Konzertbesuche und Bewertung

  • Gestern war im Gesellschaftshaus der BASF (unter Anilinern auch Casino genannt) in der Reihe "Junge Pianisten" Simon Trepceski zu Gast. Der aus der Republik Mazedonien stammende Pianist spielte ein Programm mit Werken von Chopin, Debussy und Prokoffiev. Trepceski hat bisher drei CD´s veröffentlicht: Sein Debut bei EMI war ein Recital mit Werken Rachmaninovs, die zweite Chopin und die dritte ein Debussy-Album.


    Er spielte zum Auftakt vier Mazurken Chopins und im Anschluss die b-moll-Sonate. Vor jedem Stück- bei den Sonaten auch zwischen den Sätzen- nahm sich Trpceski eingehend Zeit zur inneren Sammlung: rückte sich den Hocker zu Recht, justierte seine Manschetten oder wischte sich mit dem Taschentuch die Stirn ab. Es gibt ja auch Künstler, die sich ohne große Umstände ans Klavier setzen und direkt beginnen und auch sonst während des Spiels wenig äußere Regung erkennen lassen: Mikhail Pletnev beispielsweise.


    Man kann derlei Gebaren auch als Attitüde oder Show bewerten- aber ich hatte den Eindruck, dass Trpceski diese Vorbereitungszeit einfach brauchte. Sein Spiel war dann im besten Sinne frei von jeglichen vordergründigen Effekten:


    Bei den Mazurken gelang es Trpceski die Zerbrechlichkeit dieser fragilen Miniaturen herauszuarbeiten, durch behutsame Tempoverzögerungen, die aber in keinem Fall gesucht wirkten.


    Besonders gespannt war ich auf die b-moll-Sonate: Auf der CD wirkt Trpceski sehr kontrolliert. Da sitzt "alles" tadellos, wirkt aber auch ein wenig glatt, emotionslos. Davon war im Konzert absolut überhaupt nichts zu spüren: Trepceski nahm den ersten Satz, der ja mit "Grave- doppio movimento" überschrieben ist mit einem atemberaubenden Tempo. Aus dem Stand fällt mir jetzt keine Aufnahme ein, auf der ein Pianist ein derart schnelles Tempo anschlägt. Dazu schien Trpceski die dynamischen Möglichkeiten des Steinways voll ausnutzen zu wollen: Sein Forte war so kräftig, dass die vom Flügel ausgehenden Schallwellen auch noch in der dritten Reihe spürbar waren. Die von Chopin vorgesehen Wiederholung der Introduktion ließ Trpceski allerdings aus. Man kann jetzt natürlich darüber streiten, ob es statthaft ist, den ersten Satz so herunterzudonnern- eines aber wurde bereits jetzt klar: Warum Schumann über die Sonate schrieb: Hier habe der Komponist vier seiner tollsten Kinder zusammengespannt ... Ein ähnliches Bild im Scherzo: Wenn jemand meinem sollte Chopin sei ein schwülstiger Salonkomponist, der dürfte gestern definitiv eines besseren belehrt worden sein. Den dritten Satz nahm Trepceski dann vergleichsweise langsam, aber ihm gelang es zum einen die Spannung zu halten, zum anderen spielte er die dynamischen Kontraste zwischen den einzelnen Teilen voll aus. Hamelin in seiner Aufnahme des gleichen Stücks gelingt bei ähnlichem Tempo dieses Kunststück nicht.


    Nach der Pause gab´s dann den "Children´s Corner" von Debussy sowie die Toccata und die siebte Sonate von Prokoffiev. Ein spannender Kontrast. Die Toccata habe ich zum ersten Mal live im Konzert gehört- hier konnte man deutlich merken warum Trpceski Rachmaninov so liegt: Auch hier legte Trepceski ein atemberaubendes Tempo vor und schien regelrecht den Putz von der Decke spielen zu wollen. Bei höchster Geschwindigkeit "saß" jeder Ton- und trotzdem wirkte die Toccata nicht als reine Geläufigkeitsübung.


    Die siebte Sonate war für mich völliges Neuland- ich habe zwar eine Aufnahme von Pletnev, die aber seit Ewigkeiten nicht mehr gehört. Ich kann mich täuschen, aber hin und wieder meinte ich Einflüsse aus dem Jazz wahrzunehmen.


    Zum Beschluss gab Trpceski dann noch drei Zugaben:


    Das Stück eines Landsmannes, dann den Hummelflug- und am Ende nocheinmal Chopin.


    Fazit:


    Trpceski bestätigte den Eindruck, den man von seinen bisherigen CD`s haben konnte- und machte definitiv Lust auf weitere Aufnahmen von ihm. Zudem ein ausgesprochen sympatischer Künstler.


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Auf der anderen Seite des Rheins - um an Christians informativen und interessanten Bericht anzuknüpfen - war ich gestern Zeuge eines ebenfalls sehr eindrucksvollen Konzerts: Im Palatin in Wiesloch trat das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg auf. Das Programm:


    Anton Webern (1883-1945)
    Passacaglia op. 1 (1908)


    Alban Berg (1885-1935)
    Violinkonzert "Dem Andenken eines Engels" (1935)


    David Lang (geb. 1957)
    "International Business Machine", An Overture for Tanglewood (1990)


    Claude Debussy (1862-1918)
    Prélude à l'après-midi d'un faune (1892/94)


    Igor Strawinsky (1882-1971)
    L'Oiseau de feu, Suite aus der Ballettmusik (1910, Fassung von 1919)


    Solist: Christian Tetzlaff, Violine; Leitung: Brad Lubman


    Der mir bislang noch unbekannte amerikanische Dirigent Brad Lubman wirkte als Person recht unscheinbar, ohne Taktstock, sein Auftreten war zwar effektiv, doch wenig spektakulär: kein großer Selbstdarsteller - all das war mir sehr sympathisch: Er stellte sich, wie man so schön sagt, ganz in den Dienst der Sache, und das Orchester wußte, was es zu tun hatte, so schien es mir: Bei Webern und Berg war die Handschrift des früheren Chefs Michael Gielen deutlich: kein romantisches Schwelgen, sondern klare und transparente Zeichnung der Konturen, Herausarbeiten des Schroffen, Strukturellen, dabei allerdings hoch gespannt und expressiv, besonders in den Streichern (bei leichten Intonationstrübungen zu Beginn der Passacaglia; dem Violinkonzert fehlte ein wenig das Leise, Intime), eine feine Abstimmung der Orchestergruppen, auch zwischen Solist (souverän und rundum überzeugend: Christian Tetzlaff, auch mit der obligaten Bach-Zugabe).


    Das Fünfminutenstück nach der Pause des mir ebenfalls neuen Amerikaners David Lang entwickelt aus einem schlichten Viervierteltakt, metallisch gehämmert, in kürzester Zeit ein komplexes rhythmisches Geflecht, deutlich in Abschnitte gegliedert, atonal, minimalistisch, witzig - hätte ruhig länger sein können.


    Wie vertraut das SWR Sinfonieorchester mit französischer Musik (und französischen Dirigenten: von Ernest Bour bis Sylvain Cambreling) ist, zeigte es bewunderungswürdig bei Debussy: Da stimmte alles, die Abstimmung, die Energie, der kalkulierte Klangrausch, hochexpressiv ohne zu verwischen, ich war begeistert! (Ein Detail, ich weiß nicht, ob es üblich ist: Der Flötist schien selbst den Einsatz zu geben, der Dirigent wurde erst aktiv, als das Orchester insgesamt einstimmte.)


    Vollends überwältigt war ich beim Feuervogel: Das war rhythmisch präzise, klar, mit großartigen Steigerungen bis hin zum Schluß, selten bekomme ich beim Musikhören eine Gänsehaut, hier war's der Fall.


    Ein großartiges Orchester, dem man anmerkte, daß es mit den großen Werken der anbrechenden Moderne seit Langem vertraut ist. Wie gesagt: Ein wunderschönes Konzert!

