Knappe 115 Jahre nach der Uraufführung in New York schaffte es das puccinische Tryptichon in seiner Gesamtheit endlich an die Wiener Staatsoper – und wenn man die drei Kurzopern gesondert betrachtet kann man durchaus nachvollziehen, dass zuvor nur „Gianni Schicci“ am Haus am Ring aufgeführt wurde.
Puccini wollte an einem Abend ein tragisches, ein lyrisches und ein heiteres Stück kombinieren – ohne diese auch nur von der Handlung her im Geringsten miteinander in Verbindung zu bringen. Dass er mit „Schicci“ das Stück, das zumindest eine Arie beinhaltet, zum Schluss ansetzte, zeigte die „Theaterpranke“ des Komponisten, da dieses das Publikum dann mit einem heiteren Grundton (sofern das bei Puccini überhaupt möglich ist) in den Abend (nun, eigentlich in Wien in die Nacht…) entlässt.
Henrik Ahr war für die Bühne verantwortlich und ließ sie fast vollkommen leer – was im Gegensatz zu überfrachteten Produktionen (z.B. La Traviata) sehr angenehm war. Oft war ein Sessel das einzige Requisit – und so konnte man sich auf die Musik und die (teilweise vorhandene) Personenführung der Regisseurin Tatjana Gürbaca konzentrieren. Die Kostüme waren von Silke Willrett entworfen und entsprachen dem Stil zu Mitte des 20. Jahrhunderts – was nicht wirklich störend war.
Il Tabarro
Der „tragische“ Teil behandelt ein Eifersuchtsdrama – junge Frau heiratet älteren Mann, das gemeinsame Kind stirbt kurz nach der Geburt, sie verliebt sich in einen jüngeren Mann und betrügt ihren Gatten, der erfährt davon, tötet den Nebenbuhler – Ende der Oper
Was manchmal in drei Stunden abgehandelt wird, wurde da (angenehmerweise, da ehrlich gesagt die Charaktere nicht sehr ausdifferenziert geschrieben wurden) auf eine Stunde verkürzt.
Michael Volle mutierte innerhalb zweier Tage vom rücksichtsvollen Färber aus „Frau ohne Schatten“ zum mit Recht eifersüchtigen Schiffer Michele. Er beherrschte das Geschehen und war sehr glaubwürdig. In diesem Teil war von Personenführung nicht wirklich viel zu sehen (kann auch Absicht gewesen sein) – die Regisseurin spielte teilweise mit Verdoppelung der Figuren (die von der Galerie Seite aus nur schwer zu erkennen waren). Anja Kampe konnte ihre dramatischen Fähigkeiten zur Geltung bringen, während Joshua Guerrero als Luigi eine etwas ungleichmäßige Leistung darbot – sehr guten Acuti folgten dann wieder so manche Passagen, an denen er mit der Lautstärke des von Philippe Jordan geleiteten Orchesters seine Probleme hatten.
Hervorragend die Besetzung der kleineren Rollen – Monika Bohinec bewies wieder einmal, wie wichtig sie für das Haus ist (und dass sie sehr wohl auch andere Rollen als die diverser Hexen zu spielen und singen vermag), Dan Paul Dumitrescu spielte ihren Gatten (der allerdings die Liebe seiner Frau mit deren Kater zu teilen hat), Andrea Giovannini einen weiteren Arbeiter, der, um Michele zu zitieren „Trinkt, damit er seien untreue Frau nicht umbringen muss….“
Der Liederverkäufer verkauft in dieser Produktion (auch?) Ballons, gesungen und gespielt vom Mitglied des Opernstudios Katleho Mokhoabane. Für die Bekleidung des im Hintergrund agierenden „Liebespaares“ war anscheinend doch kein Budget übrig, sodass Ted Black (ebenfalls aus dem Opernstudio) und Florina Ilie in Unterwäsche agieren mussten.
Während das Libretto den Ausgang offen ließ (hier entdeckt Giorgetta die Leiche des Luigi unter dem des , der Oper namensgebenden, Mantels, schreit auf – Ende der Oper) verändert die Regisseurin hier das Ende. Im Original wird Luigi erwürgt, hier erstochen. Und dann schneidet sich Michele selbst die Kehle durch. Kann man machen, muss man aber nicht.
Suor Angelica
Diese Oper findet man wirklich relativ selten auf den internationalen Spielplänen – und das meiner Meinung nach mit Recht. Sie ist sicherlich sowohl vom Libretto als auch musikalisch der schwächste Teil des Abends.
Kurz zum Inhalt – Vor 7 Jahren bekam eine Fürstentochter ein Kind, dieses wurde ihr weggenommen und Angelica wurde darob in ein Kloster gesteckt, weil sie Schande über die Familie gebracht hat. Fast forward zur „Gegenwart“ – Tante besucht sie und bringt Angelica dazu ihr Erbteil an ihre jüngere Schwester abzutreten, erzählt außerdem dass der Knabe seit zwei Jahren tot ist. Angelica vergiftet sich. Ende der Oper.
Insgesamt ist der Aufbau der Oper nicht unähnlich dem dritten Akt der „Bohéme“ – es ist anfänglich ein Konversationsstück, das dann ins Tragische hineinkippt.
