Traviata am 7.12.2013 aus der Scala auf arte

  • An anderer Stelle wurde schon darauf hingearbeitet, Inszenierungen sachlich zu analysieren und zu kommentieren. Es bietet sich an, am 7.12.2013 um 20.15 Uhr die Aufzeichnung der neuen Traviata zur Saisoneröffnung der Scala dazu zu benutzen.


    Die Inszenierung wird sicher von den Solisten leben. Diana Damrau wird die Violetta sein, Pjotr Beczala singt den Alfred, Zelko Ljucic den Georg Germont. Gesanglich sind die Voraussetzungen für einen schönen Abend gegeben.


    Regie führt Dmitri Tscherniakow, schon mehrfach ausgezeichnet für herausragende Operninszenierungen. Auf seine Kappe gehen u.a. der "Don Giovanni" in Aix, "die Zarenbraut" im Berliner Schillertheater, die "Katja Kabanowa" und "Jenufa" in Zürich und der "Simone Boccanegra" in München. Ich enthalte mich bis zur Aufführung jeder Vorverurteilung. Lassen wir sie erst einmal los. Ich hoffe auf eine zahlreiche und sachliche Diskussion.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Regie führt Dmitri Tscherniakow, schon mehrfach ausgezeichnet für herausragende Operninszenierungen. Auf seine Kappe gehen u.a. der "Don Giovanni" in Aix, "die Zarenbraut" im Berliner Schillertheater, die "Katja Kabanowa" und "Jenufa" in Zürich und der "Simone Boccanegra" in München. Ich enthalte mich bis zur Aufführung jeder Vorverurteilung. Lassen wir sie erst einmal los. Ich hoffe auf eine zahlreiche und sachliche Diskussion.


    La Roche


    Da ich mehrere Inszenierungen von Herrn Tsherniakov bereits live in München (Chowantschtschina, Carmélites und im Sommer den Boccanegra), sowie auf DVD (Don Giovanni, Macbeth) gesehen habe, kann ich nur mehr mit gemischten Gefühlen auf diese Übertragung blicken. Neben den üblichen Aktualisierungen, scheut sich Herr Tsherniakov, der nur Russisch spricht (wie soll das mit einer Italienischen Oper funktionieren???), nicht, in die Handlungsstränge oder auch in die Musik einzugreifen. Die zahlreichen Preise, die er erhalten hat, fallen einmal mehr in die Kategorie Regietheater-Propaganda.
    Der Simon Boccanegra war eine der schlchtesten Inszenierungen, die ich je in München durchleiden musste....
    Dennoch gebe ich die Hoffnung nicht auf, und zähle auf die Vernunft dieses Herrn, zumindest im Herzen der Italienischen Oper, an der Scala, auf Regietheater zu verzichten....


  • La traviata - Giuseppe Verdi
    Dirigent: Daniele Gatti
    Staging e sets: Dmitri Tcherniakov
    Costumes: Elena Zaytseva
    mit:
    Violetta Valery - Diana Damrau
    Flora Bervoix - Giuseppina Piunti
    Annina - Mara Zampieri
    Alfredo Germont - Piotr Beczala
    Giorgio Germont - Željko Lučić
    Gastone - Antonio Corianò
    Barone Douphol - Roberto Accurso
    Marchese d'Obigny - Andrea Porta
    Dottor Grenvil - Andrea Mastroni
    Giuseppe - Nicola Pamio
    u.a.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Die Kostüme des Chores sind ja wieder mal aus der Altkleidersammlung und das Spiel zum Teil wieder gegen die Musik... Bin ich der Einzige, den die Sänger auch nicht vom Hocker reißen?

  • Die Kostüme des Chores sind ja wider mal aus der Altkleidersammlung und das Spiel zum Teil wieder gegen die Musik... Bin ich der einzige den die Sänger auch nicht vom Hocker reißen ?


    Nee, bist du nicht. Die gesanglichen Freiheiten, die Frau Damrau sich herausnimmt, sind so gar nicht mein Geschmack. Von den schrecklichen Sängern der Nebenrollen auf Provinzniveau ganz zu schweigen. Traviata sieht aus wie eine ältliche Puffmutter der Zwanziger Jahre, könnte glatt als Alfredos Mutter durchgehen, und Alfred backt Kuchen bei "Dei miei bollenti spiriti". Mit dem Nudelholz sollte er vielleicht mal lieber den "Regisseur" bearbeiten.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Hallo,


    wer hat denn - haha - schon mal - haha - ein Interview - haha - mit Frau Damrau - haha - gehört?


