sie wurden nicht wie Gefangene hereingetrieben.
    Ich könnte noch einiges zum Herrschaftssystem der Spanier in den Kolonien erläutern, aber das passt jetzt hier nicht so her!


    Immerhin: ohne die - heute würde man sagen - Kollaboration der einheimischen Eliten wäre es gar nicht möglich gewesen, dieses System so effektiv aufrecht zu erhalten. Und diesen einheimischen Eliten wurden denn auch bestimmte Rechte und Ehren zugestanden. Aber das ist ein weites Feld... - zumal die Realitäten in den verschiedenen Regionen unterschiedlich gestaltet wurden



    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Zitat

    Zitat von Alfred Schmidt: Ohne die kargen Bühnenbilder wirklich zu tadeln - mir haben sie persönlich nicht gefallen - wenngleich sie an Regietheater-Aussatttungen gemessen geradezu perfekt sind

    Meinen ersten Don Carlos auf der Bühne sah ich schon in den 60er Jahren, als das sogenannte "Regietheater" noch nicht bekannt war. Er spielte auf fast kahler Bühne, über die leicht schräg zwei breite Bänder in Form eines Kreuzes gelegt waren. auf die Mitte dieses Kreuzes hatte man bei jedem Bild wenige Requisiten gesetzt, die den Ort der Handlung aber sehr gut versinnbildlichten. Ich fand die damalige Inszenierung hervorragend. Und so konnte ich mich auch in diesem Fall sehr gut mit den schlichten Bildern anfreunden. Und, wie du schon sagst, an den Ausstattungen des "Regietheaters" gemessen wirkten sie geradezu prunkvoll.



    Zitat von Theophilus'

    Stein hat die Sänger sehr feinfühlig und geschickt geführt, verzichtete allerdings auf jegliches zusätzliches Aktionstheater.

    Das sehe ich genauso. Für mich zeigten die Darsteller genügend Aktion. Auf weiteren Firlefanz kann ich gerne verzichten.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Sagitt meint:


    Um es zu konkretisieren. Es geht nicht um Firlefanz, sondern um Gesten, wie sie SängerInnen von allem Anfang an lernen, die aber die reale Situation verfremden, so breitet niemand die Arme im echte Leben aus, nur SängerInnen. Es sieht nur künstlich aus. Wie es anders geht, ich schrieb es, hat Haneke in seiner großartigen Cosi-Inscenierung gezeigt. Da stellen die SängerInnen die Situation da, und stehen nicht als SängerInnen auf der Bühne. Man mag das für eine concertante Wiedergabe akzeptieren, aber nicht für die Oper.

  • Peter Stein profitiert bei der Beurteilung sicherlich in erhöhtem Maße vom Flurschaden, den seine „Kollegen“ nicht nur beim Don Carlo angerichtet haben. Es wird deutlich, dass er das Werk nicht umkrempeln will, auf alberne Standardmätzchen wie Nazis, unangebrachte Pornoszenen und ähnlichen Kokolorus verzichtet. Dass er mit dem Chor nicht viel anzufangen weiß, muss kein besonderer Kritikpunkt sein – denn das wissen die wenigsten Regisseure. Allerdings kompensiert er diese Ratlosigkeit nicht mit irrwitzigen oder ekligen Aktionen, die man dem Chor sonst so gerne aufbürdet. Angenehm ist, dass er während der Arien und Szenen auf unnötigen Aktionismus verzichtet und zur Abwechslung der Musik die Rolle der Protagonistin überlässt, obwohl er auf sinnfreie Statisten auch nicht ganz verzichten kann, was die absolut kontraproduktive Anwesenheit von Hofdamen (!!) während des intimen Gesprächs zwischen Carlo und Elisabetta beweist. Die Bühnenbilder muten teilweise doch recht seltsam an; mir ist nicht klar gewesen, was die mit Lampions besteckten roten Windschutze im Gartenbild oder das duschenartige Zimmer Filippos bedeuten sollen. Sind die Delfter Kacheln seine (einzige) Art, sich mit Flandern auseinanderzusetzen? Auch die Raumaufteilung im Autodafé-Bild, bei dem überhaupt nicht klar wird, was nun drinnen und draußen spielen soll, verschenkt erheblich viel Dramatik. Das die Kostüme dominierende und zudem ja auch unhistorische Scharz wirkt auf die Dauer doch etwas ermüdend, obgleich der Schnitt derselben, der gerade bei den Damen eher italienischer Renaissance als spanischer Tracht entspricht, mehr stört. Aber wie gesagt – dies ist in diesem Fall Kritik auf hohem Niveau, da man angesichts der Plünderungen von Altkleidercontainern, die man von sonstigen Neuinszenierungen gewohnt ist, erheblich Schlimmeres gesehen hat. Alles in allem ist seine Inszenierung eine Ausgangs-und Diskussionsbasis und kann möglicherweise als Zeichen für eine Regiewende gesehen werden. Möglicherweise!


