Kann man Mozart eigentlich NICHT mögen?

  • Liebe Maggie,


    ich habe mir Deine Aufnahme heute noch einmal angehört bzw. -gesehen. Es ist wirklich eine der schönsten Inszenierungen, die ich von der Entführung kenne. Von den gesanglichen Leistungen gibt es bessere, wenn ich einmal von Kurt Rydl absehe, der mich als Osmin absolut überzeugte. Als Gesamtes gesehen kenne ich eigentlich keine stimmigere Inszenierung. Vielleicht hörst Du sie Dir ja noch einmal in Ruhe an.


    Liebe Grüße :hello:


    Emotione


  • Selberspielen kann ich davon natürlich nichts (Aber aus meiner wirklich sehr begrenzten Erfahrung eigenen Musizierens weiß ich, dass es ein ziemlich Unterschied ist, ob man etwas gern spielt oder gern hört...)
    Ich mag allerdings auch zumindest das E-Dur und das Doppelkonzert von Bach lieber als Mozart. ;) Bei mir ist es eher ein Abneigung (das Tschaikowsky ist eines der wenigen Stücke, die mir manchmal physisch zuwider sind) gegen fast all die berühmten romantischen Virtuosenkonzerte (außer Mendelssohn und Brahms), die mich Mozarts relativ knappe und bescheidene, aber abwechslungsreiche Konzerte so schätzen läßt. Gewiß ist der Sprung, besonders im emotionalen Ausdruck oder "Tiefgang" auf die Sinfonia Concertante und das Klavierkonzert KV 271 gewaltig, aber die Violinkonzerte bringen erstaunliche Wirkungen mit einfachen Mitteln. Der auftrumpfende Einsatz des Solisten im 5. Konzert, die "türkische Musik" im Finale, die bezaubernde Klangwirkung der Flöten statt Oboen im Adagio des 3. usw. finde ich alles bewundernswert. Wobei ich auch wieder einräumen muß, dass ich die Stücke wohl nicht häufiger als einmal im Jahr anhöre, wenn überhaupt, aber da sind sie in sehr guter Gesellschaft...


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Na ich weiß nicht. Ich schätze das 5. zwar auch sehr und mag etliche Motive aus dem 3., aber das war’s auch schon — die anderen finde ich eher trivial. Und auch das 3. und das 5. sind nicht durchgehend mitreißend. Ich höre sie eher selten (jede Menge anderer Violinliteratur hör ich fast schon dauernd), hab so gut wie nie ein Motiv als Ohrwurm (okay 1. Satz vom 3. als ich 15 Jahre jünger war) und spüre auch nicht den unwiderstehlichen Drang, sie meinen Gästen vorzuspielen ;) (von Platte oder CD meine ich, nicht ich selbst ...)


    Tatsächlich war ich damals von Mozarts Violinkonzerten eher enttäuscht; ich hatte mir mehr versprochen. Mal im Ernst: Verglichen mit den Klavierkonzerten, können die Violinkonzerte da mithalten? (Womit ich jetzt auch nicht sagen will, daß die Violinkonzerte so unterirdisch wären wie die Flötenkonzerte :untertauch: !) Hat auch nur eines der Violinkonzerte einen wirklich „unvergeßlichen“ Satz zu bieten? Oder Gänsehautsymptome? Mundoffensteh-Effekte?


    Hm.



    ^_^J.

  • Ich will jetzt nicht ausführlich die Violinkonzerte verteidigen, aber ich halte 3-5 für ebensogut wie viele Werke Mozarts aus dieser Zeit (~1772-74), etwa die ersten drei richtigen Klavierkonzerte (KV 175 und die beiden nächsten) oder auch ungefähr wie Haydns Cello- und Klavierkonzerte.
    Natürlich steht ein herausragendes Stück wie KV 271 oder die fast 10 Jahre späteren Klavierkonzerte ab KV 449 auf einer ganz anderen Stufe. Aber das sind ja einige von Mozarts besten Stücken überhaupt, klar dass relativ frühe Werke dagegen abfallen.


    "Wirklich unvergeßlich" finde ich ein schwieriges Attribut. Ich finde den Mittelsatz des G-Dur und auch den Rest dieses und des 5. Konzert ziemlich unvergeßlich


    Ich kenne allerdings überhaupt keine anderen Violinkonzerte zwischen 1760 und 1800, daher kann ich kaum beurteilen, wie sie im Verhältnis zu Zeitgenossen einzuschätzen sind.


    :hello:


    JR

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  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Ich kenne allerdings überhaupt keine anderen Violinkonzerte zwischen 1760 und 1800, daher kann ich kaum beurteilen, wie sie im Verhältnis zu Zeitgenossen einzuschätzen sind.


    Ich kenne einige (etwa von Myslivecek), aber denen sind die Mozarts doch deutlich überlegen. Schon KV 207 zeigt über die Aneignung der Traditionen von Vivaldi und Tartini mehr als nur Elemente der Sprache Mozarts. Mit KV 211 ist der Einfluss der französischen Tradition (etwa der punktierte Rhythmus) erkennbar. Über die Bedeutung von KV 216, 218 und 219 wird wohl kaum noch zu streiten sein, ob nun die a-moll-Episode des A-dur-Konzertes oder die tiefempfundenen langsamen Sätze - Mozart hat zu seiner eigenen Sprache gefunden, virtuos werden Spieltechniken und Klangfarben eingesetzt, die Solostimme wird ausdrucksvoll gestaltet - da muss man schon auf Beethoven warten, bis es wieder eine solche Ausdrucksstärke gibt.


