Sinn oder Unsinn - Regietheater

  • Ich würde am ehesten dafür plädieren, als Grundlage den "Goldenen Ring" als Klassiker zu nehmen und optisch möglichst adäquate Schauspieler aufzutreiben, die das dann visuell gleichsam übernähmen. Ein opernerfahrener Regisseur wäre gewiss kein Fehler, dazu fachliche Beratung in sämtlichen Detailfragen. Nun fehlte uns eigentlich nur noch ein kunstsinniger Milliardär als Mäzen, der eine andere Liga besäße als Elon Musk und derartige Emporkömmlinge.

    Da gibt es doch in Wien ein paar wenige?

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Sicher ist aber, dass Du der Einzige bist, der hier über unser künstlerisches Ethos spekuliert. Und für diese Spekulation fehlt es Dir an der nötigen Basis. Du weißt einfach auch da nichts. Und selbst wenn es anders wäre, steht es Dir nicht zu. darüber Mutmaßungen anzustellen. Es ist vielmehr eine bodenlose Frechheit. Schreib Dir das hinter die Ohren. (Ich spreche hier für mich, ich nehme aber, dass Christian, wenn er nicht konzilianter wäre als ich, es auch etwa so sagen würde.)

    Ich stimme Dir hundertprozentig zu, die Spekulationen über unser künstlerisches Ethos sind unverschämt und dumm (in meinem Fall kamen ja noch ferndiagnostizierte Charakterschwächen hinzu). Dass ich mich damit trotzdem nicht weiter beschäftige, hat aber einen anderen Grund als Konzilianz: Wer in der Debatte aus offensichtlichem Mangel an Argumenten zu derart erbärmlichen Mitteln greift, kriegt von mir einfach nicht die Ehre einer Erwiderung. Die hier diskutierte Sache ist ja sowieso entschieden: Es gibt die behauptete "Treuepflicht" oder "Verbindlichkeit" nicht, das hat Herr Doktor ja inzwischen selbst mehrfach zugegeben.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Das ist ja das Merkwürdige. Ein wirklicher Opernfilm des "Rings" etwa steht bis heute aus. Selbst Karajan scheiterte daran nach dem Auftakt. Heute gäbe es die Technik für eine astreine naturalistische Umsetzung.

    Unbenommen, technische Möglichkeiten wären wohl gegeben, allein ich finde, Oper als Film funktioniert überhaupt nicht: Es ist ja, wie ich irgendwo oben schon ähnlich formuliert habe, so schon absurd genug, dass da Leute auf einer Bühne stehen und in einer Handlung durchgehend singen, von der teilweise abstrusen Handlung selbst einmal abgesehen. Das mag noch funktionieren, wenn ich mir so eine Aufführung auf dem Bildschirm anschaue (z.B. DVD), weil ich weiß, wie es in echt ist. Aber Film ist da m.E. etwas grundsätzlich anderes und funktioniert nicht für Opern.

    Nähme man dazu die jetzt noch einmal neu remasterte legendäre Solti-Gesamtaufnahme als Grundlage und würde das á la Peter Jackson (für Nichteingeweihte: der Regisseur der "Herr der Ringe"-Verfilmung) aufziehen - das hätte schon etwas!

    Nur nebenbei: Du kennst Jacksons "Frühwerk"? Da ist sogenanntes Regietheater ziemlich pillepalle gegen :untertauch:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Leider scheint das Klima hier inzwischen auch ziemlich vergiftet, es wird ja teilweise nur noch über Bande miteinander kommuniziert und sich gegenseitig die Kompetenz abgesprochen. Insofern scheint sich die Diskussion in diesem Thread totgelaufen zu haben. Vielleicht könnte im neuen Jahr, wenn sich die Gemüter abgekühlt haben, nochmal ein neuer Anlauf gestartet werden, das Thema an sich und seine Nebengeleise bleiben ja spannend. Dann könnte man ja auch wieder direkt miteinander diskutieren und nicht nur in der Dritten Person.

    Ich finde das auch sehr schade, muss ich sagen. Die Chance ist verpasst worden, die Diskussion auf ein grundsätzliches Niveau zu heben, so dass es nicht zur x-ten Wiederholung des üblichen (meist polemischen) Austauschs der bekannten "Argumente" von RT-Befürwortern und RT-Gegnern kommt. Für mich ist die eigentlich wirklich an die "Wurzel" des Regietheaterproblems gehende Frage die nach dem Konstruktivismus in seiner ästhetischen Konzeption. Leider wurde genau diese von den an der Diskussion beteiligten Künstlern gleich veralbert und nicht Ernst genommen - weil sie offenbar nicht wissen, was "Konstruktivismus" im strengen erkenntnistheoretischen Sinne bedeutet und folglich auch gar nicht wissen, dass sie selber Konstruktivisten sind. ^^ Leider fehlt dann auch noch die Offenheit für philosophisch-ästhetisches Denken. Danach ist die Diskussion dann ins Polemische entglitten. Deswegen ist auch für mich die Diskussion hier leider erst einmal beendet. Denn auf einer anderen als einer ästhetisch-philosophischen Ebene möchte ich sie nicht führen.

    Aber wenn Theater ein dramatisches Kunstwerk verwendet, so lautet doch das Argument, dann müsse die Inszenierung auch das leisten, was Helmut in der zitierten Textpassage wohltuend konzis beschrieben hat, nämlich die "für seine künstlerische Aussage konstitutiven Elemente in ihr repräsentieren". Aber hier hängt alles an dem Wörtchen "muss", und dafür sehe ich immer noch keine Begründung.

    Genau da liegt der Knackpunkt. Helmut Hofmann hat schön von "Verbindlichkeiten in der Sache" gesprochen. Für mich und Helmut Hofmann (da wird er mir wohl zustimmen) folgt das "muss" einfach aus der Verbindlichkeit in der Sache. Für uns macht es deshalb keinerlei Sinn, darüber hinaus nach einer weiteren Begründung zu suchen. Deine Denkweise dagegen entspricht der von Christian Köhn und Werner Hintze - sie ist konstruktivistisch. Für den Konstruktivisten gibt es nämlich gar keine Verbindlichkeit in der Sache. Deshalb sucht er immer hinter solchen beanspruchten Sachverbindlichkeiten irgendwelche "Autoritäten", die angeblich in Anspruch genommen werden. Das wiederum beruht von meiner erkenntnistheoretischen Warte aus auf einem psychologistischen Fehlschluss. In der Diskussion kommt man also letztlich nur weiter, wenn man sich dem Konstruktivismusproblem stellt. Ich bin bereit, eine solche Diskussion zu führen. Nur stehe ich hier damit wohl alleine. ;) :D


    Schöne Grüße

    Holger

  • Ich stimme Dir hundertprozentig zu, die Spekulationen über unser künstlerisches Ethos sind unverschämt und dumm (in meinem Fall kamen ja noch ferndiagnostizierte Charakterschwächen hinzu). Dass ich mich damit trotzdem nicht weiter beschäftige, hat aber einen anderen Grund als Konzilianz: Wer in der Debatte aus offensichtlichem Mangel an Argumenten zu derart erbärmlichen Mitteln greift, kriegt von mir einfach nicht die Ehre einer Erwiderung. Die hier diskutierte Sache ist ja sowieso entschieden: Es gibt die behauptete "Treuepflicht" oder "Verbindlichkeit" nicht, das hat Herr Doktor ja inzwischen selbst mehrfach zugegeben.

