Hit des 20. Jahrhunderts - Carl Orffs "Carmina Burana"

  • Hallo,
    die CB sind mit Sicherheit das Werk, welches ich in meinem Leben bisher am allermeisten gespielt habe.


    Bereits mein Vater hat die CB als Pianist sehr häufig und auch einmal unter Orff gespielt und als Chorleiter dann häufig aufgeführt.
    Durch ihn bn ich sehr sensibel geworden, was Orffs genaue Vortragsbezeichnungen angehen, welche nur allzuhäufig im großem Stil mißachtet werden.
    Das geht bei den Tempi los und endet bei den vielen, mit Sinn und Verstand gesetzten Atempausen.
    Was das angeht, so ist die alte Jochum-Aufnahme für mich immer noch vorzuziehen, aber ich habe den Überblick über neueste Einspielungen verloren.
    Die Klavierparts der Orchesterfassung sowie Killmayers Bearbeitung für zwei Klaviere und Schlagzeug habe ich in einem früheren Leben sehr,sehr häufig gespielt.
    Das erste mal 1979 unter Horst Mainardus in Köln.


    Dazu kommen noch die ganzen Aufführungen als Orchestercellist, die sich im laufe der Jahre so angesammelt haben.
    Das angenehme ist, daß ich die CB dadurch ziemlich auswendig kenne :D


    Außerdem muß ich sagen, daß ich, obwohl ich z.B. Edwins Einwände absolut nachvollziehen kann, dieses Werkes noch lange nicht überdrüssig bin.


    Es macht immer wieder Spaß, es zu hören oder zu spielen.
    Auch wenn der Cellopart im Orchester ziemlich langweilig ist..... :wacky:


    LG,
    Michael

  • Zitat

    Original von Rideamus


    Die für mich maßstäbliche Einspielung des Werkes war übrigens die von Kurt Eichhorn mit Hermann Prey, Lucia Popp und John van Kesteren, die meines Wissens die zweite von Orff autorisierte Einspielung des Werkes war und 1975 von dem unvergesslichen Jean-Pierre Ponnelle im Auftrag des ZDF kongenial verfilmt wurde.


    Ich weiß nicht so recht, wie ich die Verfilmung finden soll. Zweifelsfrei ganz lustig. Fröhlich werden Phallusattrappen geschwenkt und in einem Teich ein Wet-Shirt-Contest veranstaltet, Lucia Popp singt nur mit einem Kopfputz bekleidet in einer Vogeltränke und ein hemdsärmeliger Prey quittiert dies mit sehr verstörten Blicken.


    Nun ja, irgendwie ganz nett. Aber ich höre aus manchen Stücken eine Art bedrohlichen Unterton heraus, der in Ponnelles verspielten Märchenbildern keine wirkliche Entsprechung findet.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Draugur


    Als ich den Ponelle-Film erstmals im Fernsehen sah, war ich fasziniert. Irgendwie hat sich diese Verfilmung in meiner Erinnerung verklärt über all die Jahre.


    Nun habe ich vor ein paar Monaten die DVD gekauft - und beim Ansehen ging es mir ähnlich wie Dir - die verspielten Szenen entsprechen nicht so ganz der teilweisen Drastik der Musik. Irgendwie ist das Ganze mit einem Weichzeichner aufgenommen!


    Am Ende war ich dich etwas enttäuscht.


    LG
    Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)


  • Normalerweise finde ich die Auseinandersetzung mit Stokowskis Interpretationen ja recht spannend, aber hier muss ich deutlich abraten! Orchester und Solisten scheinen nicht zu wissen, was sie da überhaupt aufführen und man könnte fast glauben, dass Stoki die CB lediglich eingespielt hat, um es eben auch noch in seiner umfangreichen Diskographie zu haben. :thumbdown:


    (Die Feuervogel-Suite hingegen ist hörenswert, wenn auch keine wegweisende Aufnahme.)