  • Es muss schon ein musikalisches Ereignis sein, wenn man als älterer Musikfreund, der das Glück hatte, viele große Solisten und auch die jungen Senkrechtstarter im Konzert zu hören , von einem Künstler restlos hingerissen ist. Ein solches nachwirkendes Erlebnis schenkte meiner Frau und mir am 4. März 09 der Pianist Gerhard Oppitz mit einem glanzvollen Klavierabend in Heilbronn. Das anspruchsvolle Programm umfasste:
    Beethoven:
    Klaviersonate Nr. 17 d-moll, op.31 Nr. 2 "Der Sturm"
    Klaviersonate Nr. 23 f-moll, op.57 "Appassionata"
    Schubert:
    Impromptus B-Dur und f-moll D 935 Nr. 3 und 4
    Chopin
    Balladen As-Dur op.47 und g-moll op 23
    Zugabe "Der Liebestraum" von Liszt.
    Bei einem Pianisten vom Range eines Gerhard Oppitz sind hohe Anschlagskultur, virtuose Technik und facettenreiche Gestaltung fast eine Selbstverständlichkeit. Was sein Spiel besonders auszeichnet und hervorhebt sind die tiefe, analytische Durchdringung des Notentextes, das Aufgehen und Verschmelzen mit dem Werk, das emotionale Nacherleben der Komponistenintention. Ohne jegliche Effekthascherei und Manierismen gelingt es Oppitz mit einer Ausdrucksskala, die von feinsten Schattierungen und Nuancen bis zu kraftvoll, zupackender Dramatik reicht , musikalische Seelengemälde zu zaubern.
    Die Kritik würdigt Oppitz in ähnlicher Weise, wenn unter der Überschrift
    "Umjubelter Klavierabend im Heilbronner Stadttheater" unter anderem zu lesen ist "...Schwerpunkte bei Oppitz sind sicher Beethoven und Brahms. Wer aber hörte, wie umwerfend brillant, elegant und tänzerisch er heute Chopin hinlegte, der traut ihm alles zu. Offenbar hat der Rubinstein-Preis-Gewinner in den letzten Jahren noch an Gestaltungskraft und Klangfarbenreichtum gewonnen. Jede seiner Interpretationen wirkt eben nicht nur fabelhaft durchdacht, sondern poetisch erfüllt".
    Ein Klavierabend mit Gerhard Oppitz ist also ein Erlebnis souveräner Klavierkunst und pianistischer Meisterschaft. 700 Hörer bestätigten dies durch begeisterten Beifall und stehende Ovationen, mit denen sie dem so bescheiden gebliebenen, sympathischen Künstler dankten.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Hallo!


    Vorgestern war ich in der Alten Oper im Konzert des Artemis Quartett.
    Das (den Cellisten ausgenommen) stehend musizierende Ensemble spielte folgendes Programm:
    Beethoven: op. 18/1
    Widmann: Nr. 1
    Schubert: D 887


    Während mir der Beethoven noch nicht so recht gefiel und mir eine gewisse Begeisterung gefehlt hat, wirkte das kurze, moderne Widmann-Stück wohl wie ein Energieschub, denn der Schubert nach der Pause war super und ein echter Hörgenuß! :jubel::jubel::jubel:


    Leider war schon wieder kein anderer Tamino mit dabei...


    Viele Grüße,
    Pius.

  • 7. Sinfoniekonzert


    Dirigent: Alexander Joel
    Staatsorchester Braunschweit
    Stadthalle Braunschweig 15.März 09 11.00 Uhr



    Louis Spohr ( 1784-1859 )
    Ouvertüre zu " Macbeth" H-Moll op. 75


    Andate Grave- Allegro Molto


    Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791 )
    Sinfonie Nr. 36 C-Dur KV 425 " Linzer Sinfonie"


    1. Adagio- Allegro spiritoso
    2. Poco adagio
    3. Menuetto
    4. Presto



    Pause


    Anton Bruckner (1824-1896 )
    Sinfonie Nr. 7 E-Dur WAB 107


    1. Allegro moderato
    2. Adagio: sehr feierlich und sehr langsam ( langsam??? )
    3. Scherzo: sehr schnell Trio: etwas langsamer
    4. Finale: bewegt, doch nicht zu schnell


    Heute beim 7. Sinfoniekonzert des Staatsorchester Braunschweig wurde als 1. die Macbeth Ouvertüre zum Spohrjahr gespielt. Spohr, so habe ich den Eindruck ist bei den Braunschweigern nicht alzu beliebt, obwohl er dort gebohren wurde. Der Anfang , sehr düster wurde vom Orchester wunderbar dargestellt. Besonders die ganzen Noten nur aus tiefen Posaunen und tiefen Cellis haben es mir angetan. Der Schluss war relativ unerwartet und das Publikum fand kaum Gefallen an dem Werk .


    Dann bei Mozarts 36. Sinfonie spielte das Orchester mit der " Verspieltheit" des Mozarts fehlerfrei auf und erntete am Ende gewaltig Applaus. Da Mozart eher zu meinen ungeliebten Komponisten gehört kann ich an der Stelle nicht viel dazu schreiben, da ich bis auf die kleine Nachtmusik und vielleicht ein paar andere Stücke nichts von ihm kenne.



    Die 7. Sinfonie von Bruckner sagte mir voll zu, nur das Adagio ( welches im Programm als sehr laaaangsam beschrieben ist ) war mir zu schnell und vor allem durch seine Mächtigkeit mit dem Becken, Triangel, Tuben und Posaunen wie die gesamte Sinfonie etwas ungewohnt. Soetwas war mir für mein Ohr ganz Fremd ( an Bruckner habe ich mich vorher nie rangewagt ). Alexander Joel leitete das Orchester wie bisher fast fehlerfrei und bekam zum Schluss einen ausserordentlichen Applaus.


    Für Interessierte:


    Montag 16.03.09 20Uhr Stadthalle Braunschweig findet das gleiche Konzert nochmals statt.


    Gruß Chrissi

  • Hallo Chrissi,


    nicht nur Spohr, sondern auch Cassiodor ist in der Stadt Heinrichs des Löwen geboren und freut sich deshalb über Deinen Bericht. Von den Qualitäten des Braunschweiger Staatsorchesters weiß ich bislang leider nur vom Hörensagen.


    Vielen Taminesen wird noch nicht bekannt sein, dass Braunschweig ein recht imposantes Staatstheater besitzt, das als eines der ersten öffentlich zugänglichen Theaterhäuser im deutschsprachigen Raum schon 1690 eröffnet wurde und gewiß einen Besuch wert ist. Brigitte Fassbaender wirkte dort in den 90er Jahren als Intendantin. Soweit ich weiß, ist die Stadthalle dagegen eher ein nüchterner moderner Zweckbau.


    http://de.wikipedia.org/wiki/Staatstheater_Braunschweig


    Lass Dich weiter unbefangen auf die Musik ein - zu manchem, was Dich heute nicht so berührt, wirst Du sicher irgendwann Zugang finden, zu anderem vielleicht nie. Der langsame Satz aus Bruckners 7. ist für Cassiodor ein wahres Wunder, und ich gebe Dir Recht: Das muß schon genau im richtigen Tempo gespielt werden, um richtig zu wirken - vor allem in einem großen, nie nachlassenden Spannungsbogen. Furtwängler, Wand und Giulini konnten das z.B. sehr gut.


    Salve,


    Cassiodor :hello:

  • Ich komme gerade aus dem Konzerthaus aus einem Konzert mit Roger Norrington und dem SWR Radio-Sinfonieorchester Stuttgart auf dessen Programm das Violinkonzert in D von Strawinsky und die 7. Symphonie von Bruckner standen.
    Zum Violinkonzert kann und will ich mich nicht äußern, da ich das Wert vorher nicht kannte. Nur soviel die Solistin Patricia Kopatchinskaja hat mich mit ihrem Spiel und ihrer bescheidenen Art gleich für sich eingenommen.


    Der Bruckner hat mich aber ratlos zurückgelassen. Ich kannte von Norringtons spätromantischen Aufnahmen die 6. Bruckner und die 5. Mahler und bei beiden war mein Eindruck ein durchwegs positiver.
    Heute Abend kann ich das aber so nicht sagen. Sicher der Stuttgart-Sound ist unverkennbar und auch habe ich durch den extrem durchsichtigen, balancierten Klang viel neues gehört, was mir bis jetzt noch nie aufgefallen wäre. Die Tempi waren nicht mal mehr zügig sondern schnell, aber auch das wäre kein Problem gewesen.


