Operninszenierungen - modern vs. "altmodisch"

  • diesem Monsterthread etwas hinzuzufügen, geschweige denn, ihn vollständig zu erfassen, ist nicht leicht.



    Regisseure, die aus dem Reclamheft inszenieren, beweisen damit m.E. enorme Respektlosigkeit gegenüber dem Werk. Seltsamerweise hört man bei diesen Leuten oft den Slogan: "etwas aufs Wesentliche reduzieren", wobei natürlich sie diejenigen sind, die beurteilen, was wesentlich ist und was nicht.


    mein Lieblingszitat zu diesem Thema: die Aussage eines Dirigenten während einer musikalischen Probe, bei der ihm erzählt wurde, dass die Sänger aufgrund einiger Regieideen ein langsameres Tempo benötigten... bzw. zusätzliche Pausen...
    "Leider hat Mozart diese Regie nicht gekannt, sonst hätte er etwas anderes komponiert."



    Regisseure, die sich in den Verlauf der Musik einmischen, nerven mich gewaltig. Hier ist keine Diskussion möglich, wenn die Sachkenntnis fehlt. (oh, Verzeihung! ich meinte, den unbelasteten und unverkrampften Zugang zur Musik.)


    trotzdem kann es von der Intelligenz eines Choreographen noch übertroffen werden, der mich im Ernst gefragt hat, ob man bei einem Johann Strauß Stück nicht an einer Stelle noch einen Takt einfügen könne, damit die Choreographie besser passt.
    Tja, so eine 5 taktige Überleitung kann einen Tänzer schon in Verlegenheit bringen.
    Natürlich steh' in dem Fall ich als der Unflexible da, der nicht zu Kompromissen bereit ist, der altmodisch an irgendwelchen Partituren festhält...

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Zitat

    Zitat von Tastenwolf: "Leider hat Mozart diese Regie nicht gekannt, sonst hätte er etwas anderes komponiert."

    In Abwandlung dieses Zitats könnte man sagen: "Leider haben die Komponisten die verunstaltenden Regien noch nicht gekannt, sonst hätten sie dazu wohl nichts komponiert"
    Der Beitrag sagt manches über die verkümmerte Gedankenwelt dieser Regisseure oder Choreographen, denen ihre Weisheit allein gültig scheint, aus. Oder ist das allein das Nichtbeherrschen des Handwerks, das viele dieser Herren ja auch nicht gelernt haben?


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Für alle, die die französische Sprache nicht beherrschen, habe ich eine Übersetzung der zutreffenden Aussage aus dem Interview mit Teresa Berganza gefertigt:
    "Ich mag nicht, was man heutzutage macht, diese Inszenierungen, die weder die Epoche noch die Musik respektieren. Für mich ist die Oper eine Religion und muss auch so respektiert werden. Will man etwa den jungen Leuten sagen:"Tintoretto ist ein zu alter Maler, indem man ein wenig Rot oder verschwommenes Gelb hinzufügt, um sein Bild moderner zu machen?" Der erste, der das tat, fand sich im Gefängnis wieder. Man sollte es ebenso mit manchen Regisseuren machen"


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Wolfgang,


    allerdings ist das Zitat nicht von mir, sondern von Teresa Berganza, das ich lediglich übersetzt habe, aber dem Gedanken kann man natürlich voll zustimmen.


    Lieber Figarooo,
    es scheint so, aber ich fürchte, es wird immer wieder Verrückte geben, die auch vor dem Allerheiligsten nicht Halt machen.


    Liebe Grüße
    Gerhard :hello:

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Um mal einen schon etwas angestaubten Thread nach oben zu holen (wahrscheinlich ein Fehler ...):


    Wer da noch applaudiert, kann auch nicht ganz richtig im Oberstübchen sein! Tut mir Leid, aber ich sehe das einfach so!


    Habe den gemeinten Attila gestern in Lübeck gesehen - es handelt sich um eine Übernahme der Wiener Produktion, welche in der nächsten Saison wohl auch nach Nürnberg kommen soll - und sehr vehement applaudiert!

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Das muss durchaus kein Fehler sein, Michael, diesen alten Thread wieder zu beatmen. Ich finde ihn durchaus nicht "angestaubt", sondern fast ehrwürdig im erkennbaren Bemühen der meisten Teilnehmer, in der Diskussion nicht bei gegenseitigen Beschimpfungen stehenzubleiben (soweit ich das den wenigen Stichproben, die ich gelesen habe, entnehmen konnte).


