Sind die Medien schuld am "Klassikdesaster?"

  • Lieber Dreamhunter
    Vielen Dank für Deine aussagekräftigen Sätze. Das mußte mal gesagt werden!

    Mir geht dieses "mein Gott wie bin ich doch besser als der Rest der Welt weil ich klassische Musik höre" in der Zwischenzeit schon wirklich auf die Nerven. Und ich finde es ebenfalls ziemlich letztklassig Andersdenkende zu erniedrigen, um sich selbst zu erhöhen.

    Du sprichst mir hier gewissermaßen auch aus Herz und Seele. Auch ich liebe die klassische Musik über alle Maßen, habe da natürlich auch meine Schwerpunkte, glaube aber in aller Bescheidenheit mich auch allgemein da ganz gut auszukennen und mithalten zu können. Problematisch wird es doch aber schon, wenn man erkennen läßt, daß man auch z. B. Interesse für Rock- und Popmusik der Vergangenheit hat, weil sie Begleiter in der Jugendzeit war und man diese auch immer noch spontan gerne hört. Außerdem erhält es jung und gibt auch Lebensfreude und Energie.
    Wie oft mußte ich hier im Forum abfällig von "Popgedudel" und ähnlichen abwertenden Bezeichnungen lesen. Bei vielen ist man doch da gleich unten durch und unterklassig, auf niedriger Stufe stehend und mit einem Minimal- IQ. Und wenn man dann noch äußert, daß man Fußball z. B. mag, dann ist man selbstverständlich gleich ein Hooligan, Chaot, Randalierer, Krawallmacher etc.. Sei´s drum, über solchen "elitären Meinungen" steht man nicht nur drüber, nein, es ist gut und befriedigend zu wissen, daß man nicht nur auf klassischem Gebiet etwas weiß und mit den meisten garantiert mithalten kann, sondern sich auch bei anderen Dingen und Interessen einbringen kann.
    Die klassische Musik ist eine wichtige Lebensfreude, auf die ich nicht verzichten möchte. Aber das alltägliche Leben hält zum Glück auch noch viele andere Freuden parat. Für mich fände ich es schlimm und langweilig, wenn ich nur einseitig interessiert ausgerichtet wäre.
    Und da möchte ich meinen Beitrag in diesem Sinne auch extra provokant beenden:
    Ich freue mich auf den geplanten Opernbesuch heute abend mit "Der Macht des Schicksals". Ich würde mich aber ebenso freuen, wenn ich demnächst ein Konzert der "Rolling Stones" besuchen könnte, auch wenn die Freude, dem Erlebnis geschuldet, eine völlig andere wäre, s. meine Signatur!
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Wie oft mußte ich hier im Forum abfällig von "Popgedudel" und ähnlichen abwertenden Bezeichnungen lesen. Bei vielen ist man doch da gleich unten durch und unterklassig, auf niedriger Stufe stehend und mit einem Minimal- IQ.

    Laut einer Studie der staatlichen Universität Warwick bevorzugen schulisch hochbegabte Jugendliche bei der Wahl ihrer Musik Heavy Metal. Der verantwortliche Psychologe Stuart Cadwallader präsentierte seine Ergebnisse heute auf der Konferenz der British Psychological Society in York. Gemeinsam mit seinem Team befragte er über 1000 Mitglieder der National Academy for Gifted and Talented Youth, einer Organisation, die ihre Mitglieder aus den besten fünf Prozent der britischen Schüler im Alter zwischen 11 und 19 Jahren rekrutiert.
    Mehr als ein Drittel der Testpersonen gaben Heavy Metal als eine ihrer Lieblings-Musikrichtungen an. Damit lag die Außenseitersparte gleichauf mit Rock und Pop. Weit abgeschlagen fand man die Klischee-Musikrichtungen der Streber, Jazz und Klassik, so ein Bericht des Independent. Den Umstand, dass die besonders begabten Schüler zu eher brutaler und provozierender Musik tendieren, erklärt sich Cadwallader folgendermaßen: "Vielleicht erfahren begabte Menschen besonders viel Druck und Frustration und benötigen die Musik daher eher als Ventil, um ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen."
    Inwiefern die Wahl der harten Musikvorliebe etwas über den IQ der Testpersonen aussagt oder ob sie nicht doch eher von Modeströmungen abhängt, klärte die Studie nicht. Dennoch hilft sie dabei, mit dem Vorurteil aufzuräumen, wonach Heavy Metal eine Musikrichtung für Unterprivilegierte ist.

  • Beitrag 60 von Johannes Roehl möchte ich - wieder einmal :rolleyes: - in aller Deutlichkeit zustimmen. Das ist es, was mich so nervt, auch hier: "Klassik" als eine "Musikrichtung" neben zwanzig anderen. Leute, so geht das doch nicht! :wacko:


    Nirgends im Kontext des im weitesten Sinne Künstlerischen gibt es dieses absurde Begriffsverständnis sonst!