    Was mir fehlte war der lange Atem, der Spannungsbogen. Die einzelnen Sätze huschten vorbei ohne, dass ich das Gefühl hatte, dass der Satz eine richtige Spannung aufbaut. Sicher, einige Stellen waren genial und herrlich ausgeleuchtet und klangen völlig neuartig, aber im ganzen Sprang kein Funke über. Zudem schien der Klang extrem auseinanderzufallen (mein Platz an sich ein guter: 6. Reihe Parkett, Mitte). Vielleicht liegt es aber auch an der Symphonie, die weniger Steigerungsstrecken als z.B.: die 3. oder 6. hat.
    Am Ende Applaus, aber kein tosender wie z.B.: bei Chailly vor einem Monat. Vereinzelte Bravos, aber alles in Allem ziemliches Stirnrunzeln im Saal.



    Irgendwie war das heute wie Wiener Schnitzel in Tomatensauce, schmeckte nicht schlecht, braucht aber so schnell keine Wiederholung, weil man einfach schmeckt, dass das Schnitzel nicht dafür gedacht ist.
    (Der Vergleich ist doof ich weiß, aber mir fällt jetzt nix mehr anderes ein.)

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

  • Samstag, 14.03.09, 19.30 Uhr, Mannheim, Rosengarten, Mozartsaal:


    Antti Siirala, Klavier
    SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
    Francois-Xavier Roth, Leitung


    1.) Wolfgang Rihm: "Vers une symphonie fleuve" II
    2.) Franz Schubert/Franz Liszt: "Wanderer-Fantasie" für Klavier und Orchester
    3.) Paul Dukas: Sinfonie C-Dur


    zu 1.)
    Vor einigen Jahren hatte ich mal ein anderes Stück aus dieser Werkreihe von Rihm gehört. Es hatte mir gut gefallen. Und genau dies kann ich von diesem Stück auch sagen, denn es war von großem klanglichen Reiz. Ich kann hier keine Analyse dieses Werks liefern, dafür reicht mein musiktheoretisches Wissen nicht aus. Blechbläser und Schlagwerk waren jedenfalls auf den Rängen verteilt und dies ergab beeindruckende klangliche Raumeffekte. Das Mannheimer Publikum konnte mit diesem Stück offenbar nichts anfangen, denn der Applaus tröpfelte danach lediglich vor sich hin. Dies war nicht gerechtfertigt.


    zu 2.)
    Sodann folgte der Tiefpunkt des Abends. Warum in Gottes Namen muss man die Wandererfantasie von Schubert als Klavierkonzert umarbeiten? Diese Frage hätte einem wohl nur Franz Liszt persönlich beantworten können, jedenfalls konnte man in musikalischer Hinsicht dafür keine Gründe entdecken. Das Werk ist weder sonderlich inspiriert noch originell. Es verwendet Themen aus der Wandererfantasie und variiert sie über gut zwanzig Minuten lang. Pianist Siirala scheint kein Tastendonnerer zu sein, sondern eher ein ziemlich blasser Tastenlyriker. Dies kam den ruhigeren Passagen des Werks zugute, namentlich der Klavier-Solopassagen, aber den machtvollen Aufschwüngen und romantischen Gefühlsexzessen wurde er damit nicht gerecht. Insgesamt sicher eine ordentliche Darbietung, allerdings reichlich ermüdend und ernüchternd. Ich hätte eine Darbietung der Schubertschen Original-Wandererfantasie vorgezogen.


    zu 3.)
    Nach der Pause dann der unbestrittene Höhepunkt des Abends: die leider viel zu selten gespielte Sinfonie C-Dur von Paul Dukas. Dieses Meisterwerk ist eine der wenigen Kompositionen, die Dukas vor seinem Tod nicht vernichtete. Und das ist wirklich ein Glück, denn jeder der drei Sätze hält einige wunderbare Überraschungen und melodische Einfälle von großer Schönheit und Originalität bereit. Die 45 Minuten sind durchgehend spannend, energiegeladen und mitreissend und irgendwie typisch französisch. Im zentralen Andante meint man in einer schönen südfranzösischen Landschaft umherzugehen und die Natur intensiv zu geniessen. Die Ecksätze sind in erster Linie orchestrale Feuerwerke, die von einer schwärmerischen Grundhaltung geprägt sind. Tolle Steigerungen, virtuose Streichersätze und kernige Blechbläsersequenzen ergeben eine unwiderstehliche Mischung. Roth und das SWR-Orchester liessen der Sinfonie jede erdenkliche Sorgfalt und Intensität angedeihen. Der Dirigent machte durch sehr lebhafte körperliche Beteiligung (Luftsprünge) seine innere Anteilnahme deutlich und besonders die Streicher und das Blech beeindruckten sehr. Dass das SWR SO B.B.u.F. durch Dirigenten wie Gielen und Cambreling zu einem Spitzenklangkörper geformt wurde, konnte man hier mal wieder eindrucksvoll erleben.


    Fazit:
    Eine etwas befremdliche Stückauswahl, aber von allen Beteiligten hervorragend gespielt (mit leichten Abstrichen für den Pianisten). Ich bereue es nicht, nach Mannheim gefahren zu sein und die Melodien der Dukas-Sinfonie klangen noch lange in mir nach...



    Agon

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  • Gestern abend habe ich im Kongreßhaus Heidelberg dieses Konzert erlebt::


    Joseph Haydn: Ouvertüre D-dur
    Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 96 D-dur "The Miracle"
    Felix Mendelssohn Bartholdy: Sinfonie Nr. 2 B-dur "Lobgesang"


    Eleonore Marguerre & Ulrika Strömstedt, Sopran
    Markus Schäfer, Tenor
    Deutscher Kammerchor, Heidelberger Sinfoniker
    Leitung: Thomas Fey


    Dirigent und Orchester sind ja bereits bekannt als Spezialisten für die Wiener Klassik, ein Haydn-Symphonien-Zyklus ist seit Jahren in Arbeit und schreitet voran; insofern durfte ich mich auf Künstler freuen, die sich "zu Hause" fühlen: Das war von Anfang an zu bemerken. Selbst die musikalisch etwas belanglose Haydn-Ouverture (jedenfalls erschien es mir so) gingen die Musiker gleich liebevoll und forsch an: kräftig und überzeugend schon hier: die beiden Naturhörner!


    Die D-Dur-Symphonie: teilweise irre Tempi (so kennt man es von Fey und Sinfonikern), technisch präzise, in den Mittelsätzen mit viel Witz - auch wenn ich durch meine persönliche "Referenz", den Doráti-Zyklus geprägt bin: Das überzeugte mich!


    Der Höhepunkt dann nach der Pause: Mendelssohns Lobgesang. Schwer zu sagen, was mich hier am meisten beeindruckte, das kraftvolle, energiegeladene Spiel des Orchesters, der klar konturierte und offensichtlich äußerst sorgfältig einstudierte Chor oder die wunderbar aufeinander eingestimmten Solist/innen, von denen ich keine(n) hervorheben möchte. Auffällig vor allem und höchst bewunderungswürdig, wie textverständlich und absolut klar die Vokalisten, sowohl Solisten als auch Chor, agierten - das erlebt man selten in diesem Maße!


    Vertraut bin ich selbst mit der Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern unter C. v. Dohnányi, die ich wegen ihrer feinen Eleganz und Transparenz mit wunderbar gestalteten Spannungsbögen hochschätze; Thomas Fey und die Heidelberger Sinfoniker bieten dagegen eher einen aufgerauhten, "historisch informierten" Klang mit knackigen Bläsern und vibratoarmen Streichern. Auch wenn ich diesen Ansatz nicht grundsätzlich traditionelleren Wegen vorziehe - hier überzeugte es, weil alle Musiker im gesamten Konzert wie unter Strom standen: Es wurde so hochkonzentriert und energiegeladen musiziert, daß die Frage nach dem Wie für mich fast nebensächlich blieb.


    Ein großartiges Konzert, daß auch Haydn und besonders Mendelssohn Bartholdy mir wieder näherbrachte!

