Sinn oder Unsinn - Regietheater

  • Und noch weniger - und dass Gegenteil ist ja durchaus eine mindestens implizit formulierte Idee einiger, was ich tatsächlich viel schlimmer finde - sollte der Künstler den Publikumsgeschmack als Maßstab für das Schaffen eines/seines Kunstwerkes erheben.

    Ich weiß gerade nicht, wie du das "sollte" meinst, lieber Michael. Insofern frage ich mal ganz blöd nach: Warum sollte er den Publikumsgeschmack denn nicht als Maßstab nehmen?

  • Offenbar sind Dir die Argumente nun vollends ausgegangen (was mich nicht wundert)

    Mitnichten. Der Thread ist voller guter Argumente, die bei Bedarf auch noch erweitert werden können, damit der Lerneffekt auch beim Letzten einsetzen kann.


    "Autoritäten" wie Stock, Chamberlain und Winfred Wagner

    Die ebenfalls gerne noch ergänzt werden können, ganz zur Freude der Autoritätsverweigerer.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich weiß gerade nicht, wie du das "sollte" meinst, lieber Michael. Insofern frage ich mal ganz blöd nach: Warum sollte er den Publikumsgeschmack denn nicht als Maßstab nehmen?

    Ich könnte es so ausdrücken: Ich denke, der Kunstschaffende sollte dem Publikum nicht ubedingt "nach dem Munde reden". Zumindest sollte seine erste Prämisse nicht notwendig sein, dass er entsprechend dem Publikumsgeschmack Kunst schafft. Er kann dies natürlich trotzdem tun, aber ich fände es falsch, dies von ihm zu erwarten oder gar zu fordern.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich könnte es so ausdrücken: Ich denke, der Kunstschaffende sollte dem Publikum nicht ubedingt "nach dem Munde reden". Zumindest sollte seine erste Prämisse nicht notwendig sein, dass er entsprechend dem Publikumsgeschmack Kunst schafft. Er kann dies natürlich trotzdem tun, aber ich fände es falsch, dies von ihm zu erwarten oder gar zu fordern.

    Vielen Dank, ich verstehe.

    Eine weitere Überlegung dazu: Gab es in den Untiefen dieses Fadens nicht auch eine Stimme, die sinngemäß sagte, RT-Inszenierungen seien kurzlebig, schnell vergessen, bedeutungslos? Die "wahren" Werke hingegen würden sie überdauern und ihre künstlerische Überlegenheit dadurch auch untermauern? Ich denke nämlich, dass der künstlerische Versuch, sich einem (imaginierten) Publikumsgeschmack anzupassen, eher kontraproduktiv dabei sein könnte, Kunst zu erschaffen, die das Potenzial hat, eine nachhaltig lebendige Wirkungsgeschichte auszulösen.


    Künstler müssen sich natürlich weder um das eine noch um das andere scheren. Ich weiß auch gar nicht, welche Erwartungen Theaterschaffende über den "theatralischen Moment" hinaus an eine Inszenierung stellen könnten. Ich habe hier vor ein paar Seiten Karin Beier zitiert. Die macht sich in dem kurzen Text, auf den ich mich bezog, um das konkrete Gelingen des unwiederholbaren "Theaterabends" Gedanken - und um das, was er im Zuschauer auslösen könnte (sie bezieht also die Wirkung auf die Zuschauenden ausdrücklich mit in ihr Theaterverständnis ein!). Worauf sie in diesem Zusammenhang aber gar nicht hinaus will: Ob dem Abend nachträglich noch ein bleibender, wirkungsgeschichtlich relevanter "Wert" zugesprochen werden könnte. Im Gegenteil scheint sie mir der Ansicht, dass Theater die Freiheit habe, sich darum nicht zu scheren.

  • Und noch weniger - und dass Gegenteil ist ja durchaus eine mindestens implizit formulierte Idee einiger, was ich tatsächlich viel schlimmer finde - sollte der Künstler den Publikumsgeschmack als Maßstab für das Schaffen eines/seines Kunstwerkes erheben.

