Die Konzertsäle der Forianer des Tamino-Klassikforum

  • Hallo,


    nun dann muss ich ja auch das seit 2004 bespielte wegen seiner Akustik vielgerühmte Dortmunder Konzerthaus nennen, das mir jetzt in der sechsten Saison unvergessliche Konzerte beschert hat. Wegen seiner räumlich beengten Lage in Schuhkastenform gebaut, wertet es ein Problemviertel in der Dortmunder Innenstadt auf und hat als Symbol das -inzwischen auf ganz Dortmund übergegangene - geflügelte Nashorn.






    Grüße


    tukan


    ( Bilder einfügen krieg ich wohl doch nicht hin!)

  • Hallo Tukan!


    Du hast keine Grafiken verlinkt, sondern Internetseiten, deswegen wird nichts angezeigt. Vielleicht hilft ein Rechtsklick auf das Bild und dann "Grafikadresse kopieren" oder ähnliches, um die richtige Adresse einzufügen?
    Da es auch "mein" Konzerthaus ist, zeige ich auch mal ein paar Bilder. Zunächst das Innenleben:



    Hier ist das von Tukan schon angesprochene Nashorn zu sehen, dahinter das im Bau befindliche Konzerthaus:



    Solche Nashornfiguren stehen in vielerlei Farbgebungen überall in Dortmund herum, gesponsort von diversen Institutionen, Geschäften, Interessenverbänden, etc.:



    Und hier von außen, netterweise unter Ausblendung des umgebenden "Problembezirks" (es wirkt da tatsächlich wie ein Fremdlörper): ;)




    Der Klang ist wirklich gut, bei Nutzung des gesamten Saals selbst in der allerhintersten Ecke und auch mehr als ausreichend laut dort. Bei Kammermusikabenden wird etwa auf der Hälfte des Parketts ein Vorhang durchgezogen und nur der vordere Teil genutzt. Funktioniert gut (zumindest in Reihe fünf, Mitte, ist dann die Akkustik perfekt ;) ).



    Gruß,
    Frank.

  • Hallo Spradow,


    herzlichen Dank von Dortmunderin zu Dortmunder, dann probiere ich deine Angabe doch gleich einmal und zeige das Konzerthaus noch mal in nächtlciher Beleuchtung



    tukan


    Klappt! Hurra und dankeschön! :hello:

  • Zitat

    Original von tukan
    ... hat als Symbol das -inzwischen auf ganz Dortmund übergegangene - geflügelte Nashorn.


    Das geflügelte Nashorn war m.W. eine Idee des 1. Intendanten dieses Konzerthauses. Das Tier soll das beste Gehör im Tierreich besitzen.

  • Hallo S. Kirch,


    genau, es war eine Idee von Ulrich Andreas Vogt, der inzwischen von dem wirtschaftlich und im Bereich der Künstleraquisition erfolgreichen, rhetorisch allerdings leider gar nicht begabten Benedikt Stampa abgelöst wurde.
    Sogar die Nashörner im Dortmunder Zoo haben von dem Maskottchen profitiert, ein neues Haus mit Gehege bekommen sowie eine Erweiterung der Herde.
    Da können ja mal die Dortmunder Philharmoniker vorbeikommen und das Gehör der Tiere testen ;).


    Grüße


    tukan

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  • Zitat

    Ich neige immer mehr dazu, dass mir der direkte Klang einer baulichen Schuhschachtel (Herkulessaal, Laeisshalle, Musikvereinssaal) trotz eigentlich baulich-akustischer Nachteile (parallele Wände) erheblich lieber ist als die Säle mit indirektem Klangcharakter.


    Hallo Thomas,


    Quadersäle werden in der Wissenschaft allgemein als akustisch optimal angesehen, siehe hierzu z.B. "Akustik und musikalische Aufführungspraxis" von Prof. J. Meyer:


    http://www.amazon.de/Akustik-m…Architekten/dp/3932275950


    Dies hat zwei Gründe:


    (1) Laterale (seitliche) Reflexionen sind sehr relevant, um den Zuhörer stärker ins Klanggeschehen einzubeziehen. Ein genügend hoher Seitenschallgrad (Stärke seitlicher Reflexionen) ist eines der wesentlichsten Kriterien für eine von der Mehrheit der Hörer positiv bewertete Konzertsaalakustik.
    Quadersäle sind diesbezüglich optimal, Amphietheatersäle sind überhaupt nicht optimal.


