Michael Jackson - ein Nachruf aus der Sicht eines Klassikhörers

  • Hallo, liebe Musikfreunde,


    Ullis kurzem "Nachschlag" zum Tod von Michael Jackson möchte ich ein paar Gedanken folgen lassen.


    Michael Jacksons Tod riß einen jäh aus der Gewohnheit, abends das eine oder andere schöne Stück klassischer Musik zu genießen. Er hatte in den 1980ern einen neuen Ton in die Musik gebracht und zählt neben Frank Zappa und Miles Davis zu den großen Neuerern der Musik aus den USA. Einiges sträubt sich gegen diese späte Einsicht: auf welchem "Niveau" bewegt sich seine Musik? Er zeigte, dass die Musik heute in neuer Weise gespielt werden muss und auch gespielt werden kann, wenn sie eine ähnliche Wirkung erzielen will wie die große klassische Tradition.


    Mit dem Ausdruck seiner Stimme, seinen choreographischen Ideen und Visionen für die Einbettung der Musik in kleine Spielfilmsequenzen konnte er zahlreiche führende Künstler aus dem Showbusiness zur Mitarbeit begeistern (Paul McCartney, Mick Jagger, Martin Scorsese, wahrscheinlich Steven Spielberg, und all die im Hintergrund arbeitenden Ton- und Filmingenieure, deren Geschichte noch geschrieben werden muß). Bei der Produktion der LPs der 1980er wurden die aktuellsten Möglichkeiten der Computerunterstützung eingesetzt. Er kann mit vollem Recht als der Erbe der Ideen verstanden werden, wie sie etwa die "Beatles" in ihren letzten Alben angestrebt hatten.


    Damit sprach er nicht nur eine neue Generation an, sondern wirkte weit in den Bereich der klassischen Musik. Wo denn sonst holen die Regisseure der neuen Operninszenierungen ihre Ideen? In seinen Videos ist alles zu sehen, was dann auch auf die Opernbühne gebracht werden sollte. In der Unterhaltungsindustrie hat er praktisch ein neues Genre geschaffen, inzwischen unzählige Male wiederholt.


    Seine Stücke und ihre Wirkung zeigen, in welche Maß die klassische Musik den Anschluß an die heutige Zeit verloren hat. Aber der Trennungsschmerz gilt für beide Seiten: Unverkennbar fehlt seiner Musik etwas, und er litt darunter, als seine Musik nie wirklich das Vakuum ausfüllen konnte, in das er hineingestoßen ist. Ihm fehlte ein Komponist etwa vom Rang eines Ravel, der ihn unterstützen oder seine Ideen aufgreifen und musikalisch weiterführen konnte.


    Werden seine Videos mit den zahlreichen Nachahmern verglichen, ist seine persönliche Präsenz geradezu umwerfend. Trotz der Anonymität und Künstlichkeit, in die er sich zurückgezogen hatte, löst sein Tod Trauer und Verstörung aus. Ich hoffe sehr, dass es der Musik gelingen wird, seinen künstlerischen Einfällen eine Gestalt zu geben, die ihm verwehrt geblieben ist.


    Viele Grüße,


    Walter

  • Lieber Walter T.,


    vielen Dank für die warmen und lobenden Zeilen über eine der tragischsten Gestalten unserer Tage.


    Das Wiederhören und - vor allem - Wiedersehen seiner Videos ist ein großer Genuss. Die (Selbst-) Inszenierung zur Musik aus der Carmina Burana ist große Unterhaltungskunst.


    Er wirkte ja schon einige Zeit ausgebrannt. Der Welt ist er darum schon länger abhanden gekommen. Dass er in sich selbst wohl nie angekommen ist, erweckt mein Mitgefühl.


    Möge seine Seele ihren Frieden finden.


    Grüße aus Lima,
    hans


  • Dem kann ich mich nur uneingeschränkt anschliessen - ich hätte es niemals so gut formulieren können.


    R.I.P. Jacko, ich werde Deinen wichtigen Beitrag zur jüngeren Musikgeschichte niemals vergessen und immer achten.

    alle Menschen werden Brüder ...

  • Zitat

    Unverkennbar fehlt seiner Musik etwas, und er litt darunter, als seine Musik nie wirklich das Vakuum ausfüllen konnte, in das er hineingestoßen ist. Ihm fehlte ein Komponist etwa vom Rang eines Ravel, der ihn unterstützen oder seine Ideen aufgreifen und musikalisch weiterführen konnte.