    Hallo MSchenk ,


    solange er/sie mit seiner/ihrer Familie mit den Einnahmen einigermaßen über die Runden kommt und seine/ihre Projekte finanzieren kann, stellt der Publikumsgeschmack sicherlich kein Problem dar.


    Wenn dieser Künstler oder diese Künstlerin wohlhabend genug ist, irgendwelche berufsfremden Einnahmen oder beispielsweise einen Mäzen hat, der/die ihn langfristig stützt, kann er/sie theoretisch es sich sogar leisten, den letzten "Fan" zu vergraulen und buchstäblich alles realisieren, was ihm/ihr in den Sinn kommt und was sein/ihr Gewissen zulässt.


    Gruß...MDM :hello:

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Ich weiß auch gar nicht, welche Erwartungen Theaterschaffende über den "theatralischen Moment" hinaus an eine Inszenierung stellen könnten.

    Gar keine. Für das Theaterkunstwerk ist charakteristisch, dass Produktion und Rezeption zeitlich und räumlich zusammenfallen und dass es im selben Vorgang vergeht. Es hat keinen Bestand, kann nicht konserviert (aufgezeichnet) und nicht wiederholt werden. Demzufolge ist der Vorwurf, es habe keinen Ewigkeitswert lächerlich. Den hat das Theaterkunstwerk deshalb nicht, weil es ein Theaterkunstwerk ist.

  • Aufgrund anekdotischer Evidenz weiß ich, dass es genügend Menschen gibt, die Opern eher noch konzertant als mit Regieverzerrung genießen wollen würden - am liebsten aber werktreu.

    Ich gehöre dazu. In der Essener Philharmonie gibt es das jedes Jahr. Eindrucksvoll "Blaubarts Burg", das ich mir an beiden Abenden angesehen habe; das 2. Mal im Rang über dem Blech (wegen der 5.Tür). Barockopern können im normalen RT furchtbar sein, konzertant genießt man sie, vor allem, wenn die Sänger und das kleine Orchester großartig sind, und das sind sie in Essen immer.

    Canada is the US running by the Swiss (Richard Ford)

  • Gar keine. Für das Theaterkunstwerk ist charakteristisch, dass Produktion und Rezeption zeitlich und räumlich zusammenfallen und dass es im selben Vorgang vergeht. Es hat keinen Bestand, kann nicht konserviert (aufgezeichnet) und nicht wiederholt werden. Demzufolge ist der Vorwurf, es habe keinen Ewigkeitswert lächerlich. Denn hat das Theaterkunstwerk deshalb nicht, weil es ein Theaterkunstwerk ist.

    Danke, dazu fällt mir im positiven Sinne wirklich nichts mehr ein.

    Aber ich habe eine weitere Frage, die mich beschäftigt: Kann die Wirkungsgeschichte einer bestimmten Inszenierung Hinweise auf deren künstlerische Qualität geben? Der von Bertarido ins Spiel gebrachte "Jahrhundertring" z.B. scheint mir so etwas wie eine "bleibende Instanz" der Operngeschichte zu sein. Was ja dem "transitorischen Sein" einer Theateraufführung schon rein begrifflich überhaupt nicht entspricht.


    Edit: Wenn ich das so lese... - Klar ist, dass ich hier nicht nach einem Theaterkunstwerk im Sinne der "Aufführung" frage. Die Inszenierung bezeichnet etwas Anderes. Und da fange ich an zu schwimmen. Wovon spreche ich, wenn ich mich auf die Inszenierung des "Jahrhundertrings" beziehe...??? Was lobt man da eigentlich mit so einem Begriff? Tut mir leid, aber da bin ich gerade wirklich so hilflos, dass ich nicht mehr weiß, ob ich überhaupt eine sinnvolle Fragestellung zustandegebracht habe. Wenn nicht: Bitte stillschweigend übergehen...:D

  • In meinem "Schreibtisch" finden sich die schönsten Begriffe aus dem RT (Thema: "Vademecum"). Den Begriff "Plakativregie"

    (Hasiewicz) werde ich dort einfügen.