    Da die Herren CHKöhn und Werner Hintze hier - als Neulinge, wohlgemerkt - fortwährend mit Vokabeln wie "unverschämt" und "frech" um sich werfen, und das als Künstler, kann ich nur sagen: Einerseits die Freiheit der Kunst zu beschwören, andererseits in einem bestehenden sozialen Umfeld als Newcomer hier den Ton angeben zu wollen finde ich dann doch etwas dreist.

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Unbenommen, technische Möglichkeiten wären wohl gegeben, allein ich finde, Oper als Film funktioniert überhaupt nicht: Es ist ja, wie ich irgendwo oben schon ähnlich formuliert habe, so schon absurd genug, dass da Leute auf einer Bühne stehen und in einer Handlung durchgehend singen, von der teilweise abstrusen Handlung selbst einmal abgesehen. Das mag noch funktionieren, wenn ich mir so eine Aufführung auf dem Bildschirm anschaue (z.B. DVD), weil ich weiß, wie es in echt ist. Aber Film ist da m.E. etwas grundsätzlich anderes und funktioniert nicht für Opern.

    Das sehe ich ganz genauso. Es ist ja nicht nur so, dass heute keiner auf die Idee kommt, den "Ring des Nibelungen" als Flm zu produzieren, sondern es werden generell kaum noch Opernfilme produziert. Die hatten mal eine gewisse Konjunktur in der Frühzeit der Versuche, Opern auf DVD oder damals noch Video zu bannen. Womöglich auch deswegen, weil die technischen Möglichkeiten damals noch nicht ausreichten, um Opernaufführungen in halbwegs adäquater Bild- und vor allem Tonqualität zu filmen. Da war vielleicht der Gedanke naheliegend, die Sänger in einem Film agieren und dabei zu einer im Studio aufgenommenen Tonspur die Lippen bewegen zu lassen. Die Ergebnisse finde ich allesamt furchtbar. Schon deswegen, weil diesen Filmen ein Wesensmerkmal von Opern fehlt: Filme sind kein Theater. (Das sind Filme von Theateraufführungen auch nicht, aber zumindest kommen sie näher heran.)


    Die Idee, Wagners "Ring" als Fantasy-Film a la "Herr der Ringe" zu produzieren, finde ich übrigens völlig abwegig. Vor allem dann, wenn man gleichzeitig die Werkgerechtigkeit im Munde führt. Denn Wagners "Ring" mag vieles sein, aber bestimmt kein Fantasy-Stück über nordische Götter und Helden. Im Sinne der künstlerischen Freiheit wäre aber natürlich auch so etwas nicht verboten, wohl aber höchst kritikwürdig.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Die Idee, Wagners "Ring" als Fantasy-Film a la "Herr der Ringe" zu produzieren, finde ich übrigens völlig abwegig. Vor allem dann, wenn man gleichzeitig die Werkgerechtigkeit im Munde führt. Denn Wagners "Ring" mag vieles sein, aber bestimmt kein Fantasy-Stück über nordische Götter und Helden. Im Sinne der künstlerischen Freiheit wäre aber natürlich auch so etwas nicht verboten, wohl aber höchst kritikwürdig.

    Hier wäre der Ausgangspunkt für eine gewagte Denkrichtung: Die unvorhersehbare Werktreue. Unvorhersehbar, weil die geistigen Schöpfer gewisse technische Möglichkeiten nicht vorhersehen konnten.


    Beispiel: Peter Jacksons Verfilmung von "Lord of the Rings" nimmt sich gegenüber Tolkiens Originaltext ein paar künstlerische Freiheiten, um diesen fürs Medium Film zu adaptieren, erweist sich aber als zugleich als so respektvoll gegenüber dem Text, dass er mittlerweile als kanonisch gilt. Dies könnte ich mir im Sinne eines Gesamtkunstwerks durchaus auch bei Wagner vorstellen.

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Darf ich ganz höflich fragen, was die Einschränkung bedeutet "sofern dies für einen fachlichen Laien möglich ist"?


    Ich verstehe natürlich, dass man Argumente nicht nachvollziehen kann, weil Fachvokabular verwendet wird. Entweder mache ich mir dann die Mühe und versuche den Kontext zu verstehen und argumentiere weiter oder eben auch nicht. Wie ich halt Lust und Laune habe. Im letzten Fall kann ich doch nicht behaupten, dass ich eine Argumentation plausibel finde?


    Diese Art Fachautorität gegenüber völlig Fachfremden kann doch auch rhetorisch eingesetzt werden, um Argumentlosigkeit zu vernebeln. Deswegen versuche ich für mich immer, soweit den Argumenten zu folgen, wie es mir meine Zeit sinnvollerweise gestattet. Wenn ich dann nicht folgen kann, folgt eben auch nichts für mich. :) Sonst besteht doch defintiv die Gefahr, einfach nur einer "Autorität" zu glauben.


    Das ist - mit Verlaub - eine unangebrachte Unterstellung, - und darin typisch für die Art und Weise , wie schon lange in diesem Thread - leider! - dialogisch miteinander verkehrt wird.


    Ich habe mir erlaubt meinen Beitrag vollständig zu zitieren. In diesem wird gar nichts unterstellt. Es gab von meiner Seite nur die Verwunderung, dass man bei einem Partialverständnis von Beiträgen Folgerungen plausibel finden kann. Ich halte das durchaus für nicht unproblematisch, wie die von Dir dann zitierte Stelle hoffentlich belegt.


    Meines Erachtens konnte das mit dem Kollegen geklärt werden.


    Es gibt nicht den geringsten Bezug der hypothetischen Situation zu Deinem Beitrag oder auch nur zu irgendeinem konkreten Beitrag im Forum.


    Warum, geschätzter astewes, fragst Du in den Fällen, in denen Du etwas nicht verstehst, weil der Andere (und damit meine ich nicht mich) meint, Fachterminologie verwenden zu müssen, nicht nach, wie er das gerade sagen wollte, anstatt ihm Vorwürfe zu machen?

    Dann ist er gezwungen, sich auf die Ebene der Allgemeinverständlichkeit zu begeben.

    Das wäre für den zivilisierten und höflichen Umgang miteinander doch ganz gewiss förderlicher, und es würde sich eine angenehme und erfreuliche Atmosphäre im Diskurs einstellen.

