Auf diese Carmen-Serie hatte ich mich schon lange gefreut, obwohl das Werk nicht unbedingt zu meinen Lieblingsopern zählt. Schon Ende der letzten Woche hatte ich die Befürchtung, dass ich allenfalls eine von drei gekauften Aufführungen würde besuchen können. Dass es mit der Schließung aller Häuser jedoch so schnell gehen würde, hatte ich nicht gedacht. Immerhin kam ich nun einmal in den Genuss dieser Carmen. Vor der Aufführung war alles wie immer. Natürlich gab es Pausengespräche zur aktuellen Lage, aber keine Ansage des Hauses. Diese hat dann wohl der GMD nach der Vorstellung gemacht, als ich schon auf dem Heimweg war.
Diese Aufführung war nicht nur etwas Besonderes, weil es die letzte für mindestens einige Wochen war, sondern weil Anita Rachvelishvili die Titelpartie derart vielschichtig, brillant, charmant und souverän gesungen hat, dass ich mich an keine bessere Carmen erinnern kann. Christiane Karg hat die Micaëla wunderschön gesungen. Dass die Partie für sie grenzwertig ist, fiel nicht besonders ins Gewicht. Weniger gefreut hatte ich mich nach seinem Rigoletto-Herzog auf Michael Fabiano. Die Aussicht auf drei Abende erschien nicht gerade verlockend. So schlimm war es indes nicht. Die Freude an seiner schönen Stimmfarbe überwog für mich die vokalen Mängel. Stimmlich ist er kein Feinmotoriker. An hohe Töne schummelt er sich an Bravour ran. Auch die französische Sprache passt nicht unbedingt zu ihm. Insgesamt konnte ich aber ganz gut damit leben, weil das Gesamtpaket einigermaßen gestimmt hat. Lucio Gallo hat als Escamillo eine ideale Figur abgegeben. Leider gilt das nicht für seinen Gesang. Er hatte sicher ein paar starke Momente, aber da die Stimme null Charme versprüht, war er im Prinzip eine Fehlbesetzung. Da ich Gallo insgesamt sehr schätze, freue ich mich dennoch, ihn in dieser Rolle erlebt zu haben. Adam Kutny fand ich als Moralès etwas grobschlächtig. Die Damen Alyona Abramova (Frasquita) und Serena Sáenz (Mercédès) wollten mit aller Macht zeigen, dass sie in ihren knappen Outfits nicht nur gut aussehen und für jede Menge Wirbel auf der Bühne sorgen können, sondern auch stimmlich mithalten können. Gesanglich haben mich die Damen weniger vom Hocker gerissen. Das habe ich zuletzt in der Bismarckstr. homogener gehört. Der zweite große Trumpf der Aufführung war Daniel Barenboim mit seiner Staatskapelle. Er ließ das Werk in einer Farbenpracht erklingen, dass man Lust auf mehr bekommen könnte. Eines packendes Dirigat einer insgesamt sehr lohnenswerten Aufführung.