Das Regietheater, eine etablierte Kunstform - wie geht es weiter?

  • Mal so aus dem Zusammenhang genommen:


    Privatwirtschaft hat andere Maßstäbe als Staatsunternehmen. Die gigantischen Gagen für einige wenige gehörten dann wohl auch der Vergangenheit an.

    Alfreds Sarkasmus ist inzwischen so gut, dass er ihn selbst mitunter gar nicht mehr bemerkt...


    :hahahaha::hahahaha::hahahaha::hahahaha::hahahaha::hahahaha::hahahaha::hahahaha::hahahaha::hahahaha::hahahaha::hahahaha:


    Abseits dieses kleinen Einschubs zur kurzzeitigen Erheiterung komme ich nicht umhin, eine gewisse Unverfrorenheit in der Wahl der Mittel zu konstatieren, mit denen Alfred gegen das Regietheater agiert.


    Der ganze ellenlange Beitrag tarnt sich als objektiv resümierende Analyse zum gegenwärtigen Stand des Opernbetriebes.
    Allein, in Wahrheit ist es nichts weiter als eine sehr subjektives, in vielen Punkten völlig überzogenes und verzerrtes Pamphlet gegen eine aus nicht wirklich nachvollziehbar dargestellten Gründen verhasste Kunstform.
    Besonders die immer wieder bemühte Verbrüderung mit "dem" Opernpublikum sucht individuelle Befindlichkeiten zu legitimieren und zu generalisieren, um sie so unrechtmäßigerweise auf die Ebene des Allgemeingültigen zu heben.


    Man möge das bitte nicht als persönlichen Angriff werten, aber bei solch fadenscheinigen Feldzügen für eine erzreaktionäre, verkrustete Kunstauffassung wird mein Widerspruch geradezu provoziert, obgleich auch ich viele unsinnige Auswüchse des Regietheaters mit Kopfschütteln zur Kenntnis nehme.
    Gleiche Reaktion evozieren bei mir aber auch verkitschte, unreflektierte Deutungen, die der konservativen Inszenierungspraxis zuzurechnen sind.
    Es gab und gibt immer gute und schlechte Kunstwerke, zu jeder Zeit. Wer sich aber dem Neuen ganz verweigert, verwiegert sich auch dem Guten darin und läuft Gefahr, sich mit schlechtem abzugeben, nur weil es vom gnädigen Hauch der Historie umweht wird.


    aetati ars, arti libertas!

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Auf einmal gehörte ich zur sogenannten Opafraktion. Verdutzt, nahm ich das zur Kenntnis - und mit mir viele andere. Doch überwiegend haben wir geschwiegen. Ich fand das auch unfein, so zurückzuballern. Habe nur manchmal Fragen gestellt, z.B. der o.g. starken Bilderfrau, die meinte, Dvorak habe sich genauso seine Rusalka gedacht. Leider konnte sie mir nicht beantworten, wieso der gute Antonin die Stille der Natur für seine Komposition gesucht hat. Das gab mir dann manchmal ein kurzes Überlegenheitsgefühl, doch irgendwie, ja, wir Werktreuen waren wohl damals bereits alle schon leicht verunsichert. Die Presse stimmte von jetzt auf gleich in das hohe Lied mit ein und suggerierte uns, dass wir uns schämen sollten. Und dieses Gift hat bei vielen gewirkt. Ich kenne seitdem auch dieses Gefühl der leisen Scham, dass ich gerne in der Oper träume. Bis dahin war das völlig legitim bzw. es wurde doch gar nicht drüber gesprochen. Soll doch jeder die Oper so erleben wie er möchte. Aber damit war dann Schluss und so langsam wurde ich immer wütender.

    Zitat

    Wenn es denn ein Patentrezept gibt für gutes Regietheater, dann ist es wohl das: Ich möchte mir meine eigenen Gedanken machen und nicht in eine bestimmte Richtung gedrängt werden oder irgendwelche Botschaften mit auf den Weg bekommen. Und ich verlange, dass das Stück in der Zeit spielt, die im Libretto angegeben ist.


    !!!!!!!!!!!


    Lieber Knuspi! Danke für deinen tollen und leider sehr wahren Beitrag. Ich kann davon alles unterschreiben. Wenn der Titel des Threads "Das Regisseurtheater - eine künstlich etablierte "Kunstform" - wie geht es weiter? oder "Das Regisseurtheater - ein missglückter Versuch aus dem Kabinett des Dr. Spalanzani - wie geht es weiter?" hieße, könnte ich das auch im Bezug auf selbigen Titel sagen, aber nun gut....

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • aetati ars, arti libertas!


    Das haben wir alles schon gehabt. Wenn ein Herr Mühl (was der in seiner Kommune an - nobel gesagt - hedonistischen Praktiken ausgelebt hat, gehört nicht hierher, sondern zum Staatsanwalt) in der Uni auf einen Katheder scheißt und dieses Produkt als Kunst bezeichnet, oder ein Herr Kolig, der seine Körperausscheidungen ebenfalls unter dem Deckmäntelchen der Kunst (arti libertas!) produzierte, muß man erkennen, dass der Begriff "ars" zum Fäkalienschimpfwort verkommen ist.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)


  • !!!!!!!!!!!