  • Nordwestdeutsche Philharmonie Herford


    Donnerstag 26.März 2009 20.00 Uhr
    Theater Wolfsburg



    Nordwestdeutsche Philharmonie Herford unter der Leitung von
    Andris Nelsons
    Kristine Opolais Sopran


    Ludwig van Beethoven
    Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60
    Adagio-Allegro Vivace
    Adagio
    Allegro Vivace-Trio. Un poco meno allegro _ Tempo I
    Allegro ma non troppo



    Wolfgang Amadeus Mozart


    Recitativo accompagnato ed Aria KV 540c
    In quali eccessi und Mi tradi quell'alma ingrata
    für Sopran und Orchester



    Pause



    Gustav Mahler :jubel:


    Sinfonie Nr. 4 G-Dur


    Bedächtig: Nicht eilen
    In gemächlicher Bewegung , Ohne Hast
    Ruhevoll
    Sehr behaglich ( Wir genießen die himmlischen Freuden)


    Und nun die Bewertung:


    Angefangen mit meiner liebsten Sinfonie Beethovens.
    Sehr gut gelungen und voll Befriedigend ist das Orchester unter Andris Nelsons bei dem Werk gewesen. So gut habe ich die Sinfonie noch nie gehört. Die Dynamik war außergewöhlich gut und sehr eindrucksvoll.
    Einzige Kritik ist hierbei der Paukist. Die Paukenschläge waren ( wie bei Mahler auch ) einfach für die Werke viel zu hart, was auch leider hier die Begeisterung ein wenig gedämpft hat. Desweiteren hat man richtig gemerkt wie sehr der Dirigent sich in das Stück gestürtz hat und es auch lieben gelernt hat. Eine großartige Leistung.


    Mozarts Arie hingegen war von der Melodik sehr hübsch geschrieben, doch die Sopranistin war ein einziges Grauen. Mit einfach viel zu großem Vibrato in der Stimme gesungen hat sie wirklich dieses Werk " zerstört" , was ich doch sehr schade finde da es ein wirklich fideles Stück war. Das Publikum des ziemlich vollen Hauses war auch nicht sooo angetan wie vom Beethoven.


    Nach der Pause kam der Grund meines Antreffens im Theater:
    Mahlers 4. Sinfonie.
    Im Gegensatz zu Mahlers anderen Sinfonien fand ich diese sehr ruhig aber doch hochinteressant. Der Einsatz des Schlagzeugs war immer sehr passend und teilweise überraschend. Auch hier hat der Dirigent die Dynamik wunderbar gestaltet. Leider auch hier ein Kritikpunkt. Das Becken ( es war ein zeimlich kleiner ) lieferte für meinen Geschmack noch nicht den richtigen Klang um es richtig gewaltig darzustellen. Teilweise hat mich in der Musik auch die abundzu vorkommende ich sag mal " Schützenfest" Musik überrascht.
    Besonders gefallen haben mir hier die Stellen mit den gezupften Violinen mit der Triangel gefallen. Hat wieder etwas sehr geheimnisvollen an sich was ein Grund ist warum ich Mahler so verehre.
    Der letzte Satz war mit der Sopranisten ( die man hier zum Glück kaum hörte ) unerwartet zu Ende, was das Publikum kaum registierte. Trotzdessen wurde der Dirigent 5 x herausgerufen, was eine Seltenheit hier ist.


    Fazit: Bis auf die Sopranistin und den Paukisten ein sehr gelungenes Konzert !


    Gruß Chrissi

  • Ein Konzert ganz besonderer Art gab das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin am letzten Sonntag in der Philharmonie.


    Begonnen wurde mit einem Werk, das man in den einschlägigen Konzertführern vergeblich sucht, obwohl der Komponist ja als Dirigent berühmt ist und gefeiert wurde, außerdem aber noch aber sehr Umfängliches komponierte, was vielen wahrscheinlich unbekannt sein wird.


    Beim Klassikanbieter jpc ist gerade mal eine dokumentarische Aufname des kurzen zweiten Satzes erhältlich, immerhin gespielt vom Solisten der Uraufführung im Jahre 1937.


    Gemeint ist Wilhelm Furtwängler mit dem Sinfonischen Konzert für Klavier und Orchester h-Moll.
    Das Stück dauert über 60 Minuten und auch deshalb gibt es sehr wenige Pianisten, die es auf sich nehmen, so einen Koloss einzustudieren, den kaum ein Konzertveranstalter bringt, weil es sich mit Beethoven, Brahms oder Tschaikowsky die Kassen besser füllen lässt. So war auch die Philharmonie leider nicht ausverkauft Wer nicht dabei war, hat etwas versäumt. Immerhin wurde dieses Werk in Berlin (West) seit 1964 nicht mehr aufgeführt (und vielleicht auch die nächsten 45 Jahre nicht mehr). Wenn auch allein der erste Satz 35 Minuten dauert, und danach auch noch lange nicht vorbei ist, langweilig wurde es nie. Sicher ist es kein Virtuosenkonzert im klassischen Stil, sondern eher eine große spätromantische Sinfonie mit obligatem Klavier. Dabei wechseln sich große Orchesterpassagen mit wuchtigen Klaviereinlagen ab, für den Pianisten ähnelt das ganze einem Marathonlauf, bei dem der Athlet sehr effizient mit seinem Energiehaushalt umgehen muss. Es spielte (verständlicherweise nach Noten) der noch junge ungarische Solist Gergely Bogányi, der seine Sache ausgezeichnet machte und, was ich nicht erwartete, sogar noch eine Zugabe ablieferte. Anerkennung auch für den Dirigenten Marek Janowski, der ganz unspektakulär und souverän die Tücken der Partitur meisterte.


    Nach der Pause ein zweiter dicker Schinken: Richard Strauss: Sinfonia domestica. Dieses Stück kommt zwar in den Konzertführern vor, leider aber durchgängig mit negativer Bewertung, ob des "naiven" familiären Hintergundes. Ein "symphonisches Selbst- und Familienporträt", bezeichnete es der Komponist und überschrieb es mit der heute museal wirkenden Widmung "Meiner lieben Frau und unserem Jungen". Ich teile dieses Werturteil nicht, für mich beinhaltet die Sinfonie ein durchgängiges immer wiederkehrendes markantes Leitthema verbunden mit einer Vielzahl schöner solistischer Auftritte (gut die Oboe d'amore!), gipfelnd in einer beeindruckenden finalen Doppelfuge. Leider sah man die zwei Harfen nur, da sie ausschließlich bei den fortissimo-Stellen des gesamten Tutti zu tun hatten, ähnlich auch wie die vier Saxophone. Eine tolle Orchesterleistung und ein insgesamt unvergesslicher Abend !


    Herzliche Grüße


    Manfred

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Theater Wolfsburg Großes Haus


    Jenaer Philharmonie


    Leitung: GMS Nicholas Milton
    Klavier : Francois-Joel Thiollier


    Gershwin Abend
    Programm:



    Ouvertüre zu "Girl Crazy "


    Konzert für Klavier und Orchester in F
    1. Allegro
    2. Adagio-Andante con moto
    3. Allegro agitato


    I Got Rhythm - Variation für Klavier und Orchester


    Pause


    Ouvertüre zu " Strike up the Band "


    Ein Amerikaner in Paris




    Fangen wir dann mal mit der Ouvertüre zu Girl Crazy an.
    Wunderbares Stück und äußerst gelungene Interpretation des Werkes.
    Man wurde richtig mitgenommen von den Melodien und man hat sichtlich bemerkt, wie es dem Orchester und dem Dirigenten Spaß gemacht hat, dem Publikum dieses Werk zu präsentieren.


    Als 2. dann das Klavierkonzert. Das Wolfsburger Publikum musste sich zu beginn natürlich wieder gründlich Blamieren ( schon öfter passiert ) und Applaudierte den Orchesterwart der den Flügel aufklappte Gründlich. Dafür wurde der Dirigent und der Pianist aus Unsicherheit erst kurz vor dem Flügel beklascht :no: . Auch meinte das Publikum direkt nach dem 1. Satz klatschen zu müssen -.- Nun aber zur eigentlich Kritik.
    Das Orchester war absolut fehlerfrei doch der Pianist schien mir im 3. Satz öfters mal eine kleine rhythmische Schwierigkeit zu haben. Auch bin ich der Meinung , dass es nicht zu Gershwin passt, da er 1. meiner Meinung nach nicht die Power für Gershwin besitzt ( Tschaikovsky wäre glaube ich eher sein Fall gewesen ) und den Dress den er anhatte passte auch absolut nicht zu Gershwin. Ein blaues Hemd mit haufenweise Rüschen.
    Dennoch war das Konzert ein absoluter Höhepunkt. Der 3. Satz ; mein Favorit; verarbeitet mehrere Melodien aus dem 1. und 2. Satz. Höhepunkt des Satzes ist für mich der fantastische Gongschlag in der Mitte. Auch ,bis auf den Pianisten der nicht so ganz passe ,auch wirklich excellent.