  • Hallo,


    Bei der "Carmina Burana" wird deutlich, wer einen dafür m. E. geeigneten Sopran hat. Ich habe mir mal den Spaß erlaubt, alle Schnipsel bei JPC für die Stelle "Dulcissime" anzuhören, folgende Kriterien galten für mich:
    1. Einwandfreie, unmittelbar sofortige sauberste Intonation
    2. Den Text der Melodie unterlegen, also keine durch Textzäsuren unterbrochene Melodie
    3. Die Höhe mühelos - oder ohne die Mühe zu hören - schaffen
    4. Kein oder nur ein sehr kleines (kein großer Schwingung des...), feines (keine große Dynamik) Vibrato, also kein "Verdi-Opern-Vibrato"
    5. Eine dem Sinngehalt passende Phrasierung und Dynamik- also nicht einfach "runternudeln"
    6. Es kamen für mich nur die Orchesterfassungen in Frage


    Ich nenne nur die Namen der Sopranistinnen:
    Sehr gut: Watson,Mandac, Dessey, Claycomb und die Sopranistin, Name nicht genannt, der Aufnahme mit dem Atlanta SO
    Gut: Dawson,Casapietra, Popp, Jo, Harsany, Burrowes


    Einsame Spitze war jedoch H. E. Meier und das NDR RSO unter Eije Oue - die Phrasierung, die Pausen waren unübertroffen.


    Es ging nicht um die Gesamt-Interpretation.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • 8. Juni 1937:
    In der Frankfurter Oper werden die
    Carmina Burana,
    Carl Orffs
    auf der gleichnamigen Sammlung mittelalterlicher Vagantendichtung beruhende szenische Kantate, uraufgeführt,
    mit Clara Ebers • Jean Stern • Rudolf Gonszar • Coba Wackers • Maria Madlen Madsen • Elisabeth Rosenkranz • Hellmuth Schweebs • Carl Ebert • Oscar Wittazscheck • Emil Staudenmeyer,
    Dirig. Wetzelsberger.



    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Auch hiervon gibt es eine Klaviertranskription, und zwar von Eric Chumachenco. Einen Vergleich mit dem Original sollte man lieber nicht anstellen, natürlich kommt es sehr reduziert daher. Aber als Kuriosität, hier ist der Link mit Hörschnipseln:


  • Es ist ja bekannt, dass Vocalwerke nicht gerade mein Steckenpferd sind.


    Aber bei einem gemeinsamen Klassiknachmittag letztes Jahr hat mir vivelamusic das Werk, von dem ich im Prinzip immer nur den Anfang gehört habe, näher geracht. Wir stellten Vergleichend verschiedene Interpretationen der Jochum-Aufnahme (DG) in Passagen gegenüber; Zubin Metha war auch dabei ... ich selber besass nur Blomstedt (Decca) ...
    :thumbup: Aber so umwerfend abgedreht, wie die Sänger bei Jochum agierten habe ich es nirgens erlebt. ;) Das hat sogar mit gefallen.


    Von daher ist meine einzige Aufnahme, die ich von Carmina Burana brauche, übrig behalten habe und hören möchte, nur noch die Jochum-Aufnahme, die in diesem Thread ja schon mehrfach aufs positivste gelobt wurde - mit Recht !


    Und als Bonbon ist sie auch von der Klangqualität ebenfalls hammermässig gut :

    DG, 1968, ADD



    :!: Diese Klassiknachmittage mit Klassikfreunden empfehle ich übrigens allen Taminos. Macht Riesenspass und führt beiderseits oft zu ganz neuen Erkenntnissen !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Diese Klassiknachmittage mit Klassikfreunden empfehle ich übrigens allen Taminos. Macht Riesenspass und führt beiderseits oft zu ganz neuen Erkenntnissen !


    Hallo teleton,


    erbitte Erläuterung wie das abläuft, trefft ihr euch persönlich oder per ...?


    Danke.


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Zitat

    teleton: Von daher ist meine einzige Aufnahme, die ich von Carmina Burana brauche.....die Jochum-Aufnahme...