    Lieber Knuspi! Danke für deinen tollen und leider sehr wahren Beitrag. Ich kann davon alles unterschreiben. Wenn der Titel des Threads "Das Regisseurtheater - eine künstlich etablierte "Kunstform" - wie geht es weiter? oder "Das Regisseurtheater - ein missglückter Versuch aus dem Kabinett des Dr. Spalanzani - wie geht es weiter?" hieße, könnte ich das auch im Bezug auf selbigen Titel sagen, aber nun gut....


    Liebe Strana,


    ja, so fände ich es auch besser. Fü mich ist das Wort "etabliert" eher mit einem positiven Zusammenhang besetzt: Jemand, der sich mühsam aus eigener Kraft hoch gearbeitet hat, und sich in seinem Umfeld etabliert hat. Diese Deutung fand ich auch im Duden und im Netz. Zu meinem Verblüffen fand ich aber auch das Synonym: "festgesetzt, sich breit machend" Also eher was negatives. Ich finde Deine Ergänzung Künstlich optimal!!!! Denn so ist es ja schließlich auch. Das Regietheater ist nicht gewachsen, sondern wurde uns übergestülpt - auch, wenn das heute gerne andres dargestellt wird.

  • Das haben wir alles schon gehabt. Wenn ein Herr Mühl (was der in seiner Kommune an - nobel gesagt - hedonistischen Praktiken ausgelebt hat, gehört nicht hierher, sondern zum Staatsanwalt) in der Uni auf einen Katheder scheißt und dieses Produkt als Kunst bezeichnet, oder ein Herr Kolig, der seine Körperausscheidungen ebenfalls unter dem Deckmäntelchen der Kunst (arti libertas!) produzierte, muß man erkennen, dass der Begriff "ars" zum Fäkalienschimpfwort verkommen ist.


    Nun ja, heute kann jeder alles zur Kunst erklären. Sofern es im öffentlichen Raum abläuft, wird man wohl zumindest irgendwas irgendwo anmelden müssen, damit man's machen darf, sofern es den üblichen Regeln widerspricht. Ich weiß nicht, ob dann auch alles genehmigt wird. Wenn ich auf meinen Chef sauer bin, ihm eine Ohrfeige verabreiche und dazu sage: "Das ist Kunst", wird das auch nicht durchgehen. In der Regel spielt es wohl eine Rolle, ob Du im Kunstbetrieb genug Beziehungen hast. Die Kunstfähigkeit der Körperausscheidung ist also direkt proportional zur Etabliertheit in der Lobby oder so. Das hat nun tatsächlich mit Freiheit überhaupt nichts mehr zu tun. Die Freiheit der Kunst hat sich irgendwie ad absurdum geführt - sofern sie überhaupt existiert hat.


    Allerdings, wenn jemandem die Freiheit seiner Kunst so ein Anliegen ist, er aber Werke anderer für seine freie Kunst braucht und während seiner Kunstausübung hauptsächlich durch die Kunstwerke der anderen Wirkung erzeugt, so schätze ich das Ergebnis sehr gering. Für mich wirkt das so, als ob jemand seine Kunst machen will, aber nicht kann, weshalb er dann eben doch etwas anderes aufführt und sich sein Beitrag in Verfremdung erschöpft. Für mich ist das sozusagen gescheiterte Freiheit.
    :D

  • Zitat

    Es gab und gibt immer gute und schlechte Kunstwerke, zu jeder Zeit. Wer sich aber dem Neuen ganz verweigert, verwiegert sich auch dem Guten darin und läuft Gefahr, sich mit schlechtem abzugeben, nur weil es vom gnädigen Hauch der Historie umweht wird.


    Vielen DAnk!


    Das bringt es für mich auf den Punkt. Wir können die Diskussion endlich beenden. Jetzt ist alles gesagt.
    Ich freu mich immer, wenn jemand im Forum etwas in Worte fassen kann, was ich eher so diffus fühle.


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.


  • Vielen DAnk!
    Das bringt es für mich auf den Punkt. Wir können die Diskussion endlich beenden. Jetzt ist alles gesagt.
    Ich freu mich immer, wenn jemand im Forum etwas in Worte fassen kann, was ich eher so diffus fühle.
    Tschö
    Klaus


    In der Tat. Das stimmt: Das Regietheater umweht derart der Verwesungsgeruch der 68er-Historie, dass es mehr als gnädig wäre, es endlich in Frieden ruhen zu lassen. Und Tschüss!

  • Womöglich trat das Regietheater nur als vorübergehende Besatzungsmacht auf. Es regt sich Widerstand. Hier ein kurzer Auszug aus dem Kurier-Interview mit Philippe Jordan, Musikdirektor der Wiener Staatsoper, der offensichtlich auch keine Lust mehr auf Bullshit-Inszenierungen hat.