    Hallo,
    es tut mir leid, aber der verstorbene Jacko, dessen Musik ich persönlich nie so richtig mochte, aber respektierte, hatte Quincy Jones als Produzenten und Komponisten an der Seite und gegen den ist Ravel einfach nur ein Nichts, eine vernachlässigbare Größe. Jones Einflus kann gar nicht hoch genug geschätzt werden, er drehte die Musik vom trivialen Discotheken-tralala in unglaubliche Beats.
    Die Süddeutsche hat das exemplarisch in einen Nachruf anhand der Anfangs von Beat-it dargestellt und nachgewiesen.
    Spätestens seit Thriller war die Pop Musik in einer neuen Dimension!
    Und dafür war Jones verantwortlich!
    Wenn man Jackson überhaupt gerecht werden will, muss man seine Musik vom Rhythmus her begreifen, von den verschobenen Beats und nicht so sehr von der Melodie. Die wird dann sekundär.
    Doch ist es bezeichnend, dass Klaus Meine von den Skorpions eine Schnulze als Höhepunkt des Schaffens Jacksons begreift (Heel the world) Schnulzenrudies aus der Rockszene (die eigentlich nur per Zufall nicht deutsche Disco-Schlager singen, in der Trivialität ist die Musik nämlich durchaus vergleichbar) begreifen eben nicht das revolutionäre; sie glauben, das Schweinegitarren revolutionär sind,.
    Kleiner Hinweis: Jacko hatte immer die besten Gitarristen, Eddi Van Halen und vor allem Jeniffer Batten, die in Dirty Diana allen Skorpionen den Stachel kappt.
    Wer am heutigen Tag bei MTV den Rap Stars der heutigen Zeit bei Beileidsbekundungen zugehört hat, weiß, das Jackson, so wie Miles Davis eine gesamte Musikbranche geschwenkt hat.
    Ob man das nun mag oder nicht. Sein Einfluss war immens. Beyonce, Rihanna und all die anderen sind undenkbar ohne ihn.
    Zappa war übrigens kein Neuerer. Er ist zwar einer meiner Hausgötter, ich kann auf stücka 20-30 Lps von ihm blicken und mich an den Besuch von 6 Konzerten erinnern, doch war er immer eine Edgard Varese Imitation, die Rock Musik machte, allerdings die beste und perfekteste zu seiner Zeit.


    Mit klassischen Kriterien ist Jacko nicht beizukommen.
    Deshalb empfehle ich erst mal, frei nach Arno Schmidt, die Lektüre von ein paar Jahrgängen Spex! Damit die Umgebung sondiert wird.
    Nicht den Rolling Stone! Das ist ne Zeitschift für alternde!
    Gruß S

  • Zitat

    Original von s.bummer
    Jacko hatte immer die besten Gitarristen ... vor allem Jeniffer Batten


    Meine Zustimmung: Jeniffer Batten ist eine ausgezeichnete E-Gitarristin.


    Zitat aus Wikipedia:
    ... Sie erregte dabei nicht nur durch ihr extravagantes Auftreten Aufsehen, sondern auch durch ihr innovatives Gitarrenspiel ...


    Gruß
    Alkir

  • Im heutigen "Spiegel" ist eine sehr gute Titelstory bzw. Nachruf über Jacko, die ich zum Lesen empfehlen kann.


    Ich höre sehr selten Popmusik, aber Michael Jackson fand ich immer sehr beeindruckend, aus den oben vorgetragenen Gründen.


    Schade....

  • Als ich vor einigen Tagen diesen Nachruf entdeckte war ich eigenartigerweise nicht mal besonders verwundert.
    Dennoch habe ich mir die Frage gestellt, was denn wohl jemand bewogen haben mag gerade in einem Klassikforum den Nachruf auf eine Pop-Größe zu veröffentlichen.
    Dabei ist die Antwort ganz einfach - sie liegt im Wort "Größe"
    Irgendwo muß dieser Michael Jackson die Leute beeindruckt haben,
    dahinter steckten nicht nur PR-Manager sondern ein
    unglücklicher Mensch mit einem eisernen Willen
    sein Publikum zufriedenzustellen.


    Seine Musik ist nicht die meine - na und.
    Aber irgendwo spürt man den Willen, für den Erfolg einen hohen Preis zu zahlen.
    Sowas ringt einem Achtung ab,
    Zumindest mir.


    Hoch oben ist es einsam und die Luft dünn


    RIP
    Michael Jackson

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wer auf dem Standpunkt "de mortuis nil nisi bene" steht, möge folgendes bitte überlesen.