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Schon die Meinung der Frau Gerlach, daß es eine zeitlose Liebesgeschichte ist, ließ schlimmes erwarten. Daß sie Ouvertüre und Vorspiel bei ihrer Ansage verwechselte, kann man ihr verzeihen, sie ist ja nicht vom Fach.


    Schon das Bühnengeschehen während des Vorspieles hat mich gestört. Die Klamotten - wie schon gesagt - Altkleidersammlung, wie in den 1920-ern im 1. Akt. Das Trinklied total ohne Schwung, das gibt jedes Provinz-Feuerwehrorchester besser. Es gab ja auch keinen Beifall. Die Personenregie im 1. und 2. Akt - niveaulos. Zielloses umherrennen, der Chor macht beim Trinklied Gymnastik. Im gesamten 1. Akt ist Diana Damrau schwach, darstellerisch zickig. Beczala ist gut, mehr nicht. S´ist seltsam - seltsam schwach, darstellerisch und auch gesanglich. Ekelhaft die Annina mit Zigarre. Auch die gewählten Tempi von Gatti sind gewöhnungsbedürftig. Dennoch rufen einige Claqueure nach dem 1. Akt Bravo.


    Das Bühnenbild im 2. Akt ist nicht in der Dumas-Zeit - ist eben zeitlos. Daß Alfred beim Singen Kuchen bäckt, ist neu. Seine Stretta war ganz gut , aber vor der Wiederholung kam es mir vor, als wenn ich einige Töne (etwa 2 Takte ) noch nie gehört hätte. Damrau ist gesanglich im 2. Akt deutlich besser, aber darstellerisch hat der Regisseur es ihr nicht gestattet, Mitgefühl aufkommen zu lassen. Es springt kein Funke über. Kein Vergleich mit Freni, Gheorghiu oder Netrebko. Liegt vielleicht auch an der albernen Kleidung. Lucic war die blanke Enttäuschung, auch der Dirigent hat mich nicht überzeugt. Einige Male sind die Sänger sogar aus dem takt gekommen. Hat Dein heimatliches Land fand ich nicht nur schwach gesungen, sondern auch viel zu schnell. Daß Alfred vor lauter Verzweiflung Kuchen ausrollt und Gemüse schneidet, das ist toll.


    Morgen früh weiter . Bisher eine Riesenenttäuschung. Das ist die Scala? Traurig.


    La Roche.

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Die ganze Inszenierung hatte den Charme einer Aufführung im Kölner Millowitsch Theater. Im zweiten Akt hab ich mich auch gefreut, weil ich dachte, Willy Millowitsch würde auf die Bühne kommen, dabei war es Herr Lucic. Die Sänger sangen der Inszenierung angemessen: langweilig. Das Mailänder Publikum scheint wohl doch Sachverstand zu haben und buhte das Regieteam aus. Frau Zamperi hat man auch noch mal ihr Gnadenbrot gegeben und sie durfte als Ananina auftreten. Dabei sah sie eher aus wie Marie Luise Nikuta und ich hab immer gedacht, wann singt sie denn das Mottolied der diesjährigen Karnevalssaison. Der Dirigent Daniele Gatti ist ja nicht grade als begnadeter Verdi Dirigent bekannt und mir scheint es, als ob er Verdi mit Wagner verwechselt, was die Tempi angeht. Wer für die Kostüme, vor allem die von Frau Damrau verantwortlich war, der müsste Berufsverbot auf Lebenszeit bekommen.

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  • Leider habe ich (wie üblich) den Beitrag von Zweiterbass nicht verstanden, bzw. was er hier bezweckte.
    Da ich mit LaRoche absolut einverstanden bin, möchte ich den Beitrag nicht verdoppeln, bis auf eine kleine unwesentliche Korrektur: Alfredo bäckt keine Kuchen, sondern macht Pastateig. Was das allerdings mit der Traviata zu tun hat, blebt mir unerklärlich, ebensowenig wie die Problematik des Germont in der heutigen Zeit Bestand haben sollte.
    Von den Sängern beeindruckt mich höchstens Beczala, aber ohne mich zu berühren.
    Aber vielleicht liegt es daran, dass ich von Gianni Raimondi bis Alfredo Kraus viele Alfredos live erlebt habe.