    „Salome“ ist eine durchaus heikle Premiere, ebenso wie „Meistersinger“ und „Figaro“, weil das Publikum die traditionellen Produktionen sehr liebt. Wie nötig sind diese Neuinszenierungen?

    All diese Produktionen stammen aus den frühen 1970ern, irgendwann ist es natürlich an der Zeit, das zu erneuern. Dass man damit ein Risiko eingeht, ist klar. Aber wenn sich Theater nicht erneuert, stirbt es. Ich bin, was die Neuproduktionen dieser Saison betrifft, auch ziemlich zuversichtlich, das ist bei mir durchaus nicht immer der Fall.


    Würden Sie das konkretisieren?

    Das ist gar nicht einfach, das so knapp zu beantworten. Dazu muss ich grundsätzlich sagen, dass ich glaube, dass unser Theater, was die Regie betrifft, seit langer Zeit einen fatalen Irrweg eingeschlagen hat. Selten in meiner Karriere war ich bei Inszenierungen wirklich glücklich. Das Publikum hat eine richtige Sehnsucht, einfach wieder einmal gutes Theater zu sehen und nicht nur irgendeine Fassung von Irgendjemandem über Irgendwas. Ich glaube, dass sich dieser Irrweg nun mehr und mehr rächt. Ich will aber auch nicht alles schlecht machen, natürlich gab es immer wieder einmal beglückende Erlebnisse. Aber letztendlich führt dieser Weg auf Dauer zu einem unvermeidlichen Scheitern.


    Dennoch sind Sie an der Wiener Staatsoper auch mit dem Ziel der Modernisierung angetreten.

    Ja, und dazu stehe ich nach wie vor! Ich war mir mit Bogdan Roščić in den Gesprächen von Anfang an einig: Wir wollen eine Erneuerung des Theaters, und zwar eine wirkliche Erneuerung. Eine Antwort, wie man Oper heutzutage spielen kann. Insofern war es in der ersten Spielzeit sicher interessant, zunächst Inszenierungen, die anderswo Maßstäbe gesetzt haben, an das Haus zu bringen. Aber für mich war immer klar: Das kann nur der Anfang sein. Erst ein Rückblick auf die jüngste Vergangenheit, dann müssen wir aber zeigen, wohin wir wirklich wollen. Die Antwort kann nicht sein, dass wir den ausgetretenen Weg des dahinsiechenden deutschen Regietheaters unbeirrt immer weitergehen.


    Wie kann so eine Erneuerung aussehen?

    Das ist unbequem, schwierig und an Voraussetzungen gebunden – zum Beispiel daran, dass man die Informationen, die der Komponist in der Musik gibt, wieder mit einbezieht. Man muss sich endlich wieder dem Werk stellen. Die Dirigenten sitzen monatelang, bei manchen Werken jahrelang über der Partitur. Die besten Sänger bereiten sich jahrelang auf eine neue, große Rolle vor. Bei vielen, um nicht zu sagen bei den meisten der heutigen Regisseure vermisse ich aber diese gründliche Vorbereitung. Etwas drumherum zu erfinden oder es auf primitive Weise zu aktualisieren, ist im eigentlichen Sinn des Wortes keine Kunst. Die Geschichte an sich muss unbedingt immer erzählt werden, aber mit handwerklicher Könnerschaft und mit einer gewissen Ästhetik – die ist für mich als Musiker sehr wichtig.


    Aber es kann Ihnen doch nicht gegen zeitgemäßes Theater gehen?

    Ich bekenne mich ohne Wenn und Aber zu einem zeitgemäßen Theater – dass das keine leere Behauptung ist, dafür steht mein ganzer bisheriger Berufsweg. Aber modernes Theater muss nicht notwendigerweise jedes Mal eine ästhetische Zumutung für das Publikum und sechs Wochen handwerklicher Dilettantismus für die Mitwirkenden sein. Viele Regisseure, besonders auch die verantwortlichen Intendanten und Dramaturgen, wollen nicht wahrhaben, dass ein sehr großer Teil des Publikums heute schon trotzdemund nicht deswegen gekommen ist. Ohne eine gewisse Ästhetik macht alles, was in der Musik dargestellt wird, irgendwann keinen Sinn mehr. Auch „hässliche“ Töne müssen im Rahmen einer gewissen Ästhetik ausgedrückt werden, sonst brauchen wir kein Symphonieorchester und ausgebildete Stimmen, sonst kann man das irgendwie singen. Es muss ein Zusammenhang entstehen. Deshalb haben zum Beispiel in der Vergangenheit Regisseure wie Wieland Wagner oder Robert Wilson lange Zeit so gut funktioniert: Das war neu, hatte aber eine nachvollziehbare Ästhetik, die noch dazu gedanklich Freiräume ließ.


    https://kurier.at/kultur/dirig…-fatalem-irrweg/402166506

    „Puccini ist der Verdi des kleinen Mannes, und Lehár ist dem kleinen Mann sein Puccini.“

  • Das Regietheater, eine etablierte Kunstform - wie geht es weiter?