    Die Stärke Michael Jacksons lag in seinem bzw. seiner Hintermänner Begabung zur Selbstinszenierung, sei es in aufwendigen Konzertshows oder Videoclips. Sein Erfolg gehört zu den traurigen Zeitzeichen der 80er Jahre, in denen die optischen Begleiterscheinungen der populären Musik wichtiger wurden als die Musik selbst. Man vergleiche die naiven, aber charmanten Auftritte von Abba und deren Minimal-Choreographien. Da war die Musik noch das Erstrangige. Während es in den 70er Jahren zudem haufenweise Bands gab, die höchst komplexe und fantasievolle Kompositionen zustandebrachten - King Crimson, Yes, Gentle Giant, Genesis, Emerson Lake & Palmer u.a. - und damit auch ein (wenn auch nicht unbedingt Massen-)Publikum fanden, hat in den 80ern (als die eben genannten Bands sich entweder aufgelöst hatten oder sich an die veränderte Lage anzupassen versuchten) eine für meine Begriffe katastrophale Verflachung stattgefunden, aufgrund deren anhand von synthetischen Chamäleon-Figuren wie MJ, Madonna, Prince u.a. riesiger Bombast um ein paar kleine dünne musikalische Motive herum inszeniert wurde, die eigentlich nur ein Vorwand für gigantische Shows und Videoclips waren.


    Wenn ich seine 80er-Hits höre, klingen da für mich ein paar nette rhythmische oder melodische Ideen durch (mehr nicht), die jedoch durch zwanghafte Keuch- und Kiekslaute ruiniert werden.


    Zudem fällt mir im für mich ohnehin durchweg äußerst ... hm... kühn in seinen Einschätzungen gehaltenen Einleitungsbeitrag auf, dass die gesamten Innovationen, die um die Kunstfigur MJ herumgestrickt wurden, ihm allein zugeschrieben werden... was mir doch mehr als fraglich erscheint. Quincy Jones z.B. wurde zu Recht erwähnt, wobei ich die These, dass Ravel gegen diesen und seine "verschobenen Beats" ein Nichts sei, mal als Kuriosum unkommentiert stehen lassen will.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Original von Draugur
    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)



    Göttlich, einfach Göttlich passend Deine Unterzeile zu diesem Foren-Thread!

    if you have to have jazz explained to you, you'll never know. L. Armstrong

  • "de mortuis nil nisi bene"


    Nichtsdestotrotz hat mich Michael Jackson in seiner ganzen Künstlichkeit an einen Kastraten erinnert. Eine formelhafte Musik, von der man nicht weiß, wer sie gemacht hat, kolssale Bühnenshows voller Gags und Effekte, die von ihrer inneren Schwäche ablenken und ein exzessiver Starkult. Irgendwie kommt mir da immer Neapel anfang des 18. Jhdts in den Sinn.


    Gruß
    John Doe

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  • Zitat

    Original von John Doe
    Eine formelhafte Musik, von der man nicht weiß, wer sie gemacht hat, kolssale Bühnenshows voller Gags und Effekte, die von ihrer inneren Schwäche ablenken und ein exzessiver Starkult. Irgendwie kommt mir da immer Neapel anfang des 18. Jhdts in den Sinn.


    Öm, welche neapolitanischen Komponisten willst auf diese Art heruntermachen?
    8)

  • Hallo Kurzstückmeister,


    keinen der übrig geblieben ist, sondern diese ganzen Namenlosen, die auf die schnelle so ein kleines musikalisches Gerippe hingeschmissen haben, auf dem dann der Kastrat sein üppig Fleisch hat aufhängen können.


    Gruß
    John Doe

    Einmal editiert, zuletzt von John Doe ()

  • Hallo Wiesengrund,


    Nichts für ungut, aber Michael Jacksons Musik war doch zum Schluss genau so wenig "black", wie er selbst.
    Und jetzt beiß ich mir auf die Zunge und verweise darauf, dass mein Lieblingsextravaganter jenseits des großen Teiches immer noch Howard Hughes ist.


    Gruß
    John Doe
    :pfeif:

  • Zitat

    Original von wiesengrund
    Au weia, wenn sich Klassikhörer wie Draugur und John Doe über Black-Music äußern, dann kann wohl nur so etwas heraus kommen.


    Mit grausigem Kopfschütteln wendet sich der Wiesengrund ab.