    Variationen über I Got Rhythem waren ebenfalls sehr gut und der Pianist schien es diesmal auch wirklich gut zu bewerkstelligen. Die Variationen sind sehr raffiniert, und der Zuhörer muss wirklich intersiev zuhören und manches auch als Variation zu betiteln. Dieses Werk ist nicht ganz mein Fall, war aber trotzdem sehr gut dargestellt.


    Nach der Pause gind mit Strike up the Band weiter. Hier sehr eindrucksvoll das Thema mit Pauken, kleiner Trommel und Becken zu Beginn. Auch der rest war wieder excellent mit den wunderschönen Melodien. Ebenfalls Top!"


    Ein Amerikaner in Paris überraschte mich , da für mich unbekannte Takte im Werk mitgespielt wurden. In der Aufnahme die Gershwin dirigiert sind sie nicht vorhanden ( was ich danach sofort geprüft habe ). Dennoch auch hier hatte den Perkussionisten eine Menge zu tun. Die Hupen zu beginn waren von Klang hier nicht ganz mein Fall. Auch der weitere Verlauf mit den doch eher " verträumten " Melodien und dem Tanz ( ich würde es so nennen ) waren super . Nach dem großartigen Schluss des Werkes trat ein gewaltiger Beifallssturm auf und der Dirigent wurde etwa 6mal auf die Bühne zurückgeholt, was bei uns bisher nur bei Nigel Kennedy passiert ist.


    Auch mein Fazit: Super tolles Konzert . Super tolles Orchester . Genialer Dirigent ( nicht so einer der nur den Arm hoch und runter macht ). Wunderschöner Abend auf den ich schon lang gewartet habe !


    Gruß
    Chrissi

  • Hi Chrissi,

    Zitat

    In der Aufnahme die Gershwin dirigiert sind sie nicht vorhanden


    welche Aufnahme meinst Du bitte?
    Mir ist nur die Aufnahme unter Nathanael Shilkret bekannt, in der Gershwin die Celesta spielte.


    Das ist eine tolle Aufnahme, aber ganz leicht gekürzt,wohl damit alles auf die Schellack-Seiten passte.


    :hello:


    Michael

  • Hallo Michael.


    Auf meiner CD wo die alten Aufnahmen von ihm selbst dargestellt werden ist George Gershwin als Dirigent einer Aufführung mit dem Victor Symphony Orchestra angegeben. Mehr informationen stehen nicht in diesem Booklet.
    Für Fehler im Booklet komme ich nicht auf :D
    Hoffe geholfen zu haben.
    Gruß Chrissi

  • Hallo Chrissi,
    ja, das ist die Aufnahme von 1929.
    Nathaniel Shilkret dirigert das Victor Symphony Orchestra, Gershwin sitzt an der Celesta, da der eigentliche Celesta-Spieler nicht kam.
    Dies war die erste und ist nach wie vor eine der besten Aufnahmen des "American in Paris" .


    Gruß,
    Michael

  • 18.4.2009 Opéra de Lille


    G.F. Händel "La resurrezione"


    Camilla Tilling Der Engel
    Kate Royal Maria Magdalena
    Sonia Prina Maria Cleophas
    Toby Spencer Johannes
    Luca Pisaroni Luzifer


    Le Concert d'Astrée


    Leitung und Cembalo: Emmanuelle Haïm



    Ulli und Pius haben mich gut beraten- für dieses Werk und besonders für diese Aufführung lohnt jedes Schlange stehen!


    Ein frühes Oratorium des 23Jährigen, in Rom komponiert und uraufgeführt und fast näher an Bachs Kantaten als an Händels späteren großen Chor-Oratorien.
    Fünf Solisten, die das Personal verkörpern, welches Jesu Auferstehung am dritten Tage bezeugt- der Teufel als Zweifler und als Widersacher des Engels zieht am Ende angesichts der vollendeten Tatsachen den Kürzeren und flieht freiwillig in den finstersten Höllenkreis.


    Neben der Ouvertüre, zwei Quintetten und Duetten besteht dieses Werk aus kammermusiklaisch sehr variabel und abwechslungsreich begleiteten Solo-Arien.
    Da gibt es von der Unisono-Violinbegleitung, bis zu Laute, Cello und Cembalo, über diverse Bläser/Continuo-Kombinationen alles, was die barocke Küche zu bieten hat. Ich musste unwillkürlich und oft an die Bachsche Arienbegleitung denken, aber Händels Stimmenführung und Behandlung der Singstimme ist doch eine ganz Andere.


    Emmanuelle Haïm und ihr Ensemble zeigten sich in Bestform. Ihre langjährige Händel-Erfahrung zahlt sich hier nun vollkommen aus. Den Zuhörern wird barocke Kammermusik vom Feinsten geboten, aber auch die lauten jubilierenden Töne mit Trompeten und vollen Streichern kommen nciht zu kurz.


    Ihr Händchen für allerfeinste Singstimmen ist bekannt und auch der heutige Abend war wieder ein Hochgenuss für Freunde des Schöngesangs.
    Trotz des sehr hohen Niveaus ragte Sonia Prinas herrlicher Alt (ein solch volles und doch schmiegsames Organ sucht seinesgleichen!) noch ein wenig hinaus. Erstaunlich war, wie gefühlvoll alle Partien gesungen wurden, das ist in diesem Genre nicht immer üblich, schon gar nciht bei so schlanken HIP-Aufführungen.
    Toby Spencer wäre auch ein idealer Bach-Evangelist, Mozart-Tenor und Lied-Sänger- ein selten sauberer , schöner und stilsicherer Tenor.
    Kate Royal hat sich nach kurzen Anlaufschwierigkeiten schnell warm gesungen und mit viel Wärme die Trauer und Liebe der Maria Magdalena vermittelt. Der Bass-Bariton Luca Pisaroni hat für den Luzifer eine fast zu schöne Stimme- da fehlte ein wenig das Diabolische. Und in der Tiefe merkte man dann doch, dass man es nciht mit einem echten Baß zu tun hatte.
    Als Belliini-Rodolfo wäre er sicher zum Hinschmelzen!


    Camilla Tilling hat die rasenden Koloraturen ihrer Auftrittsarie mir Bravour gemeistert und auch sonst technisch voll überzeugt.
    Von einem Engel wünsche ich mir persönlich etwas mehr stimmliche Anmut und Lieblichkeit Richtung Natalie Dessay. Aber die stand wohl nciht zur Verfügung.


    Die Standing Ovations und der langanhaltende Jubel des Publikums plus Zugaben waren vollkommen verdient- das war eine echte Händel-Sternstunde! Die Aufführung ist von Virgin Classics mitgeschnitten worden und ich kann den Kauf der CD schon jetzt wärmstens empfehlen!



    F.Q.

  • Völlig überraschend bekam ich gestern auf Arbeit eine Konzertkarte geschenkt, derer wegen ich früher Feierabend machen durfte. Glücklicherweise hatte ich noch nichts weiter vor. Also ging es in die Philharmonie, in der ich ein Konzert erleben durfte, die ganz der Wiener Klassik verpflichtet war.


    Das Ensemble Oriol Berlin spielte unter Leitung von Giuliano Carmignola im ersten Teil des Konzerts die 14. Sinfonie von Mozart, KV 114, sowie sein 3. Violinkonzert KV 216. Gegeigt hat natürlich Carmignola selbst.
    Nach der Pause dann noch ein Mozart-Konzert, dieses Mal das Fünfte (KV 219). Zum Schluss dann glücklicherweise noch ein anderer Komponist. Zum Haydn-Jahr erklang die 49. Sinfonie "La Passione".


    Die war auch für mich das Highlight des Abends. Sehr leidenschaftlich gingen die Musizierenden zu Werke (sie hätten natürlich auch gut und gerne ohne Dirigent Carmignola spielen können, was sie bei der Zugabe dann auch gemacht haben).
    Dass ich kein großer Freund von Mozarts Violinkonzerten bin, habe ich ja schon einige Male kundgetan. Trotzdem war es recht unterhaltsam. Carmignola spielte fantastisch. Sehr frisch und lebendig mit spitzem, kristallklarem Ton und somit der Süßlichkeit der Werke entgegen, was ihnen sehr gut getan hat.