    Noch ein Tipp für RT-Voyeure. Ein Nebenkriegsschauplatz dieses threads entwickelt sich gerade im Thema "Sammelplatz für absurde und lächerliche Inszenierungsideen". Dort ist man schon viel weiter, nämlich im yellow mode mit z.T. neuen Kombattanten.

    Canada is the US running by the Swiss (Richard Ford)

  • Aus eigenem Erleben würde ich Werner Hintze zustimmen: Eine Theateraufführung ist etwas Einmaliges, Unwiederbringliches. Selbst zwei Aufführungen der gleichen Produktion mit den gleichen Mitwirkenden sind niemals völlig gleich. Auch eine Video-Aufzeichnung einer Theateraufführung ist keine Konservierung dieses Theaterkunstwerks, sondern wieder etwas anderes. Dennoch kann man natürlich die Wirkungsgeschichte bestimmter Opern-Produktionen untersuchen und ggf. daraus auch etwas über deren künstlerischen Rang schließen. Wobei die Produktion ja hier nicht eine einzelne Aufführung meint, sondern - aber da wage ich mich nun auf dünnes Eis - vielleicht die diesen Aufführungen gemeinsame Konzeption?

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Wer als Regisseur oder Intendant die Haltung hat, dass er auf sein Publikum nichts geben muss, braucht sich über Gegenreaktionen verschiedener Art eben auch nicht zu wundern.


    Du bist aber nicht "sein Publikum", sondern lediglich ein winzig kleiner Teil desselben.


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Aus eigenem Erleben würde ich Werner Hintze zustimmen: Eine Theateraufführung ist etwas Einmaliges, Unwiederbringliches. Selbst zwei Aufführungen der gleichen Produktion mit den gleichen Mitwirkenden sind niemals völlig gleich. Auch eine Video-Aufzeichnung einer Theateraufführung ist keine Konservierung dieses Theaterkunstwerks, sondern wieder etwas anderes. Dennoch kann man natürlich die Wirkungsgeschichte bestimmter Opern-Produktionen untersuchen und ggf. daraus auch etwas über deren künstlerischen Rang schließen. Wobei die Produktion ja hier nicht eine einzelne Aufführung meint, sondern - aber da wage ich mich nun auf dünnes Eis - vielleicht die diesen Aufführungen gemeinsame Konzeption?

    Ist das dann auch so etwas wie Kunstwerk?

    Auf jeden Fall fehlt der Produktion im Sinne der Konzeption ja das Wesentliche des Theaters: die Aufführung selbst.

    Wieso macht der "Jahrhundertring" immer noch so von sich reden, wenn man da ja gar nicht mehr über das Wesentliche der Kunstform 'Theater' reden kann?

  • Die RT-Trolle haben zum Jahresausklang also eine konzentrierte Aktion geplant. Wie schön.


    In dieser Aussage steckt aber arg viel künstlerische (hier: literarische) Freiheit. Das beginnt schon damit, aus "konzertiert" "konzentriert" zu machen.


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Wieso macht der "Jahrhundertring" immer noch so von sich reden, wenn man da ja gar nicht mehr über das Wesentliche der Kunstform 'Theater' reden kann?


    Das sagt ja keiner. Man natürlich darüber reden. Damit ich über etwas reden kann, muss es ja nicht anwesend sein. Ich kann ja sogar über Dinge reden, die es gar nicht gibt, oder von denen keiner weiß, was sie sein sollen. (Regietheater zum Beispiel.) Und Dinge, die keine Realität haben oder längst vergangen sind, können eine starke Wirkung ausüben. Träume zum Beispiel. Die Entdeckung von Beweisen für ein wichtiges Ereignis, zum Beispiel die Besiedelung eines Gebiets kann einen Krieg auslösen oder beenden usw.