    Nur hatten wir das schon so oft - und ich möchte ich mich nicht ständig wiederholen - Johannes Roehls Beitrag genügt eigentlich.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Ein Klassikdesaster gibt es im Grunde glaube ich gar nicht, weil jeder von uns das Thema ganz anders sieht. Ich kann nur von mir berichten das ich auf meiner Festplatte jede Menge Aufnahmen von Youtube gespeichert habe, aber nur die die mich auch interessieren. So würde ich niemals auf die Idee kommen mir bei Youtube ein Violinenkonzert oder ein Klavierkonzert anzuklicken oder eine moderne Oper. Und ich finde es wichtig und richtig das man nebenher auch noch andere Musikrichtungen hört, wie bei mir Jazz Soul und Popmusik aus den 80 Jahren deshalb ist man noch lange kein Klassikbanause. Jeder soll das hören was ihm gefällt. Und was ich hier im Forum überhaupt nicht mag, wenn Popmusik als "Gedudel" bezeichnet wird. Ich kann sagen das ich alle bedeutenden Popmusiker, meistens in der Dortmunder Westfalenhalle, live gesehen habe. Und im Rockbereich habe ich die Stones und Meatloaf live erlebt. Ich habe auch schon häufiger bei der ARD angerufen und nachgefragt, warum die einzelnen Landessender wenigstens nicht einmal im Monat eine Opernaufführung oder ein Konzert bzw. Ballett zeigen. Da bekam ich dann immer die Antwort, dass sei für so wenige Zuschauer zu viel Aufwand und würde sich nicht rechnen. Ich kann mich noch erinnern, wie ich in den 80er Jahren bei RPR 1 ein Kilo Langspielplatten gewonnen hatte. Da hatte ich die Auswahl zwischen deutscher Musik, Techno, Pop oder Klassik. Als ich mich für Klassik entschieden habe hat der zuständige Redakteur 3 mal nachgefragt, ob ich meine Entscheidung noch umändern will. Und bei dem Stapel waren einige richtige wertvolle Aufnahmen aus Sinfonie und Oper mit dabei. Sogar der komplette Mahlerzyklus mit Bernstein.

  • Zitat lutgra:


    Zitat

    Aber Wolfgang, das Angebot war doch damals bei weitem nicht so breit. Praktisch der gesamte CPO katalog existierte doch gar nicht und der von Dutzenden kleinerer Firmen auch nicht. Wieviel Handel, Vivaldi oder donizetti Operngab es damals? Heute gibt es praktisch alle.


    Da irrst du dich aber gewaltig! Erstens gab es immer einen riesigen "Bielefelder Katalog", aus dem man im Saturn nach herzenslust Platten heraussuchen konnte. Dann habe ich dort viele französische PHILIPS-Platten bekommen, die heute nicht mehr erhältlich sind. Viele Platten-Raritäten von kleinen Firmen mit Sängerportraits von Iwan Petrow, Norman Treigle usw. und Opern-Querschnitte aus "Wilhelm Tell", "Die Afrikanerin", "Die Jüdin" mit Tony Poncet usw.. Ich könnte immer weiter aufzählen. Diese Auswahl gibt es heute nicht mehr. Daher hüte ich diese Schätze wie meine Augäpfel.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Es gab die französische Firma Erato, mit Focus auf Alte Musik und Klassik. Harmonia Mundi war bedeutender als heute und brachte eine CD nach der anderen am Markt - ausschliesslich auf "Originalinstrumenten" Die Emi hatte eine Serie für Alte Musik , genannt "Reflexe". Die "Archiv Produktion der DGG war ein Luxuslabel mit Schwerpunkt auf Bach und Zeitgenossen Bei Teldec gab es "das Alte Werk", Schwann hat die Serie "musica Mundi - vorzugsweise Werke unbekannter -Meister des 17. und 18, Jahrhunderts. Vom Wiener Label "Amadeo" blieb nur die berühmte "Gulda- Beethovensonaten -Einspielung. CBS nahm all das auf , wo heute Sony draufsteht, Es gab ein Label namens Telefunken, eines Namens Electrola (EMI) eines Namens Columbia (EMI).
    Und 80 Prozent dessen was heute noch an Opernaufnahmen hörenswert ist stammt aus dieser Zeit.
    Oh nein es war ein goldenes Zeitalter der Klassik und das ganze Geld was noch heute die Firmen am Leben erhält (wie lange noch?) wurde damals verdient.
    Man musste schon ein besonders guter Kunde sein um einen Jahreskatalog der "Deutschen Grammophon" zu bekommen - denn Klassik war damals etwas ganz Besonderes (und auch dementsprechend teuer)


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Ich vergaß noch zu erwähnen, daß ich verschiedene Platten, wo ich mich nicht gleich entscheiden konnte und nicht zugriff, niemals wieder erwerben konnte. Z. Bsp. gab es eine Platte mit Chris Merritt, worauf Arien aus "Die Puritaner", "Die Favoritin", "Fra Diavolo" und "Der Postillon von Lonjumeau" zu hören waren. Da es keine Orchesterbegleitung gab sondern nur auf dem Klavier, entschied ich mich nicht sofort. Danach war die LP vergriffen und ich konnte sie nicht für "Geld und gute Worte" mehr bekommen. So erging es mir öfter und ich trauere diesen Gelegenheiten noch oft nach.

    W.S.

  • Es gab die französische Firma Erato, mit Focus auf Alte Musik und Klassik. Harmonia Mundi war bedeutender als heute und brachte eine CD nach der anderen am Markt - ausschliesslich auf "Originalinstrumenten" Die Emi hatte eine Serie für Alte Musik , genannt "Reflexe". Die "Archiv Produktion der DGG war ein Luxuslabel mit Schwerpunkt auf Bach und Zeitgenossen Bei Teldec gab es "das Alte Werk", Schwann hat die Serie "musica Mundi - vorzugsweise Werke unbekannter -Meister des 17. und 18, Jahrhunderts. Vom Wiener Label "Amadeo" blieb nur die berühmte "Gulda- Beethovensonaten -Einspielung. CBS nahm all das auf , wo heute Sony draufsteht, Es gab ein Label namens Telefunken, eines Namens Electrola (EMI) eines Namens Columbia (EMI).