    LG Peter

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  • Zitat

    Original von pbrixius
    da muss man schon auf Beethoven warten, bis es wieder eine solche Ausdrucksstärke gibt.


    LG Peter


    Meiner Meinung nach nicht ganz, es sei denn ich bringe etwas mit den Entstehungsdaten durcheinander.


    Es gibt da noch dieses wundervolle a-moll-Konzert von Viotti (Nr.22), das Beethoven und Brahms beeinflußt hat und über dieses letzterer sagte, es sei seine ganz besondere Schwärmerei.


    :hello:
    Wulf

  • Schon einmal habe ich mich aus dem Fenster gehängt.Aber ich möchte es noch einmal schreiben.


    Im Moment höre ich die blaue Kammermusikkasette von EMI, aber die Lust ist mir über den "seichten" Türilü schon fast wieder vergangen.


    Das Beste an der Musik - so kommt es mir heute abend vor - ist, daß mein Enkel so ziemlich plötzlich in den Schlaf fällt.


    Wir sollten bei Mozart wirklich unterscheiden, was er für andere, Auftraggeber, geschrieben hat und was für sich selbst.
    Der Vergleich mit dem heutigen Aufguß vom Aufguß bei der POP-Musik kommt mir da doch immer wieder.


    Dennoch, mit Gruß aus Bonn :untertauch: :untertauch: :untertauch: :untertauch:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • Zitat

    Wir sollten bei Mozart wirklich unterscheiden, was er für andere, Auftraggeber, geschrieben hat und was für sich selbst.


    Warum ?
    Seit wann ist das ein Merkmal der Qualität eines Werkes ?


    ?(

  • Zitat

    Original von der Lullist


    Warum ?
    Seit wann ist das ein Merkmal der Qualität eines Werkes ?


    ?(


    Die Frage stellt sich in der Tat :D :D


    Und ich wenn ich mich nicht irre - aber Ulli weiß das sicher genauer - dürfte ein hoher Prozentsatz von Mozarts Werken im Auftrag Dritter entstanden sein. Aber die Tatsache das ein Werk eine Auftragskomposition ist, taugt für sich genommen nicht als Qualitätskriterium.


    Herzliche Grüße,:hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Zitat

    Original von der Lullist


    Warum ?
    Seit wann ist das ein Merkmal der Qualität eines Werkes ?


    ?(


    Spätestens seit Beethoven. Und auch sicher bei Mozart, wobei auch bei vielen Auftragswerken [da muß man natürlich auch differenzieren] der "geniale Funke" herauslugt, z.B. bei den Reihen von "Teutschen" und Menuetten aus dem letzten Lebensjahrfünft. Es kommt natürlich darauf an, ob ein Auftrag im Sinne Mozarts [oder eines Komponisten im Allgemeinen war], so einfach kann man da nicht alles über einen Kamm scheren: Mozart brannte beispielsweise darauf, Opern zu komponieren - sie waren aber abhängig von realen Aufträgen. Und die Opern sind ja nicht deswegen Mist, weil sie einen Auftraggeber haben. Ebensowenig die Werke für Klarinette oder Horn. Eher dann die Flötenwerke ( :D ) oder diverse eher unbekannte Divertimenti und Cassationen. Die halten natürlich einem direkten Vergleich zu den "privaten" Klavierwerken wie auch den Klavierkonzerten keinesfalls stand. Aber da vergleicht man Äpfel mit Birnen. Dennoch ist im Prinzip an Stabias Aussage etwas dran - ein generelles Qualitätsmerkmal ist dies jedoch nicht.


    Werke, die Mozart [und auch Beethoven] eher für sich selbst komponiert haben, haben im Vergleich zu vielen Auftragswerken doch eine ganz andere, vielleicht nicht unbedingt in dem Sinne "bessere", Qualität als sogenannte schnöde Auftragswerke, die man mal eben aus der Schublade zieht. Meist sind sie etwas sperriger [wie man so sagt] und nicht eben unbedingt so leicht für schnödes Publikum "verständlich" [wobei ich mir eh immer Frage, was man an Musik eigentlcih "verstehen" muß?].


    Nach Stabias Theorie wären sämliche 108 [?] Haydn-Sinfonien von minderer Qualität... und die Streichquartette erst ;(


    Neben allen Opern Mozarts gehören u.a. folgende bekannte Werke zu den Auftragswerken:


    Bis auf die "große" in c-moll sämliche Messen, Litaneien und kleinere Kirchenwerke [z.B. das Ave Verum] inkl. dem Requiem. Haffner-Serenade, Haffner-Sinfonie, Pariser Sinfonie, Maurerische Trauermusik [wie sämtlich das Freimaurertum betreffenden Werke] usw...


    Nicht imer ist es so einfach, zwischen einem Auftrags-, Gelegenheits- und Freundschaftswerk zu unterscheiden. Viele "Aufträge" ergaben sich durch guten Freundschaften zu Sängerinnen, dem Hornisten Leutgeb, dem Clarinettisten Stadler [...]



    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • nicht nur Haydn, auch Händel, Bach, Lully, Purcell, Monteverdi und viele viele andere hätten dann ja nur Mist geschrieben....


    ich glaube trotzdem nicht dass man es einem Streichquartett anhört ob es als Auftragswerk oder als Privatmusik geschrieben wurde.
    Zumal ich glaube, dass man bei den Auftragswerken wesentlich mehr Mühe investiert hat - schließlich lebte man davon und den nächsten Auftrag brauchte man ja auch.