    Interessant ist, lieber Wolfgang, dass die Jochum-Aufnahme auch meine erste und mir bisher die Liebste ist, wohin gegen die von Rattle mir damals im Silvesterkonzert besser gefiel als auf CD. Christian Gerhaher gefiel mir damals ausnehmend gut.
    Was jedoch die Jochum-Aufnahme betrifft, so punktet sie nicht nur durch Chor und Orchester des Bayerischen Rundfunks sowie natürlich Jochum selbst, sondern auch durch die Solisten, allen voran Gundula Janowitz und Dietrich Fischer-Dieskau. Wenn ich mich recht entsinne, war Orff sogar bei der Jochum-Aufführung persönlich anwesend.
    Ich warte allerdings immer noch schmerzlich auf eine Aufnahme, die nicht im Mindesten mit den o.a. konkurrieren kann, die aber den Vorzug hat, dass sie eine Live-Aufnahme unserer eigenen Aufführungen am 1./2. 09. 2007 ist, mit denen wir die erste volle Saison des Konzerttheaters Coesfeld eröffnet haben.


    Liebe Grüße nach Bonn


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Hallo William B. A.,


    dass allen voran G. Janowitz punktet, ist mir ein völliges Rätsel. "Dulcissime"- für mich die Schlüsselstelle des Werkes - da erreicht sie mühsam, mit Ansatz und sich quälend anhörend die Höhe - eine Höhe die sich in absoluter Leichtigkeit des euphorischen Überschwangs, des himmelhoch verzaubert sein aufschwingt - oder verstehe ich den Text nicht???


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Wenn ich bei der Carmina Burana an Eugen Jochum denke, fällt mir spontan diese Aufnahme ein:



    Da singen Elfride Trötschel, Paul Kuen und Hans Braun.
    Auch für weniger als 1 € in dieser Box zu haben:



    So klingt Orff aus 1. Hand.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Das Dulcissime mit leichten Intonationsproblemen.



    LG
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • "Dulcissime"- für mich die Schlüsselstelle des Werkes


    Hallo Zweiterbass,


    ob jetzt die Sängerin bei der Passage mal mehr oder weniger perfekt war ist für mich vollig unwesentlich (will und kann ich gar nicht beurteilen). Das Gesamtpaket und die mitreissende Interpretation aller Ausführungen in der Jochum-Aufnahme (DG) stimmt einfach.
    Auch bei Bernsteins West-Side-Story in seiner DG-Aufnahme, soll ja nicht alles perfekt gewesen sein ... trotzdem für mich eine fabelhaft gelungene GA.



    OT: Zu deiner Frage mit den Klassiknachmittagen !
    Wir treffen uns alternierend abwechselnd bei mir und bei vivelamusic, da wir nicht weit auseinander wohnen (Remagen - Bonn).
    Was meinst Du mit "oder per..."? Alles Andere wäre doch Käse, wenn nicht persönlich !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Die Jochum-Aufnahme ist ein Klassiker und ganz sicher eine der besten Aufnahmen.



    Allerdings trifft m. E. Previn in seiner alten Aufnahme mit dem London SO von 1975 (nicht verwechseln mit der neueren mit den Wiener Philharmonikern) den mysteriösen Ton noch besser. Gerade das O Fortuna hörte ich noch nie spannender und geheimnisvoller als hier.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Das Gesamtpaket und die mitreissende Interpretation aller Ausführungen in der Jochum-Aufnahme (DG) stimmt einfach.

    Hallo teleton,
    dagegen ist überhaupt Nichts einzuwenden - ich habe da nur eine spezielle Meinung: Für mich ist "Dulcissime" der Dreh- und Angelpunkt des ganzen Werkes, wird diese Stelle musikalisch nicht absolut lupenrein getroffen, ist es für mich wie eine Trauung, bei der die Braut "nein" sagt.



    OT: Zu deiner Frage mit den Klassiknachmittagen !
    Wir treffen uns alternierend abwechselnd

    Da beneide ich Dich - ich lebe scheinbar in der Diaspora (oder ist mein Musikgeschmack so ausgefallen?).


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Nach Auskunft von Orffs Frau hat der Komponist besonders für diese Aufnahme geschwärmt:




    • Künstler: Jutta Vulpius, Hans-Joachim Rotzsch, Kurt Rehm, Kurt Hübenthal, Rundfunkchor Leipzig, Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig, Herbert Kegel
    • Label: Eterna, ADD, 1959


    :hello: LT

  • Weil er diese Aufnahme noch nicht kannte (kennen konnte).