    Schade ist, dass bei einer solchen Aufführung nur die weiblichen Parts wirklich angemessen besetzt sind. Anja Harteros und Ekaterina Semenchuk waren hervorragend, besonders die Eboli-Arie und das Schlussduett mit Carlo haben mir sehr gut gefallen. Warum haben die stimmgewaltigen Damen dann keine angemessenen Partner? Dass es die auf der weiten Welt nicht geben sollte, wäre absurd, aber wo waren sie hier ?


    Matti Salminen war mal ein glanzvoller Filippo, was heute für eine Besetzung offenbar schon ausreichend ist, wenn der entsprechende Name mitgeliefert wird. Er ist es gewiss nicht mehr, zeigt allenfalls schöne, wenn auch beileibe nicht ausreichende Reste. Besonders seine Arie war eines Königs leider unwürdig. Natürlich, für das alberne Nachthemd, dem nur noch die Zipfelmütze gefehlt hätte, konnte er nichts, aber auch stimmlich war da leider nur ein müder Senior zu hören.
    Thomas Hampson war hingegen nie ein Posa, und er wird auch in diesem Leben keiner mehr werden. Er wäre nicht der erste Liedsänger, der sich als Verdi-Held versucht und dabei scheitert. Dramatische Stellen ruft er mehr als er sie singt, seiner Stimme ist unmetallisch, undramatisch und – in einem Wort – unangemessen. Vom „Männerstolz vor Königsthronen“, vom Todesmut Posas, der im Duett mit dem König überdeutlich zutage tritt, ist bei der Mühe, die Hampson mit seinem Part hat, leider nur wenig zu merken. Einzig das „Per me giunto“ gestaltet er sehr gut und voller Lyrik – was für einen lyrischen Bartion ja auch kein Problem sein dürfte.


    Ein Kaufmann-Fan werde ich angesichts seiner gutturalen Tonbildung und seines verhangenen Timbres bestimmt nicht mehr werden, aber ich muss konstatieren, dass er seiner Rolle zumindest besser als Hampson gewachsen ist.
    Eric Halfvarson vermochte es, den Schrecken des Großinquisitors zu vermitteln, obwohl er – wie sehr viele Bässe – bei den dramatischen Zuspitzungen im Duett mit Filippo merklich an seine Grenzen kam. Ja, es gab schon zu Renaissance-Zeiten eine gewisse Art von Sonnenbrille, aber dass nun die Blindheit des Großinquisitors damit unterstrichen werden soll, schien doch recht überflüssig zu sein. Sei’s drum.


    Pappano dirigiert gut, nur seine Tempi fand ich teilweise überhetzt (gerade beim Maurischen Gesang), und das majestätische Element, das Verdi gerade im Don Carlo wie in keiner anderen seiner Opern verwirklicht, kam mir persönlich auch zuweilen zu kurz.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Liebe Strana,