    Meinst Du nicht auch?

    Aber sicher! Volle Zustimmung, lieber Helmut. Ich meine allerdings, genau das sehr häufig zu tun. Es gelingt mir wahrscheinlich nicht immer. Aber ich versuche zu verstehen und wo es nicht klappt, frage ich nach, auch wenn ich hin und wieder keine Antwort bekomme.


    Allerdings gibt es Formen der Konversation, die ich ausgesprochen anstrengend finde, wo ich dann auch schon mal abbreche. Auch hier gibt es keinen Bezug zu der mit Dir geführten Konversation!

  • Beispiel: Peter Jacksons Verfilmung von "Lord of the Rings" nimmt sich gegenüber Tolkiens Originaltext ein paar künstlerische Freiheiten, um diesen fürs Medium Film zu adaptieren, erweist sich aber als zugleich als so respektvoll gegenüber dem Text, dass er mittlerweile als kanonisch gilt. Dies könnte ich mir im Sinne eines Gesamtkunstwerks durchaus auch bei Wagner vorstellen.

    Wenn man Chris Hemsworth für die Rolle des Donner gewinnen könnte, wäre der Film auch bestimmt ein Kassenschlager. ^^

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Hier wäre der Ausgangspunkt für eine gewagte Denkrichtung: Die unvorhersehbare Werktreue. Peter Jacksons Verfilmung von "Lord of the Rings" nimmt sich gegenüber Tolkiens Originaltext ein paar künstlerische Freiheiten, um diesen fürs Medium Film zu adaptieren, erweist sich aber als so respektvoll gegenüber dem Text, dass er mittlerweile als kanonisch gilt. Dies könnte ich mir im Sinne eines Gesamtkunstwerks durchaus auch bei Wagner vorstellen.

    Nur, damit ich es nicht missverstehe: Doch als Film (was, wie gesagt, aus grundsätzlicheren Gründen weder bei Wagner noch überhaupt bei einer Oper funktioniert)? Oder auf der Bühne? - Immerhin gibt es da schon die beiden MET-Produktionen von Otto Schenk und danach von Robert Lepage. Erstere, wie ich immer noch fest glaube, weil Schenk zeigen wollte, dass man es zwar so machen kann, aber eigentlich nicht tun sollte und letztere um eben zu zeigen, was bühnentechnisch möglich ist. Sicher kann man den Ansatz von Lepage heute (technisch) noch weiter treiben, aber irgendwann hat dass dann für mich nichts mehr mit Oper, Werktreue/-gerechtigkeit, Gesamtkunstwerk oder ähnlich schwammigen Begriffen, sondern nur noch mit Spektakel zu tun.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich muss hier wieder mal was schreiben - um mich bei allen unbeliebt zu machen


    Daß ich mal Herrn Hintze in EINER Sache würde beipflichten müssen war mir nicht in die Wieg gelegt, aber zumindest möchte ich festhalten: Ein "Neuling" hat die gleichen Rechte, wie ein Langzeitmitglied. Dieses Argument: ich bin schon älter es Du - ich bin länger in der Firma - das finden wir immer wieder - dient allerdings der Wahrung der Interessen der "Platzhirschen"

    (Ich gestehe allerdings, daß ich gelegentlich auch der Versuchung erliege ....)


    Ein anderer Punkt ist, ob es von gutem Benehmen und guter Erziehung zeugt, im ausserprivaten Kreis gebildeten Leuten das Wort "frech", "unverschämt" oder im Extremfall "dumm" in Bezug auf Gesprächspartner anzuwenden.


    Es ist dies eine Frage des Formats und der Gesellschaftsschicht in der man sich daheim fühlt. Da ich es als entlarvend empfinde

    rüge ich es nicht öffentlich. Und damit sind wir auf elegante Weise wieder beim Thema angelangt.


    Es ist nicht verbindlich "Werktreue" zu praktizieren

    Es ist auch nicht verbindlich sich bei Tisch nicht ins Tischtuch zu schneuzen


    Im Falle des Tischtuchs ist das nirgendwo festgeschrieben (Im Mittelalter war es das indes schon - vermutlich aus Sicherheitgründen - oder weil der Verfasser dieser Regeln ein Menschenkenner war)


    Aber es wird vermutlich niemandem einfallen es trotzdem zu tun.

    Es gab und gibt immer Dinge, die gegen den guten Geschmack verstoßen

    IMO zählt das, was wir RT nennen, ebenfalls dazu

    Und deshalb sollte man mit deren Vertretern oder Bewunderern

    in Bezug auf Anstandsregeln nicht allzu streng ins Gericht gehen......


    Dieser Beitrag von mir sei übrigens als Musterbeispiel gesegen

    quasi ALLES zu sagen war zu sagen ist - OHNE ein einziges "böses Wort"zu gebrauchen

    Tja, das nennt man dann eben "Klasse", meine Herren ;)


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Aber hier hängt alles an dem Wörtchen "muss", und dafür sehe ich immer noch keine Begründung. Es ist doch eine freie künstlerische Entscheidung eines Regisseurs (der i.d.R. stellvertretend für ein ganzes Team steht), ob er in einer Opernproduktion alle oder nur einige oder auch gar keine Aussagen des dramatischen Kunstwerks repräsentieren möchte (wobei das "gar keine" schwer fallen dürfte).

    Ganz vage verstehe ich Helmut so, dass er sagt, in der produktiven Auseinandersetzung mit dem Werk entstehe eine Art Gehalt, die in die Inszenierung einfließen müsste, wenn man von einer Inszenierung des Werkes sprechen möchte.


    Was mir gefällt, ist die Kontextbezogenheit, die das Werk aus der Verstaubtheit herausholt. Was mir bei dieser Form des Ansatzes unklar ist, wer sich auseinandersetzt. Was ist mit dem Rezipienten der Opernaufführung? Muss ich mich mit dem Kunstwerk Aufführung (= Inszenierung) nicht gleichermaßen produktiv auseinandersetzen. Bei Helmut scheint es im wesentlichen um die Auseinandersetzung mit einer Textvorlage und Partiturvorlage zu gehen.



    Verstehen ist also kein reproduktives, sondern ein produktives Verhalten. Die Freiheit, die der Rezipient eines historischen Kunstwerks und der Umsetzung desselben in ein gegenwärtiges theatralisches Kunstwerk auf der Bühne hat, ergibt sich aus der jedem Kunstwerk innewohnenden Polyvalenz der Aussage und dem Akt des produktiven Verstehens derselben. Der Verstehende bringt in diesem Akt ja immer seine eigene Zeit mit sich, und diese fließt in den Akt ein und prägt das Resultat des Verstehens. Jede Zeit wird also das historische Kunstwerk auf ihre Weise interpretieren, - wie man an der Geschichte der intentional werkbezogenen Inszenierungen etwa eines Werks wie Wagners "Tristan und Isolde" sehr schön erkennen kann.