    (2) Der Klang der Instrumente wird durch ihre Richtcharakteristik bestimmt. Trompeten und Posaunen klingen z.B. direkt, da sie den Schall nach vorne gerichtet abstrahlen, Hörner klingen z.B. diffus, da sie den Schall nach hinten abstrahlen und man vorwiegend die Reflexionen von der Wand hinter dem Orchester hört (die dafür auch vorhanden sein muß). Quadersäle sind diesbezüglich optimal, Amphietheatersäle sind es nicht. Niemand möchte den Klang dieser Instrumente seitlich oder hinter dem Orchester, das entstellt auch den Instrumentencharakter.


    Der Quadersaal ("Schuhschachtel") hat also nach allgemeiner wissenschaftlicher Lehrmeinung nur Vorteile und parallele Wände sind nicht im geringsten ein Nachteil (warum auch?).


    Wie man in diesem Zusammenhang den Neubau der Elphilharmonie Hamburg im Vergleich zur (akustisch herausragend guten) Musikhalle/Laiszhalle bewerten muß, brauche ich wohl nicht zu sagen. Aber Architekten sind keine Akustiker und Quadersäle sind ihnen (oder den Auftraggebern) zu unspektakulär.


    Gruß


    Andreas


    P.S. Für die Lautsprecherwiedergabe gelten völlig andere Kriterien, da dabei die Akustik des Hörraumes möglichst wenig in Erscheinung treten soll, damit gerade die Akustik des (Genre-gerecht ausgewählten) Ursprungsraums in der Tonaufnahme nicht überlagert wird (Vermeidung sog. Mehrräumigkeit).

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • Nach der langen Laufzeit dieses Threads verwundert mich ein wenig, dass einer der bedeutendsten Konzertsäle noch ungenannt ist. Anfangs heftig umstritten, heute unumstritten ist sie eines der Wahrzeichen Berlins: die Philharmonie von Hans Scharoun. 1956 gewann der Architekt mit seinem Entwurf den Wettbewerb für den Neubau eines Konzertsaals für das Berliner Philharmonische Orchester. Sein modernes, visionäres Konzept erregte aber auch viele Gemüter. Es galt, den Bau (1960-1963) gegen viele Widerstände durchzusetzen. Mittlerweile ist der Konzertsaal mit seiner einzigartigen Architektur und Akustik Vorbild für viele andere Konzertsäle auf der ganzen Welt.


    Für mich ist die Philharmonie in Berlin ohne Zweifel die erste Wahl. Es gibt hier keine Guckkastenbühne, sondern das Orchester sitzt mittig, die Plätze sind wie ein Pentagon ringsherum angeordnet. An der Decke hängende Reflektoren, so genannte "Segel", sorgen für die beispielhafte Akustik des Hauses. Auch bei vollem Haus (über 2000 Plätze) ist selbst auf den allerhöchsten Plätzen, z.B. in G links, wo ich auch aus Preisgründen oft sitze, das dreifache piano noch ohne Schwierigkeit zu hören. Dazu hat man dort auch den Blick auf die Vorderseite des Dirigenten und sieht sozusagen, wie durch ihn die Interpretation geformt wird.


    Der zweite große Konzertsaal in Berlin, das hier schon genannte Konzerthaus am Gendarmenmarkt ist sicher eine Augenweide und auch ein Erlebnis. Der große Saal beeindruckt durch den prachtvollen Stuck und die neoklassizistische Bauweise im Schinkelschen Stil. Die Akustik ist allerdings mit der Philharmonie nicht vergleichbar, im gesamten Tutti vermischen sich die Streicher mit den Bläsern gerne zu einem Klangbrei, wie er in der Philharmonie nicht vorkommt.


    Auf jeden Fall kann Berlin stolz darauf sein, über zwei hervorragende Konzertsäle zu verfügen.


    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Guten Morgen Andreas,


    Danke für die Aufklärung. Ich war bislang immer der Meinung, dass gerade die Schuhschachteln klanglich bedenklich sind, so wegen direkter Reflexionen, Flatterechos und so... Aber Deine Argumente sind schlüssig. Und ja auch hörbar. Ich hab mich schon immer gewundert....