    danke für deine Beurteilung, die sich zu 100% mit meiner deckt. Ich fand tasächlich Kaufmann und Hampson über weite Strecken des Abends nur schwer erträglich, Salminen und Halvarson beide deutlich über den Zenit, aber zumindest hatten sie im Auftreten eine gewisse Autorität und Würde. Bässe dieses Kalibers wachsen aber leider im Post-Ghiaurov-Zeitalter nicht auf Bäumen. (Wer singt sonst den Filippo noch? Mir fallen da nur René Pape und Feruccio Furlanetto spontan ein...). Eboli und Elisabetta sowie der Dirigent Pappano waren aber ganz grosse Klasse.
    Zu der Inszenierung teile ich deine Einschätzung ebenfalls. Einerseits kann man angesichts der Tatsache, dass man im Regietheaterzeitalter leider nur richtig oder falsch kennt, zumidest über diese Aufführung diskutieren, da sie sich auf der richtigen Seite bewegt. Andererseits, ist es traurig, dass das heute traditionelles Theater sein soll. Ich besitze auf DVD sowohl die berühmte Visconti-Inszenierung aus London mit Cotrubas und Lima, sowie die alte Met-Inszenierung von John Dexter. Mit beiden Inszenierungen kann dieser Carlo nicht im Geringsten mithalten. Aber man ist ja heute sehr bescheiden geworden, und schon froh, wenn Filippo nicht in Fascho-Uniform rumrennt....

  • Liebe Strana,


    hab Dank für Deine eingehenden Bemerkungen.

    Peter Stein profitiert bei der Beurteilung sicherlich in erhöhtem Maße vom Flurschaden, den seine „Kollegen“ nicht nur beim Don Carlo angerichtet haben. Es wird deutlich, dass er das Werk nicht umkrempeln will, auf alberne Standardmätzchen wie Nazis, unangebrachte Pornoszenen und ähnlichen Kokolorus verzichtet. Dass er mit dem Chor nicht viel anzufangen weiß, muss kein besonderer Kritikpunkt sein – denn das wissen die wenigsten Regisseure...

    Was Du über die Inszenierung schreibst, trifft meines Erachtens den Punkt gut. Sicher hat diese Arbeit hier im Forum eine vergleichsweise positive Resonanz gefunden, weil sie nicht bietet, was man hier als Regietheater bezeichnet.
    Aber man kann auch nicht übersehen, dass sie keine klare Profilierung und psychologische Durchzeichnung der Protagonisten bietet und auf die Länge doch langweilig wurde!
    Wer Steins FALSTAFF oder OTELLO gesehen hat, musste schon ziemlich enttäuscht sein.


    Gerade weil ich gesehen habe, wie Peter Stein den Chor im Otello führt und was der Chor da für eine starke Rolle spielt, darf ich mir denn doch ein kritisches Wort über die Performance des Chores in Salzburg erlauben. Aber in Cardiff hat er den spielfreudigen Chor der Welsh National Opera gehabt und nicht die Damen und Herren der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor!



    Warum haben die stimmgewaltigen Damen dann keine angemessenen Partner? Dass es die auf der weiten Welt nicht geben sollte, wäre absurd, aber wo waren sie hier ?

    Salminen und Halvarson beide deutlich über den Zenit, aber zumindest hatten sie im Auftreten eine gewisse Autorität und Würde. Bässe dieses Kalibers wachsen aber leider im Post-Ghiaurov-Zeitalter nicht auf Bäumen. (Wer singt sonst den Filippo noch? Mir fallen da nur René Pape und Feruccio Furlanetto spontan ein...)

    Also so ganz schlecht finde ich die Lage im Bassfach eigentlich nicht!
    Da ist zum einen der von Dir genannte Pape. Der singt wirklich großartig! Allerdings vermisse ich bei ihm - noch - Persönlichkeit und Gestaltung!
    Deshalb würde ich Klaus-Peter König vorziehen. Der hat schon in seiner Hannoverschen Zeit glänzende Vorstellungen als Verdi-Bass gegeben und inzwischen den Philipp an verschiedenen großen Bühnen gesungen und durchweg glänzende Kritiken bekommen. Ich bin gespannt, seinen Philipp in Berlin im Oktober wieder zu hören!
    Dann gibt es ja auch junge Bässe. Zwei, die mir zuletzt auch in großen Verdi-Partien ausnehmend gut gefallen haben, waren Roberto Tagliavini und Mihail Petrenko!
    Und bessere Posas als Hampson gibt es alle Male!