    Die von dir genannte Attila-Produktion kenne ich nur vom Hörensagen und von damaligen Rezensionen. Wenn du ihr heftig applaudiert hast, wirst du deine Gründe gehabt haben. Grundsätzlich kann ich dazu nur sagen: Wer den Chor der Hunnen mit Küchengerät in die Schlacht gegen Rom schickt, verfolgt damit eine bestimmte Absicht. Sicher ist es aber nicht die Intention Verdis. Es dürfte sich wohl um eine satirische Absicht handeln, die aber wie ein Kalauer daherkommt, wie Effekthascherei. Immerhin waren die Hunnen überaus siegreich bis Rom vorgedrungen, und ihre Erfolge markierten das Ende des Römischen Reichs. Das verträgt sich schwerlich mit dergleichen Klamauk, den ich eher dem Asterix-Kindertheater zuordne (wenn auch am falschen Objekt demonstriert).


    Meinen Beifall hätte es vermutlich nicht bekommen. Aber ich lasse mich gern belehren von einem, der die Produktion selbst erlebt hat. Und vielleicht kann sich daraus eine Wiederbelebung das Themas entwickeln, ohne dass die Diskussion zu einer Schlammschlacht verkommt. Es würde mich interessieren, ob der Regisseur ernstzuhehmende Gründe für diesen Gag ins Feld führen kann - und zwar nicht nur verbal im Programmheft, sondern evident fürs Publikum.


    Eine fruchtbare Diskussion darüber wünscht sich, mit herzlichen Grüßen an alle potenziellen Mitstreiter,


    Sixtus

  • Leider fehlt mir einmal mehr die Zeit, hier adäquate bzw. ausführliche Antworten zu liefern. Deshalb - leider auch sehr verspätet - lediglich ein paar Gedanken:


    Die von dir genannte Attila-Produktion kenne ich nur vom Hörensagen und von damaligen Rezensionen. Wenn du ihr heftig applaudiert hast, wirst du deine Gründe gehabt haben. Grundsätzlich kann ich dazu nur sagen: Wer den Chor der Hunnen mit Küchengerät in die Schlacht gegen Rom schickt, verfolgt damit eine bestimmte Absicht. Sicher ist es aber nicht die Intention Verdis. Es dürfte sich wohl um eine satirische Absicht handeln, die aber wie ein Kalauer daherkommt, wie Effekthascherei. Immerhin waren die Hunnen überaus siegreich bis Rom vorgedrungen, und ihre Erfolge markierten das Ende des Römischen Reichs. Das verträgt sich schwerlich mit dergleichen Klamauk, den ich eher dem Asterix-Kindertheater zuordne (wenn auch am falschen Objekt demonstriert).


    Ich glaube nicht, dass Konwitschny hier in satirischer Absicht gehandelt hat. Es geht ihm m.E. auch nicht um einen Effekt oder Kalauerei, sondern vielmehr um eine "Entwicklung", die in der Inhaltsangabe des Programmheftes mit Kindlich verspielt (1tes bis 4tes Bild) - Ausgewachsen infantil (5tes & 6tes Bild) - Immer noch nichts gelernt (7tes Bild) überschrieben ist. Mithin scheint es mir per se schwierig, die gesamte Inszenierung anhand des Auftritts der Hunnen mit ihrem Küchengerät beurteilen zu wollen. Angeblich soll von Clausewitz gesagt haben, der Krieg sei eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Ich meine, hiermit wird der Krieg als Mittel der Auseinandersetzung durchaus überqualifiziert - richtiger wäre vielleicht die Feststellung, dass der Krieg nicht anderes ist, als die Fortsetzung von Sandkastenstreitigkeiten mit tödlichen Mitteln! Und jeder, der Kinder hat, weiß vielleicht, was ich damit zum Ausdruck bringen will ... Nimmt man weiter das sprichwörtliche Bild der wilden, barbarischen Hunnenhorde, so scheint mir Konwitschnys nicht gar so falsch zu liegen.


    Der Wechsel in das Erwachsenenalter geht einher mit dem Auftritt Leones, des Bischofs von Rom (eigentlich der Papst, was zu Verdis Zeiten aus zensurtechnischen Gründen höchst problematisch gewesen ist). Damit verändern sich die Figuren zwar äußerlich, behalten jedoch ihre innere Haltung z.B. der Rachewut (Odabella; in Lübeck übrigens hervorragend gesungen und dargestellt von Helena Dix) oder der Machtgier (Ezio) bei, d.h. ihr innere Motivation bleibt weiterhin triebgesteuert bzw. infantil. Und so bis zum Schluß, wenn im letzten Bild die handlungstragenden Figuren Odabella, Attila, Ezio und Foresto zwar alt und gebrechlich trotzdem aufeinander losgehen.