  • Zitat

    Original von der Lullist
    Zumal ich glaube, dass man bei den Auftragswerken wesentlich mehr Mühe investiert hat - schließlich lebte man davon und den nächsten Auftrag brauchte man ja auch.


    Wie ich schon andeutete: Es gibt einen Unterschied bei der Bewertung der Qualität. Wenn speziell Mozart ein Auftragswerk komponierte, eine Sinfonie z.B. dann klingt sie eben wie die Pariser- oder Haffner-Sinfonie. Schreibt er sie auf Vorrat für eigene Akademien, dann klingt sie wie die Prager- oder Jupiter-Sinfonie [wobei zudem noch einige Jahre an Schaffenerfahrung dazwischen liegen]. Man kann die Werke nicht direkt gegeneinander übers Licht halten, aber man kann doch erkennen, ob die Werke eher für die breite Öffentlichkeit oder für einen erlauchten Kreis gedacht waren. An der Qualität der Musik selbst ändert dies nichts. Die Pariser Sinfonie z.B. ist eher gefällig, ihr fehlt der Tiefgang [ganz bewußt] - dafür ist das Requiem [wohl auch bewußt] weniger gefällig und hat Tiefgang. So beißt sich Pimperl in den Schwanz...


    Es ist schon ein Unterschied, ob man "gefällig" nach der Schnauze des Volkes schreibt oder eben seinen eigenen Kopf durchsetzen will, wie z.B. Beethoven in höherem Maße. Wenige der rein gefälligen Werke haben sich bis heute wirklich gehalten, das betrifft vor allem jene Werke der Zeitgenossen - als mir unverständliche Ausnahme sind hier nachwievor die Flöten- und Violinkonzerte Mozarts zu nennen. Sie sind eben gefällig, was sonst noch...? Eine andere Frage ist, ob sie "sonst noch etwas" sein müssen - aber das ist vielleicht eher eine Frage des persönlichen Geschmackes.


    Natürlich hat Mozart bei all diesen Betrachtungsweisen niemals den Anspruch an sich selbst als Künstler vergessen.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hier sind generalisierende Antworten m.E. nicht möglich. Grundsätzlich geht die Vorstellung, dass Auftragswerke minderwertiger seien als ohne Auftrag komponierte Werke, auf die Vorstellung von der "Autonomie des Künstlers" zurück, die sich (sehr vereinfacht gesagt) aufgrund diverser geistesgeschichtlicher und politischer Entwicklungen in den Jahrzehnten um 1800 etablierte - also zur Zeit Mozarts und Beethovens (als sich auch so etwas wie ein "freier Markt" entwickelte, auf dem Mozart z.B. seine Klavierkonzerte präsentieren konnte). Eine Diskrepanz zwischen Auftraggeberwunsch und künstlerischer Autonomie konnte erst entstehen, als man die Vorstellung von letzterer entwickelte. Haydn antwortete noch auf die Frage, warum er kein Streichquintett komponiert habe: "Weil niemand bei mir eines bestellt hat" (hoffentlich keine Legende, ich zitiere aus dem Gedächtnis). Stabia argumentiert gewissermaßen aus der Richtung des 19. Jahrhunderts: Werke, die ohne Kompromisse mit dem Geschmack irgendwelcher Auftraggeber zustandegekommen sind, seien sozusagen "ehrlicher", besser. Der Lullist dagegen argumentiert aus der Zeit vor der großen Wende, als es (mit signifikanten Ausnahmen) fast nur Auftragskompositionen gab


    Die Sache ist kompliziert: Natürlich lebt auch der vorgeblich autonom schaffende Künstler in Abhängigkeiten, im 19. Jahrhundert ist er etwa auf das Wohlwollen des bürgerlichen Konzert- bzw. Opernpublikums angewiesen. Dagegen hat Haydn in seiner Zeit als Kapellmeister und Hofkünstler bei Esterhazy enorme Freiheiten gehabt und konnte wie wild experimentieren. Abgesehen davon spielen natürlich auch Dimension und Gattung der Werke eine Rolle: Irgendwelche Klavierstücke für den Privatgebrauch wären dann immer "wertvoller" als Opern, die ja ohne Auftrag oder zumindest reelle Aussicht auf Aufführung nur selten komponiert wurden. Letzteres hat sich erst Wagner geleistet, mit dem überhaupt eine neue Stufe der Autonomie erreicht wird: Der Künstler folgt endgültig nicht mehr irgendwelchen Vorstellungen von Auftraggebern oder des Publikums, sondern sagt einer mehr oder weniger ergebenen Anhängerschaft, wo es langgeht (wieder sehr pauschal dargestellt).


    Fazit: Autonomie des Künstlers und Qualität der komponierten Werke KÖNNEN zusammenhängen - aber 1. kann der Zusammenhang sehr unterschiedlich ausfallen, und 2. ist er immer an bestimmte (kultur-)historische Kontexte gebunden. Dass gerade die barocke und vorbarocke Musik in den letzten Jahrzehnten so an Boden gewonnen hat, hängt auch damit zusammen, dass die Vorstellung von der Autonomie des Künstlers wieder stärker problematisiert wird.