    Die Mozart-Sinfonie hatte einige interessante Stellen, war aber insgesamt eher langweilig.


    Carmignola machte einen sehr sympathischen Eindruck, stellte sich nie in den Vordergrund, ließ das Orchester spielen und unterstützte klug. Zwischendurch war er auch zu Scherzen aufgelegt (er konnte z.B. seine Geige erst richtig stimmen, nachdem er sie dem Konzertmeister auf die Schulter gelehnt hat).
    Er hatte eine sehr positive und allumfassende Ausstrahlung. Als Frau wäre ich wohl bei ihm schwach geworden... :P



    LG, Peter.

  • Heute morgen um 11 ein weiteres Konzert


    Staatsorchester Braunschweig


    Leitung: GMD Alexander Joel
    Violine : Johannes Denhoff



    Programm


    Claude Debussy :
    Prélude à l'après-midi d'un faune


    Camille Saint-Saëns:
    Introduction et Rondo capriccioso a-Moll, op. 28


    Pablo de Sarasate
    Zigeunerweisen, op. 20


    Pause


    Igor Stravinsky
    Der Feuervogel : Suite Nr.2


    Introduction
    Feuervogels Tanz
    Prinzessinen Reigen
    Teuflischer Tanz des Königs Kashchei
    Wiegenlied



    Debussy's Werk versetzt einen in Träumereien. Das Orchester stellte die Beschreibung eines schwülen Sommertags, den Träumen des Fauns auf perfekte Weise dar. Die Melodik dieses Werkes ist wunderschön und ich kann jeden dieses Werk nur empfehlen. Bereits der Anfang mit einer eigentümlichen Rhythmik und einer doch " mystischen " Melodie lässt sogar die kleinen Kinder in der 2. Reihe hinter mir verstummen. Ein wunderbares Werk mit einer tollen Interpretation des Staatsorchesters. Bravo !


    Als 2. kam ein Werk eines von mir ungeliebten Komponisten an die Reihe, doch auch hier wurde ich äußerst positiv überrascht ! Unser eigentlicher 1. Geiger spielte das Stück vollkommen Fehlerfrei und auch das Orchester setzte immer rechtzeitig ein. Teilweise sehr interessante Stellen mit mitnehmender Rhythmik. Auch am Schluss des Werkes kann man nicht anders und muss einfach Bravo rufen ( ist vielen so gegangen :D ).


    An dritter Stelle kam das wohl bekannteste Werk des Spaniers Pablo de Sarasate an die Reihe. Auch hier bewerkstelligte unser 1. Geiger das Stück mit Bravour. Auch wieder bis auf einen Fehler ( er erwische beim Zupfen eine Saite nicht ) perfekt. Der dramatische Anfang ist eine meiner Lieblingsstellen, doch der mitreißende Schluss mit den komplizierten Violinpassagen ist sehr gut gelungen. Auch hier gab es wieder einen Beifallssturm für unseren Geiger.


    Nach der Pause kam ein mir noch unbekanntes Werk an die Reihe ( kannte bisher nur das göttliche Le Sacre ) . Sehr interessant war der düstere Anfang, aber auch den Tanz des Feuervogels . Nach dem Reigeb der Prinzessinen wurde man durch eine laute Tutti zum " Infernal Dance " gebracht. Dieses absolut geniale Stück mit den gerumse der großen Trommel entsprach genau meinem Geschmack . Auch das geniale Wiegenlied mit dem anschließenden gewaltigem Finale gefiel nicht nur mir.
    Ein großer Beifallssturm brach wieder aus . Mitlerweile habe ich mich entschlossen das gleiche Konzert mir auch noch mal bei uns in Wolfsburg anzuhören ( am 6. Mai ! ) Voll zu empfehlen !


    Gruß
    Chrissi

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  • Ich muss schon wieder von einem großartigen Konzertabend berichten. Schon lange habe ich mich auf dieses Konzert mit einer Dirigentenlegende, von der ich Aufnahmen aus den sechziger (!) Jahren mit David Oistrach besitze, gefreut: Gennadi Roshdestvensky.


    Das Programm mit dem Konzerthausorchester Berlin:


    Prokofjew: Sinfonie Nr. 5 B-Dur op. 100
    Tschaikowsky: Sinfonie Nr. 5 e-Moll op. 64


    Knisternde Spannung schon vor dem Auftreten des Maestro im vollbesetzten Konzerthaus.
    Dann das gänzlich unspektakuläre Dirigat dieses großen alten Mannes, der mitunter als Zuhörer wirkte, das Orchester auch mal ganz alleine spielen ließ, aber immer an den entscheidenden Stellen seine Einsätze gab. Und das Orchester zahlte ihm dieses Vertrauen mit selten erlebter Konzentration und Akkuratesse zurück. Die Prokofjew-Sinfonie zählt gewiss nicht zu meinen Lieblingsstücken, aber in dieser Interpretation hat sie mich schlichtweg begeistert.


    So wartete ich mit großer Neugier auf die schon so oft gehörte und mich immer wieder faszinierende Tschaikowsky-Sinfonie. Ganz neuartig der verhaltene Beginn in der Klarinette, die das Thema mit großer Spielkultur vorstellte. Wie überhaupt: Mit so breiten Tempi habe ich diese Sinfonie noch nie erlebt, was nichts Nachteiliges bedeutet. Zu Beginn des zweiten Satzes ein freundliches Zunicken zum Solohornisten, der danach seinen Auftritt hatte. Und die Leichtigkeit des Walzers im dritten Satz - einzigartig. Die Krönung dann das Finale mit sattem Streicherklang und gut herausgespielten Höhepunkten.


    Ich kann mir gut vorstellen, dass die Probenarbeit zwar intensiv war, aber auch ein Geben und Nehmen zugleich war und den Musikern sicher selbst Freude bereitet hat. Anders ist so ein Ergebnis nicht vorstellbar.


    Viel Beifall für ein einzigartiges Konzerterlebnis!

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Am 29.04.2009
    Konzert in der Philharmonie Luxemburg
    Orchestre Symphonique de Montréal
    Kent Nagano
    Klaus Florian Vogt, tenor
    Christian Gerhaher, bariton


    Claude Debussy: Nocturne N° 1: Nuages
    Claude Debussy: Nocturne N° 2: Fêtes
    Tan Dun: Orchestral Theatre I: Origin
    Gustav Mahler: Das Lied von der Erde für Tenor, Alt (Bariton) und Orchester


    Ich freute mich schon Tage vorher auf das Konzert, hatte mir doch vor einigen Wochen noch die 4. Bruckners mit Nagano gekauft. Leider stand das Konzert für mich unter keinem guten Stern, die Ereignisse am Mittwochnachmittag waren im “Tamino-Forum” doch zu schlimm. Zudem Zeitpunkt wußte ja noch keiner wie es weiterginge. Ich war dermaßen schockiert und sehr traurig, daß ich erst nach meiner zweimonatiger Mitgliedschaft so was hier erlebe.


    Und dem entsprechend fühlte ich mich auch während dem Konzert. Die Nocturnes verfolgte ich noch mit Spannung, sie bestachen durch ihre ungemeine Transparenz und Farben, Nagano hatte viel Sinn für Rhythmus und Dynamik.


    Dan Tun’s Werk gefiel mir überhaupt nicht, ich war nicht bereit für solche Experimente.
    Nach der Pause dann “Das Lied der Erde”. Die Lieder gefielen mir von Lied zu Lied weniger, was aber wahrscheinlich nur an mir lag.


    Am nächsten Tag hörte ich eine wirklich sehr gute Kritik im nationalen Kulturradio, und auch in den Tageszeitungen war nur gutes über das Konzert zu lesen. “Nagano hing seinen beiden Solisten förmlich an den Lippen, führte sie, begleitete sie, atmete mit ihnen und dem Orchester und schenkte ihnen den wunderbarsten Klangteppich, den sich ein Sänger wohl vorstellen kann.
    Das Resultat war eindeutig: So schön, intensiv und ergreifend hört man Mahlers “Lied von der Erde” nur ganz selten. Eine absolute Sternstunde.”


    Nun, ich habe mich jetzt schon etwas von den Tumulten hier erholt, und bin guter Dinge, daß wir weiterhin viel Spaß an Tamino haben werden.


    gruß
    roman

  • Hallo.