    Ich verweise dazu auf meinen Beitrag Nr. 65 hier.


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich möchte Interessierte darauf hinweisen, dass am 20. April 2013 in der Kölner Philharmonie eine neue Fassung der Carmina Burana aufgeführt wird. Statt durch ein Orchester erfolgt die Begleitung durch Mallet-Instrumente und Schlagzeug. Es singt der Oratorienchor Köln, verstärkt durch den Mädchenchor am Kölner Dom. Die musikalische Gesamtleitung hat Andreas Meisner.


    Die Mallet-Instrumente spielt das mallArt percussion ensemble.


    Falls ich es zeitlich schaffe, werde ich mir die Aufführung anhören.


    LG,
    Portator

  • Den Einspielungsempfehlungssuchenden mag dieser thread mittlerweile etwas unübersichtlich erscheinen, daher einmal ein annähernd chronologischer, notwendigerweise unvollständiger Überblick. Verlinkt sind nur die mir als besonders empfehlenswert erscheinenden (und noch erhältlichen) Aufnahmen.


    Recht andauernd, aber wohl nicht mehr gegenwärtig im Katalog ist SAWALLISCH, die erste der von Orff "autorisierten" Aufnahmen (siehe auch Beitrag 30). Konzept des Dirigenten und "Hauptsolist" Marcel Cordes überzeugen. Ein handicap ist bei diesem hedonistischen Werk der Monoklang (1956), vor allem aber der (Kölner Radio-) Chor, dessen Qualität Welten von jener der heutigen deutschen Rundfunkchöre (einschließlich WDR) entfernt ist.


    Einer der sehr wenigen kontinentaleuropäischen Chöre, die mit den damaligen britischen konkurrieren konnten, scheint (nach den vorliegenden Aufnahmen beurteilt) der Rundfunkchor Leipzig gewesen zu sein, der samt zugehörigem Orchester die Carmina 1959 unter Herbert KEGEL eigespielt hat. Kegel hatte ohnehin einen gewissen Hang zu einem motorischen musizieren, der diesen Werk zugute kommt. Statt am Tempo zu manipulieren, konzentriert sich der Dirigent auf die Verdeutlichung der verschiedenen rhytmischen Schichten. So entsteht in den - ausnahmsweise einmal nicht beschleunigten - Schlußteilen des ersten " O Fortuna" bereits ein "drive", der im Folgenden nicht mehr nachläßt. Überhaupt wirkt diese Aufnahme unheimlich geschlossen, so daß sich am Ende das Schicksalsrad tatsächlich einmal um sich selbst gedreht zu haben scheint. Kegel selbst hat diese alte, klanglich immer noch gute Aufnahme (mit den Solisten Vulpius, Rotzsch, Rehm, Hübenthal) in späteren Versuchen nicht mehr übertreffen können.
    Ich hatte übrigens nie begreifen können, warum Orff andere Aufnahmen "autorisiert", diese jedoch nicht gepriesen zu haben schien. War der Dirigent zu unbayerisch? Die Provinienz zu unheimlich? Welch Erleichterung, daß mich der vorliegende thread
    wieder Vertrauen in meine Intuition fassen ließ [Danke, "Liebestraum"]...

    Zitat

    Nach Auskunft von Orffs Frau hat der Komponist besonders für diese Aufnahme geschwärmt:



    Etwa um die gleiche Zeit entstand die Aufnahme von ORMANDY, die z.B im Penguin-Guide durchaus gelobt wird. In der Gesamtanmutung der Kegel'schen zunächst nicht unähnlich, wirkt diese Einspielung aus Philadelphia im Vergleich doch nur wie - gehobene - Routine.


    Die tendenzielle Überlegenheit englischer Chöre in den 50/60ern belegt u.a. der London Symphony Chorus unter Richard HICKOX (in der älteren Einspielung). Jede gute Carmina-Aufname muß einen gewissen Enthusiasmus ausstrahlen, diese hier ist ein seltenes Beispiel für stillen Enthusiasmus. Die Tempi sind ruhig, die Spannung ensteht aus orchestraler und chorischer Präzision. Nebenbei auch eine wenigen Einspielungen, in denen sich der Kinderchor [Southend Boys] wirklich bemerkbar macht.