    So ungefähr jedenfalls. :D



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Ich will jetzt nicht ausführlich die Violinkonzerte verteidigen, aber ich halte 3-5 für ebensogut wie viele Werke Mozarts aus dieser Zeit (~1772-74), etwa die ersten drei richtigen Klavierkonzerte (KV 175 und die beiden nächsten) oder auch ungefähr wie Haydns Cello- und Klavierkonzerte.
    Natürlich steht ein herausragendes Stück wie KV 271 oder die fast 10 Jahre späteren Klavierkonzerte ab KV 449 auf einer ganz anderen Stufe. Aber das sind ja einige von Mozarts besten Stücken überhaupt, klar dass relativ frühe Werke dagegen abfallen.
    JR


    Ja richtig, und das ist genau der Punkt: Ich wünschte, Mozart hätte 10 Jahre später noch einmal auf diese Form des Instrumentalkonzertes zurückgegriffen! Daß sie „ebensogut wie viele Werke Mozarts aus dieser Zeit“ sind würde ich auf jeden Fall unterschreiben.


    Also im Grunde bin ich ja bloß sauer, daß Mozart auf der Höhe seiner Schaffenskraft ausgerechnet keine Violinkonzerte geschrieben hat ... :(


    Liebe Grüße,
    ^_^J.

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Fazit: Autonomie des Künstlers und Qualität der komponierten Werke KÖNNEN zusammenhängen - aber 1. kann der Zusammenhang sehr unterschiedlich ausfallen, und 2. ist er immer an bestimmte (kultur-)historische Kontexte gebunden. Dass gerade die barocke und vorbarocke Musik in den letzten Jahrzehnten so an Boden gewonnen hat, hängt auch damit zusammen, dass die Vorstellung von der Autonomie des Künstlers wieder stärker problematisiert wird.
    Bernd


    Deine (nicht mitzitierte) Argumentation zu Deinem Fazit finde ich absolut stichhaltig: Natur & Ausmaß etwaiger Abhängigkeiten zwischen der Qualität einer Komposition und ihrem Status als Auftragswerk hängen mit Sicherheit vom jeweiligen zeitgeschichtlichen bzw. kulturhistorischen Kontext ab. Je nachdem, in welche Epoche wir gucken, wird schon das Definieren von „Auftragsarbeit“ zum Akt — wo genau würden zum Beispiel Bachkantaten landen? Das Konzept des künstlerischen Schaffens in der Musik war sicher ähnlich dramatischen Änderungen unterworfen wie „Autorenschaft“ im literarischen Bereich, wo ich mich zu diesem Thema recht gut auskenne.


    Womit ich jetzt nicht sagen will, daß sich — hier jetzt im Zusammenhang mit Mozart — nicht sinnvoll darüber diskutieren ließe! Aber Bernd hat ganz recht: Generalisierende Antworten bringen uns da nicht weiter. :yes:


    Welche Arbeiten Mozarts im Auftrag waren und welche nicht, da habe ich selbst leider nur den allerdünnsten Überblick ... außer den Opern natürlich, die sind mir schon klar. Im Netz finde ich da nicht so viel. Wo ließe sich das halbwegs kompakt auf einen akzeptablen Wissensstand bringen? (Außer durch Lesen von 600-800 Seiten an Mozart-Biographien, meine ich jetzt ...)


    ^_^J.

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Haydn antwortete noch auf die Frage, warum er kein Streichquintett komponiert habe: "Weil niemand bei mir eines bestellt hat" (hoffentlich keine Legende, ich zitiere aus dem Gedächtnis).


    Es besteht eine gewisse Kongruenz unserer beiden Gedächtnisse.


    Zitat

    So ungefähr jedenfalls. :D


    Ziemlich genau [würde ich sagen] :D


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von gyokusai
    Also im Grunde bin ich ja bloß sauer, daß Mozart auf der Höhe seiner Schaffenskraft ausgerechnet keine Violinkonzerte geschrieben hat ... :(


    Da geht's mir im Prinzip genauso. Nur eines wäre mir ja schon genug gewesen. Man darf aber berücksichtigen, dass Mozart sich eben als Pianist und nicht als Violinist sah - jedenfalls ab etwa 1780. Wenn man nur die Violinsonate KV 454 gedanklich als "Konzert" umschriebe... wow!


    Viele Grüße
    Ulli

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    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hier ist immer noch einiges ziemlich ungenau. :rolleyes: Völlig richtig ist zwar, dass alles andere als klar ist, ob "Auftragswerk" den Künstler stärker restringiert als andere soziale Bedingungen. Verkäuflichkeit auf dem freien Markt kann z.B. eine viel stärkere Einschränkung sein. Außerdem ist Auftragswerk nicht gleich Auftragswerk. Mozart hatte offenbar kein Problem damit, ein Werk abzuliefern, auf das der Auftraggeber mit "Zu viele Noten..." oder "porcheria tedesca" reagierte. Bezahlt wurde er meines Wissens trotzdem dafür ;)
    Werke wie die Violin- und Klavierkonzerte, die Mozart für sich selber schrieb, waren eher keine Auftragswerke. Aber sie mußten natürlich "gut ankommen", denn von diesen Auftritten hat er ja u.a. gelebt. Aber auch das ließ ihm anscheinend genügend Freiheit, seine Ziele umzusetzen. Große Künstler überzeugen eben letztlich den Auftraggeber oder das Publikum von ihrer Vision.


    Die überwältigende Mehrheit der Streichquartette etc. von Haydn und Mozart sind übrigens KEINE Auftragswerke. Haydn mußte im Auftrag des Fürsten über hundert Barytontrios komponieren, die Quartette hat er komponiert und dann Verlegern verkauft (oder vor dem Verleger einige Zeit exklusiv einem adligen Widmungsträger überlassen). (Wenn er regelmäßig für Eszterhazy hätte Quartette komponieren müssen, wäre völlig unerklärlich, warum er von ca. 1760-1770 und von 1772-81 keine schrieb.)
    Selbst wenn in Einzelfällen der Fürst oder ein anderer Adliger nach Quartetten angefragt hätte, wären es allerhöchstens in dem Sinne Auftragswerke wie Beethovens Missa eines ist (auch dessen späte Quartette wurden durch den Fürsten Galitzin "angeregt").