    Na gut, es hat hier diverse Übernahmen und Fusionen gegeben, z.B. läuft Erato jetzt unter Warner, aber die Aufnahmen gibt es doch praktisch alle noch. Und wenn das im Einzelfall mal nicht so sein sollte, ist das doch kein Beweis.



    Und 80 Prozent dessen was heute noch an Opernaufnahmen hörenswert ist stammt aus dieser Zeit.

    Das mag auf Mozart, Verdi und Wagner zutreffen. Aber frag mal die Händel und Vivaldi Opernfans, die würde sagen 80% gab es damals noch gar nicht und wenn dann häufig in entstellten Versionen.

  • Nun - ich bin mit dem Angebot derzeit nicht wirklich unzufrieden. Für die nächsten 2 oder drei Jahre sehe ich keine wirkliche Gefahr (wenngleich von meiner letzten Großbestellung ca 20% nicht mehr ausgeliefert wurden, weil "nicht mehr lieferbar")
    Es ist doch einiges erschienen, das mich interessiert - zumindest mehr als ich derzeit bestellen kann. Mein Wunschzettel weist derzeit Aufnahmen um etwa 8000.-- Euro auf (die ich sicher nicht alle kaufen werde)
    Also derzeit kein Engpass - Ich besitze inzwischen eine ganz Menge an CDs, welche bis an mein Lebensende reichen sollten. Und wie ein Kollege hier schon so treffend schrieb: Nach mir die Sintflut .....


    Aber ich möchte nun auch mal andeuten was ich teilweise unter "Medien" verstehe. Das sind in diesem Zusammenhang nicht nur Zeitungen, Radio- und Fernsehsender, sondern auch Film- und Viedeoproduktionen - und letztlich auch - die Werbung.


    Der Werbung muß zugestanden werden, daß sie zu den wenigen "Medien" gehört, die den Wert der Klassischen Musik erkennen und richtig einschätzen. Das wird zwar nicht explizit gesagt, aber unterschwellig. Immer wieder findet man bei Werbespots für Luxusgüter oder Produkte, deren (oft gar nicht existierendes) Flair betont werden soll im Hintergrund klassische Musik-


    Wir finden das auch bei der Figur des "Sherlock Holmes" (so die Figur nicht "bearbeitetet" wurde, was heutzutage leider oft der Fall ist.), der selbst (allerdings nicht besonders gut ?) Geige spielte. Ein Genie, das der Klassischen Musik verfallen war - und dem Rauschgift - welch eine interessante Figur für Leser und Videokonsumenten.....


    Eine weitere Figur der Krimiszene ist der gutaussehende junge Assistent des Inspector Lewis, Detective Sergeant James Hathaway, der - wie sein Chef gerne klassische Musik hört. Die Krimiserie die stets in Oxford spielt und oft mit literarischem Hintergrundwissen gespickt ist, ist eine Kostbarkeit. Immer wieder wird klassische Musik eingebaut - immer wieder verblüfft der junge Polizist seine Gegenspieler aus der absoluten High Society mit seinem ebenbürtigen Auftreten und seinem akademischen Wissen (er hat sein Theologiestudium abgebrochen und ist zudem bibelfest.


    Eine Lanze für die klassische Musik


    mfg aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Und was ich hier im Forum überhaupt nicht mag, wenn Popmusik als " Gedudel " bezeichnet wird.


    Das es im Pop viel Gedudel gibt, das ist doch wohl völlig unbestritten. Selbst gute Stücke werden durch zu häufiges Wiederholen "totgedudelt". Und daran sind auch wohl die Medien schuld, aber ein Klassikdesaster verursachen die nicht.

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  • Da irrst du dich aber gewaltig! Erstens gab es immer einen riesigen "Bielefelder Katalog", aus dem man im Saturn nach herzenslust Platten heraussuchen konnte. Dann habe ich dort viele französische PHILIPS-Platten bekommen, die heute nicht mehr erhältlich sind. Viele Platten-Raritäten von kleinen Firmen mit Sängerportraits von Iwan Petrow, Norman Treigle usw. und Opern-Querschnitte aus "Wilhelm Tell", "Die Afrikanerin", "Die Jüdin" mit Tony Poncet usw.. Ich könnte immer weiter aufzählen. Diese Auswahl gibt es heute nicht mehr. Daher hüte ich diese Schätze wie meine Augäpfel.