  • Alfredo bäckt keine Kuchen, sondern macht Pastateig. Was das allerdings mit der Traviata zu tun hat, blebt mir unerklärlich


    di pasta simile son tutti quanti


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Ic h habs bis zum Ende geschafft. In 3. Akt fand ich die Indianer toll, war ein schönes Kostüm, auch die große Schleife im Haar paßte zur Inszenierung. Wieso eigentlich tänzelt die Violetta noch um den Alfred rum, nachdem er sie zu Tode beleidigt hat? So richtig hat das keiner verstanden, der dünne Beifall war entsprechend.


    im 4. Akt dachte ich erst, daß Violetta besoffen stirbt, aber dann hat man ihr doch noch eine äußerst lebhafte Schwindsucht gegönnt. Für ein Bett hats nicht gereicht.


    Es war eine Oper ohne positive Emotionen. Klamauk, schwach. Die Sänger nicht berauschend. Erstaunlich fand ich, daß Beczala ausgebuht wurde, ich fand ihn recht gut. Die Ovationen für Damrau haben mich gefreut und überrascht. Für Luciv hatte ich Mißfallen erwartet. Daß Gatti ausgebuht wird, war mir klar. Zu viele Tempi waren nicht nachvollziehbar, zu viele schwache Einsätze hat er zugelassen. Gefreut hat mich der Buhorkan gegen die Regie, endlich auch einmal im Fernsehen zu erleben.


    Das war Traviata zum Abgwöhnen. Die von mir bisher nicht geliebte Salzburger Bahnhofsuhr Traviata mit Netrebko und Villazon war um Klassen besser.


    Gute Nacht, Mailand.


    PS - das Beste am heutigen Abend war der Sieg der Bayern in Bremen. Er war nur zu knapp.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Die von mir bisher nicht geliebte Salzburger Bahnhofsuhr Traviata mit Netrebko und Villazon war um Klassen besser.


    Ich hoffe, daß alle das lesen - es enthält eine tiefe Wahrheit!


    :hello:

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  • Ja ich sehe es auch so: rundum enttäuschend und austauschbar. Piotr Beczala der einäugige unter den Blinden, Frau Damrau empfand ich als ziemlich Fehlbesetzt, Herr Lucic auch nicht mein Fall. Das Dirigat indiskutabel. Die Inszenierung einfach nur langweilig und hässlich. Die Ballkleider eine Schande, der Tiefpunkt Floras Indianerkostüm. Viel unfreiwillige Komik, viel ablenkender Schmarren, nicht mal ein Bett hatte man Violetta zum Sterben gegönnt... Das Regietheater ist an der Scala angekommen!

  • Mit der Inszenierung konnte ich mich durchaus anfreunden. Ich hatte Schlimmeres erwartet. Damrau gefiel mir recht gut als Violetta, aber schwindsüchtig kam sie mir bis zum Ende nicht vor. Beczala klingt einfach zu lieb. Emotionen konnte er in mir nicht hervorrufen.


    :hello:
    Jolanthe

  • Bei so viel (ätzendem) Sachverstand enthalte ich mich besser jeglichen Kommentares