    Das Erlebnis und die Diskussion über ein Theaterereignis hört nicht mit diesem auf, sondern wirkt weiter. Sicher nicht für die Ewigkeit, weil sich die Erinnerung verliert, aber doch möglicherweise für lange Zeit.

  • In meinem "Schreibtisch" finden sich die schönsten Begriffe aus dem RT (Thema: "Vademecum"). Den Begriff "Plakativregie"

    Also wenn schon, dann erkläre mir aber bitte auch, was an einer Zeffirelli-Verona-Inszenierung weniger plakativ wäre, als an einer sogenannten Regietheater-Inszenierung?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • In dieser Aussage steckt aber arg viel künstlerische (hier: literarische) Freiheit. Das beginnt schon damit, aus "konzertiert" "konzentriert" zu machen.

    Heute ist der Tag derselben. Herr

    Winfred Wagner

    lässt grüßen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Auch eine Video-Aufzeichnung einer Theateraufführung ist keine Konservierung dieses Theaterkunstwerks, sondern wieder etwas anderes.

    Natürlich ist es eine Art Konservierung, nur halt keine vollständige. Und die Nachfrage nach solchen "Reproduktionen" hält sich bisher in engen Grenzen. Das muss aber nicht für immer so sein.


    Ein Konzert war früher auch ein singuläres Ereignis. Inzwischen haben Schallplattenaufnahmen einen beträchtlichen Stellenwert. Was an den heutigen technischen Möglichkeiten liegt. Bekanntlich gibt es sogar "Aufführungen", die überhaupt nur für die Plattenaufnahme gemacht werden, die also gar kein Live-Publikum haben.


    Vielleicht wird es in 100 Jahren mittels "Virtual Reality" auch Operninszenierungen geben, die nur für die "Konserve" gemacht werden, also ohne Live-Publikum auskommen.


    Das Live-Erlebnis wird aber nicht aussterben. Daher auch nicht die Diskussion über "Werktreue".

  • Wovon spreche ich, wenn ich mich auf die Inszenierung des "Jahrhundertrings" beziehe...???

    Das ist tatsächlich nicht ganz so einfach: "Theaterkunstwerk" ist ein praktikabler Begriff, ich persönlich bevorzuge den Begriff "Theatereregnis", da durch ihn deutlich wird, dass es sich um ein transitorisches Kunstwerk handelt, wohingegen der Wortbestandteil "-werk" zumindest im allgemeinen Sprachgebrauch immer etwas Artefakthaftes suggeriert, was im Zusammenhang mit Theater immer etwas irreführend ist.

    Die "Inszenierung" hingegen ist ein eigenständiges Kunstwerk, das ebenfalls nichts Artefakthaftes an sich hat. Es ist vielmehr zunächst ein theoretisches Konstrukt, das auf Verabredungen beruht. Darin ist sowohl enthalten, dass mit Sänger XY verabredet wird, dass er an einer bestimmten Stelle am Abend auf eine bestimmte Art und Weise eine Bühnenhandlung ausführt als auch, dass mit dem Inspizienten verabredet wird, dass an einer bestimmten Stelle die Obermaschinerie fährt oder eine Lichtstimmung gegeben wird. Die Verabredungen können auf unterschiedliche Weisen wie das Führen eines Buches oder von Listen oder mediale Aufzeichnungen dokumentiert werden. Sicht- bzw. erlebbar wird das Kunstwerk "Inszenierung" jedoch erst im Moment der Aufführung. Dabei ist - und das gilt - für das gesamte Theaterereignis ist das Zusammenwirken von Publikum und Akteuren evident. In der Theaterwissenschaft spricht man von der "autpoetischen Feedback-Schleife", womit gemeint ist, dass eine der zentralen Wesenheiten des Theaterereignisses das Zusammenwirken von Akteuren und Publikum ist.