    Hier geht es nur darum, so will es mir scheinen, den zu inszenierenden Text (inkl. Partitur) zu verstehen. Völlig außen vor bleibt das Verständnis der Inszenierung als solche. Die hat nur eine Aufgabe in Bezug auf den Text und Partitur.


    Aber neben der Freiheit gibt es in diesem Akt des Verstehens und der produktiven Umsetzung seines Resultats in eine Inszenierung auch Verbindlichkeiten. Sie ergeben sich aus der Notwendigkeit, dass das sprachliche oder musikalische Kunstwerk in den für seine künstlerische Aussage konstitutiven Elementen in ihr repräsentiert sein muss, auf dass die im Bühnenwerk sich manifestierende Interpretation des historischen künstlerischen Werks von den Rezipienten als solche erfasst und erkannt werden kann.



    Hier kann man noch einmal lesen, dass es um die künstlerische Aussage des sprachlichen Kunstwerkes oder des musikalischen Kunstwerkes zu gehen scheint. Man vermutet, dass es sich jeweils um Libretto und Partitur handelt, aber wie Helmut nachher feststellt, sind es einmal narrativer Kontext (ist für mich erklärungsbedürftig) und auf der musikalischen Seite Libretto und Partitur. Auch hier ist nicht klar, wieso das Libretto nicht als eigenständiges Werk betrachtet werden kann. (Das ist unter anderem deswegen interessant, weil es ja grundsätzlich möglich zu sein scheint, ein Libretto in vier Opern zu verwenden)


    Bei diesen konstitutiven Elementen handelt es sich beim sprachlichen Werk um den zugrunde liegenden narrativ-dramatischen Kontext, beim musikalischen um das Libretto und die Partitur,


    Unter der Voraussetzung, dass dass nun alles, der narrative Kontext, Partitur und Libretto in sich stimmig sind (wird nun von der Bühnenhandlung eine Einfügung in diese Stimmigkeit verlangt.


    und in allen Fällen eine Kulissenregie, die damit in Einklang steht, so dass keine Disparität zwischen ihr und der Aussage des Textes und der Musik entstehen kann.


    da stecken schon eine Menge Vorausetzungen drin. Libretto und Musik bilden also eine Einheit, der es zu folgen gilt.


    Was ich mit letzterem meine, sei an einem aktuellen Fall konkretisiert. Wagners Rheingold-Text "Heiala weia! Wildes Geschwister! Floßhilde, schwimm! Woglinde flieht: hilf mir die Fließende fangen!" in der Kulisse eines biologischen Labors hin und her laufend singen zu lassen, ist ein Unding.



    Ohne jetzt für eine Inszenierung in einem Biologielabor zu plädieren, die ich nicht kenne und die natürlich grottenschlecht sein kann, ist mir nicht wirklich klar, wieso eine Inszenierung in einem Biologielabor nicht eine interessante Spannung zum Text erzeugen könnte ...


    Selbstverständlich müsste der gesungene Text eine Beziehung zum szenischen Agieren haben, das würde in diesem Mikrokosmos erstmal reichen. Ob dann die Szene sich sinvoll in die ganze Inszenierung einfügt, ist damit natürlich auch nicht gesagt, aber meines Erachtens gibt es hier keinen Unmöglichkeitsbeweis ..


    Wie gesagt, ich sage hier nicht, die zitierte Inszenierung sei gut. Sie kann mies gewesen sein. Aber ich sehe nicht, wie man aus den herangeführten Argumenten die Unmöglichkeit der Szenenversetzung in die Jetztzeit (zum Beispiel ein Biologielabor) ableiten kann.

  • Im Falle des Tischtuchs ist das nirgendwo festgeschrieben (Im Mittelalter war es das indes schon - vermutlich aus Sicherheitgründen - oder weil der Verfasser dieser Regeln ein Menschenkenner war)

    Wen es interessieren sollte: In dem Buch von Norbert Elias "Über den Zivilisationsprozeß" ist das zu finden. Ganz allgemein eine Empfehlung für Tischsitten :)



    Diese Regel gab es mal explizit. Es ist einfach, daraus abzuleiten, dass diese Art Schneuzen nicht ungewöhnlich war zu der Zeit. Mit diesen Regeln setzte sich dann eine Gesellschaftsschicht ab. Mittlerweile ist das mit dem Schneuzen ohne Tischtuch überall Usus, so dass man natürlich weiterer Regeln bedarf.

  • Lieber Alfred,

    nur zur Klarstellung:

    Ein anderer Punkt ist, ob es von gutem Benehmen und guter Erziehung zeugt, im ausserprivaten Kreis gebildeten Leuten das Wort "frech", "unverschämt" oder im Extremfall "dumm" in Bezug auf Gesprächspartner anzuwenden.

    Ich habe nicht einen Gesprächspartner als "dumm und unverschämt" bezeichnet sondern seine Spekulationen über mein künstlerisches Ethos. Auch kluge oder gebildete Menschen (was nicht dasselbe ist) geben mal Dummes von sich. Wenn jemand ohne die geringste Kenntnis meiner künstlerischen Arbeit(sweise) mein "Ethos" anzweifelt, ist das dumm, und wenn er es im öffentlichen Raum tut, ist es unverschämt. Wie gesagt ist mir die Sache nicht weiter wichtig, und ich will das, weil es gar nicht zum Thema gehört, auch nicht weiter diskutieren, aber bei meiner Bewertung bleibe ich.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Mit zunehmendem Erstaunen habe ich diesen Thread in den letzten Tagen verfolgt.

    Ohne auf Details einzugehen, fällt mir hier eine "unheilige Allianz" ins Auge, mit denen die Herren Köhn & Hintze in stiller Eintracht versuchen, ein langjähriges Mitglied von TAMINO in die Enge zu treiben. Dem haben sich inzwischen einige ältere Mitschreiber angeschlossen, so daß man nun von einer Art "konzertierter Aktion" sprechen kann. Höchst interessant finde ich auch, daß Leute, die in anderen Foren, z.B. Cappriccio, entweder gescheitert oder rausgeflogen sind, hier nun gleich die große Lippe riskieren, was übrigens nicht nur mich unangenehm berührt hat:

    die Herren CHKöhn und Werner Hintze hier - als Neulinge, wohlgemerkt - fortwährend mit Vokabeln wie "unverschämt" und "frech" um sich werfen, und das als Künstler

    und durch den unerwartet "milden Tadel" unseres Forumsbetreibers für mich keineswegs akzeptabler wird. Hier sind schon weit harmlosere Äußerungen wie diese als unzulässig gerügt und gelöscht worden:

    Es ist vielmehr eine bodenlose Frechheit. Schreib Dir das hinter die Ohren. (Ich spreche hier für mich, ich nehme aber, dass Christian, wenn er nicht konzilianter wäre als ich, es auch etwa so sagen würde.)

    die Spekulationen über unser künstlerisches Ethos sind unverschämt und dumm

    Zu bewundern ist Holgers schier unendliche Geduld. Ich hätte nach Beleidigungen dieser Art die Kontrahenten längst keiner Antwort mehr gewürdigt. Es freut mich aber, daß sie nicht als Sieger vom Platz gegangen sind, auch wenn Herr Köhn vom Gegenteil überzeugt ist:

    Wer in der Debatte aus offensichtlichem Mangel an Argumenten zu derart erbärmlichen Mitteln greift, kriegt von mir einfach nicht die Ehre einer Erwiderung. Die hier diskutierte Sache ist ja sowieso entschieden: Es gibt die behauptete "Treuepflicht" oder "Verbindlichkeit" nicht, das hat Herr Doktor ja inzwischen selbst mehrfach zugegeben.