    Gerade die Laisz-Halle in HH hat mich diesbezüglich schier umgehauen. Mahlers 3. und ein Platz auf dem hinteren Balkon. Was für ein Klang. Ich bin zwar auch schon neugierig auf die Elbphilharmonie, aber ich glaub die müssen sich schon arg anstrengen, um was passendes auf die Beine zu stellen. Um Übrigen bewundere ich HH, dass die ein solches (eigentlich irrsinniges) Projekt realisieren. Gerade die Münchner können sich hier eine dicke Scheibe abschneiden.
    Grüße
    Thomas

  • ...hier muß wohl auch der MAX LITTMANN SAAL des "Regentenbaus" in meiner Geburtsstadt Bad Kissingen erwähnt werden !


    ((BTW: Maxe Littmann (1862-1931) hat neben besagtem Regentenbau u.a. auch die von dort 200m entfernte Wandelhalle
    (bis hier und heute mit die Größte in Westeuropa !) oder "Hofbräuhaus am Platzl" :P und Prinzregententheater in München entworfen))


    Sir Roger N. zählt ihn wohl zu den 4 Konzertsälen hierzulande mit der besten Akustik !!
    ...ist ganz/ziemlich/halb oder was mit/in Kirschbaumholz gehalten (müßt`ich erst näher mühsam rausfinden, aber nicht am 23.12....)


    Ich geh da ja nicht mehr hin...


    Ich kann mich noch bestens erinnern, dort mal den Sokolov - sowie das Duo Quasthoff/Zeyen - SEHR klar von ziemlich weit hinten gehört zu haben !!
    ...aber mittlerweile duftet es mir dort derart penetrant nach 19.Jahrhundert, daß ich nur noch darauf warten würde, daß Kanzler Bismarck höchstselbst
    (der ja desöfteren in Kissingen gekurt hat) zur Flügeltür hineinscheppert...


    - aber wen`s nicht stört...
    - akustisch zu empfehlen ists wie gsagt allzumal (das sieht auch Ex.Tamino audiamus nicht anders)


    bis denne----
    micha

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  • Hallo,


    ganz kurz und knapp: der beste aller Konzertsäle ist und bleibt die Philharmonie Essen, der größte Konzertsaal des Ruhrgebiets mit einer perfekten Atmosphäre und Akustik :yes:


    Nicht zu unterschätzen ist auch die Aula der Essener Goetheschule :D


    :hello:


    Helge Kreisköther

  • BTW...gibt`s in Eurer (rel.) neuen Phil. auch Foyerkonzerte bzw. einen Kammermusikraum??


    der für die Phil. angekündigte Duoabend am 10.05. (Hagen/Grimaud mit Brahms, Schumann, Debussy, Shostakovich) tät mich evtl. reizen...


    dieser Ort dafür wundert mich allerdings etwas - da kommen doch nie mehr als 400 Leute (?)...


    :hello:
    micha

  • Zitat

    Original von pieter.grimes
    BTW...gibt`s in Eurer (rel.) neuen Phil. auch Foyerkonzerte bzw. einen Kammermusikraum??


    Die Philharmonie hat einen Glaspavillon, den "RWE Pavillon". Konzerte habe ich darin noch nicht erlebt, wohl aber musikalische Einführungen zu Konzerten des Klavierfestivals Ruhr. Lt. der Internetseite finden dort aber auch Konzerte statt, schätzungsweise ist dort Platz für 200 Leute.

  • Als ich diesen Thread mit den Sälen der Wiener Konzerthausgesellschaft begann, hatte ich eigentlich vor, den Beitrag mit Bildern des Wiener Musikvereins in Kürze folgen zu lassen - indes es hat einige Jahre gedauert.


    Das Gebäude wurde 1870 von Theophil Hansen, der auch das österreichische Parlament entworfen hat, geplant und gebaut.



    Jeder kennt wohl den Großen Saal, auch Goldener Sall genannt aus den Wiener Neujahrkonzerten. Daher hier mal eine Abblidung aus der Sicht des Orchesters in den Zuschauerraum.
    Der Saal fasst 2044 Hörer, 1744 Sitz- und 300 Stehplätze



    Quasi der kleine Bruder des Goldenen Saales ist der Brahmssaal


    Fassungsvermögen knapp unter 600 Plätze



    Um moderne Musik in ädiquater Athmosphäre aufführen zu können - und auch den voraussichtlich zu erwartenden Publikumszahlen Rechnung zu tragen wurden in den letzten Jahren einige zusätzliche Säle geplant und gebaut. Das musste unterirdisch geschehen, denn der Musikverein steht an optisch exponierter Stelle, alles rundum ist verbaut, alles steht unter Denkmalschutz.