    Wovon man spricht, wenn man sich auf die Inszenierung des "Jahrhundertrings" bezieht, ist daher schwer zu sagen. Da das Ereignis viele Jahre zurückliegt, beziehen sich die meisten wahtscheinlich auf ein Videodokument, das Teile der Inszenierung (aber natürlich nicht alle) zeigt. Über die Wirkung des Theaterereignisses können nur diejenigen sprechen, die zwischen 1976 und 1980 eine Aufführung dieses Ringes in Bayreuth gesehen haben. Und da ein wesentlicher Bestandteil im Zusammenwirken von Akteuren und Publikum und Akteuren besteht, war auch jede Aufführung unterschiedlich und somit ein eigenes Theaterereignis.

  • Ein Konzert war früher auch ein singuläres Ereignis. Inzwischen haben Schallplattenaufnahmen einen beträchtlichen Stellenwert. Was an den heutigen technischen Möglichkeiten liegt. Bekanntlich gibt es sogar "Aufführungen", die überhaupt nur für die Plattenaufnahme gemacht werden, die also gar kein Live-Publikum haben.

    Die gibt es, aber nur äußerst selten, denn es würde ja bedeuten, dass ganze Werke ohne Schnitt, in einem einzigen Take und mit allem Risiko gespielt und aufgezeichnet werden. Mir fällt nur Itzhak Perlmans Einspielung der Paganini-Capricen ein, die (angeblich) auf diese Weise entstanden ist. Aber abgesehen von der Frage, ob man von einem "Konzert" bzw. einer "Aufführung" sprechen kann, wenn kein Zuhörer dabei ist, wäre auch dieses "Konzert" ein singuläres Ereignis und mit dem letzten Ton beendet. Was bliebe, wäre dann eine Konzertaufzeichnung, die sich aber ganz wesentlich vom "Konzert" unterscheidet (z.B. in Bezug auf die Wiederholbarkeit, die Rezeptionsmöglichkeiten, das Risikoerlebnis usw.). Bei Studioproduktionen ist die Sache sowieso klar: Die sind kein "Konzert" und auch keine "Konzertaufzeichnung" sondern ein Kunstwerk eigener Art.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Das, wovon ich träume ist, dass ich in Berlin, Düsseldorf und Bayreuth in die Oper gehen kann in dem Wissen, dass mindestens 50 Prozent der Produktionen sich als Werktreu verstehen und auch so daherkommen. Ich als Opernfreund möchte Freiheit haben - Freiheit der Wahl. Freiheit sollte nicht nur der Regisseur haben.

    Wenn dir Dortmund reicht, dann könntest Du hier auf Deine Kosten kommen. Hoffe ich. Ansonsten sieht's mit der Wahlfreiheiheit nicht so einfach aus.

    Aufgrund anekdotischer Evidenz weiß ich, dass es genügend Menschen gibt, die Opern eher noch konzertant als mit Regieverzerrung genießen wollen würden - am liebsten aber werktreu. Darum. Es ist jeder nur zu ermuntern, dies entsprechend bei den Verantwortlichen zu artikulieren.