    Auch ohne philosophische Studien betrieben zu haben, waren Holgers Argumente für mich in weiten Teilen nachvollziehbar und verständlich.

    Übrigens gibt es auch keinen Grund, einen Menschen zu bedauern, wenn er nicht dazu kommt, an der Oper Freude zu haben.

    Hingegen sind Menschen sehr zu bedauern, denen durch Regisseure wie Werner Hintze die Freude am Besuch einer Oper verdorben werden. Ich habe in früheren Jahren (lang ist's her) regelmäßig Vorstellungen in den Opernhäusern von Köln, Bonn, Wiesbaden und Koblenz besucht, und diese Abende sind unvergessen, weil sie nicht nur musikalisch, sondern auch szenisch beglückend und werkgerecht waren. Nach dem Aufkommen von RT habe ich kein Opernhaus mehr betreten. Dafür braucht mich niemand zu bedauern. Ich bedauere nur, daß mir die Freude an der Oper durch die heutigen Verfremdungen, um es einmal freundlich auszudrücken, vergällt worden sind. Mir hat bis heute kein RT-Freund erklären können, weshalb z.B. Lohengrin aus einem Telegraphenhaus tritt, statt mit dem Schwan über die Schelde zu kommen. Käme er aus einem Dixie-Häuschen, so wäre immerhin ein menschliches Regen eine einigermaßen plausible Erklärung, aber was Lohengrin etwa mit dem Glasfaseranschluß für schnelles Internet zu tun hat, ist mir bis heute unerklärlich. Oder, anderes Beispiel, was hat eine überdimensionale Waschmaschine in Mozarts "Figaro" zu suchen, in die übrigens nicht nur schmutzige Wäsche, sondern auch die Darsteller Platz finden? Ich habe bewußt zwei ziemlich harmlose Beispiele gewählt.

    Vom großen Rest schweigt man besser.

    Der sich aufdrängende Eindruck: Wenn man den Gottseibeiuns der Oper aufgrund seines Genies schon nicht von den Bühnen tilgen kann, so sucht man ihm doch auf andere Weise weitestgehend zu schaden.

    Lieber Joseph II.,


    alles was auch nur entfernt etwas mit Christentum oder gar "deutsch" zu tun hat, das muß für immer verschwinden. Eine zweitausendjährige Kultur soll ohne Rücksicht auf Verluste im Mülleimer der Geschichte landen. Dazu zählen natürlich Wagners Opern, aber auch Bismarcks Bild hat auf Befehl der neuen Herrin im AA in Berlin aus dem bisherigen "Bismarckzimmer" verschwinden müssen. Welche Armut im Geiste!


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Hingegen sind Menschen sehr zu bedauern, denen durch Regisseure wie Werner Hintze die Freude am Besuch einer Oper verdorben werden.

    Da spricht ein Fachmann, der aber leider nicht gut informiert ist, denn dass Werner Hintze kein Regisseur ist sollte man schon wissen.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Hingegen sind Menschen sehr zu bedauern, denen durch Regisseure wie Werner Hintze die Freude am Besuch einer Oper verdorben werden.

    Aber ich muss doch sehr bitten: Werner Hintze ist kein Regisseur! Ihn dazu zu machen, ist ja schlimmer als jedes Regietheater ;). Jetzt bleib mal locker: Wer Behauptungen über Treuepflicht, Verbindlichkeiten usw. aufstellt, muss sich halt gefallen lassen, dass man ihn nach der Grundlage fragt, auf der er solche Forderungen stellt, und zwar sogar dann, wenn er schon langjährig Tamino-Mitglied ist und Bücher geschrieben hat. Und die Diskussion hat doch zum eindeutigen Ergebnis geführt, dass sich Künstler nicht um die angeblichen Verbindlichkeiten scheren müssen (das waren die Worte des langjährigen Mitglieds), also nicht verbindlich sind.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Danke nemorino .

    " Zu bewundern ist Holgers schier unendliche Geduld. Ich hätte nach Beleidigungen dieser Art die Kontrahenten längst keiner Antwort mehr gewürdigt. Es freut mich aber, daß sie nicht als Sieger vom Platz gegangen sind, auch wenn Herr Köhn vom Gegenteil überzeugt ist: "


    Genau diese Geduld hätte nicht gehabt.


    Ich werde nicht mehr mitlesen. Das nervt mich nur noch und bringt mir keine neuen Erkenntnisse mehr.





  • Werner Hintze ist kein Regisseur!

    Sorry, er ist Dramaturg. Hat also mit der Inszenierung von Opern etc. schon entscheidend zu tun. Da ich mich für das RT nicht die Bohne interessiere, war mir sein Name bisher praktisch unbekannt.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • Da ich mich für das RT nicht die Bohne interessiere, war mir sein Name bisher praktisch unbekannt.

    Eine normale Verhaltensweise wäre in diesem Fall, dich aus den entsprechenden Threads einfach rauszuhalten. Da du dich aber - im Gegensatz zum "RT" (was auch immer das sein soll) - brennend fürs Stänkern interessierst, geht das natürlich nicht. Ein Mindestmaß an Kenntnissen, zum Beispiel wer etwas inszeniert und wer nicht, wäre trotzdem ganz hübsch, damit nicht jeder sofort durchschaut, dass es dir null um die Sache und ausschließlich ums Provozieren geht...

  • Da gibt es doch in Wien ein paar wenige?

    In Frage kommende Regisseure oder Milliardäre? 8-)


    Nur nebenbei: Du kennst Jacksons "Frühwerk"? Da ist sogenanntes Regietheater ziemlich pillepalle gegen :untertauch:

    Auch wenn man es kaum glaubt: Ja, ich kenne sein "Frühwerk" zumindest peripher, auch wenn das gefühlte Ewigkeiten zurückliegt und mich ein Schulfreund seinerzeit darauf brachte. Damals fand ich das sogar auf seine Art gut. 8o

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Eine normale Verhaltensweise wäre in diesem Fall, dich aus den entsprechenden Threads einfach rauszuhalten. Da du dich aber - im Gegensatz zum "RT" (was auch immer das sein soll) - brennend fürs Stänkern interessierst, geht das natürlich nicht. Ein Mindestmaß an Kenntnissen, zum Beispiel wer etwas inszeniert und wer nicht, wäre trotzdem ganz hübsch, damit nicht jeder sofort durchschaut, dass es dir null um die Sache und ausschließlich ums Provozieren geht...