    Lieber Wolfgang, da muss ich lutgra Recht geben. Der Umstand, dass die Plattengeschäfte damals zuweilen gut bestückt waren (hing auch immer vom jeweiligen Disponenten ab; in Dortmund waren wir mit "life" und "Musikhaus Schlüter" sensationell gut versorgt) ändert nichts daran, dass viele Dinge eben nicht verfügbar waren, nicht mehr verfügbar waren oder nur regionale Märkte bedienten (was dazu führte, dass Pianisten wie Aldo Ciccolini oder Samson Francois in Deutschland nahezu unbekannt waren). Da half auch der Bielefelder nicht weiter. Plattengeschäfte wie "setticlavio" in Florenz hatten ein ganz anderes Programm (und ich musst für entsprechende Einkäufe immer ein Budget vorsehen, ähnliche galt für "Rombaux" in Brügge). Mal ganz abgesehen davon, dass vieles in den 1970er jahren ja noch gar nicht eingespielt war. Das alles ist nun durch das Internet obsolet geworden. meine Schellacksammlung stammt weitestgehend aus Käufen über das Internet, bei den LP's das Gleiche. Alles, was ich mir damals nicht kaufen konnte oder was vergriffen war oder Aufnahmen, die an anderer Stelle der Welt veröffentlicht worden waren nur eben in Deutschland nicht, all das lässt sich nun wunderbar beschaffen. Und für meine Melodija-Sammlung musste ich auch nicht nach Moskau fahren. Die alten Plattengeschäfte waren ja ganz nett; aber sie bildeten nur einen kleinen Teil der musikalischen Welt ab.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Passend zur Debatte finde ich gerade in der "Welt" ein Interview mit dem Kulturforscher Bernd Heinzelmaier über sein Buch "Performer, Styler, Egoisten: Über eine Jugend, der die Alten die Ideale abgewöhnt haben", das ich hier nicht vorenthalten möchte:


    http://tinyurl.com/okweh9s


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
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  • Nicht alle Populärmusik ist "Gedudel", manche ist besser, manche ist noch schlimmer, nämlich enervierender Lärm. Was ich aber mit "Gedudel" hauptsächlich meine, ist, dass man heutzutage beinahe überall damit beschallt wird. Im Kaufhaus eh und auch sonst läuft einfach immer ein Radio nebenher, typischerweise mit Dudelfunk, d.h. aktuelle Hitparade oder eben "das beste der 80er, 90er etc."


    Vor wohl über 10 Jahren hatte ich folgendes Erlebnis: Ich wollte irgendwas auf der lokalen Verwaltung, einen Pass abholen o.ä. Damals gab es in dem Dorf , in dem ich damals wohnte, als Service noch einige halbe Tage in der Woche eine besetzte Verwaltungsstelle, damit man nicht ein paar Kilometer ins Rathaus im nächsten Dorf fahren musste. Ich komme dorthin, um das zu erledigen, da sitzt dort eine junge Frau (Verwaltungsfachangestellte), die ein Radio laufen hat. Nun verstehe ich sogar, dass sie, wenn sie dort drei Stunden evtl. ohne wirkliche Arbeit oder jedenfalls mit nur wenigen "Kundenkontakten" sitzt, sich entsprechend die Einsamkeit erleichtern will; in der Autowerkstatt läuft das Radio auch im Hintergrund. Aber meiner Erinnerung nach hat sie es nicht einmal für nötig befunden, das Gedudel abzustellen, während sie mit mir sprach, den Antrag entgegennahm oder das Dokument aushändigte oder was immer erledigt werden musste. Das fand ich schon ziemlich dreist.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Da kann ich mit einem Gegenbeispiel antworten. Neulich steige ich ins Taxi und höre da: Es gelangt aus den Lautsprechern die Jupitersinfonie zur Aufführung. Der Taxifahrer, wohlgemerkt ein Türke, bietet mir sofort an, die Musik abzustellen, wenn sie mich denn störe. Sie störte natürlich nicht, und wir kamen auf Mozart zu sprechen, den er sehr gern höre. Das war eine der erquicklichsten Taxifahrten meines Lebens und ich sang im Innern wieder einmal das Hohelied auf unsere türkischen Mitbürger.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich wäre vielleicht positiv überrascht gewesen, wenn sie Mozart gehört hätte. Allerdings geht es mir weniger um die konkrete Musik, sondern darum, dass ich es unverschämt fand, bei einem Behördengang nicht so wichtig genommen zu werden, dass man das Radio ausschaltet, um mit mir zu sprechen usw.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Das es im Pop viel Gedudel gibt, das ist doch wohl völlig unbestritten. Selbst gute Stücke werden durch zu häufiges Wiederholen "totgedudelt".


    Das ist tatsächlich unbestritten und ohne Zweifel richtig.
    Aber das gibt es auch im klassischen Bereich, daß Stücke "abgenudelt bis hin zu totgedudelt" sind. Besonders wenn Teile rausgerissen zu Werbezwecken mißbraucht werden.

    Nicht alle Populärmusik ist "Gedudel".

    Diese konkrete Relativierung klingt schon besser, als eine Verallgemeinerung und Verurteilung.