    P.S.: Jackson in der SZ


    Hallo wiesengrund,


    keine voreiligen Schlüsse über mein musikalisches Vorliebenprofil... ich bin nun wirklich alles andere als ein Nur-Klassik-Hörer mit Scheuklappen. zudem frage ich mich, ob man zumindest den späteren Jackson noch zu "Black Music" zählen kann. Da hätte ich mir schon eine etwas differenziertere Antwort gewünscht.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • @ Taminos !



    Michael Jackson war ein Produkt sein er selbst und der "Macher" hinter , neben , über ihm .


    Ein gigantisches Spektakel aus der - für mich - ganz negativen Seite des us - amerikanischen Show - Zirkuses .


    Einen Zusammenhang mit den vom früheren amerikanische präsidenten Busch Jr. prppagierten Lebensformwerten hat dies nichts zu tun .


    Und das Medienspektakel nach Jacksons Tod geweist doc nur , das er instrumentalisiert hat , sich hat instrumentalisieren lassen .


    Wo , bitte , soll jackson einen Einfluss auf welche Musik gehabt haben oder gar noch zukünftig haben .


    Zu eine "Nachruf" gehört es auch bei diesen "öffentlichen Personen" die selbst von seinen "engen Freunde" zugestandenen ganz dunklen Seiten in dem Leben des "King op Pop" zu berichten .
    Ich kann bei alldem nur "Draugur" mit seiner Kommentar zustimmen .


    Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Ich verstehe, daß Michael Jackson in einem Klassikforum nicht recht zu würdigen ist (um so sympathischer Alfreds Beitrag dazu).


    Man muss sich dem Phänomen Michael Jackson von der Empfängerseite her nähern. Die Frage, ob das nun Black Music sei oder nicht stellt sich eigentlich gar nicht.


    Aber an die Wirkung von "Wanna be starting something" zu Beginn der 80er, als diese Nummer aus dem Einheitsbrei des damals gebotenen hervorstach, kann ich mich heute noch erinnern. Zugegeben, anfangs hatte ich gedacht, da sänge eine Frau. Aber die Musik war schon außergewöhnlich. Sodann als Folgesingle "Beat it" mit dem Wahnsinnsgitarrensolo von Eddy van Halen. Das war eine Musik, die auch in den Café's und Bistrots gespielt wurde, in denen die Popper verkehrten (erinnert sich hier noch jemand an diese Modebewegung?). Mit einer schwarzen Blut-Schweiß-Tränen-Musik hatte Jacksons Musik gar nichts zu tun. Diese Musik war Lifestyle und sie prägte Lifestyle.


    Wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt hatte die wahre Jackson-Hype erst mit der Promotion für das Album "Bad" eingesetzt. Aber auch da wieder mit Superlativen bis hin zu Michael-Jackson Fan-Shops.


    Der Sänger Jackson hat seine Stilmittel perfekt eingesetzt, der Tänzer war nicht nur für damalige Zeiten exzellent.


    Und dann die Videos: Niemand hätte sich 1982 gewagt, aus einem 5-min-Stück einen 13-min-Videoclip zu machen (Thriller). Außer Michael Jackson mit seinem Drang zum Perfektionismus bis zur Selbstzerstörung.


    Was nun die Bühnenshows betrifft: ich kann gar nicht einmal sagen, ob es tatsächlich Michale Jackson war, der mit perfekt inszenierten Bühnenshows angefangen hatte, oder ob es nicht die Rolling Stones waren (von den Inszenierungen eines Alice Cooper rede ich jetzt nicht). Heute jedenfalls ist dieser Aufwand üblich, selbst für Gruppen wie AC/DC oder Sänger wie David Bowie.


    Das Album "Thriller" ist in meinen Ohren allerdings auch der absolute Höhepunkt von Michael Jacksons Kunst. Die Folgeplatte "Bad" schien mir schon den Verfall einzuleiten.


    Unstreitig hat Jackson einen ziemlichen Pool von Menschen im Hintzergrund bewegt. Aber auch dazu muß ersteinmal der unbeugsame Wille da sein, die Vorstellung von einem Gesamtkonzept und der Wille zur absoluten Perfektion.


    Sänger, Musiker, Tänzer, Entertainer - die Verbindung von all dem zu einer Einheit machte die Einzigartigkeit von Michael Jackson aus.


    Anlässlich seines Todes habe ich mir nach vielen Jahren einmal wieder das Album "Thriller" hervorgekramt. Die Platte wirkt auch 27 Jahre nach ihrem Erscheinen immer noch taufrisch.