    Neue Philharmonie Westfalen
    Konzertchor Flensburg
    Concert-Chor Concordia 1877 Hürth


    Leitung: MD Christian Letschert-Larsson
    Ort: Kölner Philharmonie
    Sopran : Carolyn G. James
    Mezzosopran : Marie-Helen Joel
    Tenor : Arnold Rawls
    Bass : Yoo-Chang Nah


    Giuseppe Verdi : Requiem
    1. Requiem
    2. Dies irae
    Tuba mirum
    Liber Scriptus

    Quid sum miser
    Rex tremendae
    Recordare
    Ingemisco
    Confutatis
    Lacrymosa

    3. Offertorio
    4. Sactus
    5. Agnus Dei
    6. Lux aeterna
    7. Libera me



    Endlich durfte ich dieses grandiose Werk hören. Schon zu Beginn überzeugt die Philharmonie mit ihrer genialen Akustik ( ich saß in der Chorempore also auf der Seite, wo eigentlich kaum Ton hinkommen müsste ) .
    Über das gesamte Konzert kann ich eigentlich nur positives berichten. Der Chor war super, die Sänger gefielen mir alle ( besonders die Sopranistin ).
    Als einziger Kritikpunkt nenn ich das Dies irae. Leider waren die Blechbläser zu beginn leider nicht gleichzeitig gekommen, und so wurde von der gewaltigkeit etwas genommen. Für mich am schlimmsten war allerdings die große Trommel. Es wurde meiner Meinung ein zu weicher schläger benutzt, und der knallige Effekt kam ( zu meinem Leid ) nicht zustande.


    Dennoch war das Highlight des Abend eigentlich, dass der Dirigent so heftig dirigiert hat, dass ihm der Taktstock aus der Hand geflogen ist, und vor einem 2. Geiger gelandet ist. Die Neben mir konnten sich das lachen kaum verkneifen.


    Fazit: Gutes Orchester, Guter Dirigent, Klasse Sänger, Mittelmäßiges Dies irae= Schöner Abend
    Gruß
    Chrissi

  • Lieber Christian,


    dein Bericht ist ja nicht uninteressant. Leider entnehme ich nicht daraus, von welchem Werk (Requiem) denn die Rede ist. Ich rate mal: Verdi? Und wo fand das ganze statt?


    Das mit dem Taktstock habe ich vor sehr vielen Jahren auch mal erlebt, bei dem Dirigenten Kurt Masur. Seitdem dirigiert er ohne Taktstock, weil er ihn nicht mehr halten kann (irgendeine Krankheit).


    Viele Grüße

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Hallo timmiju.
    Habe ich ganz vergessen :D
    Hast vollkommen richtig bemerkt, es ist natürlich das Requiem von Verdi.
    Den Beitrag habe ich überarbeitet.
    Ort war die Kölner Philharmonie


    Gruß
    Chrissi

  • Do 28th May 2009
    7.30 pm


    Royal Festival Hall
    London


    Philharmonia Orchestra
    Esa-Pekka Salonen conductor
    Christian Tetzlaff Violine



    Vienna 1900-1935



    Alban Berg : Violinkonzert
    Gustav Mahler : Symphony No. 6




    Dank meiner Lehrer hatte ich das riesige Glück , das Konzert mit meinem Libelingsdirigenten, und einer meiner Libelingssinfonien zu erleben.
    Angefangen wurde mit Alban Bergs Violinkonzert ( Andenken eines Engels ).
    Christian Tetzlaff spielte wunderbar und fehlerfrei,und lies mit Salonens Hilfe das Publikum in Begeisterungsstürme werde ( was ich bei moderner Musik bisher nochnie erlebt habe ) . Selbst mir hat sein außergewöhnliches Spiel mit einer steifen Mimik ausgesprochen gut gefallen. Besonders gefallen hat mir hier der 1. Satz, da er einfach *mittendrin* abbricht.


    Nach der Pause kam der absolute Höhepunkt des Konzertes, und der Saal fülllte sich auch zusehends. Salonen schafft es mir einem sehr langsamen Anfangstempo, aber doppelter Strege, und Kraft bereits mit dem 1.- Satz das Publikum voll in seinen Bann zu ziehen. Auch der 2. Satz überzeugte völlig mit seiner teilweisen Dramatik, und seiner klassischen Zwischenteile. Diese wurde ebenfalls von Salonen perfekt, wie man es erwartet interpretiert. Über den dritten Satz kann ich leider nicht mehr viel berichten, da ich die langsamen Sätze fast sofort wieder vergesse.
    Der 4. Satz bestach ebenfalls durch seine Strenge und durch die Mächtigkeit.
    Mein einziger Kritikpunkt bei dem Konzert waren die 2 Hammerschläge, da man sie kaum ( der 1. ) und garnicht ( der 2. ) gehört hat. Dennoch war es für mich ein tolles Ereignis, welches ich nicht alzuschnell vergessen werde. Da ich in der 1. Reihe saß, habe ich mir auch selbstverständlich ein Autogramm von ihm auf meine Revueltas CD geben lassen. er war sehr freundlich und hat sich auch sofort bereiterklärt vor dem Publikum mir eins zu geben.
    Auch bn ich froh, dass das Konzert aufgenommen wurde. Ihr könnt euch somit auch auf eine fantastische CD freuen.
    Besten Gruß
    Chrissi

  • Für Sarajewo, die vor allem kulturell ausgeblutete Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina, war der gestrige Abend schon etwas Besonderes. Schickten kurz nach dem Ende des Krieges viele europäische Staaten -wohl auch zur Beruhigung ihres schlechten Gewissens gegenüber einem Land, dessen Tragödie sie viel zu lange weitestgehend tatenlos zusahen- en suite namhafte Künstler und große Ensembles hierher, so hat sich dies mittlerweile doch gegeben; schon daher war der Auftritt von Orchester und Chor des Maggio Musicale Fiorentino unter Riccardo Muti ein absoluter Höhepunkt einer ansonsten außergewöhnlich faden Saison.
    Brahms' Alt-Rhapsodie und Schicksalslied eröffneten den Abend in der einzigen wirklich großen Halle Sarajewos, die eigentlich für sportliche Großveranstaltungen konzipiert ist und in der jeder Ton künstlich verstärkt werden muß, damit die ca. 6000 Zuhörer des gestrigen Abends überhaupt einen unmittelbaren Eindruck bekommen konnten. Beide Stücke, deren ernster Charakter sicher nicht für eine Aufführung bei Großveranstaltungen dieser Art spricht, wurden korrekt dargeboten und höflich beklatscht; mehr leider nicht. Nach der dann stattfindenden Ehrung des Maestro, der vor 12 Jahren schon einmal mit dem nämlichen Programm in Sarajewo aufgetreten war und dessen Kommen jetzt im Zusammenhang mit der Spendeneinwerbung für Stipendien an Nachwuchsmusiker stand, wurde Beethovens Eroica gespielt, auch dies eine Reverenz (so Muti in einer kurzen Ansprache) an die Einwohner der Stadt Sarajewo, die während der drei Jahre dauernden Belagerung vor allem durch das Festhalten am Geist der europäischen Kultur überlebt hätten.
    Muti dirigierte den 1. Satz schlank, fast tänzerisch elegant; der 2. Satz rührte in seiner traurigen Schönheit einige der Zuhörer zu Tränen, Scherzo und Schlußsatz waren kraftvoll und so klangschön, wie sie in der Umgebung eben sein konnten. Auch die Eroica ist kein Programm für die große Masse; die reine Dauer hat manche der jüngeren Zuhörer schon arg gefordert. Nach sehr freundlichem, aber nicht überbordenden Applaus gab es dann noch -quasi als menschheitsverbindende Zugabe- den Gefangenenchor aus Nabucco. Dem Chor des Maggio Musicale dabei zuzuhören war schon ein Erlebnis: so schön singen DAS halt nur die Italiener.
    Zusammenfassend tritt der rein musikalische Eindruck dieser Nacht (es begann um 21.00 Uhr, man kann sich vorstellen, wann ich dann zu Hause war) zurück hinter der rückhaltlosen Bewunderung, die den kundigen Thebaner ergreift, wenn er einen Meister bei der Arbeit sieht - Muti allein dirigieren zu sehen ist schon ein Erlebnis. Die Kraft und Präzision seiner Gesten, das vollkommene und geradezu greifbare Einverständnis mit dem Orchester sind beeindruckend und tief berührend.