    Dieses Konzept wurde gewissermaßen von FRÜHBECK DE BURGOS weiterentwickelt, getragen vom großartigen (New) Philharmonia Chorus. Aus einer scheinbar ruhigen, jedoch ständig gespannten Oberfläche brechen immer wieder Eruptionen hervor. Da Frühbeck (anders als Kegel) über die vom Komponisten geforderte dynamische Spannbreite hinausgeht, können Orchester und insbesondere Chor ihre Möglichkeiten immer wieder ausspielen (resp. -singen). Unter den Solisten - wie bei Kegel sind's vier - ist Lucia Popp besonders bemerkenswert (gerade die rechte Tessitura für eine Königin der Nacht).



    Eines haben die von Orff autorisierten Aufnahmen gemein (mal abgesehen von den aus Bayern stammenden Dirigenten...): alle bieten eine überdurchschnittliche Textverständlichkeit. Orff sagte ja, er habe die Carmina Burana verfasst, um die Texte bekannt zu machen - der Erfolg dürfte seine Erwartungen übertroffen haben - und tatsächlich sind textverständliche Einspielungen häufig auch musikalisch gelungen. Zu diesen gehören also auch Eugen JOCHUM und Kurt EICHHORN.
    Jochum hat - in der DG-Einspielung - den besseren Chor (Deutsche Oper Berlin) und die besseren Tontechniker , Eichhorn - der Chor des BR ist wieder einmal nicht auf dem ihm heute selbstverständlichen technischen Niveau - verbreitet dagegen einen gewissen rustikalen Charme, der nicht als Umschreibung von Defiziten verstanden werden soll. Beide verfügen über ein zeitgenössisch-mitteleuropäisches Starensemble. Ob man Gundula Janowitz (Jochum) oder, wie ich, Lucia Popp (Eichhorn) vorzieht, ist, gerade bei diesen Stücken, eine extrem subjektive Frage... . Fischer-Dieskau singt abwechslungsreich - selbst timbral
    nicht immer nur FD - Hermann Prey übernimmt ein wenig von dessen Konzept und treibt das Ganze in eine Macho-Attitüde, etwas "over the top", aber an dieser Stelle und angesichts von viel schmalbrüstiger Konkurrenz nicht unangemessen. Wegen des sehr charakteristischen Solistentrios Popp-van Kesteren-Prey eine leichte Präferenz zugunsten von Eichhorn.


    Einen gewissen Ruhm haben die Aufnahmen von André PREVIN erlangt, der versucht, das Stück interessanter zu machen als es ist. Das Resultat ist eine Ungleichgewichtigkeit im Detail und eine Inkohärenz im Ganzen. Seine früheste Aufnahme (LSO) ist die relativ überzeugendste, was auch, aber nicht nur am Bariton Thomas Allen liegt. Dieses Fazit ist beinahe zu erwarten, da die früheren Aufnahmen von "Multieinspielern" in der Regel die gültigsten sind, siehe u.a. Kegel, Hickox und vor allem OZAWA (es sind mittlerweile wohl 4, von denen mindestens 3 nicht, äh, zwingend erforderlich waren). Offenbar braucht das Werk einen frischen Blick. Zudem wirken Orchester wie die Berliner Philharmoniker bei Ozawa oder die Wiener bei Previn - verständlicherweise - etwas unterfordert-gelangweilt...


    ... so auch das Chicago Symphony Orchestra unter James LEVINE. In Abwesenheit von Bernstein, Karajan, Solti vielleicht der größte "Star" unter den Carminaniasten, vielleicht der Grund dafür, daß diese Aufnahme (nach Auskunft des u.U. nicht unbegrenzt vertrauenswürdigen Norman Lebrecht) die finanziell erfolgreichste ist. Die Konstellation erweckt durchaus positive Erwartungen. Das Ergebnis ist jedoch: Aufgeregtheiten ohne Leidenschaft. Der typisch amerikanische Symphony Chorus ist technisch solide, aber klanglich dickmassig und wenig differenziert. Bernd Weikl als führender Solist ist auch kein Vorteil. Eine bessere Aufnahme aus USA hat Herbert BLOMSTEDT dirigiert, die insgesamt recht gelungen ist, obwohl sie einen Grammy gewonnen hat! Das war jetzt etwas viel Anachronismus, auch weil wir zeitlich vorausgeeilt sind.