    Lupus inquit.


    (siehe in meinem "Schreibtisch" das Thema "Vademecum für Neueinsteiger", #10, "Inquit lupus")

    Canada is the US running by the Swiss (Richard Ford)

  • Kommen wir doch mal wieder zum Thema. Die Debatte dreht sich um die Behauptung des ausgewiesenen Fachmanns für philosophische Ästhetik, dass die Erfüllung der Forderung nah Werktreue für die Theaterleute verbindlich sei und zum Theaterkunstwerk gehöre.


    Die Gegenseite geht von einem Syllogismus aus, der etwa so aussieht:


    Prämisse I: Eine Forderung muss begründet, eine Behauptung bewiesen werden, sonst kann sie nicht als gültig angesehen werden.

    Prämisse II: Die Verbindlichkeit, die der ausgewiesene Fachmann für philosophische Ästhetik behauptet hat, ist nicht erwiesen, seine Forderung nicht begründet.

    Conclusio: Die Behauptung und die Forderung sind ungültig.


    Stärker auf den Gegenstand bezogen lautet der Syllogismus etwa so:


    Prämisse I: Wenn die Forderung Werktreue eine für das Theaterkunstwerk verbindliche wäre, müsste das Theaterkunstwerk an ein Werk, den es treu sein kann, zwingend gebunden sein, es könnte kein Theaterkunstwerk ohne ein solches Werk bestehen.

    Prämisse II: Es gibt sehr viele Theaterkunstwerke, die kein solches Werk verwenden (der bei weitem überwiegende Teil).

    Conclusio: De Forderung nach Werktreue ist nicht verbindlich.


    Nun ist es so (jedenfalls in einer zivilisierten Debatte), dass man, wenn man ein Argument angreifen will, seinen Angriff entweder gegen die Prämissen oder den Schluss richten muss. Hier sind bisher, insbesondere vom ausgewiesenen Fachmann für philosophische Ästhetik zwei andere Strategien versucht worden: Einerseits wurden einfach Schlüsse aus ganz anderen Prämissen präsentiert, wobei gefordert wurde, dass die Gegenseite diese Prämissen ohne Diskussion als zutreffend anzuerkennen hat. Als dieses Verfahren nicht funktioniert, trat die zweite Strategie in Kraft: Autoritätsbeweise und schließlich persönliche Angriffe bis hin zu geradezu monströsen Beleidigungen.


    Ich bin nicht überrascht, dass die Apologeten der Werktreue diesem Verfahren zustimmen und es für vollkommen in Ordnung halten, dass alle, die ihre reaktionäre Haltung nicht teilen, diffamiert werden, bis hin zum Vergleich mit SS-Leuten, die Juden erschießen. Ich bin lange genug im Theaterbetrieb tätig, um das oft genug erlebt zu haben und das Schema genau genug zu kennen. (Wobei der ausgewiesene Fachmann für philosophische Ästhetik mich doch verblüfft hat. Ich habe schon viel erlebt, aber so unverschämt hat mich noch keiner mit Dreck beworfen, alle anderen haben bei allem Zorn doch immer noch halbwegs zivilisierte Formen gewahrt. Es ist aber auch in gewisser Weise nachvollziehbar: Der ausgewiesene Fachmnn für philosophische Ästhetik hat – immerhin! – bemerkt, dass er mit seinen schwachen Versuchen, ein rationales Argument zu zimmern, keinen Erfolg hat und hat in seiner Not zu immer stärkeren Waffen, Stinkbomben und Nebelgranaten gegriffen. Da er auch hier bemerkte, dass er mich mit seinen Geschossen nicht treffen kann – ich bewege mich nicht auf dem Niveau auf dem er schießt – hat er in seiner Verzweiflung schließlich die dicke Berta abgeschossen, was allerdings zu einem Rohrkrepierer geführt hat.) Da ich aber im Unterschied zum ausgewiesenen Fachmann fürphilosophische Ästhetik noch nicht am Ende der Weisheitsleiter angelangt bin, sondern jeden Tag dazulerne und hoffe, dass das bis zu meinen letzten so beiben wird, interessiert mich z. B. nach wie vor für die Frage, wie der Zusammenhang zwischen den Strukturen der Oper und den Allmachtsphantasien der wahren Opernfreunde beschaffen sind. Es muss diesen Zusammenhang geben, und ich hoffe, dass ich ihn in der Zeit, die mir noch bleibt, finde. Das ist nur nicht mehr übermäßig lange, aber diese Diskussion hat mich diesem Ziel wieder ein großes Stück nähergebracht. Das ist doch ein Erfolg, oder?

  • Wie man wieder einmal sieht, geht es hier zwei Diskussionensteilnehmern nur darum, mich öffentlich zu diskreditieren mit allen Mitteln, die unanständigen nicht ausgeschlossen. Langsam finde ich das wirklich einfach nur widerlich. Ich stelle hier noch einmal den Diskurs ein und meine Äußerung in dem Kontext. Daran sieht man, dass es hier nur sehr allgemein um das "künstlerische Ethos" ging und überhaupt Niemand persönlich angesprochen wurde. Wenn da Jemand sich diesen Schuh anzieht, dann entlarvt er sich nur selbst. Ausgangspunkt:


    Ein Künstler muss sich vor keinem Kritiker, Publikum, Ästhetiker, Politiker, keiner Institution oder Behörde für die inhaltliche Seite seines Tuns rechtfertigen.

    Darauf antwortet MDM:

    Dennoch sollte es meiner Meinung nach doch so etwas wie einen Berufsethos, auch bei gestaltenden Künstlern, geben. Vor allem, wenn sie sich Werken bedeutender Persönlichkeiten der europäischen Kunstgeschichte bedienen. Ich meine, jeder von uns, der einem normalen Beruf nachgeht, muss sich doch an bestimmte geschriebene, oft auch ungeschriebene Regeln, halten. Ein Banker hütet immer das Bankgeheimnis gegenüber seinen Kunden, er veruntreut nicht und betreibt keine Insidergeschäfte. Ein Brauer richtet sich nach dem Reinheitsgebot. Ein Lehrer behandelt seine Schutzbefohlenen alle gleich. Ein Kaufmann ist ehrbar. Wissenschaftler sind sorgfältigem Arbeiten verpflichtet und dürfen nicht plagiieren. Juristen verteidigen die Gesetze und beugen sie nicht , Ärzte sind dem hippokratischen Eid verpflichtet. Ein Kunsthändler darf nicht wissentlich gefälschte oder mit unsauberer Provenienz ausgewiesene Gemälde verkaufen. Ein Weinhändler panscht nicht. Ein Bestatter übervorteilt nicht die trauernden Angehörigen usw. usf.. Für wohl jeden Berufsstand gelten bestimmte Regeln, geschrieben oder ungeschrieben..