    Und nun haben wir unser Konzert gehabt, und die Stadt sinkt wieder zurück in den Status der tiefsten Provinz, bis im August mit dem Sarajevo Film Festival eine ganz andere Klientel zu ihrem Recht kommt...


    Grüße!


    Honoria

    "...and suddenly everybody burst out singing"
    Busman's Honeymoon

  • Der Hamburger Hercules...auf den Spuren des jungen Händel


    Im Rahmen der Europäischen Wochen Passau trat das Hamburger Barockkonsort Elbipolis und die Sopranistin Yeree Suh im Renaissanceinnenhof von Schloß Ortenburg auf.


    Das Programm hatte die musikalischen Zeitgenossen Händels in Hamburg im Umfeld der Oper am Gänsemarkt als Mittelpunkt.


    Georg Philipp Telemann Ouvertüre "L`Omphale"


    Reinhard Keiser Herkules und Hebe, Hamburg 1699


    Georg Friedrich Händel Almira, Hamburg 1705


    Christoph Graupner Dido, Königin von Karthago, Hamburg 1707


    Johann Mattheson Heinrich IV, Hamburg 1711


    Johann Mattheson Cantata con Stromenti "Allegrezza mio core" für Sopran, Streicher, Basso continuo


    Ein sehr gelungener Abend, wobei insbesondere der zweite Teil mit Graupner und Mattheson Überraschendes bot. Graupners Dido soll wohl 2010 in Berlin aufgeführt werden, zumindest nach der Homepage von Elbipolis. Der gewählte Ausschnitt bot schon einen guten Vorgeschmack.
    Ganz großartig aber die Cantate von Mattheson, der entweder gar kein so mittelmäßiger Komponist war, oder einfach bei der Komposition einen außerordentlich guten Tag erwischt hatte. Es besteht wohl Hoffnung, daß die Cantate vielleicht auch mal auf einer der nächsten CDs von Elbipolis erscheinen wird.
    Als Zugabe dann noch eine Ohrwurm-Arie von Händel im inzwischen nächtlichen Schloßhof aus der Yeree Suh einen magischen Moment machte.

  • Letztes Wochenende, 11.7., war ich nach langer Abstinenz mal wieder in einem Konzert, um Klassik live zu hören. Anläßlich der 24. Eltviller Burghofspiele musizierte das Orchestre Philharmonique du Luxembourg im schönen Friedrich-von-Thiersch-Saal des Wiesbadener Kurhauses unter der Leitung von Emmanuel Krivine.


    Auf dem Programm standen:
    - Werke von Felix Mendelssohn -- es ist ja Mendelssohn Jahr -- und zwar einleitend die Hebriden-Ouvertüre op. 26 und das Violinkonzert op. 64 e-Moll.
    - die Sinfonie Nr. 2 op. 61 von Robert Schumann, wohl im Vorgriff auf das kommende Schumann-Jahr.


    Solistin des Abends war Carolin Widmann. Die Geigerin war mir bislang gänzlich unbekannt. Headlines wie "Für Carolin Widmann ist die Geige ein Kampfobjekt" (Welt Online) oder "Morgen kann ich das" mit der Unterzeile "Carolin Widmann ist die eigensinnigste Geigerin ihrer Generation" (Zeit Online) erachte ich auch nicht sonderlich als Empfehlung. Aber mit ihre Portraits habe ich auch erst im nachhinein recherchiert. Jedenfalls ist noch anzumerken, dass Frau Widmann hoch schwanger auftrat, was man einerseits als höchst respektabel oder aber auch als bedenklich ansehen mag.


    Der Wiesbadener Kurier notierte, dass Chefdirigent Emmanuel Krivine sein Orchestre Philharmonique du Luxembourg ausnehmend engagiert leitete und viel Wert aufs Detail legte, während der große musikalische Zusammenhang verlässlich einstudiert sei. Auch in den üppigen Passagen klänge das Orchester außergewöhnlich kultiviert. Weiche Rundungen, galant vorgestellte Motive und der rollende Donner der vielen Streicher flössen nahtlos ineinander. -- Wenn ich das lese, denke ich, ich wäre in einem anderen Konzert gewesen. Im Rang sitzend habe ich vor allem wahrgenommen, dass das Orchester ausgesprochen laut spielte und zwar fast durchgängig. Es war teilweise so unangenehm, dass ich bei mir daheim die Lautstärke an der Anlage runter geregelt hätte. Am ehesten hat mir noch die Hebriden-Ouvertüre zugesagt. Aber bei Schumanns 2. Sinfonie war es zuviel des Guten. Laut, wenig differenziert und wenig packend. Ich halte ja zugute, dass die Zweite nicht so sehr mein Fall ist und mir unter den Schumann Sinfonien wohl am wenigsten behagt. Aber Gardiners Einspielung mit dem ORR, die ich gerade am PC höre, vermag mich doch einigermaßen in ihren Bann zu ziehen. Also geht es doch anders.


    In gleicher Weise bejubelte Daniel Honsak in seiner Konzertbesprechung für den WK auch das Spiel von Carolin Widmann. "Die junge Geigerin Carolin Widmann stößt auf ein sehr empfindsam musizierendes Orchester." Nun, zumindest spielte das OPL deutlich leiser, vielleicht mit Rücksicht auf die dünn und schwach klingende Geige der Solistin oder aber, was ich eher hoffe, mit Rücksicht auf das im Mutterleib befindliche zarte Lebewesen. Was mich irritierte, war der eher dünne und magere Klang der Geige, den ich auch höher/spitzer wahrgenommen hatte, als ich es von diversen CD Einspielungen des Mendelssohnschen Violinkonzerts gewohnt war. Es war mein erstes, live erlebtes Violinkonzert. Sind Solo-Geigen tatsächlich so schwach und kraftlos? Oder ist es die Ton-Regie bei den Schallaufnahmen, die die Solo-Geige zum gleichwertigen Partner des Orchesters werden lässt? An Carolin Widmann dürfte es nicht gelegen haben, denn wild war ihr Spiel schon, soweit es eben die Umstände zulassen. Aber insgesamt konnte ich mich mit dem gehörten nicht anfreunden. Ich weiß, dass mir das Konzert nicht durchgängig behagt, aber das hier war noch einmal ein Abfall gegenüber mir so vertrauten Einspielungen wie z.B. mit Mutter und Karajan.


    Nach 2 Stunden inklusive Pause war alles dann zu Ende. Zugaben gab es keine. Und ich war nicht einmal traurig darüber.



    Aber nach diesem Reinfall bin ich schon auf das nächste Konzert gespannt: Janine Jansen spielt im August am gleichen Ort Béla Bartóks Violinkonzert Nr. 1 Sz 36 und die Rhapsodie Nr. 1 für Violine und Orchester. Der Name sagt mir diesmal sogar was, obwohl ich keine CD von ihr habe. Begleitet wird sie dann vom hr-Sinfonieorchester unter Paavo Järvi. Umrahmt wird das ganze noch von Zoltan Kodálys Konzert für Orchester und Antonín Dvoráks Sinfonie Nr. 7 d-Moll op. 70.


    Gruß enkidu2

    Nach Schlaganfall zurück im Leben.

  • Zitat

    Original von enkidu2
    Was mich irritierte, war der eher dünne und magere Klang der Geige, den ich auch höher/spitzer wahrgenommen hatte, als ich es von diversen CD Einspielungen des Mendelssohnschen Violinkonzerts gewohnt war. Es war mein erstes, live erlebtes Violinkonzert. Sind Solo-Geigen tatsächlich so schwach und kraftlos? Oder ist es die Ton-Regie bei den Schallaufnahmen, die die Solo-Geige zum gleichwertigen Partner des Orchesters werden lässt?


    Das ist schon das typische Mis(t)verhältnis von zu großem Orchester vs. eine Sologeige. Da hilft nur HIP. Und natürlich haben die Solisten bei den meisten Plattenaufnahmen ein Extramicro, welches dann in der Abmischung den Solisten stark hervorhebt. Diese Irritation ist also völlig normal. Besuche auf jedenfall öfters Livekonzerte, um Dich an den Unterschied zu gewöhnen. Manchmal (eigentlich immer) spielen auch die Räumlichkeiten und deren klangliche Eigenarten eine nicht unbedeutende Rolle.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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