    Hier der sogenannte "Gläserne Saal" - 380 Plätze




    Hier der "Steinerne Saal" der offen bar in "Horst HASCHEK Auditorium" umbenannt wurde, nach Prof, Host Haschek, Arzt uns langjähriger Präsident der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. 70-90 Plätze -je nach Bestuhlung.



    und schließlich noch der "metallene Saal" - 125 Plätze




    Wesentlich mehr Bilder gibt es auf der Seite


    http://www.musikverein.at/



    mfg aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Für mich ist der Goldene Saal des Wiener Musikvereins der vielleicht schönste Konzertsaal der Welt – und ich denke, ich stehe mit dieser Meinung nicht ganz alleine da.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Zitat

    Original von Luis.Keuco
    Hast du auch noch feuchte Augen vom Neujahrskonzert?
    :hello:


    Eigtl. kenne ich diesen Saal eher durch diverse Karajan-Videos (Dvorák IX, Bruckner VIII etc.). Aber sicher: Das Neujahrskonzert profitiert bestimmt auch von der tollen Raumatmosphäre dort.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo, liebe Konzertbesucher,


    auch ich bin hauptsächlich in der Philharmonie Essen, als mehrjähriger Abonnent, jetzt am 21. März wieder in den "Jahreszeiten" von Haydn mit Bruno Weil und sechs Tage später in Bachs "Matthäuspassion" mit Philippe Herreweghe.
    Aber vorher, am 13. März lasse ich es mir in der Berliner Philharmonie gut gehen, wenn die Philharmoniker unter Mariss Jansons mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks Verdis Requiem aufführen- drei der größten Chorwerke, ich denke, schöner kann man nach dem langen Winter die neue Jahreszeit, den Frühling, kaum begrüßen.
    Im Juli bin ich in der Kölner Philharmonie und beim Schleswig-Holstein-Musik-Festival, wahrscheinlich zum Eröffnungskonzert in Lübeck. Das ist so mein Rhythmus: 6- bis 10mal im Jahr in Essen, mindestens einmal im Jahr in Berlin und in Lübeck (MuK) und ein- bis zweimal in Köln. Und im nächsten Jahr geht es wieder einige Male zum Klavierfestival Ruhr, am liebsten fahre ich da nach Mülheim.


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • @Willi


    und keine Lust, auch mal Leipzig mit in's Programm zu nehmen?


    :hello:

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Zitat

    Original von Thomas Knöchel
    Gerade die Laisz-Halle in HH hat mich diesbezüglich schier umgehauen. Mahlers 3. und ein Platz auf dem hinteren Balkon. Was für ein Klang. Ich bin zwar auch schon neugierig auf die Elbphilharmonie, aber ich glaub die müssen sich schon arg anstrengen, um was passendes auf die Beine zu stellen. Um Übrigen bewundere ich HH, dass die ein solches (eigentlich irrsinniges) Projekt realisieren.


    "Mein" Konzertsaal? Tja, das ist tatsächlich die Musikhalle in Hamburg, die jetzt offiziell anders heißt, aber für jeden Hamburger immer noch die Musikhalle ist. Hier habe ich, um nur mal mit dem Erzählen anzufangen, die jeweils allerletzten Konzerte im Leben zweier Titanen des Klaviers gesehen: Vladimir Horowitz



    und Arturo Benedetti Michelangeli.