    Nur für Künstler einer bestimmten Szene sollen keinerlei Verbindlichkeiten oder moralische Prinzipien gelten? Wieso eigentlich nicht? Gerecht wäre das nicht. Sie sind doch nichts Besonderes oder wie? Ich bin der Meinung, wer ein ehrlicher und anständiger Kerl ist ( ich gehe jetzt mal von Männern aus) schmückt sich nicht nicht mit fremden Federn, er hat es nicht nötig. Wenn ein Opernregisseur beipielsweise" Lohengrin - Romantische Oper in 3 Akten von Richard Wagner" inszeniert, dann muss das Werk, auch wenn es großzügig neu interpretiert wird, in seinen wesentlichen Bestandteilen erkennbar bleiben, sonst ist es in meinen Augen ein Etikettenschwindel.

    Und dazu anschließend:

    Die Frage von MDM ist doch nur zu berechtigt. Wenn ich ein Stück aufführe, dass den Namen eines Anderen trägt, darf man wohl doch erwarten, dass sich da das Berufsethos auch irgendwie zeigt. Alles, was ein solches Berusethos zeigen könnte wie Respekt vor dem Werk, Respekt vor dem Willen des Autors wurde aber in der Diskussion abgestritten. Transparenz darf man aber doch verlangen. Worin besteht denn dann das Ethos im Umgang mit fremden künstlerischen Werken, die man selber nicht geschaffen hat und bearbeiten will, wenn es nicht die Werktreue ist? Man könnte ja auch einfach sagen: So weit wie del Monaco würde ich nicht gehen. Auch für mich muss die Idee und Aussage eines Stückes erhalten bleiben, so dass man es als das des Namengebers noch erkennen kann. Wenn man das alles im Unklaren lässt, dann ist man einfach nicht überzeugend.

  • Daran sieht man, dass es hier nur sehr allgemein um das "künstlerische Ethos" ging und überhaupt Niemand persönlich angesprochen wurde.

    Das ist eine glatte Lüge.


    Du hattest geschrieben:

    Ich bin glaube ich nicht der Einzige, der aus der Art, wie Ihr Euch hier präsentiert, ein "künstlerisches Ethos" schwer herauslesen kann

    Die daran angehängte persönliche Beleidigung zitiere ich jetzt nicht noch einmal. Mit solchem Dreck will ich mich nicht länger beschäftigen.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Frage: Wie lange will die Moderation noch dulden, dass Werner Hintze und Christian Köhn das Tamino-Forum als Plattform für ihren Privatkrieg zur Verleumdung meiner Person nutzen?


    Und nun zur Sache:


    Es gibt


    a) eine werktheoretische Begründung einer Theateraufführung


    und


    b) die konstruktivistische Begründung der Theateraufführung als autonomes Theaterkunstwerk


    Die Schwäche der einen Begründung ist die Stärke der anderen - und umgekehrt.


    Zu a)


    Die Werktheorie sagt, eine Theateraufführung muss "werkgerecht" sein, d.h. sie wird danach beurteilt, ob das, was auf der Bühne zu sehen ist, mit dem Werk übereinstimmt (dem Werksinn und so wie er sich manifestiert in der Aufzeichnung in einem Text und einer Partitur).


    Das Problem der werktheoretischen Begründung ist das Problem der Geschichte. Aufführungen lassen sich nicht wiederholen. Die Aufführung hat daher nicht nur den Sinn, ein Werk aufzuführen, sondern immer auch, die Aufführungsfähigkeit, die es einmal hatte (z.B. bei einer Barockoper - das Barockzeitalter ist schon lange vorbei) für die Jetzt-Zeit wiederherzustellen. Die werktheoretische Begründung lässt natürlich verschiedene Interpretationen des Werks zu - weil die Interpretationsspielräume zum Werk gehören. Nimmt man das Kriterium der "Werkgerechtigkeit" nun streng, dann sind streng genommen nur verschiedene Interpretationen des Werks zulässig, aber keine Bearbeitungen, weil sie das Werk verändern. Eine Veränderung eines Werks widerspricht nämlich dem Grundsinn eines fertigen Werks, dass es unveränderlich ist. Weil der Sinn der Aufführung eines Stücks aber nicht nur die Aufführung eines Werkes ist, sondern wegen des geschichtlichen Wandels immer auch die Wiederherstellung der Aufführungsfähigkeit des Werkes dazu gehört, geht die Aufführung in nahezu allen Fällen über die "Interpretation" des Werkes hinaus und schließt eine Bearbeitung ein - nicht nur beim Regietheater! Genau das aber kann die werktheoretische Erklärung nicht begründen, weil streng genommen Bearbeitungen per se nicht werkgerecht sein können.


    Die Schwäche der werktheoretischen Erklärung ist nun die Stärke der konstruktivistischen Erklärung: Sie kann nämlich begründen, warum Bearbeitungen von Stücken sinnvoll sind.


    Zu b) Der Konstruktivismus sagt, es gibt keine andere Verbindlichkeit für den Künstler als das "Theaterkunstwerk", das auf der Bühne hergestellt wird. "Werkgerechtigkeit" kann kein Kriterium sein, weil dies eine Verbindlichkeit ist, die sich auf ein Werk außerhalb des Theaterkunstwerks bezieht. Es wird zwar nicht bestritten, dass es solche Werke außerhalb von Theaterkunstwerken gibt, nur enthalten sie konstruktivistisch gedacht für das Theaterkunstwerk keinen irgendwie verbindlichen Sinn und können keinen haben, weil der Sinn einzig und allein aus dem Theaterkunstwerk auf der Bühne resultieren kann. Es ist deshalb auch im Prinzip gleichgültig, welches "Material" das Theaterkunstwerk verwendet - also ein komplettes Werk von Wagner etwa oder nur Bruchstücke von Werken oder bestimmte Ideen von ihnen. Natürlich hat auch der Konstruktivismus ein Sinnkriterium: Es kommt im Rahmen des "Theaterkunstwerks" nur darauf an, wie das Material zusammengebaut wird. Das Kriterium dabei ist die Stimmigkeit, mit der die Bausteine zu einem Ganzen zusammengefügt werden.


