Wotan als Diktator ist eine für mich nicht nachvollziehbare Fehldeutung, die ich im Drama überhaupt nicht gestützt finde. Wotan ist der "Herr der Verträge" (Was Du bist, bist Du nur durch Verträge) und er gerät in Probleme, weil er sich selbst nicht an die Verträge hält bzw. um den Vertrag mit den Riesen zu erfüllen und das Ende der Götter (ohne Freyas Äpfel) abzuwehren mit Hilfe Loges (der etwas außerhalb der Vertragswelt steht) Alberich mit List Ring und Gold (die ihrerseits "gestohlen" und mit dem unheilvollen Fluch auf die Liebe gewonnen wurden) abzujagen. Ein Diktator muß sich nicht an Verträge halten.
Dieses mehrfache Unrecht führt nun zu den Verstrickungen, aus denen sich Wotan nicht mehr befreien kann, was zu seiner Resignation, Abdankung führt.
Der Witz im Ring besteht nämlich gerade darin, daß Wotan aus dem Netz der Verträge nicht herauskommt und die Überwindung der Welt der Verträge (und damit die utopische Hoffnung auf eine Welt, die von Freiheit und Liebe bestimmt wird) nur durch den Tod Siegfrieds, das Selbstopfer Brünnhildes und den Untergang der Götter erreicht werden kann.
Was er vor und in der Walküre plante (Siegmund mit dem Schwert sollte das Gold zurückerobern) mißlingt, wiederum weil er Fricka Siegmund wegen des Ehebruchs opfern muß, als Wanderer ist er kaum mehr aktiv, in der Götterdämmerung wartet nur noch auf das Ende. Er kann nicht mehr handeln, weil das das Netz noch enger zuziehen würde. Fürwahr ein totalitärer Übermensch.
Siegmund scheitert ebenfalls, weitgehend schuldlos. Der Bruch einer erzwungenen Ehe ist ein Grenzfall (nach Fricka Unrecht, nach Wotan vielleicht die Durchsetzung des Naturrechts), auch kein besonders strahlender Held.
Bleibt Siegfried. Man mag hier einige Züge eines "Herrenmenschen" oder "Übermenschen" ausmachen. Zum einen scheitert aber auch er (auch wenn er wichtige Schritte zur Lösung beiträgt), zum andern ist nicht der Punkt, daß er anderen Menschen überlegen wäre, sondern daß er "freier als ich, der Gott" ist, also gewissermaßen außerhalb der Welt der Verträge steht. (das neugeschmiedete Schwert zerschlägt den Verträge wahrenden Speer) Selbst Siegfried fällt aber den Verträgen bzw. den alten Verstrickungen noch zum Opfer. Erst als Brünnhilde sich opfert, Ring und Gold dem Rhein zurückgibt, damit den ursprünglichen Raub sühnt, wird der Weg frei für das utopische Reich der Freiheit.
Das ist alles ziemliche enge Interpretation, die weitgehend unstrittig ist. Deutungen beginnen dann damit, ob das Ende eher als eine (schopenhauer-buddhistische) Erlösung durch "Weltentsagung" oder eher in Richtung politischer Utopien zu verstehen ist. Oder noch anders.
Bei Parsifal findet sich eine elitäre Gemeinschaft (die aber wenn ich recht sehe, nicht durch Abstammung bestimmt wird); das ist wahr. Aber die ist offensichtlich krank bis ins Mark (u.a. davon handelt das Stück...;)).
Kundry hat, wie der Holländer, Züge des "ewigen Juden". Aber sie ist m.E. eine eher positive Figur, oder?
viele Grüße
JR