    Schade. Deine Meinung wäre hier wichtig und interessant.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Diana Damrau fand ich vokal sehr beeindruckend, und sie hat mich mit ihrem Gesang wahrhaft berührt. Dass man diese eigentlich durchaus attraktive Frau, wie auch bei den Contes d' Hoffmann in München, dermaßen durch häßliche Kostüme verunstaltet, ist schade. Warum darf eine verführerische, attraktive Frau nicht auch einfach nur verführerisch und attraktiv sein? Warum zwängt man sie in wurstpellenartige oder sackartige Kostüme?
    Hier sah sie teilweise vom Kostüm her aus wie Witwe Bolte. Dabei hat sie sehr gut gesungen.
    Piotr Beczala hat nicht ganz die Strahlkraft und das Volumen bringen können, das ich von ihm gewohnt bin, jedoch fand ich es ungerechtfertigt, ihn am Ende auszubuhen.
    Zeljko Lucic hat mir eigentlich auch gut gefallen; Respekt, wie er trotz Beczalas überdrehter, zappeliger Kochfreakshow noch seine Arie gemeistert hat.
    Gattis Tempi haben mich stellenweise auch nicht ganz überzeugt, ansonsten fand ich seine Leistung aber durchaus ansprechend.
    Dieses hektische Gemüsegeschnippel fand ich auch eher unfreiwillig komisch; dieser und ähnliche Regieeinfälle trugen meines Erachtens nicht. Zwar fand ich manche Elemente der Konzeption im Bereich der Personencharakterisierung durchaus interessant und unkonventionell, vieles, allzu vieles erschien mir jedoch halbgar, hölzern und abstrus. Schade, eine verpasste Chance.
    Und die bereits erwähnte clowneske Kostümierung, die irgendeine disparate Mischung unterschiedlicher Zeitepochen darstellte, hat mich ebenfalls gestört.
    Jedenfalls war die Missfallenskundgebung des Publikums nicht zu überhören, aber dennoch werde ich mir diese Traviata bestimmt noch öfter anhören.

  • Mit der Zeitverschiebung in die 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts kann ich mich noch abfinden, auch wenn sich mir nicht so recht erschlossen hat, was Winnetou auf Floras Ball zu suchen hat, und auch das Bühnenbild war noch gerade so erträglich - da hatten wir schon Schlimmeres(Bahnhofsuhr, Rummelplatz etc.) Viel schlimmer fand ich, dass die Personenführung weitgehend im direkten Gegensatz zur Musik stand. Im Interview sagte ein Protagonist - ich glaube es war Herr Beczala, der neue Ansatz bestehe darin,dass sich die Personen nicht getrauen, sich aufeinander einzulassen. Aber Verdis Musik sagt genau das Gegenteil, und eben daran leiden ja die Hauptpersonen.


    Obendrein wirkte Diana Damrau bis zu ihrem Bühnenableben sowohl darstellerisch wie gesanglich kerngesund. Auch habe ich weder verstanden, wieso sie im ersten und dritten Bild in Gewändern herumlaufen musste, die Nachthemden verzweifelt ähnlich sahen, wieso die Arme im letzten Bild auf dem Fußboden schlafen und wieso sie sich im zweiten Bild in einen Landtrampel verwandeln musste. Was das Gesanglich angeht, schließe ich mich meinen Vorrednern an - ordentlich gesungen, aber langweilig. Vor allem das "amami Alfredo" verfehlte seine Wirkung völlig.


    Piotr Beczala sang ebenfalls ordentlich, ohne dabei einen großen Eindruck zu hinterlassen. Die Missfallensbekundungen des Publikums führe ich darauf zurück, dass er am Ende der Cabaletta nach seiner Arie der hohen Ton ausgelassen hat. Er tat allerdings sehr gut daran, denn ich hatte den Eindruck, dass er während der Cabaletta ohnehin schon zu kämpfen hatte.


    Germont Pére hat keinen sonderlichen Eindruck hinterlassen.


    Sopviel für heute.


    LG


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

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  • Ich hatte Schlimmeres erwartet.

    Es gibt immer Schlimmeres. Aber: Ist das zielführend, vor allem bei so einem Haus? Wie tief sollen die Maßstäbe denn noch angelegt werden? Sind wir irgendwann froh und dankbar, dass die Sänger noch angezogen sind?



    Die von mir bisher nicht geliebte Salzburger Bahnhofsuhr Traviata mit Netrebko und Villazon war um Klassen besser.

    Was aber auch nur der Wahl zwischen Pest und Cholera gleichkäme. Man könnte höchstens sagen, dass Netrebko in der Inszenierung nicht wie Alfredos Mutter wirkte. Das reicht aber noch lange nicht.



    Mme Cortese schrieb:

    Zitat

    Die Missfallensbekundungen des Publikums führe ich darauf zurück, dass er am Ende der Cabaletta nach seiner Arie der hohen Ton ausgelassen hat. Er tat allerdings sehr gut daran, denn ich hatte den Eindruck, dass er während der Cabaletta ohnehin schon zu kämpfen hatte.