    R.I.P
    Michael Jackson


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Kleine Ergänzung zu meinem obigen Beitrag: Wenn es um revolutionäre Konzertshows geht, sollte man auch mal in die 70er zu Genesis schauen, bei denen Peter Gabriel und seine Mannen sich sowohl licht- als auch kostümtechnisch sehr weit vorgewagt (und zudem auch noch selbst die Musik gemacht...) haben.


    Zum Stichwort Videoclips kann ich nur raten, mal "Libertine" sowie "Pourvu qu'elles soient douces" von Mylène Farmer anzutesten - falls man "Thriller" für das Größte hält, was in dem Bereich gemacht worden ist. Natürlich ist "Thriller" älter, wirkt aber im Vergleich zu den von Laurent Boutonnat um Farmer herumgestrickten Musik-Kurzfilmen doch recht naiv und trashig.


    Kurioserweise hat Jackson als Figur in Farmers "Que mon coeur lache" einen lustigen Kurzauftritt :D


    Auch im vorangehenden Beitrag von Thomas Pape wird ziemlich durchgehend Jackson als der alleinige "Macher" angesprochen. Das ist m.E. doch eine recht verklärende Sichtweise.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Original von Draugur


    Auch im vorangehenden Beitrag von Thomas Pape wird ziemlich durchgehend Jackson als der alleinige "Macher" angesprochen. Das ist m.E. doch eine recht verklärende Sichtweise.


    Naja, aber auch nur ziemlich. Wo gibt es schon den alleinigen Macher? Nirgends. Aber Visionäre, die etwas bewegen, etwas anstoßen. Man darf auch nicht vergessen, daß zwischen den einzelnene Platten (meiner Erinnerung nach) immer recht viel Zeit lag.


    Daß es mittlerweiel bessere Musikvideos als "Thriller" gibt will ich gar nicht bestreiten (ganz im Ernst: dafür kenne ich die Szene viel zu wenig und was man im Fitness-Studio auf dem Laufband so sieht ist nicht unebedingt anregend). Aber "Thriller" dürfte der Urvater dieser Kunst gewesen sein. Und auch hier die gleiche Einschränkung wie in meinem letzten Beitrag: Das Niveau dieses Videos hat er genauso wenig wieder erreicht wie das der gleichnamigen Platte.


    Die Rückwendung in die 70er ist durchaus interessant (vielleicht finden wir hier ja irgendwo ein Fleckchen, wo man die besten LP's der 70er und 80er vorstellen kann), und ich war mir auch nicht ganz sicher, ob da nicht schon früher opulente Bühnenshows geboten wurden.


    Die Medienbranche neigt ja bekanntlich zu Überhöhungen. Elvis Presley als King of Rock'n Roll zu bezeichenen...naja. Der Mann hatte vor allem Wirkung und Ausstrahlung und zur rechten Zeit am rechten Ort.


    Jackos Leistung bewerte ich da schon höher. Daß er ein absolut bemerkenswerter Künstler war, wird man ihm wohl kaum absprechen können.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ich kann hier kaum etwas beitragen, nur meiner Verwunderung Ausdruck verleihen, daß so viele die Musik von Jackson überhaupt kennen. ;)
    Ich würde im Radio vielleicht zwei oder drei Songs erkennen, selbst die, de in den 80ern zu Tode gedudelt wurden. Zwar erinnere ich mich an das "Thriller"-Cover und den Ruhm Jacksons in dieser Zeit (ich war erst 10 Jahre alt, hatte überhaupt kein Interesse an Musik), dann auch die Sache mit dem entflammten Haar und die ersten OPs. Aber die Musik ist sowas an mir vorbeigegangen; zu der Pop/Rock-Musik, mit der ich durch Bekannte, Parties usw. in Kontakt kam, gehören sein Songs nicht.
    Der plötzliche Tod berührt mich daher nur sehr am Rande (der Flugzeugabsturz neulich hat mich wesentlich tiefer getroffen), den Zirkus, der darum gemacht wird, finde ich eher abstpßend.


    Ich habe mir neulich, weil es mich doch mal interessierte, ein paar Videos angesehen. Die Musik finde ich je nachdem, erträglich bis nervend, meist aber recht nichtssagend. Was ich extrem faszinierend finde, ist der "Moonwalk", aber das ist eher eine Kuriosität und es wird dutzende breakdancer geben oder gegeben haben, die das ähnlich drauf hatten.