    Hoffentlich gar nicht!!


    Hallo, Stolzing,


    vielen Dank für Deinen aufschlußreichen Beitrag. Man kann dem Dirigenten Philippe Jordan nur weitestgehend beipflichten und gespannt sein, wie es auf diesem Sekotr weitergeht.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Danke für dieses Interview, lieber Stolzing, das du hier eingestellt hast, hier legt tatsächlich jemand den Finger in die Wunde, der nachweislich kein verstaubter, verknöcherter Traditionalist ist, sondern für Neuerungen offen ist.

  • Vielleicht habe ich dann auch mal wieder Lust auf die Oper, wenn im Rigoletto keine Affen mehr spielen, im Lohengrin Erwachsene und gestandene Sänger keine Kinder mehr repräsentieren und es sich im Tannhäuser nicht mehr um Biogasanlagen spielt. Ich gehöre nicht zu denen, die "trotzdem" in die Oper gingen, sondern der "deswegen" alle Anrechte gekündigt hat. Trotzdem werde ich vorsichtig bleiben und vorerst keine feste Bindung zur Oper mehr eingehen, sondern lieber im TV mit der Chance auf ein sofortiges "weg damit" bleiben oder gleich lieber ins Konzert gehen.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich bin nun wahrhaftig kein Anhänger des Regietheaters, aber es gibt immer wieder schlüssige Momente, bei denen ein "moderner Einfall" das Stück verständlicher macht. Ich zitiere immer gerne die großartige "Billy-Budd-Inszenierung" (Regisseur?) in Düsseldorf. Die Oper selbst wurde als Rückbesinnung von Cptn. Vere im Altersheim erzählt. Dort wird er von einer Nurse betreut, die dann auch in den Rückblenden der Schiffszenen mitwirkt. Sie singt nicht, sie spricht nicht. Aber ihre Anwesenheit ist ein großes Ausrufezeichen von Menschlichkeit in einer inhumanen Umgebung.

    Das jüngste Beispiel. Ich denke, jeder Opernliebhaber hier wird den glanzvollen Aufstieg von Asmik Grigoryan mitbekommen haben. Sie ist nicht nur eine großartige Sängerin, sie spielt auch überzeugend. So sang sie jetzt die drei Frauenrollen im "Trittico" von Puccini. Ich kenne das meiste von Puccini, natürlich nicht so viel wie die meisten hier. "Suor Angelica" ist meine Puccini-Lieblingsoper; er selbst hielt sie für seine beste.

    Abends spät, beim Zappen, beginnt gerade auf Arte der letzte Teil vom Trittico. Allerdings hatte Regisseur Loy umgestellt. Die normale Reihenfolge ist Tabarro, Suor Angelica, Gianni Schicchi. Loy setzte Suor Angelica an den Schluss. Nach dem Ansehen war mir klar, warum: es ist der gewaltige Schluss, und die großartige Sängerin Asmik Grigoryan gestaltete ihn auch schauspielerisch glänzend. Loy hatte die Handlung in die Moderne verlegt, was man erst gar nicht mitbekam, weil Klöster nicht gerade Orte gesellschaftlichen Wandels sind. Der Besuch der Fürstin gestaltet sich so, dass sie Angelica einen Koffer mitbringt, in dem sie zunächst das Bild ihres verstorbenen kleinen Sohnes entdeckt, den sie seit ihrer Verbannung ins Kloster nicht mehr hat sehen dürfen. Dann kommt eine Erfindung des RT, die schlüssig war und grandios umgesetzt wurde. Im Koffer befindet sich auch ein Kleid, das berühmte "kleine Schwarze", dazu Zigaretten. Sie zieht das Kleid an und raucht. So wird optisch der Übergang von der Nonne zur Frau und Mutter wie in einer Verpuppung (Entpuppung) aufgezeigt. Alles nebenbei und wie selbstverständlich.

    "He is the corpse at every funeral, the bride at every wedding, and the child at every christening!" (Tochter von Roosevelt über ihren Vater)

  • Ich muß zugeben, die ich die für mich als "Regietheater" eigentlich vorverurteilte "Suor Angelika" nicht ansehen wollte. Mir haben auch die ersten ca. 3/4 überhaupt nichts gegeben. Dank Aufnahme auf meiner Festplatte blieb mir das Einschlafen erspart, da ich es zu günstigeren Zeiten ansehen konnte

    Aber der Schluß war derartig fantastisch, daß ich mir die langweiligen ca. 45 min vorher verziehen habe. Das lag in allererster Linie an der wunderbaren Frau Grigoryan, deren stimmliche und darstellerische Qualitäten mich gefesselt haben. Leider hat nicht jeder RT-Regisseur diese Möglichkeiten wie Herr Loy. Auch die Kulisse war überzeugend. Verdammt, ich werde doch nicht noch zum RT_Fan?