    Obwohl Haydn sicher sehr stark eingebunden war, hatte er demnach offenbar sowohl genügend Freiheiten, zusätzliche Musik, die er dann verkaufen konnte, zu komponieren, als auch bei der Ausgestaltung der "Aufträge". Mag sein, dass alle paar Wochen eine Sinfonie her mußte, aber da so derartig unterschiedliche Werke wie z.B. 45,46,47,48,49 entstanden, hat ihn das künstlerisch gar nicht behindert. Die Pariser und Londoner Sinfonien sind schließlich ebenso Auftragswerke wie Bartoks Konzert f. Orchester. Ein berühmtes Orchester bzw. ein Konzertagent bittet einen berühmten Komponisten um spezifische Musikstücke. Er wird sich hüten, dem Meister Vorgaben zu machen.


    Fälle von Auftragskompositionen mit sehr engen externen Vorgaben sind Mozarts Salzburger Kirchenmusik (mußte einfach, kurz und C-Dur sein :D), aber auch ein so faszinierendes Stück wie die Urfassung der "7 letzten Worte" Haydns. Es ist gewiß schwer zu beurteilen, aber warum sollten manche Vorgaben nicht sogar eine Herausforderung für den Künstler sein?


    Mozarts Haydn gewidmete Quartette (und vermutlich auch seine Quintette) sind eher das Gegenteil von Auftragskompositionen. Bei den Quartetten ist extrem offensichtlich, dass einer ihrer Hauptzwecke darin besteht, der (professionellen) Musikwelt zu zeigen, dass Mozart fähig war, den berühmtesten Quartettkomponisten, Haydn, zu erreichen bzw. zu übertreffen.


    :hello:


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Werke wie die Violin- und Klavierkonzerte, die Mozart für sich selber schrieb, waren eher keine Auftragswerke. Aber sie mußten natürlich "gut ankommen", denn von diesen Auftritten hat er ja u.a. gelebt. Aber auch das ließ ihm anscheinend genügend Freiheit, seine Ziele umzusetzen. Große Künstler überzeugen eben letztlich den Auftraggeber oder das Publikum von ihrer Vision.


    Mozart hat das ja in dem bekannten Brief an seinen Vater, geschrieben zur Zeit der Komposition von KV 413-415, selbst erläutert: "Die Concerten sind eben das Mittelding zwischen zu schwer und zu leicht, sind sehr brillant - angenehm in die ohren - Natürlich, ohne in das leere zu fallen - hie und da - können auch kenner allein satisfaction erhalten - doch so - daß die Nichtkenner damit zufrieden seyn müssen ohne zu wissen warum." Es handelt sich also doch eher weniger um eine "Vision", von der das Publikum überzeugt werden sollte, als um einen Musik gewordenen Kompromiss. Bei KV 415 könnte man etwa vermuten, dass die ersten beiden Sätze eher für die "Nichtkenner" bestimmt sind, während das recht exzentrische Rondo die "Kenner" zufriedenstellte. Noch extremer dann später beim Kontrast zwischen Außensätzen und Mittelsatz bei KV 482; umgekehrt dazu schließlich bei KV 491.


    Und obwohl Mozart sich anscheinend sehr stark am Publikum und teilweise eben auch an dessen unerfreulicherem Teil orientiert hat, sind seine Wiener Klavierkonzerte samt und sonders Höhepunkte nicht nur seines Schaffens, sondern der gesamten Geschichte des Instrumentalkonzerts überhaupt. Was wieder einmal zeigt, dass eindeutige Schlussfolgerungen in der diskutierten Frage oft ganz fehl am Platze sind. Rücksichtnahmen auf Auftraggeber bzw. Publikum wirken sich - wenn überhaupt - zunächst mal auf Stil und "Charakter" der Werke aus, was aber noch nichts über ihre Qualität aussagt. Bei Aufträgen kommt es außerdem auf Anspruch und Geschmack der auftraggebenden Person oder Institution an, zudem auf die Freiheit, die dem Künstler gelassen wird oder die er sich aufgrund seines Status herausnehmen kann.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Interessante Diskussion.


    Sicher kommen noch viele andere Kriterien dazu, z.B., daß man eben den Galanten Stil bevorzugte und Mozart für den Anfang seines Dissonanzenquartetts schalt.


    Alles klar, ohne Aufträge gings ja auch gar nicht, vor allem bei Mozart, der sich versuchte unabhängig zu machen. Warum wohl ! Sicher hat er die Situation schon recht gut erkannt.


    Ich empfinde bei Musik von Haydn und Mozart, daß beide eine zugrundeliegende Idee, Haltung haben und darum herum, wie in einem Kreise, ihre Einfälle gruppieren. Natürlich kann ich die außerhalb der Dienste geschriebenen Quartette von Haydn, die ich sehr schön finde, von den vielen Auftragswerken unterscheiden. Warum sind denn die Londoner Sinfonien und diese Quartette sowie die Oratorien eigentlich das, was von Haydn am meisten tradiert wurde !
    Mozart hat, je älter er wurde, wunderbare "Bekenntnismusik" geschrieben, ob diese für ihn finanziell lukrativ waq, kann ich nicht wissen.
    Und es ist schon ein Unterschied, ob jemand mit 36 oder fast 80 stirbt.