    Gewiß haben das Todesfälle so an sich, aber die inflationäre Verwendung von Genie geht mir dann doch etwas auf den Zeiger. Große Begabung, Talent, Disziplin, besonders aber einen (auch meines Erachtens oberflächlichen bis widerwärtigen) Zeitgeist zu treffen und auf der Welle des Erfolgs ein paar Jahre segeln ist noch kein Genie. (Wir verklären die 80er gern ein wenig, weil sie das letzte Jahrzehnt waren, das überhaupt markante, eigenständige Stile in Mode, Musik usw. hervorbrachte, auch wenn die Sachen scheußlich aussahen.)
    Im Bereich der Klassik oder des Balletts speien die Konservatorien jedes Jahr dutzende disziplinierter und perfekter Meistertechniker dieses Schlages aus; die nennen wir auch keine Genies.


    edit: Weil ich es gerade in einem Zeitungskommentar lese: Der angemessene Vergleich sind nicht große Musiker, sondern universelle Entertainer: Astaire, Sinatra usw. In diese Liga kann man Jacko gewiß einordnen. Aber doch lieber nicht in die, in der sich Ella Fitzgerald oder Miles Davis befinden.


    Aber wie gesagt, ich kann das nicht ernsthaft diskutieren, denn freiwillig befasse ich mich nicht näher mit der Musik von Jackson.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Lieber Thomas ,



    gestern spät abends ( noch vor der schlechten ARD - Sendung über die "weltbeste GeigerinE (?) Anne - Sophie Mutter ) wurden "plötzlich aufgetauichte" Video - Ausschnitte der Probenarbeiten von Jackson für seine Londoner Schau 2009 gezeigt .


    Zuckende Verrenkungen in einem Halbdunkel . Darin in der Mitte , mitzuckend , mit grellen Lippen M. Jackson . Die msuikalische Aussagekraft war für mich null ; die "Körpersprache" drückte auch nichts aus ( ausgehend etwa von den leistungen , die eine Pina Bausch vollbrachte ) .


    Das war ein Mix aus vielen durchschnittliche us- amerikanischen Schaus dieser Art .


    Und dann die "wichtige" Meldung , dass die us- - Drogenbehörede nun aktiv werde ? Warum ? Warum erst jetzt ?


    Dass ein 50jähriger Mann , ausgelaugt in Körper und "Geist" , tot zusammenrbicht und gar "aufgefunden" wird , der Leibarzt ohne seinen BMW entschwinden kann ( obwohl er für die ermittelnden Behörden immer präsent war plus seinem Anwalt ) gehört eher zu den normalen Sterbefällen als zu ihren Ausnahmen.


    Ein Tod wie jeder andere auch .


    Es ist sicherlich Dein gutes recht auch Überlegungen zu der Bedeutung von Jacksons Mannschaft für die Pop-Musik seiner Zeit anzustellen .


    Da wird jeder , so er sich mit Jackson befasst hat und weiterhin befasst , seine eigenen Bewertungen finden .


    Mehr auch nicht .


    Das Schicksal , woraus Johannes Roehl nach Dir hinweist , von Fluzeugopfern wie vor allem das eines 14jährigen Mädchen , das etwas technisch formuliert "überlebt" ( natürlich waren wieder poltikerfunktionäre werbewirksam an der seite ihres Btchens ) ist wichtiger .


    Für die Oper der Katastrophe des Absturzes der Air - France - Maschine vor Brasilien gab es hier keinen Nachruf auis der Sicht eines "Klassikhörerers" ; un bei eine jemeinitischen Maschine wäre das auch politisch erher nicht opportun gewesen . Aber die Qualität des Menschseins ist für mich immer dieselbe .


    Jackson hat alles das gehabt , was die "Kinder des Jemen" , die in Afghanistan oder dem Irak nie hatten und nie haben werden : schillernden Ruhm , sehr viel Geld in einem von ihm eben auch so gewollten Leben .


    Mit besten Grüssen




    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Ein sehr geteiltes Echo hatte ich erwartet. Es liegt mir fern, jemanden für Michael Jacksons Musik "gewinnen" zu wollen. Und ich wollte und will bewußt nicht auf seine Biographie eingehen, wovon derzeit alle Medien übervoll sind, sondern mich auf seine künstlerische Wirkung beschränken. Mir ging es wie Thomas: Nach langer Zeit wieder seine Videos anzuschauen hat mich heute fast stärker beeindruckt als zur Zeit ihrer Veröffentlichung. Ich hatte Anfang der 1980er regelmäßig "Spex" gelesen, lag sie doch damals im Berliner "Cafe Mitropa" direkt gegenüber meiner Wohnung aus, in einem Ambiente, das völlig dem Zeitgeist entsprach. Michael Jackson war mir seinerzeit wie eine mit allen finanziellen Mitteln geförderte Antwort des Show-Business auf die neuen Impulse des Punk, Reggae und der von ihnen beeinflussten Rock-Strömungen erschienen. Diedrich Diedrichsen läßt grüßen. Das sehe ich heute ebenso als Vorurteil an, wie es ein Vorurteil ist, wenn 80% der Bevölkerung die klassische Musik für überholt oder langweilig hält.