    Ein der Musik gewidmetes Leben verklang auf dieser hamburgischen Bühne mit Moszkowski (Horowitz) bzw. Debussy (ABM). Ich habe hier etwa 20mal Wand dirigieren sehen. Außerdem Solti, Böhm, Mrawinsky, Tennstedt, Blomstedt, Previn, Harnoncourt, Gardiner, Pinnock, Salonen, um nur ein paar zu nennen. Swjatoslaw Richter sah ich auf dieser Bühne erstmals 1979 (in diesem Jahr gab er sein Hamburg-Debüt, weit über 50-jährig, mit Schubert vor der Pause und Prokofiew nach der Pause), danach noch ein weiteres Mal in den 80er Jahren (sämtliche anderen Richter-Konzerte meines Lebens waren in Spielstätten des SHMF, also in Schleswig-Holstein). Ich erlebte hier Wilhelm Kempff auf seiner Abschiedstournee, Rudolf Serkin, Brendel, de Larrocha, Pollini, Sokolow, Cherkassky, Weissenberg, Gawrilow, Ashkenazy, Argerich und Dutzende anderer Pianisten. Stichwort Argerich: ich schlich mich als Teenager in ihre Proben mit dem Philharmonischen Staatsorchester, setzte mich frech in den Saal der Musikhalle und zitterte, ob ich nicht gleich ausgeschimpft und weggeschickt würde. Ich durfte aber bleiben. Vielleicht 13-jährig, applaudierte ich entfesselt nach der Probe des Klavierkonzerts Nr. 3 von Prokofiew. Als einziger Zuhörer im Saal! Und Frau Argerich lächelte zu mir hin. Als "offizieller", also zahlender Zuhörer, sah ich Frau Argerich aber auch: bestimmt fünfmal in diesem Saal. ABM dreimal, Horowitz zweimal. Ich sah hier Ausnahmegeiger wie Gidon Kremer, Anne-Sophie Mutter oder (ganz besonders beeindruckend!) Viktor Tretjakow sowie Henryk Szeryng.


    Die Musikhalle in Hamburg war aber auch der Ort ergreifendster Jazz-Erlebnisse. Pat Metheny sah ich hier unzählige Male, Oscar Peterson, Ella Fitzgerald, Sonny Rollins, Keith Jarrett, Brad Mehldau, John Scofield und zahlreiche andere. Scofield gab hier z.B. mit dem Radio-Sinfonieorchester Frankfurt unter Leitung von Hugh Wolff die zweite Aufführung des großorchestralen, abendfüllenden Werks "Scorched" des britischen Ausnahmekomponisten Mark-Anthony Turnage. "Scorched" bedeutet "Scofield orchestrated".


    Und ich sah das Esbjörn Svensson Trio namens "e.s.t.", welches das Album "Live in Hamburg"



    hier, auf dieser Bühne, aufnahm. Esbjörn Svensson verstarb wenig später, unfassbar jung, bei einem Tauchunfall. Das Album "Live in Hamburg" wird von Jazzkennern inzwischen als eines der drei besten Alben aller Zeiten (so kürzlich Siggi Loch, früherer Chef von Warner Music und heutiger Chef des exquisiten Jazzlabels act, in einem ZEIT-Interview), jedenfalls aber als das beste Album des letzten Jahrzehnts (so die britische "Times") bezeichnet.


    Ich werde aber der Musikhalle Hamburg immer öfter untreu. Seit ich aus beruflichen Gründen von 1994 bis 1996 in Berlin wohnte, zieht es mich immer wieder zur Berliner Philharmonie. Damals erlebte ich die Abbado-Zeit voll mit, sah z.B. Abbado am Cembalo Cecilia Bartoli begleiten, die Purcell sang. Um anschließend Stockhausen mit Abbado zu hören. Genau solche Programme liebe ich! Ich erlebte hier das letzte Mal Solti, ich sah Gielen, den blutjungen Rattle, Chailly, Ashkenazy in seiner Chefdirigentenzeit beim Deutschen Sinfonieorchester Berlin (u.a. mit Mahlers Achter), Kitaenko, Pletnjew, aber ich sah auch den spanischen Flamenco-Gitarristen Paco de Lucia oder den Jazzpianisten Michel Petrucciani.