    Ist auch so! Er wirkte unglaublich angestrengt, wahrscheinlich wäre ihm der Ton weggebrochen. Da sind die Italiener dann sehr streng. Wobei sie den unterirdischen Telramund vom vorigen Jahr relativ klaglos akzeptiert haben. Der hätte auch einige Buhs verdient gehabt.
    Andererseits ist es auch fraglich, ob Alfredo Kraus solche Spitzenleistungen hätte abliefern können, wenn er während seiner Arie einen solchen Schwachsinn hätte veranstalten müssen. Der Unterschied zu Pjotr Beczala ist: Kraus hätte so etwas abgelehnt. In der finanziellen Lage dazu sind/waren beide.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Sagitt meint:


    an anderer Stelle hatte ich einen kleinen Beitrag geschrieben, nach dem ersten Akt. Das forum ist ja für seine Qualitäten bekannt.
    Die Konzeption des dritten Aktes fand ich nicht überzeugend. Die Musik drückte anderes aus als das, was wir sahen. Ein vollkommen überforderter Alfredo, auf Distanz.


    Frau Damrau hat ein optisches Handicap, aber sängerisch gehört sie zu den derzeit Besten. Beczala war aufgrund der Regiekonzeption an tiefger Zuneigung zu Violetta gehindert. Sicher kennt man die Garde herrlicher Alfredos. Aber welcher Sänger, Sängerin ist dem heute vollkommen gewachsen?


    Die genannten Sänger fand ich beeindruckend, ah, dite alle .. geriert der Damrau schon anrührend. Ebenso die Verzweiflung, zu früh sterben zu müssen...leider sah es gar nicht danach aus...wir denken an die Uraufführung zurück...gab es da nicht ein vergleichbares Problem?

  • Ihr Lieben
    Ihr habt ja schon das Wesentliche gesagt, da bleibt mir nicht viel zu ergänzen.
    Ich habe mich auf diesen Opernabend gefreut, denn die Traviata ist eine meiner Lieblingsopern. Wenn ich mal von der Backstube mit den dortigen Handlungen absehe, war das Bühnenbild mit den Kulissen zu akzeptieren. Jedenfalls besser als die berühmte "Bahnhofsuhr und das Sperrmüllsofa". Die Klamotten und Frisuren der Akteure erinnerten irgendwie an ein Ballhaus der Zwanziger Jahre. Besonders schlimm der "Rotschopf mit dem Poncho" im letzten Akt. Die Personenführung konnte ich größtenteils nicht nachvollziehen. Vieles wirkte zu aufgesetzt, zu übertrieben. Besonders toll war der eine mit den konvulsivischen Zuckungen oder Veitstanz beim Trinklied. Apropos "Trinken" - ich habe es geahnt, im letzten Akt säuft Violetta aus der Schnapsflasche. Ins Nachhinein ist Alfredos Backübung wohl zu erkären. Wenn ich es richtig erkannt habe, bringt er doch im letzten Akt neben Blumen seiner Violetta eine große Schachtel mit. Ich meine da "Windbeutel" erkannt zu haben. Grandiose Idee!
    Ja und zu den drei Solisten des Abends. Es wurde gut gesungen, ja, gut - nicht mehr und nicht weniger. Es kam kein Gefühl, keine Wärme rüber. Selten hat mich eine Interpretation weniger berührt, so kalt gelassen wie heute bei "Dite alla giovine". Noch schlimmer war das Verlesen des Briefes "Teneste la promessa". Wie einmalig großartig ist da "Mirella Freni".
    Am Schluß schien es mir als wollten Violetta und Alfredo aufeinander losgehen, sich fast hauen.
    Ne, ne, Ihr Lieben. Das hat mich nicht vom Sitz gerissen und die mehr als deutlichen Buh- Rufe für die Regie absolut berechtigt.
    Ich bin in meinem heimatlichen Theater in diesem Jahr kurz hintereinander zweimal in unserer Traviata gewesen. Einer der Hauptgründe dafür war die Sopranistin Antje Bitterlich, die gastweise bei uns gesungen hat. Wenn ich ehrlich bin, wegen Frau Damrau ging ich nicht zweimal.
    Ich wünsche Euch allen eine Gute Nacht und sende herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Wenn man bedenkt , wie diese Oper früher das Publikum zu Tränen gerührt und erschüttert hat und dann an der Mailänder Scala (das ist nicht das Stadttheater von Hintertupfing!) froh sein muss, dass nichts noch Schlimmeres passiert ist, dann sollte auch dem Letzten klar sein, dass in der heutigen Opernwelt gehörig was falsch läuft!
    Und: es war nicht die erste völlig Versemmelte Eröffnungs-Premiere an der Scala: Man erinnere sich an Don Giovanni 2011 oder den Lohengrin letztes Jahr....