    Liebe Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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  • Lieber Theophilus!

    Zitat von »Caruso41«
    "...Ich fand sie vielfach unkonzentriert, mich störten verwackelte Einsätze, schlechte Abstimmungen zwischen Holz- und Blechbläsern und eine merkwürdige Neigung, Dramatik durch Lautstärke zu erzeugen..."

    Bitte ein paar konkrete Beispiele. Ich habe nichts dergleichen gehört.
    Außerdem dürften die gehörten musikalischen Effekte wohl in erster Linie dem Dirigenten zuzuschreiben sein - es sei denn, du meinst, die Philharmoniker haben nicht nach Pappanos Pfeife getanzt...

    So ganz allein übrigens stehe ich wohl mit meinem kritischen Urteil über die Wiener Philharmoniker nicht.
    Eben gerade las ich in DIE ZEIT einen Bericht, in dem Falstaff und Meistersinger aus Salzburg besprochen werden. Und die Rezensentin schreibt unter anderem:


    ....Leider weiß nicht nur Damiano Michielettos Regie von alldem wenig, sondern auch Zubin Mehta am Pult der Wiener Philharmoniker. Der späte Verdi rumst und kracht, als hätte er Arthrose in den Gelenken. Entweder kann Mehta mit dem Augen- und Ohrenzwinkern, das der Musik ihren kühnen Witz gibt, nichts anfangen, oder dies ist schlicht nicht der Sommer der Wiener Philharmoniker. Für Zweites spricht, dass sie auch unter Daniele Gatti in den Meistersingern kaum besser klingen. Das Blech knattert, das Holz pfeift einsam im Wald, die Streicher schludern, und wenn das Wagner-Parlando mal ein bisschen glitzert, dann nur von kurzer, folgenloser Dauer. Eine musikalische Orientierung scheint Gatti weder besitzen noch erreichen zu wollen, seine Temporelationen wirken konfus bis egal. Hat das Orchester darüber vielleicht frühzeitig die Lust verloren? ....


    Und in der FAZ schreibt Eleonore Büning über den Don Carlo in Salszburg unter anderem:
    ....
    Das Orchester liefert den Fortissimoschlag
    Das strömt und dröhnt und dominiert. Gleich die ersten Seufzervorhalte des Vorspiels bolzen wie der Herzschrittmacher eines Riesen herein. Fern und schwach tönt da vergleichsweise der Chor, der ausnahmsweise den ersten Akt eröffnen darf, und sieht doch so wunderselig breughelhaft dabei aus, eine kreidegraue Menschenmenge, wie in Stein gehauen, armes Volk in fahlem Licht, in Breitwandaufstellung. Bewegen den Mund, diese Holzfällersleute im Winterwald von Fontainebleau, sind aber kaum zu hören.
    Und immer wieder dimmt der Dirigent, Sir Antonio Pappano, den Lautstärkepegel des Orchesters herunter. Man sieht diesen besessenen, akribischen Orchesterleiter immerzu heftig arbeiten, mit großen Bewegungen. Und immer wieder drehen die Wiener Philharmoniker auf. Erst im Verlauf der zweiten Szene pegelt sich die dynamische Balance allmählich ein, Pappano hat sich durchgesetzt. Doch passiert das Gleiche dann wieder, zu Beginn des dritten Aktes, nach der ersten Pause. Da fragt man sich: Wurden etwa Wetten abgeschlossen hinter den Kulissen? Geht es um einen Krieg der Phonstärken in diesem Stück, den der Lauteste gewinnt? Ist Verdi ein Fall für Schwerhörige? Oder, besser gefragt: Wie viele Proben gab es überhaupt für diese hochkarätige, teure, starbesetzte Festspielopernproduktion?....


    Ich habe immer eine Schwäche für die Wiener Philharmoniker gehabt. Sie können ein so wundervolles Orchester sein. In diesem Salzburger Festspielsommer aber sind sie nicht wirklich auf dem Niveau, das man von ihnen erwartet.


    Leider!


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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