    Bei meinem Hausgott Beethoven stellt sich für mich die Sache nicht als Kreis um eine grundlegende Idee dar, sondern als aufsteigende Weiterentwicklung. Und daß er auf die Wünsche seiner Zeitgenossen und deren musikalische Befindlichkeiten kaum Rücksicht nahm, wenns um seine Ziele ging, ist sehr oft bezeugt. Wie hätten solche "sperrigen" Stücke wie OP.106-4 und Op. 133 sonst unters Volk kommen können, um die berühmtesten zu nennen.


    Man ist, wenn man sich mit Beethovens Musik beschäftigt, ein bißchen "verdorben" für das süffige, schöne, galante, tänzerische, spielerische, daß man dann eben nicht mehr so ernst nimmt.
    Irgendjemand hatte in diesem Gesprächsforum mal gesagt, er könne Mozart nur in Moll ernst nehmen. Irgendwie ist es wirklich so.


    Lieben Gruß aus Bonn :hello:


    PS, Höre gerade aus der blauen Kasette die Haydn gewidmeten Quartette, die sind schon ein ganz schönes Kaliber, ob sie den Zeitgernossen gefallen haben oder als zu gelehrt abgelehnt wurden?

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

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  • Zitat

    Original von Ulli


    Da geht's mir im Prinzip genauso. Nur eines wäre mir ja schon genug gewesen. Man darf aber berücksichtigen, dass Mozart sich eben als Pianist und nicht als Violinist sah - jedenfalls ab etwa 1780. Wenn man nur die Violinsonate KV 454 gedanklich als "Konzert" umschriebe... wow!


    Viele Grüße
    Ulli


    Zitat

    Original von Stabia
    Irgendjemand hatte in diesem Gesprächsforum mal gesagt, er könne Mozart nur in Moll ernst nehmen.


    Stimmt, ich vergaß ganz zu erwähnen, daß das Fehlen eines Violinkonzerts in Moll ebenfalls zu Mozarts unverzeihlichen Versäumnissen zählt! ;):D



    ^_^J.

  • Zitat


    Man ist, wenn man sich mit Beethovens Musik beschäftigt, ein bißchen "verdorben" für das süffige, schöne, galante, tänzerische, spielerische, daß man dann eben nicht mehr so ernst nimmt.
    Irgendjemand hatte in diesem Gesprächsforum mal gesagt, er könne Mozart nur in Moll ernst nehmen. Irgendwie ist es wirklich so.


    Das ist genau das, was ich denke - zumindest in Bezug auf Haydn! Ich habe mich gefragt, warum Haydns Symphonien für mich nicht dramatisch und vorwärtstreibend klingen, sondern eher "konventionell". Da sind dann zwei mögliche Gründe:
    - Ich muss es einfach mehr hören
    - Wenn mir die Harmonik von z.B. Beethoven nicht als äußerst kühn, sondern als normal erscheint (weil ich die Musik so häufig gehört habe), muss Haydn dann nicht langweilig klingen?
    Aus der ersten Überlegung heraus habe ich immer wieder Haydn gehört, was nur langsame Fortschritte gemacht hat (bei einzelnen Symphonien schnellere). Ist es also der zweite Grund, der mir den Weg zu Haydn versperrt?


    Um wieder zu Mozart zu kommen: Da verhält es sich bei mir anders. Selbst manche frühere Werke wie KV 201 haben ein "gewisses Etwas". Ich versuche mal mit meinen unzureichenden Mitteln eine solche Stelle zu beschreiben, die ich in ihrer Wirkung weder bei Haydn noch bei Beethoven noch irgendwo anders kenne: Im Kopfsatz von KV201 beginnt die Durchführung piano, dann kommt ein Forte-Teil. Den Eintritt in die folgende Piano-Passage meine ich.
    Die Freude an solchen Stellen hat mir exzessiver Beethovenkonsum noch nicht verleiden können.


    Zitat


    PS, Höre gerade aus der blauen Kasette die Haydn gewidmeten Quartette, die sind schon ein ganz schönes Kaliber, ob sie den Zeitgernossen gefallen haben oder als zu gelehrt abgelehnt wurden?


    Haydn mochte sie jedenfalls. :)



    Gruß,
    Spradow.

  • Vielleicht kann ja jemand die Posts zum Thema "Auftragswerke" mal aussondern?


    Ich möchte nämlich nochmal kurz darauf zurückkommen. Daß Beethovens Vierte ein Auftragswerk des Grafen Oppersdorff war, dürfte bekannt sein. Lt. Booklet der Norrington-GA [Text: David Wyn Jones] hatte aber Beethoven bereits mit der Komposition der Fünften begonnen, bevor er den Auftrag des Grafen erhielt. Interessant ist der Vermerk des Autors: "Es ist nicht ganz klar, warum Beethoven die schon begonnene fünfte Sinfonie nicht vollendete [...]". Jones begründet zwar mit einem "Vielleicht?", dass für die Komposition der 5. offenbar eine längere Konzeptionsphase erforderlich war - im Gegenzug aber wird zur 5. Sinfonie formuliert, dass Beethoven diese eben gerade nicht Opperdorff [trotz dessen Gier] überreichte und widmete. Ganz offensichtlich hat Beethoven hier doch ganz bewußt eine neue Komposition für den Grafen anbedacht und das vielleicht "bessere" Werk [das ist nicht meine Meinung] für "besseres" Publikum bzw. einen anderen Widmungsträger aufgehoben. Oppersdorff ist es jedenfalls zu verdanken, dass die Fünfte heute die Fünte und nicht die Vierte ist.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Spradow


    Das ist genau das, was ich denke - zumindest in Bezug auf Haydn! Ich habe mich gefragt, warum Haydns Symphonien für mich nicht dramatisch und vorwärtstreibend klingen, sondern eher "konventionell". Da sind dann zwei mögliche Gründe:
    - Ich muss es einfach mehr hören
    - Wenn mir die Harmonik von z.B. Beethoven nicht als äußerst kühn, sondern als normal erscheint (weil ich die Musik so häufig gehört habe), muss Haydn dann nicht langweilig klingen?