    Eigentlich ist für mich als Liebhaber von Dramatik und Krach auf der Bühne bisher auch unverständlich gewesen, warum der "Gianni" als letztes Stück des Trittico und damit eigentlich als Höhepunkt oder Schlußpunkt einer Steigerung als gesetzt galt. Persönlich bin ich auch bei der "Schwester" als Finale. Zur Erholung und Pausenfüllung als Mittelstück wäre aus meiner Sicht gegen den "Gianni" nichts einzuwenden. "Der Mantel" zu Beginn ist als dramatische Vorbereitung aber völlig angebracht.


    Man verzeihe mir meine Meinung. Il Trittico ist toll, aber als Gesamtwerk im Opernhaus mit 2 Pausen und damit fast 4 Stunden Spieldauer ist doch ein wenig sperrig und lang. Aber Puccini wird schon gewußt haben, warum er das wollte. Übrigens muß ich auch als Wagner- und Strauss-Anhänger manche Länge vertragen, und das tue ich gern. Warum nicht auch bei Puccini?


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Hallo,

    Dennoch bleibt für meine Begriffe festzuhalten, gutes Regietheater (Ja, sowas gibt es (Meiner Meinung nach)) geht aus der Musik und den handelnden Figuren hervor. Entsprechend braucht es herausragende Sängerdarsteller, die im Stande sind eine Aufführung entsprechend auf den Schultern zu tragen.


    Um auf die im Titel aufgeworfene Frage zu antworten, idealerweise haben wir irgendwann eine Spaltung von Charaktergetriebenen Regieinszenierungen und Handlungsgetriebenen Klassischen. Wenn alles gut geht halten sich beide in einem Maß die Waage, dass beiden Seiten erlaubt ihre Bevorzugte Variante ohne zu große Umstände zu sehen.

    Beste Grüße,

    Niklas

  • Als Verfecher der Philosophie, daß Oper ein Museales Kunstwerk sein sollte, ein bewahrendes und "konservatives" wo im Wort schon des "Bewahren" drinnen enthalten ist - bin ich ein radikaler Gegener des Regietheaters.

    Die vom Librettisten vorgebene Zeit, sowie der Ort der Handlung sind STRIKTE einzuhalten - Parodien natürlich ausgenommen.

    Es ist nun aber nicht so, daß der Verzicht auf Regietheater bedeutet, daß jede Inszenierung gleich aussehen wird. Die Vergangenheit zeigt das.

    Der Blick auf vergangene Zeit wandelt sich - ganz ohne unser Zutun.

    Es gab immer schon Unterschiede - ich würde sagen - Vorgriffe aufs Regietheater, oder "Moden" - wie man es sehen will

    Beispielsweise liebte man in Deutschland schon in meiner Jugend gelegentlich die "spartanische" Ausstattung. Die Bühne blieb schwarz oder grau - die Kostüme waren zwar historisch - aber vereinfacht. Ähnlich wie Schachfiguren, die -von Ausnahmen abgesehen - lediglich stilisierte Figuren sind - und keine Abbilder der Charaktäre die sie darstellen.

    Ich habe das schon als 15 jähriger abgelehnt. Ein wichtiger Punkt - die "Illusion" wird auf diese Weise zerstört.

    Der heutige Fiml - egal ob Filmkunstwerk oder "Reisser" geht genau den umgekehrten Weg: zig oder hunderte Millionen Dollar verden verpulvert, damit die dargestellte Geschichte möglichst authenisch auf der Leinwand wirkt

    Das ist natürlich auf einer Theaterbühne eine viel größere Herausforderung, aber einige Regisseuere der Vergangenheit haben sie angenommen.

    Zeffirelli, Hampe, Schenk und in gewisser Weise auch Pier Luigi Pizzi ....

    Sicher hab ich einige vergessen - die mögen mir das verzeihen....


    mfg aus Wien

    Alfred

    POLITIKER wollen stets unser Bestes - ABER WIR GEBEN ES NICHT HER !!!



  • Nun, da scheint mir, haben wir gänzlich verschiedene Auffassungen der Kunst. Museal impliziert für meine Begriffe auch eine stark akademisch dominierte Perspektive. Museen sind nicht der Ort wo ich für Gefühlsausbrüche hingehe. Für so was gehe ich in die Oper. Damit möchte ich keineswegs die historischen Inszenierungen abwerten. Manchmal tut es einfach gut die Gegenwart zurückzulassen und sich in dieser Gegenwelt auf der Bühne oder dem Bildschirm zu verlieren. Dabei möchte ich jedoch anmerken, dass mir die innere Kohärenz bei Opern weit wichtiger ist, als historische Authentizität. Es ist für mich ein bisschen wie mit Trickfilmen: es gibt solche die Handgezeichnet sind (die alten Disneyfilme zum Beispiel) und solche die am Computer 3d animiert wurden (Alles was Disney derzeit an Animationsfilmen produziert). Beide sind schön und gut und können ihre ganz eigenen Probleme und Stärken unabhängig von der Animation haben. Wenn man aber ein 3d Objekt in einen Handgezeichneten Film schlecht integriert, reißt es einen heraus, weil es nicht in dieses Medium, diese Kunstform gehört und man es deswegen bemerkt. Ob die Soldaten in „Carmen“ nun Uniformen aus dem 19. Jh. oder dem spanischen Bürgerkrieg tragen ist mir ehrlich gesagt herzlich wurscht, das würde ich noch nicht mal unter Regietheater fassen. Es würde mich höchstens stören, wenn Don José in einer ansonsten sagen wir 1850ger Kulisse mit einem Cabrio auf die Bühne führe oder sonst wie völlig aus der Zeit fiele.