    Was ich aber mit "Gedudel" hauptsächlich meine, ist, dass man heutzutage beinahe überall damit beschallt wird. Im Kaufhaus eh, typischerweise mit Dudelfunk,

    Da gebe ich Dir recht. Das sehe und empfinde ich auch so. Vor allem, weil man im Gegensatz zum Autoradio, wo man beliebig um- oder ausschalten kann, dort nicht entkommen kann und das über sich ergehen lassen muß! Unlängst mußte ich da irgendwo ein Lied hören, was ich unerträglich und total bekloppt und bescheuert finde. Kennt etwa jemand "Mambo Nr. 5 von einem gewissen Lou Bega"? Das ist Folter für die Ohren in höchstem Maße!
    Und hier sind wir wieder beim Thema des kulturellen Niedergangs. Unfaßbar und für mich unbegreiflich, dieses Lied wurde millionenfach (!!!) verkauft.
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • "Mambo Nr. 5 von einem gewissen Lou Bega"


    Mambo No. 5 ist der Titel eines Mambo- und Jive-Tanzstücks im Original von Pérez Prado aus dem Jahre 1949;
    die Vorlage für den Song Mambo No. 5 (A Little Bit Of …) von Lou Bega, der 1999 zum weltweiten Millionenseller. Gemessen am Weltumsatz ist Mambo No. 5 die erfolgreichste deutsche Musikproduktion aller Zeiten im Sektor der Popmusik.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Ich bin ziemlich neu hier und habe Nachholbedarf. Immer wieder entdecke ich neue interessante Threads. Dieser Sommer war ziemlich heiß, oder? Sehr interessante Beiträge wie immer.
    Und ein schönes Beispiel von Synchronizität(*) : ich habe gerade Inspector Lewis geguckt und was lese ich :


    Zitat von Alfred_Schmidt

    Eine weitere Figur der Krimiszene ist der gutaussehende junge Assistent des Inspector Lewis, Detective Sergeant James Hathaway, der - wie sein Chef gerne klassische Musik hört. Die Krimiserie die stets in Oxford spielt und oft mit literarischem Hintergrundwissen gespickt ist, ist eine Kostbarkeit. Immer wieder wird klassische Musik eingebaut - immer wieder verblüfft der junge Polizist seine Gegenspieler aus der absoluten High Society mit seinem ebenbürtigen Auftreten und seinem akademischen Wissen (er hat sein Theologiestudium abgebrochen und ist zudem bibelfest.


    Ich finde auch diese Serie köstlich, Hathaway besonders. Was die Musik betrifft wurde IMM nicht gespart und habe den Eindruck daß sie speziell für die Serie komponiert wurde, und obendrein für ein großes Orchester. Es ist sehr interessant festzustellen wie das Grundthema immer variiert wird, oft mit schönen Dissonanzen.


    BONNE ANNÉE :jubel:
    Jacques


    (*) Jung zu zitieren heißt nicht daß ich zwangsläufig einen hohen IQ besitze :D :D

  • Interessant....


    Studie der Körber Stiftung


    Zitat

    Forsa-Umfrage der Körber-Stiftung: Zwei Drittel der Deutschen sehen Konzerthäuser in der Pflicht, klassische Musik mehr Menschen zugänglich zu machen


    Für 88 Prozent der Deutschen ist klassische Musik ein wichtiges kulturelles Erbe. Aber nur jeder Fünfte hat im vergangenen Jahr ein klassisches Konzert besucht – von den Unter-30-Jährigen sogar nur jeder Zehnte. Das zeigt eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Körber-Stiftung unter 1.006 Personen im Dezember 2013. 65 Prozent der Befragten finden, dass die Konzerthäuser in der Pflicht sind, klassische Musik mehr Menschen zugänglich zu machen. »Konzerthäuser sind eigentlich in einer komfortablen Situation: Viele akzeptieren die öffentlichen Ausgaben für klassische Musik«, sagt Kai-Michael Hartig, Leiter des Bereichs Kultur der Körber-Stiftung. »Aber sie erreichen immer weniger Menschen, vor allem nicht die jungen. Moderne Konzerthäuser müssen sich der Herausforderung stellen und Ideen entwickeln, wie sie mehr Interesse wecken können.«


    Herzliche Grüße


    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • In der Körber-Stiftung Studie steht unter anderem:

    Junge Menschen werden kaum erreicht
    Als Gründe gegen einen Besuch führen die Befragten neben zu wenig Zeit (37 Prozent) und zu hohen Kosten (35 Prozent) an, dass ihnen das Interesse an Konzerten fehlt (35 Prozent). Besonders junge Menschen erreichen die Konzerthäuser nicht: 45 Prozent der Unter-30-Jährigen nehmen deren Werbung nicht wahr – im Gegensatz zu 16 Prozent der Befragten über 60 Jahren. 25 Prozent der Jungen finden die Atmosphäre in Konzerthäusern elitär. 18 Prozent von ihnen stören sich an unverständlichen Inhalten. »Es wird für den Musikbetrieb in Zukunft verstärkt darauf ankommen, wie die Inhalte aufbereitet und präsentiert werden«, folgert Hartig. »Eine wachsende Rolle spielen charismatische und glaubwürdige Vermittlerpersönlichkeiten, die es verstehen, Schwellenängste abzubauen, Begeisterung auch für komplexe Inhalte zu wecken und für das offene, neugierige Wahrnehmen zu werben.«


    Also die jungen Leute haben zu wenig Zeit - ja, weil sie sie mit Computerspielen, Internetsurfen und smsen verbringen

    Die Kosten sind zu hoch - genau, € 7 für ein Schüler/Studenteneinzelticket oder € 50 für eine ganze Saison Meisterpianisten mit Perahia, Sokolov, Lupu, Zimerman und 6 anderen Weltklassepianisten ist viel zu viel!


    45 Prozent der Unter-30-Jährigen nehmen deren Werbung nicht wahr - Genau, im Internet, das täglich stundenlang besurft wird, gibt es keinerlei Informationen über Konzerte.


    25 Prozent der Jungen finden die Atmosphäre in Konzerthäusern elitär. - Genau, man darf weder rauchen noch trinken, auch sms schreiben und empfangen wird von den Sitznachbarn ungern gesehen.