Die Kostüme stören nicht, allerdings hat auch da die Regisseurin Änderungen im Ablauf inszeniert, die dem Text (und Originallibretto) nicht entsprechen. Andere Kollegen haben diese bereits beschrieben, daher spare ich mir dies.
Eleonora Buratto, in Wien bekannt durch ihre Mozart- und Verdi-Rollen ist eine hervorragende Besetzung und lässt keine Wünsche übrig, Michaela Schuster überzeugt als gefühlskalte und berechnende Tante.
Die weiteren, kleineren Rollen, wurden mit Mitgliedern des Ensembles, des Opernstudios und des Chors besetzt – zur Vollständigkeit seien die Künstlerinnen erwähnt – Monika Bohinec, Patricia Nolz, Daria Sushkova, Florina Ilie, Pittock Davidona, Charlotte Jefferies, Isabel Signoret, Anna Bondarenko, Mari Nakayama, Chalkia Antigoni, Svenja Kallweit und Arina Holcecek.
Gianni Schicci
Das Beste zum Schluss. Hier wurde eine Episode der „Divina Commedia“ des Dante Alighieri zum Vorbild genommen (und Librettist Giovacchino Forzano lässt ganz zum Schluss die Titelfigur de fact in den dritten Raum treten und sich bei Dante bedanken – ein sehr ungewöhnlicher, aber durchaus reizvoller Kunstgriff).
Handlung – Reicher Mann (Buoso Donati) stirbt. Er enterbte die Familie, diese sucht nach einem Ausweg um doch noch ans Erbe zu kommen. Sie wenden sich an den „Zugereisten“ Gianni Schicci, der mit der Familie insofern was zu tun hat, indem sich ein Mitglied in dessen Tochter verschaut hat und Schicci den Ruf hat, in vielen Dingen sehr einfallsreicht zu sein. Schicci lässt, nachdem außer dem engsten Familienkreis noch niemand weiß, dass Donati tot ist, einen Notar rufen, gibt sich als Donati aus und diktiert ein neues Testament. Die „Filetstücke“ vererbt er sich selbst, wirft bis auf den zukünftigen Bräutigam seiner Tochter alle aus - nun „seinem“ - Haus, das Liebespaar darf bleiben, Lauretta begeht doch nicht Suizid (vorher droht sie ja damit – das ist der Inhalt der berühmten Arie „O mio babbino caro“), Ende der Oper.
Die Titelfigur ist bei Ambrogio Maestri bestens aufgehoben – schon seit vielen Jahren erfreut er das Publikum mit seiner Interpretation diverser Buffo-Rollen. Die Spanierein Serena Sáenz bestach nicht nur durch ihr wirklich hervorragendes Aussehen (Soft Fact – sie hat auch eine Trainerlizenz als Fitness Coach), sondern auch mit ihrer lyrischen Stimme. Ich hörte zum ersten Mal ihre Arie in Zusammenhang mit der Oper – was einen komplett anderen Eindruck auf mich machte als wenn diese im Rahmen einer Operngala dargebracht wird. Im Musikfluss ging sie fast ein wenig unter – und erst die von Jordan eingelegte Pause nach der Arie animierte das Publikum zum Applaus
Michaela Schuster war auch im dritten Teil zu sehen und zu hören und verkörperte auch da einen zweifelhaften Charakter – dieses Mal die gierige Cousine des Toten. Hervorragend gespielt und gesungen!
Nun, in diesem Teil der Oper fand man (endlich) eine Personenregie! Mit Anklängen und entsprechenden Kostümen aus der Commedia dell’arte war es eine bunte und schwungvolle Stunde, die da geboten wurde. Um da jeden Regieeinfall wirklich genießen zu können, müsste man diesen Teil mindestens noch einmal sehen (allerdings sind halt davor die beiden anderen Teile durchzustehen..). Neben diversen Ensemble- und Chormitgliedern, angeführt von Clemens Unterreiner, Dan Paul Dumitrescu und dem Neuzugang Anna Bondarenko war wieder einmal Bogdan Volkov zu sehen, den ich noch in sehr guter Erinnerung als Lenski hatte – und der auch dieses Mal nicht enttäuschte.
Meiner Meinung nach vollkommen unnötig waren die Anspielungen auf den Faschismus (die zumindest kurz gehalten wurden), da sie so überhaupt nichts mit der Handlung zu tun haben. Allerdings wurde bei diesem Teil des Tritticos die Handlung tatsächlich nicht verändert.
Ein paar abschließende Bemerkungen – die Galerie war beim „Tabarro“ auf der Seite fast leer. In der ersten Pause strömten dann Heerscharen von Touristen herein, zum Großteil ältere Chinesinnen (die als erstes ihre Schuhe auszogen und dann im Schneidersitz auf den Stühlen saßen – meine Nachbarinnen…), bei denen ein Opernbesuch anscheinend am Programm stand und sie wahrscheinlich vom Abendessen nicht rechtzeitig wegkamen. Nach dem Ende des Abends verschwanden dann diese innerhalb von 20 Sekunden…
Ich finde es gut, dass zwei Raritäten auf dem Spielplan zu finden sind – man sollte sich diese zumindest einmal anhören. In weiterer Folge kann man „Il Tabarro“ und „Suor Angelica“ wieder entsorgen und für den „Gianni Schicci“ – wie schon in der Vergangenheit – ein Stück finden, mit dem man diese Oper kombinieren kann.