    Weil es für meine Begriffe in der Oper und in der Musik vor allem um das (Mit)fühlen geht, kann es aber auch möglich sein eine Oper aus dem Blickwinkel einer der Figuren oder aus dem Blickwinkel einer einzelnen Figur zu erleben und uns gänzlich in sie zu versenken. Das kann die Empathie manchmal stärker herausfordern als ein Kostümdrama es vielleicht manchmal könnte.


    Beste Grüße,


    Niklas

  • Weil es für meine Begriffe in der Oper und in der Musik vor allem um das (Mit)fühlen geht, kann es aber auch möglich sein eine Oper aus dem Blickwinkel einer der Figuren oder aus dem Blickwinkel einer einzelnen Figur zu erleben und uns gänzlich in sie zu versenken

    Natürlich stellt sich mir dabei die Frage, was der Komponist / Librettist ausdrücken wollte. Einem Regisseur streite ich das Recht ab, an dieser Schraube zu drehen. Er sollte das Werk der Verfasser auf die Bühne bringen, nicht ein imaginäres Werk seiner Einbildung.

    Oberflächlich gesehen ist es möglich, die Kostümierung zu verändern, abweichend von den Regieanweisungen der Verfasser. Leidet dann aber nicht der Text darunter, wenn man z.B. den Rigoletto ins heutige Mantua verlegt, wenn ein Hofnarr zusehen und helfen muß, wenn seine Tochter entführt wird von braven Bürgern in Jeans? Paßt ein Hofnarr überhaupt in die heutige Zeit? Sollte man Rigoletto überhaupt noch spielen? Oder die Wagneropern, Strauss uva.?


    Sicher mag es Opern geben (z.B. Traviata oder Boheme), die auch heutzutage ins Handlungsschema passen. Ich habe Traviatas gesehen, wo die Ärmste im Krankenhaus starb, mit dem romantischen Töpfchen unterm Bett und mit Beamten im schwarzen Anzug am Bett, die wohl prüften, ob sie eine Patientenverfügung habe. Furchtbar.

    Und ich habe einen Lohengrin gesehen, der in die Zeit zwischen 1989 - 2005 verlegt wurde, wobei im 1. Akt der König Heinrich als Honecker zu sehen war, im 2. Akt als Kohl und im 3. als Merkel. Lohengrin war ein reicher japanischer Investor, als Heilsbringer gefeiert. Daraufhin habe ich mein Theaterabo gekündigt und bis jetzt nicht wieder aufgenommen.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Hier ein kurzer Auszug aus dem Kurier-Interview mit Philippe Jordan, Musikdirektor der Wiener Staatsoper, der offensichtlich auch keine Lust mehr auf Bullshit-Inszenierungen hat.

    Bogdan Roščić zur causa Jordan: "Philippe Jordan und ich haben über meine Pläne zur Führung des Hauses nach 2025 schon im Sommer ausführlich gesprochen. Inhaltliche Bedenken waren dabei kein Thema, er wollte seinen Vertrag gerne verlängern, was mir aber aus anderen Gründen nicht möglich war. Daher möchte ich seine Aussagen nicht weiter kommentieren, das wäre nicht im Interesse der Staatsoper und auch nicht im Interesse von Philippe Jordan."

    (Einschwärzung von mir)

    https://www.wienerzeitung.at/n…esst-Staatsoper-2025.html

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Oberflächlich gesehen ist es möglich, die Kostümierung zu verändern, abweichend von den Regieanweisungen der Verfasser.

    Nein, Bitte nicht. Sooooooo will ich es haben! Dann ginge ich vielleicht auch noch einmal ein eine Wagner Oper .... Den Spaß ließe ich mir nicht entgehen


    Walküre


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    und


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    Die Brünnhilde hat was!


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    aber auch szenische Herausforderungen müssen gemeistert werden .... Das ist so cool, wen interessiert da noch die Musik?



    Walkürenritt 1880


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  • Hallo, astewes, so braucht es nicht zu sein. Aber das ist meine Masche, gesanglich und darstellerisch:


    Die Walküre, Wagner - Wotan's Farewell, James Morris - YouTube


    Die Inszenierung war ja auch von Otto Schenk. Da würde ich auch wieder in die Oper gehen, mit Begeisterung.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Die von astewes abgebildeten Photographien mit den Walküren sind doch herrlich. Und das meine ich durchaus ohne Ironie. Doch "was deutsch und echt, wüßt' keiner mehr".