  • (Ergänzend zu m. Btr. 23):

    Frau Damrau hat ein optisches Handicap, aber sängerisch gehört sie zu den derzeit Besten.

    Das will ich nicht unbedingt bestreiten. Aber als Violetta fehlt ihr nach m. M. jegliches Gefühl, sie strahlt keine Wärme aus. Sie singt die Noten recht gut, aber sie berührt einen nicht, im Gegensatz zu Freni und Callas.
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Es schien sich ja zunächst gut anzulassen. Wenigstens konnte man annehmen, dass die Kulisse die richtigen Orte der Handlung darstellt. Die Kostüme hätten mich noch nicht einmal arg gestört, da die Traviata nicht unbedingt - wie andere Stoffe, die in der Historie spielen - so sehr zeitgebunden ist.
    Was aber dann folgte, war viel Klamauk und wohl kaum im Sinne Verdis zu werten. Es begann schon mit der Trinkszene. Die Szene nach dem Abschied Alfreds, die eigentlich Violetta allein gehört, wurde durch die Anwesenheit dieser poppigen Annina, die ständig irgendwelche Grimassen zu dem Gesagten schneiden musste und dazu noch gar eine Zigarre rauchte, an der Violetta auch mal probieren durfte, arg gestört. Brauchte die Damrau sie als Spielzeug, weil sie die Szene nicht allein gestalten konnte? Schließlich der Abschied der Gäste mit den konvulsivischen Zuckungen der verschiedenen Figuren, die an eine billige Show erinnerten. Alles sehr laienhaft.
    Auch der zweite Akt konnte durchaus in dieser Kulisse spielen, aber schon die Kochshow passte nun überhaupt nicht hinein. Auch hier musste die Figur des Dieners Josef alles abnicken, was Alfred von sich gab und sie musste auch während der gesamten Szene zwischen Vater und Sohn ständig im Hintergrund stehend oder sitzend mit dabei sein. Warum eigentlich?
    Warum Alfred im dritten Akt schon von Anfang an dabei sein musste und gehänselt wurde (nach Libretto tritt er erst in der Mitte des Aktes auf) erschloss sich mir auch nicht. Zwar gab es diesmal wenig Nacktheit, aber einmal konnte der Regisseur doch nicht ganz darauf verzichten, als er den Diener, der das Essen ankündigte, wenigstens halbnackt auftreten ließ, was wohl garnicht in die Gesellschaft passte. Ob die Lichtausfälle gewollt waren oder ob es sich wohl um Stromausfälle handelte?
    Der vierte Akt entsprach in meinen Augen keineswegs den Intensionen Verdis. Die eigentlich Liebenden wurden auf Distanz gehalten. Alfred nahm man die Reue nicht ab, und statt dass sich die Liebenden nun in die Arme fielen, stießen sie sich gegenseitig ab. Violetta hatte sicher auf dem Fußboden so gut geschlafen, wie sie vorgab. Betten sind ja bei der Oper schon länger nicht mehr die Mode. Sie fällt auf dem Stuhl tot zurück (das Libretto sieht beim Tod tatsächlich einen Lehnstuhl vor). Aber Alfred, der alte Germont und der Doktor stehen weit entfernt und schauen nur dumm zu. Dann werden sie von der Karnevalsfigur Annina verjagt.
    Alles im allem wohl kaum eine der Scala würdige Inszenierung, die man schnell vergessen sollte. Erfreulich ist, dass die Gäste der Scala das auch nicht hinnehmen wollten und die Buhrufe für den Regisseur drangen, trotz der quasselnden Ansagerinnen doch schon recht heftig durch.
    Warum Beczala ausgebuht wurde, habe ich auch nicht verstanden. Stimmlich und darstellerisch am besten gefiel mir jedoch der alte Germont.
    Nun bin ich sehr gespannt auf die Stellungnahmen und Erläuterungen der Befürworter zur Qualität dieser Aufführung. Aber, wie ich nachträglich schon an einer Stelle gesehen habe, lehnen sie wieder einmal eine konkrete Stellungnahme ab.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Warum Beczala ausgebuht wurde, habe ich auch nicht verstanden.