    Im Herbst 1996 zog ich wieder zurück nach Hamburg, aber die Liebe zur Berliner Philharmonie blieb. Seit dem Amtsantritt von Sir Simon Rattle 2002 gab es nun endgültig kein Halten mehr für mich: ich war manchmal zweimal pro Woche in Berlin (der günstigen Zugverbindung von Hamburg nach Berlin mit dem ICE, der in weniger als 90 Minuten von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof fährt, sei's gedankt). In der Philharmonie erlebte ich wahre Feste: den "Messiah" von Händel mit Christie, "Les Martyres de Saint Sébastian" von Debussy mit Rattle, Henzes "Floß der Medusa" mit Rattle in Anwesenheit des Komponisten, Bruckners Achte mit Blomstedt, um nur mal ein paar Beispiele zu nennen. Am allertollsten war aber das Programm, in welchem Rattle vier Uraufführungen mit der "Planeten"-Suite von Holst kombinierte, und das so dermaßen sinnfällig: jeder der vier Komponisten (u.a. der bereits zuvor erwähnte Mark-Anthony Turnage) durfte sich einen Asteroiden aussuchen und über diesen ein Orchesterstück schreiben. Das wurde dann zu einer "Asteroiden"-Suite zusammengefügt, welcher nach der Pause die "Planeten"-Suite folgte (ergänzt um einen Teil "Pluto" aus dem Jahr 1973, den ein britischer Komponist geschrieben hat. Pluto war zu Lebzeiten von Holst noch nicht entdeckt, also hat er ihn bei "The Planets" nicht berücksichtigen können). Programmgestaltung vom Aller-, Aller-, Allerfeinsten!


    Also: "meine" beiden Konzertsäle sind die Musikhalle in Hamburg und die Philharmonie in Berlin. Auf die "Elbphilharmonie" freue ich mich natürlich trotzdem :D

    2 Mal editiert, zuletzt von Swjatoslaw ()

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  • Hallo Reinhard,


    das ist keine schlechte Idee, vielleicht mal demnächst beim Bachfest oder ähnlichen Gelegenheiten Leipzig zu besuchen. Dieses Jahr ist ja auch wieder Bachjahr (und Händeljahr), obwohl kaum einer davon spricht, aber immerhin haben die beiden "alten Knaben" ja ihren 325. Geburtstag zu feiern.
    Ich habe ja in der vorletzten Saison schon ein Konzert des Gewandhausorchesters unter Riccardo Chailly in der Philharmonie Essen erlebt mit einem Schumann-Programm, und noch zwei Jahre vorher ein Konzert des Thomanerchores unter Christoph Biller bei uns in Coesfeld (einer Kreisstadt im Münsterland), natürlich mit einem Bachprogramm. Ich werde mal die entsprechenden Veranstaltungskalender durchwühlen.


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Alfred, danke für die tollen Fotos und Beschreibungen der Wiener Säle! Ergänzen möchte ich folgende persönliche Erfahrungen: Nicht ganz unbedeutend an einem Konzerterlebnis ist auch der Sitzkomfort und das "Drumherum". Bei meiner Körpergröße von 1,86 sind die Musikvereinssitze so an der Grenze der Zumutbarkeit. Die Galerie ist für mich überhaupt gestrichen, dort bin ich nach 15 Minuten zur Mumie erstarrt. In dieser Hinsicht spricht natürlich vieles für modernere Bauten.


    Und die Pausenräumlichkeiten im Musikverein waren evtl. im 19. Jhdt. state-of-the-art, aber nicht mehr heutzutage.


    In dieser Hinsicht ist das Konzerthaus wesentlich besser. Gefährlich ist dort aber die Größe des Saales, die sowohl für Aktive als auch Zuhörer Gefahren birgt.


    Dennoch: Ich liebe die beiden Häuser (noch dazu wenn man sich in Erinnerung ruft, was dort alles schon (ur)aufgeführt wurde).

  • Die Bildunterschrift ist offensichtlich falsch, aber ich komme nicht darauf, um welchen Saal (mit dem charakteristischen "Horn" am oberen Bildrand) es sich handelt!?


    Die Berliner Philharmonie, würde ich sagen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • An meinem Namenstag im Wonnemonat Mai werde ich zum ersten Mal in diesem Konzertsaal einem russischen Pianisten der Extraklasse zum insgesamt dritten Male lauschen:

    Wo mag das wohl sein??(


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Das ist der Konzertsaal im Geraer Theater, mit etwas über 800 Plätzen eher klein, aber für ein B-Orchester ausreichend. Es ist mein häufigst besuchter Konzertsaal. Das Geraer Theater vereinigt in einem Haus sowohl den Theaterspielsaal als auch den abgebildeten wunderschönen Konzertsaal.


    Mein am zweithäufigsten besuchtes Haus im Konzert ist das Leipziger Gewandhaus. Hier habe ich die besten und beeindruckendsten Konzerte meines Lebens erleben dürfen, was keinesfalls eine Abwertung der Leistungen unseres Geraer Orchesters bedeuten soll. Aber das Gewandhausorchester hat ganz andere Möglichkeiten als mein Heimatorchester.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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