    18 Prozent von ihnen stören sich an unverständlichen Inhalten - Ja, da fehlt halt der Rap und derHipphopp


    Fazit: Für so eine Schrottstudie würde ich auch gerne mal Geld bekommen X(

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  • Bei der Studie geht es um Wahrnehmung. Wenn die Jugendlichen das so wahrnehmen, ist das für sie ihre Wirklichkeit. Wenn man darauf reagieren will, muss man diese Wahrnehmung erst einmal kennen. Das hat erst einmal nichts mit der Qualität der Studie zu tun.


    Analog: Wenn für jemanden alle Jugendlichen ignorante Idioten sind, ist das seine Wirklichkeit. Zwischen meiner Wahrnehmung und dieser besteht allerdings ein zu starkes Gefälle, als dass ich mich veranlasst fühlten würde, darauf weiter einzugehen.


    Herzliche Grüße


    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Ich glaube das Hauptproblem ist der Musikunterricht. Der Mittelstand verarmt und entsprechend fehlt das Geld für das Erlernen eines Instruments. Und auch die fehlende Zeit - dieser Unsinn, die gymnasiale Oberstufe um ein Jahr zu verkürzen bei unreduziertem Lehrstoff führt zur bedenklichen Überbelastung der Jugendlichen, so daß für Musik neben der Schule einfach keine Luft mehr bleibt. Ein Instrument spielen ist immer noch der nachhaltigste Zugang zur klassischen Musik. Wer das kann, geht auch ins Konzert.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zitat

    Zitat von hasiewicz: Wenn für jemanden alle Jugendlichen ignorante Idioten sind, ist das seine Wirklichkeit. Zwischen meiner Wahrnehmung und dieser besteht allerdings ein zu starkes Gefälle

    Lieber Christian,


    da kann ich dir nur voll zupflichten. Meine Wahrnehmung - und ich habe häufiger mit jungen Leuten zu tun - ist auch eine andere. Natürlich sind die modernen Medien wie Smartphone, Internetsurfen usw. aus der Hand der Jugendlichen nicht mehr wegzudenken. Aber für viele stellen sie nicht mehr den alleinigen Lebensinhalt dar. Ich habe vielmehr den Eindruck gewonnen, dass viele Jugendliche inzwischen sehen, das manche Werte verloren gegangen sind und wieder danach suchen. Es kommt immer darauf an, wie man sie anspricht. Meine Frau und ich erleben immer wieder sehr viel Freundlichkeit und Zuvorkommenheit unter jungen Leuten, wenn man sie richtig anspricht und sie als gleichwertige Partner betrachtet, selbst fremde junge Leute auf der Straße. Und ich habe auch den Eindruck, dass immer mehr junge Leute wieder zur Klassik zurückfinden, wenn sie richtig angeleitet werden. Wir waren gerade um die 30, als man begann, alle Werte ins Gegenteil zu verkehren und eine ganze Generation im Alter unserer Kinder wurde in die Irre geleitet, von wenigen abgesehen, die sich nicht irreleiten ließen. Und das sind ja die Eltern der heranwachsenden Generation, die ihren Kindern solche "Werte" vermitteln. Die Klassik wurde ja auch an den Schulen teilweise von Pop und HipHop verdrängt. Dann kamen durch die vielen Fernsehsender, deren Programm immer stumpfsinniger wurde, durch Computer und sonstige neue Medien immer mehr Ablenkung von den echten Werten hinzu. Aber mein Eindruck ist, dass jetzt eine Generation heranwächst, die - wenn auch langsam - die Wertlosigkeit all dieses Schwachsinns erkennt. Dennoch sitzen an den Schalthebeln ja diejenigen, die glauben, dass man nur mit diesen Dingen die Jugend reizen kann. Und vielleicht ist die Volksverdummung sogar gewollt. Aber das Blatt - so denek ich - wird sich sicherlich drehen.
    Ich habe die Studie heute morgen auch gelesen und für mich war jedenfalls erstaunlich, dass auch eine überwiegende Anzahl an jungen Leuten glaubt, dass die Klassik einfach zu unserer Kultur gehört. Wenn sie die Beziehung dazu nicht haben, fehlt ihnen die entsprechende Anleitung.
    Da habe ich an mir selbst das beste Beispiel: Ich wurde als Kriegswaise mit Großeltern, Tanten und Onkeln groß, die alle einfache Leute waren und - mal abgesehen von Operette (aber das war ja schon mal was) - klassische Musik für schreckliches Gedudel hielten. Aber ich hatte einen begeisternden Musiklehrer. Ohne diesen hätte ich nie zur Klassik gefunden. Und ich konnte schließlich sogar meine Großeltern und eine der Tanten auch ein wenig dafür begeistern.
    Mich freut ganz besonders, wenn ich von meiner Enkelin, die heute Lehrerin an einer Grundschule ist, höre, dass sie den Kinder im ersten und zweiten Schuljahr auch mal leichtere klassische Musik zu hören gibt, sie dazu etwas zeichnen lässt oder sie erzählen lässt, was sie beim Hören empfinden.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Christian
    ich bin der letzte, der alle Jugendlichen für ignorante Idioten hält. Meine Söhne sind 18 und 16 und ich unterrichte 18-25 jährige. Aber die Aussagen der Studie sind doch lächerlich. Der Hauptgrund, warum Jugendliche nicht in Konzerte gehen, ist, dass das nicht ihre Musik ist, was völlig in Ordnung ist.