    Vor Blomstedt und knapp vor Levine hat Riccardo MUTI die wohl letzte Analogaufnahme musikalisch geleitet. Die erwartbaren Klischees werden erfüllt: "itanlianità" und Verdi-Stretti an den entsprechenden Stellen. Schnelle Tempi führen bei diesem Werk eher selten ans Ziel (es gibt groteske Beispiele, über welche das Tuch des Schweigens gebettet bleibt), doch hier funktioniert's, auch weil die Disposition doch insgesamt klug entworfen scheint. Wieder ist der gute Philharmona-Chor dabei, wenngleich nicht ganz so brilliant wie unter Frühbeck. Dafür ist auch der engagierte Kinderchor aus der Hickox-Aufnahme da . Und Arleen Auger. Wer eine Einspielung mit "mediterranem Flair" samt entsprechender Textaussprache sucht...


    Mit dieser Analogaufnahme endet auch beinahe die Zeit der empfehlenswerten Einspielungen. Von nun an werden, scheint's, die Carmina Burana i. A. zu einer Routineangelegenheit, und daß vertragen diese gar nicht. Einige disqulifizieren sich beinahe durch die kontraproduktive Verwendung eines Counters in der Tenorstimme, etwa MEHTA, WELSER-MÖST, PLASSON. Letzterer ist immerhin nicht uninteressant, wer Chortimbres sammelt, sei auf diese und die Mexicanische Aufnahme unter DE LA FUENTE verwiesen. DUTOIT profitiert wie Blomstedt von der Decca-Technik. Über die RATTLE-Aufnahme und dem "inneren Bedüfnis" der Beteiligten hat Alfred Schmidt bereits das Nötige gesagt (ach, nein: der Chor ist gut). SACD-Freaks mögen sich für RUNNICLES interessieren, neben Blomstedt ein brauchbarer Import aus den Vereinigten Staaten. Die gelungeneren Passagen klingen übrigens nicht selten wie von Kegel kopiert, und damit wären wir auch beim...


    Fazit: Fortuna placiert den Lorbeer auf dem Haupte Herbert Kegels, wobei sie Rafael Frühbeck zuzwinkert. Die Herren Eichhorn, Jochum und Muti dürfen sich dabei wenigstens in der Nähe des Thrones aufhalten, einige weitere im Saal. Ein Großteil der übrigen Kondukteure, namentlich jüngerer Zeit, muß mit anderen mythologischen Figuren vorlieb nehmen.

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  • Hallo Gombert,


    mit der von Dir geposteten Übersicht kann ich mit meinem absichtlich äußerst eingeschränkten Vergleich natürlich nicht mithalten, siehe die Beiträge Nr. 65, 71, 76, 78.


    Von den von Dir eingestellten CDs erfüllt nur die Aufnahme mit Lucia Popp und Rafael Frühbeck de Burgos "meine Kriterien".