    Das habe ich vergessen zu schreiben. Da hast Du recht, lieber Gerhard. Das habe ich auch nicht verstanden. Das hat er nicht verdient. Er hat einen vielleicht nicht unbedingt vom Sitz gerissen, aber seine Leistung war auf alle Fälle akzeptabel.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Die Kostüme hätten mich noch nicht einmal arg gestört, da die Traviata nicht unbedingt - wie andere Stoffe, die in der Historie spielen - so sehr zeitgebunden ist.

    Doch, ist sie. Gerade die Traviata. La Traviata alias La dame aux camélias alias Marie Duplessis. Man kann die Oper auch in gewisser Weise als Hommage an Giuseppina Strepponi auffassen, die zusammen mit Verdi im doppelmoralischen Busseto wegen ihrer "wilden Ehe" geächtet wurde. In der Szene zwischen Germont père und Alfredo ist viel Biographisches; wegen Giuseppina hatte Verdi zeitweise gar keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern und verkehrte mit seinem Vater nur noch über einen Anwalt (!).



    Zitat

    Warum Beczala ausgebuht wurde, habe ich auch nicht verstanden. Stimmlich und darstellerisch am besten gefiel mir jedoch der alte Germont.

    Weil er seine große Szene im 2. Akt gerade mal so geschafft und das C weggelassen hat. Ok, das haben vor ihm auch andere getan, aber die haben sich dann nicht noch bereitwillig als verunglückte Teigausroller betätigt. Er war ok, mehr auch nicht, und sang über weite Strecken äußerst undifferenziert. Und das reicht bei einer solch bekannten Oper nun mal nicht aus. Wie ich schon schrieb, bei Wagner sind die Italiener teilweise "gnädiger", weil sie es eher als sportliche Leistung auffassen und - zumindest die Mehrheit des Publikums - die Werke auch nicht so eingehend kennen. Anders kann man sich nicht erklären, dass ein dermaßen unsauber und stilistisch katastrophal singender Telramund wie im letzten Jahr so ungeschoren davongekommen ist. Wenn man das in Relation setzt, hat Beczala natürlich zumindest gesanglich kein Buh verdient. Aber seit wann ginge es an der Scala gerecht zu! Da sind schon ganz andere Größen wegen kleinster "Vergehen" gnadenlos abgestraft worden.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • In dem Zusammenhang hat mich erstaunt, dass laut Aussage der Moderatorin damals ja Mirella Freni als Traviata ausgebuht wurde, bevor sie dann in London in dieser Rolle reüssieren konnte. Weiß jemand, warum Mirella Freni damals so negativ bewertet wurde vom Publikum? Hatte sie tatsächlich so schlecht gesungen? War der Nimbus von Maria Callas noch zu stark, die Zuhörerschaft noch nicht bereit für eine andere Interpretin?

  • Weiß jemand, warum Mirella Freni damals so negativ bewertet wurde vom Publikum? Hatte sie tatsächlich so schlecht gesungen?


    Ich könnte mir vorstellen, dass es daran lag, weil sie das Es in ihrer Stretta normalerweise wegließ. Und - da hast du ganz recht - in die Callas war die Scala geradezu vernarrt, der hat man damals auch so manchen schlimmen Ton verziehen. Man höre einfach mal den "Poliuto" von 1960 - da bietet sie neben schönen Resten wirklich nicht mehr viel und ist Corelli und Bastianini eindeutig nicht mehr ebenbürtig, wird aber am frenetischsten gefeiert. Wie gesagt - Gerechtigkeit im Bezug auf Sänger ist an der Scala so eine Sache. Aber Augen haben sie wenigstens im Kopf und wissen, wie man mit einem "Regisseur" dieser Couleur umgeht. Nutzen tut das aus bekannten Gründen selbstverständlich gar nichts.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

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