    Du könntest eine genauso unsinnige Studie durchführen, warum Leute wie ich nicht ins Fussballstadium gehen. Wenn die Frage lautet: Haben Sie dafür keine Zeit? würde ich antworten: ja. Ist Ihnen die Karte zu teuer: ja. Stört sie das Environment: ja. Aber der wirkliche Grund ist: mich interessiert Fußball nicht.


    Deshalb finde ich die Studie überflüssig.

  • Ich glaube das Hauptproblem ist der Musikunterricht. Der Mittelstand verarmt und entsprechend fehlt das Geld für das Erlernen eines Instruments. Und auch die fehlende Zeit - dieser Unsinn, die gymnasiale Oberstufe um ein Jahr zu verkürzen bei unreduziertem Lehrstoff führt zur bedenklichen Überbelastung der Jugendlichen, so daß für Musik neben der Schule einfach keine Luft mehr bleibt. Ein Instrument spielen ist immer noch der nachhaltigste Zugang zur klassischen Musik. Wer das kann, geht auch ins Konzert.

    Lieber Holger
    meine zwei Söhne spielen beide Klavier, seit ca. 10 Jahren. Sie spielen inzwischen ziemlich gut, nicht auf Jugend musiziert Niveau, aber Beethovensonaten-Sätze, Brahms Intermezzi, Schubert Impromptus, Debussy Stücke. Eine Klavierlehrerin ist selbst Konzertpianistin. Sie spielen auch gerne Klavier, setzen sich einfach ans Klavier und spielen. Den Älteren konnte ich dazu bringen, mal eine Saison zu den Meisterpianisten mitzugehen (deshalb weiß ich, was die tickets kosten). Fand er ganz nett, aber so richtig interessiert hat es ihn nicht und im nächsten Jahr wollte er nicht mehr. Kann er ja auch auf youtube gucken, die Pianisten. Der jüngere wollte von Anfang an gar nicht,


    So, was machen wir jetzt, um diese der Klassik eigentlich nicht abgeneigte Jugend in den Konzertsaal zu bringen. Die Pianisten in die Disco holen? Die Jugend kostenfrei mit Wodka Shots vorglühen lassen? Oder einfach abwarten, ob sie nicht irgendwann einmal von selbst auf den Trichter kommen?


    Ich bin dagegen, dem vermeintlich interessierbaren Publikum hinterherzulaufen, IHM ENTGEGEN ZU KOMMEN. Das ist ja bei der Opernregie versucht worden und viele hier sind von den Ergebnissen nicht beglückt, um es vorsichtig auszudrücken. Und wenn ich das nicht will, brauche ich auch solche Studien nicht.

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  • Was ich als regelmäßiger Opernbesucher in letzter Zeit feststelle, das die Anzahl der jungeren Leute die eine Oper besuchen immer mehr steigt und das sogar bei Premieren. Mittlerweile hat die Rheinoper eine sehr gute Mischung aus jüngeren und älteren Besuchern. Geht man natürlich in eine Operette ist die die Anzahl der ältern Besucher überwiegend und die jüngeren kann man an einer Hand abzählen. Einen Anteil der Schiuld trägt vor allem You Tube, da man dort fast alles umsonst bekommen kann. Früher bin ich noch zum Schallplattengeschäft meines Vertrauens gegangen und habe mir DVD`s gelauft heute lade ich mir das meiste von You Tube runter bzw bestelle mir vieles bei Amazon. Und zum Thema Fernsehen: welcher Jugendliche schaut sich 3 Sat oder Classica an ? Oder geht nach Bayreuth oder Wien zum Public Viewing ? Hätte eine Bekannte von meinen Eltern, die Kirchenorgel gespielt hat und mir das auch beigebracht hat glaube ich nicht das ich heute so ein begeisterter Klassikfan geworden wäre. Natürlch haben meine Eltern auch klassische Musik gehört und Opernaufführungen besucht, aber ich währe vorher nie auf die Idee gekommen zu fragen ob ich mitgehen kann. Das kam erst duch den Orgelunterricht.

  • [quote='Dr. Holger Kaletha','index.php?page=Thread&postID=498594#post498594'/] ... dieser Unsinn, die gymnasiale Oberstufe um ein Jahr zu verkürzen bei unreduziertem Lehrstoff führt zur bedenklichen Überbelastung der Jugendlichen, so daß für Musik neben der Schule einfach keine Luft mehr bleibt.[quote]


    Nicht die gymnasiale Oberstufe (auch Sekundarstufe II genannt) wurde verkürzt - auch wenn natürlich am Ende ein Jahr weniger für den Schulbesuch zur Verfügung steht. Es wurde ein Schuljahr aus der Sekundarstufe I (5. - 10. Klasse) herausgekürzt. Die Sekundarstufe I umfasst also im berühmt-berüchtigten G8-System nur noch vier Schuljahre (5. - 9. Klasse). Der Unterrichtsstoff der Sekundarstufe II (Oberstufe) ist in vollem Umfang erhalten geblieben, wird jetzt eben nur jeweils ein Jahr früher unterrichtet. In der Sekundarstufe I sind sehr wohl Unterrichtsinhalte entfallen und gestrafft worden - aber natürlich nicht im Umfange eines ganzen Schuljahres. Das heißt, dass der Stoff der früheren fünf Sekundarstufe-I-Jahre wohl etwa auf viereinhalb Jahre gekürzt wurde, der dann nun in die vier neuen Sekundarstufe-I-Jahre hinein muss. Das führt dann zu der unschönen Entwicklung, dass heute bereits Schüler der 5. und 6. Klassen (11 und 12-Jährige) mehrfach in der Woche Nachmittagsunterricht haben ... und ihnen dann eben die Zeit fehlt, noch irgendeine Musikschule oder ähnliche Einrichtungen zu besuchen.