    Genau das konstruktivistische Stimmigkeitskriterium ist aber die Schwäche dieser konstruktivistischen Konzeption vom autonomen "Theaterkunstwerk". Denn: Als autonomes und selbstgenügsames Sinnkriterium kann die konstruktivistische Stimmigkeit nur fungieren, wenn sie das Theaterkunstwerk auch vollständig in seinem Sinn beschreibt, so dass damit auch begründet ist, dass man auf werkästhetische Kriterien wie die "Werkgerechtigkeit" vollständig verzichten kann. Der Konstruktivist kann seine Prämisse deshalb auch nur als autonom und exklusiv gültig beweisen, wenn es ihm gelingt, ein vollständig stimmiges Theaterkunstwerk herzustellen. Genau das gelingt ihm aber faktisch nicht und kann ihm im Prinzip auch nicht gelingen - das ist der eklatante Selbstwiderspruch in der konstruktivistischen Konzeption des autonomen "Theaterkunstwerks".


    Zwei Beispiele zeigen das überdeutlich:


    1. Del Monacos Inszenierung von Hänsel und Gretel. Del Monacos Inszenierung ist eine Bearbeitung von Humperdincks Oper, die soweit geht, dass man Humperdincks Oper schlicht nicht mehr als solche erkennen kann, die sie aufzuführen vorgibt. Sie erzählt keine Märchenhandlung auf der Bühne und ist keine Märchenoper mehr. Allein mit dem konstruktivistischen Stimmigkeitskriterium hat man aber keine Möglichkeit, diese Inszenierung auch nur im geringsten zu kritisieren. Del Monaco erzählt eine Geschichte vom Kindesmissbrauch - in sich vollkommen stimmig. Per definitionem ist es für das konstruktivistische Verständnis eines in sich stimmigen Theaterkunstwerks unerheblich, welches "Material" verwendet wird: ein vollständiges Werk oder nur Bruchstücke und Ideen von ihm. Das Material hat ja für sich genommen keine Verbindlichkeiten - die sinnstiftende Verbindlichkeit entsteht konstruktivistisch gedacht allein und ausschließlich durch die stimmige Zusammenfügung der Materialien untereinander. So aber entsteht eine fundamentale Unstimmigkeit, welche sich durch die Anwendung nur des konstruktivistischen Sinnkriteriums der Stimmigkeit nicht beseitigen lässt: Del Monacos Aufführung gibt vor, eine Aufführung von Humperdincks Hänsel und Gretel zu sein - in Gestalt einer sinnvollen, in sich stimmigen Bearbeitung dieses Werks. Sie ist aber faktisch gar keine Aufführung von Humperdincks Werk. Und das ist eine nicht zu beseitigende Unstimmigkeit. Damit hat das konstruktivistische Sinnkriterium hier versagt.


    2. Faktisch gibt es letztlich keine Bearbeitung eines Werks, die nicht zu Unstimmigkeiten führt - egal, wie weit die Bearbeitung geht. Das konstruktivistische Sinnkriterium kann seine Exklusivität und Autonomie aber nur beweisen in dem Fall, wenn es tatsächlich gelingt, ein vollkommen in sich stimmiges Theaterkunstwerk herzustellen. Das ist aber nahezu unmöglich - sofern jede Bearbeitung notwendig zu Unstimmigkeiten führt: Die Versetzung von Ort und Zeit der Handlung führt dazu, dass der Text mit der Handlung in Widerspruch gerät oder die Musik nicht zu dem passt, was da auf der Bühne gesagt und gespielt wird usw. usw. Die Liste von Unstimmigkeiten, die entstehen durch Bearbeitungen von Stücken, ist nahezu endlos.


    Damit ist der Konstruktivismus letztlich genauso gescheitert wie die rein werktheoretische Erklärung damit, die Sinnhaftigkeit einer Theateraufführung zu begründen, die ein vollständiges Werk, das sie zur Aufführung bringt, nicht nur interpretiert, sondern auch bearbeitet. Die eigentlich ästhetisch zu beantwortende Frage ist nämlich, wie weit man akzeptieren kann, dass Unstimmigkeiten notwendig entstehen, die aus der Bearbeitung resultieren. Dazu braucht man aber das Kriterium der Werkgerechtigkeit. Man kann dann nämlich sagen: Unstimmigkeiten sind hinzunehmen, wenn die Aufführung im Großen und Ganzen doch "werkgerecht" bleibt (die konkrete Beurteilung obliegt dann dem jeweiligen Einzelfall).


    Ergebnis: Die Sinnhaftigkeit einer Theateraufführung, die faktisch immer auch eine Bearbeitung von Stücken ist, lässt sich nur begreifen, wenn man ein "Modell" entwickelt, das die beiden Kriterien der "Werkgerechtigkeit" und der "Stimmigkeit" miteinander verbindet.


    .

  • ChKöhn: Es ist natürlich keine Lüge, würde unser Wirtschaftsminister sagen: Der ausgewiesene Fachmann für philosphische Ästhetik hat lediglich bewusst die Unwahrheit gesagt. Das ist aber für einen Existenzphilosophen, der er ja auch ist, ganz legitim, wie er uns wissen ließ.

  • alles was auch nur entfernt etwas mit Christentum oder gar "deutsch" zu tun hat, das muß für immer verschwinden. Eine zweitausendjährige Kultur soll ohne Rücksicht auf Verluste im Mülleimer der Geschichte landen. Dazu zählen natürlich Wagners Opern, aber auch Bismarcks Bild hat auf Befehl der neuen Herrin im AA in Berlin aus dem bisherigen "Bismarckzimmer" verschwinden müssen. Welche Armut im Geiste!

    Da hast Du ja wieder die Volte zu Deiner (anscheinenden) Lieblingsfeindin geschafft ... aber im Ernst: Woran es, wie ich finde, auch hier in der Diskussion mangelt, ist weniger Christen- oder Deutschtum, sondern die Fähigkeit, Anwürfe (auch vermeintliche oder solche, die eigentlich nicht als solche gemeint sind) etwas sportlicher abzufedern. Stattdessen sind wir einmal mehr soweit, in jedem Satz Beleidigung, Ehrabschneidung, Verleumndung, den ins Gesicht geklatschten Fehdehandschuh, überhaupt Verschwörung, konzertierte Aktionen etc. lesen zu wollen - und ich denke so bei mir, nehmt Eure Meinung vielleicht mal etwas weniger wichtig und haltet Euch die Option offen, dass auch der andere eventuell recht haben könnte :hello:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Die daran angehängte persönliche Beleidigung zitiere ich jetzt nicht noch einmal. Mit solchem Dreck will ich mich nicht länger beschäftigen.

    Der Christ sagt: An den Taten sollst Du sie erkennen. Und wenn man sie an den Taten nicht erkennen kann sagt er: Du sollst Zeugnis ablegen von Deinem Tun vor Deinem Nächsten. Ein Nihilist, für den es keine Verbindlichkeiten mehr gibt, auch nicht die Verbindlichkeit, sich vor Anderen zu rechtfertigen, kann das natürlich nicht verstehen. Für ihn ist diese meine altmodische christliche Moral dann freilich nur noch eine Beleidigung.

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