    Der Hinweis von 's.bummer' zu Quincy Jones ist berechtigt (daraus Abwertungen gegenüber Ravel oder Jackson zu folgern jedoch nicht). Es lohnt, sich mehr mit ihm zu beschäftigen. Er hat nicht nur lange vor Michael Jackson Musiker wie Art Blakey produziert, sondern auch in Paris bei Nadja Boulanger und Olivier Messiaen studiert. In Paris ist offenbar der Austausch zwischen U- und E-Musik weit unverkrampfter als hier (siehe auch Komponisten wie Pierre Henry). Die Beziehung zu Ravel ist also gar nicht so weit hergeholt. Boulanger soll Jones empfohlen haben, seinen musikalischen Wurzeln treu zu bleiben. Es würde mich sehr interessieren, wenn jemand zu ihm im Jazz-Forum einen Beitrag eröffnet. Es stimmt schon, dass wir nicht wieder bis zum Tod eines großen Musikers warten sollten.


    Alfreds Bemerkung zur Größe spricht mich an. Vielleicht würde ich einige Akzente ein wenig anders setzen: Es waren nicht nur die Bühne und das richtige Gespür für den Massengeschmack (worin ich nichts Negatives sehe, die klassische Musik ist gesegnet mit Künstlern, die dies ebenso gut vermochten), wo sich sein Leben abgespielt hat, wie es jetzt in vielen Nachrufen heißt, sondern es war die Musik, die ihn beseelt und ihm Kraft gegeben hat. Warum und wann es dann dennoch zu einem Absturz oder mindestens Stagnation kam, ist für mich offen.


    Er vermochte tiefen Emotionen einen musikalischen Ausdruck zu geben, bei denen sich viele ansonsten unverstanden oder durch eine sozialpädagogische oder psychiatrische Betrachtungsweise nicht ernst genommen fühlten (Paranoia, Verlassenheitsängste in zerfallenden Familienstrukturen, unsicheres oder übertriebenes sexuelles Rollenverhalten). Gerade weil hier sehr sensible Themen berührt sind, sollten sie sehr behutsam angesprochen und nicht voreilig mit Spott oder Überheblichkeit abgetan werden. Michael Jackson hat sich weit vorgewagt, war dadurch verletzbar und vorführbar, hätte anders aber nicht eine solche Resonanz erzielen können. Und ohne Frage hat er nicht nur sein Publikum erreicht, sondern auch viele Künstler gewonnen, an der Realisierung seiner Ideen mitzuarbeiten. Da bin ich ganz einer Meinung mit Thomas. Wie viel er von der ihm gegebenen Kraft der Musik an sein Publikum weitergegeben hat, bis zur eigenen völligen Erschöpfung und Entblößung, das gehört ganz wesentlich zu seiner Größe, und das kann glaube ich jeder Musikliebhaber anerkennen und würdigen, auch wenn er nicht seinen musikalischen Stil teilt.


    Viele Grüße,


    Walter

  • Normalerweise bin ich überhaupt kein Freund von Medienrummel, die Abschiedsfeier (und NICHT Trauerfeier, auch wenn da natürlich insbesondere die Familienmitglieder weinen durften und dies auch taten) habe ich dennoch angefangen - und INTERESSIERT zu Ende geschaut.


    Warum?


    Nun: Bereits nach ganz kurzer Zeit bemerkte ich, dass da ein anderes, authentischeres Amerika wirkte als man es in der Vor-Obama-Zeit gewohnt war.


    Es war ein ehrlicher grosser Gottesdienst voll respektvoller Würdigung eines eben einzigartigen Entertainers.


    Auch, wenn seine Songs sehr einfach gestrickt waren - sie sprachen und sprechen die Menschen an, sie mobilisieren die guten Kräfte in ihnen. Nicht nur Stücke wie We are the world oder Heal the world sind da gemeint, nein im nachhinein kann man in seinem ganzen Schaffen ein kultureinendes Element, dass weit über jegliche Schranken hinaus wirkt, ausmachen.


    Musik soll auch gefallen, sie soll dem Menschen Freude machen - und dem werden Jackos Songs gerecht.