    Frage am Rande: Wieso sieht man das REGIETHEATERFORUM nicht auf der Hauptseite? Das Problem scheint schon länger zu bestehen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Sicher mag es Opern geben (z.B. Traviata oder Boheme), die auch heutzutage ins Handlungsschema passen. Ich habe Traviatas gesehen, wo die Ärmste im Krankenhaus starb, mit dem romantischen Töpfchen unterm Bett und mit Beamten im schwarzen Anzug am Bett, die wohl prüften, ob sie eine Patientenverfügung habe. Furchtbar.

    Und ich habe einen Lohengrin gesehen, der in die Zeit zwischen 1989 - 2005 verlegt wurde, wobei im 1. Akt der König Heinrich als Honecker zu sehen war, im 2. Akt als Kohl und im 3. als Merkel. Lohengrin war ein reicher japanischer Investor, als Heilsbringer gefeiert. Daraufhin habe ich mein Theaterabo gekündigt und bis jetzt nicht wieder aufgenommen.

    Lieber La Roche,


    Du bist zu bewundern, daß Du so lange durchgehalten hast! Ich habe mein Abo bereits in den 1980er Jahren auslaufen lassen - und werde es wohl in diesem Leben auch nicht mehr erneuern. Vera...... kann ich mich selber!


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Die von astewes abgebildeten Photographien mit den Walküren sind doch herrlich.


    Allerdings. Nur sind sie doch deutlich Kinder ihrer Zeit. Ich würde mir ein solches Spektakel sicher auch anschauen, aber nicht wegen der Musik von Wagner :). Wenn man das heute unvorbereitet so inszeniert, ist doch wohl klar, dass das Ganze zur Lachnummer entartet, weil sich alle vera.... vorkommen! Selbst die Höchstgebildeten, die die Dekoration noch mit den Inszenierungen der Wagnerzeit zusammenbringen können, werden verzweifeln, weil sie nicht verstehen, auf welcher Metaebene der Handlung das Ganze noch rezipiert werden soll. :/


    Doch "was deutsch und echt, wüßt' keiner mehr".


    Zur historischen Echtheit der Kostümierung: (ist jetzt keine Historiker-Quelle, aber für den Anfang reicht es vielleicht)



    Wikinger sollen Helme mit Hörnern getragen haben – so will es zumindest die moderne Vorstellung. Doch entspricht diese nicht der Wahrheit, denn der Hörnerhelm ist eine verhältnismäßig neue Erfindung, die auf den Komponisten Richard Wagner zurückgeht. Der Hörnerhelm tauchte erstmals in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Wagners Opernzyklus “Der Ring des Nibelungen” auf. Wagner wünschte sich ausgefallene Kostüme für seine stundenlangen Opern: Auf der Bühne sahen die Hörnerhelme sehr effektvoll aus. Der Mythos des gehörten Helmes könnte sich jedoch auf die Helme der nordirischen Bronzezeit und des Alten Ägypten beziehen, mit den Wikingern hat diese Helmform jedoch nichts zu tun.

  • Zur historischen Echtheit der Kostümierung

    Dies ist mir durchaus bekannt. Historisch belegbar sind die Helme mit Hörnern im hohen Norden wohl nicht. Freilich ist es aber in meinen Augen kein Automatismus, es deswegen gleich zur Lachnummer zu degradieren. Der Komponist wollte doch keine historischen Wikinger darstellen. Es ist eben Wagner pur, wie er es sich erdachte, und Teil des Gesamtkunstwerkes. Die Kostümierung ist Produkt ihrer Zeit, wie der pathetische Text, den manche ja auch lächerlich finden. Was soll's. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Historisch belegbar sind die Helme mit Hörnern im hohen Norden wohl nicht. Freilich ist es aber in meinen Augen kein Automatismus, es deswegen gleich zur Lachnummer zu degradieren. Der Komponist wollte doch keine historischen Wikinger darstellen.

    Sorry, so hatte ich das nicht gemeint.


    Aber ich bin überrascht, dass Dir das Unzeitgemäße einer solchen Inszenierung nicht auffällt. Das hat jetzt mit der historischen Korrektheit der Kleidung nichts zu tun. IMO kannst Du so etwas im richtigen Kontext natürlich noch inszenieren, aber ich denke, dass die Besucher dann schon sehr eigenwillige Wagnerianer sein werden.

  • Es ist eben Wagner pur, wie er es sich erdachte, und Teil des Gesamtkunstwerkes. Die Kostümierung ist Produkt ihrer Zeit, wie der pathetische Text, den manche ja auch lächerlich finden. Was soll's. ;)

    Mein Humor scheint schwer verdaulich zu sein. Das ist mir leider schon einmal an anderer Stelle aufgefallen. Ich bin ein großer Verfechter der Haltung "ein jeder nach seiner Façon". Also erst einmal nichts für ungut ...