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • "Absichtlich äußerst eingeschränkte Vergleiche" können ja auch sehr nützlich sein, zumal wenn, wie in Beitrag 65, klare Kriterien genannt werden. Es ist auch verständlich "Dulcissime" als quintessentiellen Carmina-Moment zu verstehen. Eckhard Henscheid schrieb sinngemäß, er möge C.B. vor allem der erotischen Sopranarien wegen. Der Anfang von "Dulcissime" ist ja ein recht expliziter Augenblick... . Mein kurzer survey soll ja v.a. eine allgemeine Handreichung für CD-Suchende sein, da dürfen die ersten Takte des kürzesten Stückes nicht das alleinseligmachende Kriterium sein. Ich bitte, nicht nur die eingestellten CD's zu beachten. Die Blomstedt-Aufnahme mit Dawson etwa wurde ja auch gelobt.
    Ich vermag Deinen Kriterien (in 65) weitgehend zu folgen, jedoch nicht immer. Die jüngere Hickox-Aufnahme würde ich gegenüber der älteren selbst um der Sopranistin willen nicht vorziehen, ich höre bei Frau Claycomb doch reichlich Vibrato. Zudem mag ich bei etlichen Deiner Beispiele den Klang der - natürlich strapazierten - Stimme(n) nicht, aber in Fragen des Timbres und seiner Wirkung auf den jeweiligen Zuhörer bewegen wir uns auf einem faktisch nicht mehr diskursfähigen Pfad. Angestrengt klingen eigentlich alle mir erinnerlichen Soprane (Mandac/Ozawa, Watson/Hill, Harsanyi/Ormandy, Burrowes/Dorati - letzgenannte Aufnahme war insg. übrigens eine besondere Enttäuschung für mich). Das ist sicherlich von Orff intendiert - wer hätte um 1937 diese Passage technisch sauber singen können? Klassischer Belcanto des frühen 19. Jhts. war kaum im Repertoire, Ivogün bereits zurückgetreten, es dürfte kaum sichere Stratosphärensoprane gegeben haben. Ähnlich wie bei den Tenor- und Baritonpartien (und auch in etlichen Chorpassagen) ist die Anstrengung mitkomponiert. Wenn nun Frau Meier bei Oue tatsächlich das fast unmögliche beinahe gelingt, ist es natürlich bemerkenswert. Überhaupt ist diese ganze Passage von allen Beteiligten schön musiziert. Leider gilt daß nicht für die gesamte Aufnahme. Neben sehr gelungenen Stellen gibt es etliche Abschnitte, die ich als fast maschinenhaft-routiniert empfinde. Selbstverständlich ist das subjektiv.
    Die Aussage, Orff hätte die Oue-Aufnahme über (alle?) andere(n) gestellt, ist insofern gewagt, als daß der Vergleich der von Orff nachweislich geschätzten Aufnahmen doch ein gewisses Schema erkennen läßt, von dem Oue abweicht. Nicht daß Orff in dieser Hinsicht unbedingt schematisch gedacht haben müßte, aber wenn man schon spekuliert, dann unter Verwendung der wenigen vorliegenden Parameter... :P


    Beste Grüße !

  • Danke für Deine ausführliche Antwort.
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Bei mir gehört die Carmina fast zur Biographie und ist eindeutig ein Lieblingsstück (das ich auch immer wieder anführe, wenn mir mal wieder der Vorwurf gemacht wird, für mich wäre nach 1900 nichts mehr gekommen. Ga' nicht wahr! Carmina war danach. Und Vaughan Williams auch!).


    Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, war es um 1975/76 herum, dass ich zum ersten Mal intensiver mit der Carmina zu tun bekam - damals noch im Schulorchester, das aber einen durchaus ambitionierten Dirigenten und ein ordentliches Niveau hatte. Es hat mir unheimlich Spaß gemacht. Und ich weiß noch: Die Platte, die ich mir damals angeschafft habe, war die Jochum Aufnahme mit Lucia Popp und "FiDi".


    Im Sommer 1980 war ich dann Aushilfe in einem Orchester, das mit der "Carmina" auf Sommertour ging - und stinkig. Ich hatte die Generalprobe versäumt, weil ich an dem Abend noch für meinen bereits nach Bayreuth abgeflitzten Lehrer seinen letzten Operndienst machen musste, kam also erst zur Stellprobe und hatte so einen Brass! Ursprünglich war da ein Bariton angekündigt, den ich aus der Oper kannte (aber fragt mich heute nicht mehr, wer das war! Ich komm' nicht mehr drauf), aber auf dem endgültigen Plan stand ein mir ganz unbekannter Name (was nicht viel zu sagen hatte, denn ich war damals ein echtes Lokalei und kannte eigentlich nur die Stuttgarter Szene) - irgend so ein Engländer. Und nun kam ich da zur Stellprobe und in der großen Gemeinschaftsgarderobe, in der ich mein Fagott zusammen baute, schwärmten drei Choristinnen vom Bariton - nur leider nicht von seiner Stimme, sondern von seinem knackigen Hinterteil, den "süßen Wuschellocken" und ach, sei das nicht niedlich, wie er die immer wieder aus der Stirn streichen müsse? Und diese Samtaugen! Und überhaupt habe der ja ohne Ende Charme und dürfe gerne mal seine Pantoffel unter ihrem Bett parken.