    Wer würde heute von der komplexen Struktur des Finalsatzes aus Beethovens Neunter (inklusive Fuge, Doppelfuge, vorher nie dagewesenen mystischen Chorgesang, atemberaubendem Gesangsquartett...) wirklich schwärmen, wenn da nicht diese genial einfache Melodie wäre...

    alle Menschen werden Brüder ...

  • Zitat

    Auch, wenn seine Songs sehr einfach gestrickt waren


    Wage ich zu bezweifeln.
    Meine Meinung ist bekannt, siehe oben: Jackos Lieder waren definitiv nicht einfach! Das galt nur für die Schnulzen,
    Im Rest waren mehr Rhythmus-Wechsel und Überraschungen drinne als Beethoven je Alkohol Kater hatte, und das sollen nicht wenige gewesen sein.


    Und dann noch ne Bemerkung:

    Zitat

    was mir doch mehr als fraglich erscheint. Quincy Jones z.B. wurde zu Recht erwähnt, wobei ich die These, dass Ravel gegen diesen und seine "verschobenen Beats" ein Nichts sei, mal als Kuriosum unkommentiert stehen lassen will.


    Kein Kuriosum, nur Realität abseits der Klassik.
    Ravels Wirkung in der Popszene bleibt die Begleitmusik zu Härte 10 als Bummsmusik. Damit ist er korrumpiert als Begleitung für ne gepflegte Kopulation.


    Quincy Jones wurde 79-mal für nen Grammy nominiert und erhielt ihn mehr als 20-mal. Er beeinflusste Sinatra, Brel, selbst Miles Davis und viele andere.
    Und eben ab 1981 auch Jacko. (Der Einfachheit halber mal bei Wikipedia (US) nachschauen!. Da stehen auch die Nachweise!)
    Und Ravel? Als Klassiker ist er ja ganz nett, aber Vorbild für Pop(pen)? Ich weiß nicht...


    Gruß s.

    Einmal editiert, zuletzt von s.bummer ()

  • Zitat

    Original von s.bummer
    Und Ravel? Als Klassiker ist er ja ganz nett, aber Vorbild für Pop(pen)? Ich weiß nicht...


    No, wer hat denn behauptet, dass Ravel Vorbild für Pop-Musik war?

  • Des Papstes gestriges Kontrastprogramm war nicht halb so interessant...


    :pfeif:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hätte nicht gedacht, daß ich diesem Thread mal posten werde, aber nun denn.


    Ich halte Jackson für ein musikalisches Genie. Sein schier unglaubliches Gesangstalent, seine Musikalität, sein Rhythmusgefühl, sein ebenso unglaubliches Tanztalent - das alles ist für mich der reinste Ausdruck der Musik unserer Zeit. Dieser Mann war Musik.


    Vergleiche seiner Musik zu früheren Musikformen halte ich für ziemlich sinnlos. Was zu vergleichen sich lohnt, ist die Kraft des Ausdrucks von Jackson als Interpreten. Jackson brachte ein Höchstmaß an Authentizität mit sich. Klassikinterpreten von heute, die derart in der Musik aufgehen, sich derart ausdrücken und dementsprechend überzeugen können, kann ich an einer Hand abzählen.


    Ich bin Sänger und finde mich selbst nicht allzu schlecht. Aber nie würde ich träumen, mich auch nur in die Nähe einer Ausdrucksdichte oder Perfektion von der Qualität Jacksons arbeiten zu können. Obwohl ich ausschließlich klassische Musik mache, sind Jacksons beste Videos und Aufnahmen eine große Inspiration und immer wieder Ansporn, noch härter zu arbeiten.
    Ich verneige mich vor dem Genie Jacksons.


    M.

  • Zitat

    Original von s.bummer


    Ravels Wirkung in der Popszene bleibt die Begleitmusik zu Härte 10 als Bummsmusik. Damit ist er korrumpiert als Begleitung für ne gepflegte Kopulation.


    Na gut, mir waren zuvor wohl deine Bewertungskriterien nicht ganz klar.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Ein Zitat vom 8.7. im Bonner General Anzeiger:


    Mitten im weltweiten Michael Jackson-Fieber hat der New Yorker Abgeornete Peter King den verstorbenen Jackson heftig angegriffen und den um ihn und seinen Tod gemachten Medienrummel kritisiert." Dieser Typ war ein Perverser. Er hat Kinder belästigt, er war ein Pädophiler. Trotzdem ist er tagaus tagein auf allen Sendern. Was sagt das über uns als Land?"


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

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