    Aber zum Glück besinnen sich immer mehr Bundesländer eines Besseren. In Hessen ist die Rückkehr zum alten G9-System seit Kurzem wieder erlaubt. Wenn alle Anträge von den höheren Schulbehörden genehmigt werden, dann werden z.B. in zwei Jahren wohl wieder 12 von 17 Frankfurter Gymnasien zum alten System zurückgekehrt sein. Ein Lichtblick für Schüler, deren Familien und auch für Vereine, Musikschulen etc.


    Grüße
    Garaguly

  • Noch eine kleine Beobachtung von mir:


    Ich lebe in einer Stadt, die eine Musikhochschule hat. Eine der renommiertesten in Deutschland. Die haben vor einigen Jahren sogar ein komplettes Streichquartett als Professoren berufen. Das gar nicht so unbekannte Vogler Quartett. Ich gehe ich also mal davon aus, dass es da Kammermusikklassen gibt.


    500 m von der Musikhochschule entfernt liegt der Konzertsaal der Stadt. Da findet einmal im Monat ein Kammermusikabend statt. Da spielen Artemis, Belcea, Casals, Emerson... you name it. Die Weltklasse Ensembles. Ist nie ausverkauft. Das Studiticket wie gesagt € 7. Möglicherweise für Musikstudenten über die Hochschule sogar umsonst. Was glaubt Ihr, wie viele Kammermusikstudenten gehen in Konzerte, in denen die Größten ihres Faches spielen? 50? 25? 10?


    Nee, NULL.


    Woher ich das weiß?


    Der/die jüngste im Saal ist 40.

  • So, was machen wir jetzt, um diese der Klassik eigentlich nicht abgeneigte Jugend in den Konzertsaal zu bringen. Die Pianisten in die Disco holen? Die Jugend kostenfrei mit Wodka Shots vorglühen lassen? Oder einfach abwarten, ob sie nicht irgendwann einmal von selbst auf den Trichter kommen?


    Ich bin dagegen, dem vermeintlich interessierbaren Publikum hinterherzulaufen, IHM ENTGEGEN ZU KOMMEN. Das ist ja bei der Opernregie versucht worden und viele hier sind von den Ergebnissen nicht beglückt, um es vorsichtig auszudrücken. Und wenn ich das nicht will, brauche ich auch solche Studien nicht.


    Eine Möglichkeit, lieber Lutgra, die es gibt, sind Kinderkonzerte. So etwas wird hier in Bielefeld in der Oetker-Halle angeboten und es kommt offenbar gut an. Ansonsten glaube ich auch, daß es keinen Sinn macht, Jugendliche zu etwas zu zwingen. Der Vergleich mit der Opernregie hinkt für meinen Geschmack, denn dort geht es um Erwachsene. Und da glaube ich auch nicht, daß man dem Publikum entgegenkommen will, sondern Ansprüche stellt. Kunst darf und muß den (erwachsenen) Rezipienten fordern, das ist ihr "moralischer" Sinn. Bei Kindern dagegen wäre das unangebracht.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Fangen wir doch nicht bei den jungen Menschen an - die interessieren sich für das, was ihre Kollegen tun, was die Werbung suggeriert ...


    Fangen wir doch einfach mal bei den Musikern / Orchestern und Konzerthäusern an. Durchaus gibt es Konzertserien für Kinder, das hat heute fast jedes Konzerthaus im Programm: also kindgerecht aufgearbeitete Programme, die den ganz jungen Menschen die Klassik, die Instrumente etc. nahe bringen wollen. Aber was wird für den Jugendlichen getan, was für den "Breitensportler", den Normalsterblichen, der bisher mit Klassik kaum in Berührung kam? der zwar computerisiert ist, aber keinen Zugang hat zur "Elite"?
    Die Berliner Philharmoniker haben einen "Digitalen Konzertsaal", der es Menschen ermöglicht, über ihr Tablet oder ihren PC an Konzerten live teilzunehmen. (Dazu Interviews mit Musikern, Filme, natürlich ein Archiv, das auch mal historisch interessant sein wird ....) Welches Orchester hat das? welches Konzerthaus, welcher Veranstalter - außer der Jeunesse musicale - bietet jungen Menschen, die keine Kleinkinder mehr sind, Zugang zu großer Musik, ohne dabei verzopft zu sein? wer hat "Apps" entwickelt, um diese Menschen über PC und Tablet an sich zu ziehen?
    Wo sind die Ideen?


    Es reicht nun mal heute nicht mehr, sich auf den hohen Ausguck der "hehren klassischen Musik" zurück zu ziehen und alten Zeiten nachzutrauern. Man muss den Menschen entgegen gehen können und mit den Mitteln, die diese in ihrem Leben anwenden, heranziehen.

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