    Da stimme ich Dir durchaus zu, nur welchen Anteil genügend Besucher an 100% Besucher habe scheint mir ein wenig diffus zu sein. Und in die 100% gehören auch diejenigen hinein, die wie ich neugierig genug auf gute Inszenierungen sind, ohne daß ich mit einer dergestalt präzisen Vorstellung ins Opernhaus gehe, dass der Regisseur zwangsläufig von meinem Wunschdenken erwürgt wird. Kommt als dritte Rubrik die Fraktion, denen es egal ist. Somit also die Frage: wieviele sind genügend? Dass die sich ähnlich laut machen können wie jene Opernreisenden, die bei jeder Aufführung des Parsifal vernehmlich sich mit dem Nachbarn über die vielen Parsifale, verstreut über Urbi et Orbi, die si schon gesehen haben und daran den aktuellen messen (um solche Leute mache ich einen großen Bogen, die nerven nur), ist mir nicht entgangen. In Bad Berneck saß ein solch geifernder Gauch einen Tisch entfernt mit seiner Entourage (Freunde, Ehefrau und Kinder) und erregte sich vernehmlich über den Schlingensief-Parsifal. Als der dann aber mitbekam, dass meiner Mutter und mir die Aufführung ausnehmend gut gefallen hatte, zudem genüpgend Diskussionstoff bot (weil von Wagners Bühnenbildvorstellungen -ich gebe es zu- nun so gar nichts übriggeblieben war) war es an dem Tisch plötzlich muksmäuschenstill, für die kurze Zeit für ein paar Todesblicke in meine Richtung, um dann das Räsonnement fortzusetzen. Diese Blicke hatte ich aber schon im Festspielhaus abbekommen, als ich bei Auftritt Schlingensief, von Boulez väterlich in den Arm genommen, in den zu gewärtigenden Buh-Orkan, laut Bravo gerufen hatte. Man könnte jetzt, lieber Christian, argumentieren, bei solch Unwillensbekundung sollte man doch in Hinkunft anders inszenieren. Macht Baxreuth aber nicht, die Tickets werden dennoch alle verkauft. Schlußendlich: in heutigen Zeiten bekommt man ja vor einer Aufführung ein Vorstellung davon, was einen ungefähr erwarten wird. Warum geht man dann dahin? Aus Freude am Buhen? Aus Lust am Räsonnement? Sich Erhaben und als etwas Besseres zu fühlen? Ich finde auf diese Frage so recht keine Antwort.

    ie RT-Trolle haben zum Jahresausklang also eine konzentrierte Aktion geplant. Wie schön. Die Nazikeule wurde bereits zu früh gezückt, sie ist wirkungslos.

    Soso, RT-Trolle. Hoheit, wenn ich bitten dürfte, die Contenance, die Ihr von anderen erwartet stünde auch Euch auch gut zu Gesichte. Als jemand, der für einiges bei Operninszenierungen offen ist, fühle ich mich persönlich beleidigt. Nur so am Rande und gewiss völlig unmaßgeblich.


    Und nun, wie es bei uns so schön heißt, Schicht uim Schacht, im neuen Jahr bin ich wieder dabei, jetzt aber nicht mehr. Einen gueten Rutsch Euch allen und vor allem Gesundheit für das neue Jahr.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • Herr Hintze sollte sich angewöhnen, wenn er schon nicht mit mir redet sondern nur über mich, was an sich schon respektlos ist, dies wenn er das tut nicht wiederum in unanständig respekloser Weise zu tun.

    Ich sage lediglich, dass es Dich einen Dreck angeht, welches die Überzeugungen sind, von denen ich mich leiten lasse.

    Dr. Kalethas Wunsch, hinfort etwas freundlicher miteinander umzugehen, ist ja prompt in die Tat umgesetzt worden! Soll das der zukünftige Umgangston im Tamino-Forum sein? Ich bitte die Moderatoren, auch die Außenwirkung nicht aus dem Auge zu verlieren!


    Die Verrohung der deutschen Gesellschaft, und mithin auch der Sprache, schreitet mit Riesenschritten voran. Nachdem in weiten Teilen inzwischen die sogenannte "Duz-Kultur" ihren Einzug gehalten hat, plädiere ich dafür, hier als Regel die Anrede "Sie" einzuführen. Sie "Vollidiot" fließt nicht ganz so leicht aus den Fingern wie Du "Vollpfosten".


    Doch ich befürchte, daß mein Vorschlag bei der Mehrheit kein Gehör findet.

    Die RT-Trolle haben zum Jahresausklang also eine konzentrierte Aktion geplant. Wie schön. Die Nazikeule wurde bereits zu früh gezückt, sie ist wirkungslos.

    Ich glaube, daß Joseph hier keiner Verwechslung aufgesessen ist. Die "konzentrierte Aktion" ist zwar sprachlich nicht so geläufig wie die "konzertierte", aber die Bezeichnung paßt zum Vorangegangenen perfekt.