    Ich schüttelte den Kopf und trabte raus. Kaum saß ich auf meinem Stühlchen, drehte sich eine Bratscherin rum: "Hast du unseren Bariton gesehen? Ich sag' dir: Der Junge ist ein Sahneschnittchen!" Ja, dank'schön - nützt mir das was? Ich seh' eh nur einen Rücken im Frack und an den habe ich nicht so hohe ästhetische Ansprüche! Für mich muss ein Sänger singen können und wie er aussieht, ist mir relativ wurst.


    Und dann kam der Herr und strahlte mal kurz in die Runde und hinten sahen einige Chordamen aus, als ob sie gleich vor Entzücken in Ohnmacht fallen würden und ich war felsenfest überzeugt: Der Schönling kann aussehen! Aber singen kann er bestimmt nicht auch noch ...


    Fünf Minuten später haben wir das "Estuans Interius" angespielt - und dann legte einer los und ich war heilfroh, dass ich tacet hatte, weil ich ernsthaft Schwierigkeiten hatte, die Klappe zuzukriegen! Eine der schönsten Stimmen, die ich je gehört habe - ein samtweicher, dabei aber kraftvoller Bariton, der selbst da, wo andere brüllen müssen wie die Ochsen, kultiviert klang ...


    Inzwischen steht eine CD mit genau diesem Herrn bei mir im Schrank - und ist meine Lieblingsaufnahme der Carmina. Wer will raten, wer es war?


    (Figaro, Du bist ausgenommen!) ;)


    Sycorax
    grinsend

  • 1980? Mäßiger Backfrack? Mandelaugen? Wuschellocken? Es handelt sich selbstverständlich um den nunmehr berühmten britischen Bariton Jonas Kaufman, Halbgroßschwager von Thomas Allen und Nichte des Wallonen Bryn Terfel.

  • Sycorax
    grinsend

    Ja, liebe Sycorax,


    grins nur weiter!


    Nach diesem vernichtenden Soziogramm über die weiblichen Orchestermusiker frage ich mich, ob sich deren lüsterne Blicke auch in den Zuschauerraum richten.
    Bisher wähnte ich mich durch das dort herrschende Halbdunkel geschützt, bin mir aber nach Deinen Enthüllungen dessen nicht mehr sicher.
    Bevor ich je wieder einen Konzertsaal betrete, werde ich mich vergewissern, dass mir auf diesem Gebiet keine Gefahr droht.
    Vielleicht bringe ich sogar meine Frau mit.


    :hail: :hail: :hail:

  • 1980? Mäßiger Backfrack? Mandelaugen? Wuschellocken? Es handelt sich selbstverständlich um den nunmehr berühmten britischen Bariton Jonas Kaufman, Halbgroßschwager von Thomas Allen und Nichte des Wallonen Bryn Terfel.

    Äh ... von "Samtaugen" war die Rede. ;)


    Sycorax
    "Und der Inhaber derselben ist mir übrigens heute noch von hinten lieber als Kaufmann aus jeder Perspektive." ;)

  • Hallo,


    wie kommt es, daß ich bei diesen letzten Beiträgen immer an "meum propositum est in taverna mori" denken muß?
    Die Vaganten haben ihre Mitmenschen offenbar recht gut gekannt, und vieles gilt wohl auch heute noch!


    Viele Grüße
    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Nach Auskunft von Orffs Frau hat der Komponist besonders für diese Aufnahme geschwärmt:




    • Künstler: Jutta Vulpius, Hans-Joachim Rotzsch, Kurt Rehm, Kurt Hübenthal, Rundfunkchor Leipzig, Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig, Herbert Kegel
    • Label: Eterna, ADD, 1959


    :hello: LT


    Mit Recht. Das ist auch meine Lieblingsaufnahme. Genauso toll wie die Carmina sind die anderen beiden Stück, Trionfo di Afrodite und Catulli Carmina!

    Was ist der Unterschied zwischen der SPD und der Titanic? Die SPD kann den Eisberg jetzt schon sehen!

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