    Nun kann man sich fragen, ob diese Sichtweise, die sich weniger mit der ursprünglichen politischen Intention des Werkes, welche vielleicht mit Ezios Zeilen Avrai tu l'universo, resti l'Italia a me. hinreichend umrissen sind, sondern mehr mit der inneren Haltung und Entwicklung der Figuren beschäftigt, angemessen ist. Andererseits ist es aber doch so, dass sich die Figuren eben gerade nicht entwickeln, sondern vielmehr ein holzschnittartiges Tableau liefern, welches als Vehikel zum Transport einer politischen Botschaft des Risorgimento genutzt wird. Diese nicht-Entwicklung vor dem Hintergrund einer großartigen, geradezu schmissigen, aber eben auch ein wenig plakativen Musik hat Konwitschny durchaus erkannt und auf die Bühne gebracht.


    Ich habe mir vor dem Besuch in Lübeck auf youtube einige Ausschnitte konventioneller Inszenierungen (Scala, Mariinski) angesehen und denke, dass es sich bei Attila um ein Werk handelt, welches viel eher Gefahr läuft, durch eine säbelrasselnde, rüstungsscheppernde Inszenierung denunziert zu werden, als durch die Konwitschny-Inszenierung, wie sie in Wien/Lübeck und demnächst wohl auch in Nürnberg zu sehen ist.


    [...] Es würde mich interessieren, ob der Regisseur ernstzuhehmende Gründe für diesen Gag ins Feld führen kann - und zwar nicht nur verbal im Programmheft, sondern evident fürs Publikum.


    Entschuldige, aber das halte ich für Unsinn. Worin besteht der Unterschied zwischen (ernstzunehmenden) Gründen, die im Programmheft stehen und solchen, die ein Regiesseur verbal äußert? Im übrigen werden die wenigsten die Möglichkeit haben, den Regiesseur direkt befragen zu können.

  • Zur aus Dresden heute am TV ausgestrahlte "Aida", inszeniert von Katharina Thalbach und dirigiert von Christian Thielemann:

    Die Inszenierung wurde als "bahnbrechend", "Neufeld betretend" und weiss Gott noch wie vorangekündigt;

    selten habe ich mich so gelangweilt. Frau Thalbach hat keine Ahnung von Personenregie; so wie sich die Sänger bewegten entspricht einen ausrangierten, altmodischen Verona-Produktion. Kostüme altmodisch, das Bühnenbild ohne sichtbares Konzept, Ballett peinlich und - last but not least, Thielemanns Dirigat langweilig.

    Auch die Sänger waren diskutabel...

    Frau Thalbach hat schon zweimal bei uns in der Zürcher Oper ziemlich versagt; es ist bedenklich, was sich da grosse Häuser alles leisten! Ihre "Aida" ist nicht einmal gut genug, um als "Deutsches Regietheater" definiert zu werden; aber auch Deutsches Regietheater sollte mal endlich ad acta gelegt werden!

  • Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Sicher, MSchenk; also soll man diese Produktion nicht als "bahnbrechend" oder "Neuland betretend" bezeichnen!

    (sorry für den Tippfehler :-)

  • Auch wenn man die Inszenierung von Frau Thalbach nicht mag, gibt es einem noch lange nicht das Recht, so ùber sie zu schreiben, lieber adriano. Was das Dirigat von Thielemann angeht, geb ich dir Recht. Bei den Sängern gab es nun wirklich nichts auszusetzen. Solche Making of bestehehen doch eh nur aus daraus, wie toll die Inszenierung und der Regisseur ist Ich kauf mir auch keine Programmhefte, well dort nur drin steht wie bahnbrechend neu seine Inszenierung ist und das alles ganz neu ùberdacht werden muß.

  • Die Kritiker, lieber Rodolfo werden auch nicht sanft darüber beurteilen. Und ich bin ja auch nicht der erste, der dies tut. Nach ihrer clichéhaftigen Fidelio-Inszenierung hier in Zürich, schrieb man in der Presse:

    "Die Personenführung, die als ihre eigentliche Stärke gilt, wurde sträflich vernachlässigt, es ist ihr zu diesem Stoff einfach nichts wirklich Neues eingefallen - außer vielleicht die entblößte Brust, mit der sich Leonore auf dem Höhepunkt der dramatischen Entwicklung selber als Opfer anbietet".

    oder

    Thalbach beschränkt sich in Ezio Toffoluttis naturalistischem Bühnenbild darauf, die Geschichte nachzuerzählen, und überlässt die Reflexion der Musik. Das klappt im singspielhaften Anfang noch ziemlich gut, die Figuren sind detailliert und stimmig gezeichnet. Im statischeren zweiten Teil läuft fast gar nichts mehr, die Chöre werden unbeholfen über die Bühne geschoben. Pizarro wird am Schluss erschossen – wie in der alten Flimm-Inszenierung, die noch Ende Juni im Repertoire war. Nur von deren kritischem Impetus ist jetzt nichts mehr zu erkennen.

    Einmal editiert, zuletzt von adriano ()