    Dein Glaube an die Erklärbarkeit von Kunst ist mit Verlaub ziemlich naiv. Künstler, die sich nicht erklären wollen, haben vielleicht auch einfach begriffen, dass sie es letzten Endes nicht anders können als eben durch ihre Kunst.

    Künstler, die sich nicht erklären wollen, haben vielleicht auch einfach gar keine Erklärung parat. So wird eher ein Schuh daraus.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Wenn dir Dortmund reicht, dann könntest Du hier auf Deine Kosten kommen. Hoffe ich. Ansonsten sieht's mit der Wahlfreiheiheit nicht so einfach aus.

    An beinahe jedem Repertoire-Haus gibt es noch so genannte "klassische" Inszenierungen im Spielplan. In Berlin sind das beispielsweise "La Bohème", "Tosca", "Madama Butterfly", "Lucia di Lammermoor" oder "La Gioconda" an der Deutschen Oper oder "Der Barbier von Sevilla", "Die Zauberflöte" oder "Samson und Dalila" an der Staatsoper. An der Rheinoper könnte man "Hänsel und Gretel", "La Cenerentola", "Der Rosenkavalier", "Falstaff" oder "Die Hochzeit des Figaro" nennen, in Köln wären das "La Bohème" oder "Die Zauberflöte". Wenn man es also ernst meinen würde mit dem Wunsch nach einem Opernbesuch, könnte man auch, wenn man so genannte "klassische" Inszenierungen bevorzugt, auf seine Kosten kommen.

  • Das ist tatsächlich nicht ganz so einfach: "Theaterkunstwerk" ist ein praktikabler Begriff, ich persönlich bevorzuge den Begriff "Theatereregnis", da durch ihn deutlich wird, dass es sich um ein transitorisches Kunstwerk handelt, wohingegen der Wortbestandteil "-werk" zumindest im allgemeinen Sprachgebrauch immer etwas Artefakthaftes suggeriert, was im Zusammenhang mit Theater immer etwas irreführend ist.

    Das ist nun endlich mal ein substanzieller Einwand. Ich hatte schon alle Hoffnung aufgeben, dass so etwas noch mal kommt. Allerdings ist es einer, über den wir nicht lange streiten müssen. Ich gebe Dir nämlich vollkommen recht. Ich würde auf diesen Begriff auch lieber verzichten, weil er wirklich etwas ungenau ist. Allerdings ist er geeignet, klarzumachen, dass es micro das Werk des Dichters/Komponisten ist, das im Theater präsentiert wird, sondern etwas anderes eigenständiges, in den das Werk eines Dichters/Komponisten Bestandteil sein kann, ohne dass dies zwingend notwendig wäre. Dein Begriff »Theaterereignis« ist auf jeden Fall präziser, hat aber nicht diese Kraft. (Ich habe es mal in einem bisher nicht fertiggestellten Text, der die Analyse des Verhältnisses von Drama und Theater mit Hilfe eines Kapitels aus Nagarjunas Hauptwerk zu beschreiben beabsichtigt, mit dem Wort »Spektakel« versucht und fand, dass ich damit gut klarkomme. Mir scheint es noch besser, weil es ganz von Nebenbedeutungen frei scheint, aber ich habe nur noch wenig Gelegenheit, solche Fragen zu diskutieren, weshalb ich noch nicht sicher bin.)


    Also: Auch wenn ich Deinen Begriff vorziehen würde, meine ich, so lange es noch normal ist, dass immer wieder die Behauptung als Prämisse aufgestellt wird, Theater sei die Aufführung eines Dramas, muss dieser Hinweis noch sein.

  • Auch wenn ich Deinen Begriff vorziehen würde, meine ich, so lange es noch normal ist, dass immer wieder die Behauptung als Prämisse aufgestellt wird, Theater sei die Aufführung eines Dramas, muss dieser Hinweis noch sein.