    Zum einen würde das ebenso für Mozart gelten, zum andern müßten wir, die wir alle Wagner, Mahler oder gar Schönberg kennen, Beethoven erst recht nicht kühn, sondern langweilig finden. Der Unterschied in der Harmonik ist zwischen Beethoven und Wagner wesentlich größer als zwischen Mozart, Haydn, Beethoven...


    Meine Haltung hierzu ist, dass alle wirklich großartige Kunst und Musik ein sehr breites Ausdrucksspektrum hat. Bei mancher ist es, u.a. wegen der historischen Distanz, allerdings nicht so unmittelbar zu hören. Wenn man von Beethoven nur die 3. und 5. Sinfonie kennt, könnten einem die 1.,2. und 4, ebenfalls "langweilig", weil nicht derart dramatisch vorkommen. Sie sind "auf ihre Art" aber natürlich ebenfalls dramatische, wenn auch oft humorvolle Werke. Ähnlich sieht es mit Haydn aus. Besonders seine bekanntesten, späten Sinfonien (ab Pariser) sind nicht so emotional wie Mozarts große g-moll oder Beethoven. "dramatisch" i.S. v. spannungsvoll und überraschend sind sie m.E. aber durchaus., z.B. 82, 86 oder 97, 102 oder 103 zeigen mitunter eine Wucht, die Beethoven ähnlich ist.
    Oder die langsamen Sätze von z.B. 88, 98, 99, 102, 104 sind auch nach "romantischen" Maßstäben, feierlich-erhabene Stücke.
    Vielleicht solltest Du aber mal in Werke einer früheren Schaffensperiode, nämlich die sehr viel leidenschaftlicheren Sinfonien um 1770 wie 45 "Abschied", 44 "Trauer", 46,47,48 und 49 "La Passione" reinhören.


    Zwei andere Ursachen, warum Haydn für viel "schwieriger" ist, liegen einmal in den Interpretationen. Die sind häufig zu harmlos, kontrast- und farbarm. Dann aber auch in der Musik selbst. Sie ist fast immer wesentlich knapper und "schneller" als Mozarts. Es gibt wenig lange, eingängige, ausgebreitete Melodien, sondern knappe, trivial scheinende Motive (das ist eine Gemeinsamkeit mit Beethoven). Wenn man nicht aufpaßt und immer auf mächtige Effekte oder hübsche Melodien wartet, versäumt man den Witz und Geist dieser Musik.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Du hast Recht, Johannes, und es wird Zeit, daß man sich mit Haydn viel ernsthafter beschäftigt und ihm die Aufführunsgpraxis gibt, die ihm angemessen ist.


    Allerdings - und mit dem Zitieren tue ich mich schwer, könnte das alles schon heraussuchen - aber die Zeit! - wird bei Autoren schon im 19.Jhd. darauf hingewiesen, daß von der Anlage, der Idee her die Verbindung von Beethoven zu Haydn größer sei, als zu Mozart, auch was unerwartete Wendungen betrifft, wofür man Beethoven ja ständig gescholten hat.


    Haydn - und hier könnte man das schon belegen - hat seinerseits Beethoven kritisiert, das heißt, es ihm auch selbst gesagt, sinngemäß daß das Leben nicht einfach sei, man es aber sich selbst und anderen nicht angenehmer mache, wenn man das in die Musik überträgt. Er hat es wohl auch auf die bekannte Tatsache der unglücklichen Ehe hin gesagt. Soweit ich mich erinnere, hat Beethoven, damals Anfang 20, diesen Rat nicht angenommen.


    Die Sache ist schon viel komplizierter, man kann sie nicht nur mit Auftragsarbeit usw. begründen.
    Wir dürfen nicht vergessen, daß hinter der Musik Menschen stecken, die so verschieden sind wie Du und ich.
    Dem einen trifft die Musik ins Herz oder Gemüt, dem anderen jene. Und darüber trefflich zu streiten ist sicher nicht möglich.


    Das Postulat der absoluten Musik gibt es meiner Meinung nach nicht. Sie müßte kalt, emotionslos sei. Ist es denn nicht gerade das Großartige, daß Menschen in der Lage sind, aus sich heraus Dinge uns zu sagen, die sie sagen m ü s s e n.


    Ich für meinen Teil wurde in der Jugend von Beethovens Musik wie ein Aha-Erlebnis angerührt, es ist so geblieben. Er erzählt mir Geschichten, besser als jedes Hörbuch. Diese Erfahrung machtre ich bisher bei keinem anderen Komponisten.


    Seien wir dankbar, daß wir heute jederzeit Zugriff zu unseren Lieblingsstücken haben un d nicht warten müssen, bis sich jemand mal wieder das sperrige Op. 95 vornimmt - wie heute in Bonn - und es zu Gehör bringt.


    Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

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  • Ich für meinen Teil kann gut nachvollziehen, wie man Mozart nicht mögen kann.
    Ich selbst habe zu Mozart einen recht schwieriges Verhältnis.
    Grob geschätzrt würde ich sagen, dass ich 98% seines Schaffens nicht ausstehen kann, daneben gibt es jedoch eine Hand voll Werke, die ich einfach vergöttere:


    Requiem in d-moll KV 626
    große Messe in c-moll KV 427
    Kantate "Laut verkünde unsre Freude" KV 623
    maurerische Trauermusik KV 477
    Missae KV 337, 257, 317, 262, 65
    Kyrie in d-moll KV 341
    Ave verum corpus Kv 618


    , also überwiegend geistliche Vokalwerke.


    Daneben gedt es noch ein Paar Werke, die ich "ganz schön" finde, aber ansonsten... ?(


    Könnte mir jemand vielleicht einen Vorschlag geben, mit welchen Werken ich es noch mal versuchen sollte?

    "Phantasie ist unser guter Genius oder unser Dämon."
    - Immanuel Kant (1724-1804)

  • mozart ist einer meiner lieblingskomponisten, allerdings ist er der einzige, den ich in keinen richtigen stil einordnen kann. irgendwie unberechenbar - einerseits sehr eingängige musik, an der überhaupt nichts auszusetzen ist, wie z.b. das molto allegro aus der 40. symphonie. dann wieder so mitreißende musik wie das allegro maestoso aus der 9. klaviersonate. dann der 3. satz, das presto, hat einen sehr coolen faktor.


    klar, hat kein komponist jemals nur eine sache in seiner musik beschrieben, das meine ich auch nicht. es scheint eher, dass mozart einen grundstil hatte und das drumherum, sozusagen den nebenstil, beliebig variierte, je nachdem welches thema ein werk nun hatte. deswegen finde ich mozart zwar sehr gut, allerdings auch sehr schwer zu verstehen.


    naja, ich denke jedenfalls, dass man mozart nicht hassen kann, sondern dass einem nur dieser grundstil missfällt, weswegen man vielleicht nicht mit mozarts musik zurechtkommt - doch kann amn mozart gar nicht hassen, da seine musik viel zu "rein" ist.


    spätestens, wenn man das kyrie aus dem requiem gehört hat, muss man mozart mögen ;)

    2 Mal editiert, zuletzt von iLLumination ()

  • Hallo,


    ich wollte über ein Werk von Mozart schreiben und wußte nicht wo, denn einen Thread zur Kammermusik von ihm fand ich nicht. Da fand ich diesen Thread und dachte mir, vielleicht ist es hier nicht schlecht. Kann man Mozart nicht mögen - für mich ist da etwas daran. Ich kenne viele uninspirierte Werke von ihm, die ich bestenfalls als Hintergrundmusik in Gesellschaft oder vielleicht zu einem Tee hören möchte. Kunsthandwerklich sind sie aber meist gut gemacht, die Harmonik ist mir jedoch etwas zu einfach. Seine Klavierkonzerte sind eben z.B. zum Broterwerb geschrieben, er mußte damit als Virtuose auftreten um Geld zu verdienen. Vielleicht wollte er den Publikumsgeschmack treffen, den er vermuten mußte.


    Es gibt aber auch den anderen Mozart, der großartige Werke komponiert hat. Es muß nicht gleich die erschreckend kühne Harmonik etwa der phänomenalen c-moll Messe sein (ich kenne die Aufnahme mit Leonard Bernstein), das Requiem oder seine Phantasien in moll. Seine späte Kammermusik ist oft wunderbar und großartig und sie zeigt seinen einzigartigen Personalstil - aber sie war damals kaum verkäuflich. Sein vor mir vielleicht gelungenstes Werk ist das Klarinettenquintett KV 581. Es erscheint tiefsinnig und intim und inspirierte Johannes Brahms zu seinen beiden Klarinttensonaten op. 120 für Gerhard Mühlfeld. Ich möchte die Aufnahme mit dem Quatuor Mosaiques vorstellen und Wolfang Meyer an der Klarinette. Das Quartett spielt überaus feinsinnig und artikuliert und phrasiert gesanglich. Wolfgang Meyers singendes und sprechendes Spiel ist einzigartig anrührend und intim. Seine Klarinette ist sehr wohlklingend und oberwellenarm, sie "quäckt" nicht. Hier kann man bei jpc hineinhören:



    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • ich wollte über ein Werk von Mozart schreiben und wußte nicht wo, denn einen Thread zur Kammermusik von ihm fand ich nicht. Da fand ich diesen Thread und dachte mir, vielleicht ist es hier nicht schlecht. Kann man Mozart nicht mögen - für mich ist da etwas daran. Ich kenne viele uninspirierte Werke von ihm, die ich bestenfalls als Hintergrundmusik in Gesellschaft oder vielleicht zu einem Tee hören möchte. Kunsthandwerklich sind sie aber meist gut gemacht, die Harmonik ist mir jedoch etwas zu einfach. Seine Klavierkonzerte sind eben z.B. zum Broterwerb geschrieben, er mußte damit als Virtuose auftreten um Geld zu verdienen. Vielleicht wollte er den Publikumsgeschmack treffen, den er vermuten mußte.


    Immerhin soll kein Geringerer als Wilhelm Kempff über Mozarts Klaviersonaten gesagt haben: "für Schüler zu leicht, für Pianisten zu schwer".


    Viele Grüße


    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

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