    Es geht hier ja nicht um das, was einem persönlich so gefällt, sondern darum, wie man die Opernhäuser vollkriegt. Mit Bayreuth mag das einfacher sein, weil wahrscheinlich über die Hälfte der Besucher kein Interesse an der Musik hat, sondern anders motiviert zu sein scheint. Davon aber abgesehen gibt es ja noch andere Opernhäuser.


    Was ich mit meinem Beispiel zeigen wollte, (ist bei Dir ja herzlich mißglückt) ist, dass jede Übertreibung (historische Genauigkeit und wahrscheinlich ebenso in die andere Richtung) schnell zur Karikatur gerät. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich die hier häufig beschimpften Regietheaterinszenierungen gar nicht kenne (oder sie mir nie aufgefallen sind als solche) , so dass ich zu denen nichts sagen kann.


    Dass man nun den Wunsch hegt, die Oper so zu inszenieren, dass auch ein musikalisch eher Ungebildeter an ihr Freude haben mag, kann ich leicht nachvollziehen. Natürlich darf das nicht die Oper deformieren, weil ja schon musikalischer Gehalt und szenische Handlung aufeinander abzustimmen sind. Im Konfliktfall ist für mich immer die Musik das Maßgebende. Da ist für mich auch schon Schluss! Ich kann an vielem hier Geäußerten nicht nachvollziehen, ob ich Argumente höre oder einfach nur einen zum Teil aggressiven Unmut, dass man eine Oper hat ertragen müssen, die man so inszeniert nicht mag ...


    Ich habe mittlerweile gelernt, dass mir das von mir hochgeschätzte demokratische Prinzip in vielen Situationen die Akzeptanz von Dingen abverlangt, die ich nie und nimmer so gestalten würde .... Also ... was soll's? :)


  • Aber ich bin überrascht, dass Dir das Unzeitgemäße einer solchen Inszenierung nicht auffällt.

    Dies ist mir nicht entgegen, lieber astewes. Für mich stellt das Unzeitgemäße erst einmal nichts Negatives dar. Bruckner etwa nannte sich einen eben solchen Unzeitgemäßen. Diese Geisteshaltung ist mir persönlich nicht unsympathisch. Vermutlich habe ich deswegen auch eine ehrliche Schwäche für dergleichen wie eine vorgestrige Wagner-Inszenierung. Ich würde freilich keineswegs erwarten, dass dies allgemein nachvollzogen wird. Beim Bonmot des Alten Fritz stimme ich daher sehr gerne überein: Suum cuique. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Für mich stellt das Unzeitgemäße erst einmal nichts Negatives dar.

    Lieber Joseph II. für mich ist dieser Begriff auch nicht negativ konnotiert. Ich bin mittlerweile ein Reger Fan, ein Komponist, der am Anfang des 20. Jahrhunderts seine stärksten Impulse aus Bachs Musik zu ziehen wusste.


    Ich bin auch nicht der Meinung, dass die Mehrheit immer recht hat...Gott behüte!


    Aber wenn man nun ein Publikum für die Oper begeistern möchte, gerade ein jüngeres, was vieles nicht in der Schule gelernt hat, was vielleicht vor 50 Jahren noch üblich war, sollte man vielleicht die Hürden nicht allzu hoch legen, solange sie nicht in der Musik selbst begründet sind.


    Beim Bonmot des Alten Fritz stimme ich daher sehr gerne überein: Suum cuique. ;)

    Du kannst es zuordnen, wie schön. Bruno Frank "Die Tage des Königs" war mein erstes nicht Kinder-Buch, was ich lesen durfte, mein erster Griff in den Schrank der Erwachsenenliterartur sozusagen.

  • Allerdings. Nur sind sie doch deutlich Kinder ihrer Zeit. Ich würde mir ein solches Spektakel sicher auch anschauen, aber nicht wegen der Musik von Wagner :). Wenn man das heute unvorbereitet so inszeniert, ist doch wohl klar, dass das Ganze zur Lachnummer entartet, weil sich alle vera.... vorkommen! Selbst die Höchstgebildeten, die die Dekoration noch mit den Inszenierungen der Wagnerzeit zusammenbringen können, werden verzweifeln, weil sie nicht verstehen, auf welcher Metaebene der Handlung das Ganze noch rezipiert werden soll. :/

    Glaube ich nicht, mit "Barockoper" funktioniert das ja auch und Neuschwanstein ist Tourismusmagnet und die Touristen gehen nicht hin um sich totzulachen.

  • Übrigens ist seit 20 Jahren "Herr der Ringe" eine Erfolgsgeschichte auf den Kinoleinwänden und Fernsehern. Das weibliche Schönheitsideal hat sich halt verändert seit 1880, die Damen müssten etwas anders aussehen, aber an den Rüstungen und ihrer Realitätsferne hat sich nicht so viel verändert. Inwiefern sind Gandalf und Sauron weniger lächerlich als Wotan und Alberich?