    Das wiederum kann ich nun sehr gut nachvollziehen. Es ist sehr schade, dass diese Notwendigkeit besteht, aber dass sie besteht, kann man nicht zuletzt bei der Lektüre dieses threads erkennen.

  • Künstler, die sich nicht erklären wollen, haben vielleicht auch einfach gar keine Erklärung parat.

    Ja, vielleicht. Deswegen hatte ich das ja auch geschrieben.

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  • Ich bitte die Moderatoren, auch die Außenwirkung nicht aus dem Auge zu verlieren!

    Mit der Außenwirkung ist das so eine Sache. Mir persönlich zum Beispiel fallen etliche Beiträge von dir ein, die ich hinsichtlich der "Außenwirkung" des Forums für problematisch halten würde. Gleichzeitig bin ich heilfroh, dass ich darüber nicht zu befinden habe, sondern die Moderatoren und der Forenbetreiber, weswegen ich es auch unterlasse, sie in der Art und Weise zu belehren, wie du es permanent tust.

  • Künstler, die sich nicht erklären wollen, haben vielleicht auch einfach gar keine Erklärung parat.

    Genau. Das kommt vor. Das besagt aber gar nichts über die Qualität des Kunstwerks oder die Kompetenz des Künstlers. Heiner Müller erzählt in seinen Sechs Punkten zur Oper die Geschichte von einer russischen Tänzerin, die gefragt wurde, was sie mit ihrem Tanz habe ausdrücken wollen. Ihre Antwort war: »Wenn ich es hätte sagen können, hätte ich mir nicht die Mühe gemacht zu tanzen.« (Aus dem Gedächtnis zitiert, den Sinn nach aber mit Sicherheit exakt.) Ich wundere mich immer wieder, dass Freunde der Kunst so intensiv daran glauben, dass die Kunst auch ohne Kunst geht und gehen muss.

  • Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich in diesem Thread für die vielen Beiträge von Werner Hintze , Thomas Pape und auch Helmut Hofmann zu bedanken, die offensichtlich bemüht waren, etwas zum Thema beizusteuern. Ich kann nur sagen, dass es da für mich viel anregenden Stoff gab.


    Vielleicht haben ja die, die das Thema wirklich interessiert, im Neuen Jahr die Möglichkeit, weiterdiskutieren zu können. Mich würde es freuen.


    PS: Ich verstehe natürlich wenig von Opern, aber vielleicht ein wenig von Kunst. Dass ein Künstler in erster Linie durch sein Werk spricht, scheint mir eine Trivialität zu sein. Alles andere wäre doch erstaunlich. Keiner, der ein Werk verstehen will, wird darum herumkommen, es zu rezipieren. Umgekehrt ist es auch unmöglich, Werke ernsthaft zu beurteilen, die man gar nicht kennt. Es erinnert an schlechte Kritiker ...

  • Ich glaube, daß Joseph hier keiner Verwechslung aufgesessen ist. Die "konzentrierte Aktion" ist zwar sprachlich nicht so geläufig wie die "konzertierte", aber die Bezeichnung paßt zum Vorangegangenen perfekt.


    Beide Bezeichnungen können nicht passen, weil es sich bei dem angeblichen "Plan" um ein schlichtes Hirngespinst handelt.


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Heiner Müller erzählt in seinen Sechs Punkten zur Oper die Geschichte von einer russischen Tänzerin, die gefragt wurde, was sie mit ihrem Tanz habe ausdrücken wollen. Ihre Antwort war: »Wenn ich es hätte sagen können, hätte ich mir nicht die Mühe gemacht zu tanzen.« (Aus dem Gedächtnis zitiert, den Sinn nach aber mit Sicherheit exakt.) Ich wundere mich immer wieder, dass Freunde der Kunst so intensiv daran glauben, dass die Kunst auch ohne Kunst geht und gehen muss.

    Vielen Dank für den Hinweis, aufgrund dessen ich mich auf die Suche nach dem Text gemacht und ihn hier gefunden habe.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

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