Konzertbesuche und Bewertung

  • Zitat

    Ganz großartig aber die Cantate von Mattheson, der entweder gar kein so mittelmäßiger Komponist war, oder einfach bei der Komposition einen außerordentlich guten Tag erwischt hatte.


    ich habe seine Oper "Boris Goudenow" als Radiomitschnitt und ich war ebenfalls ziemlich überrascht.
    Vor allem die abschließende Chaconne war ziemlich gut - ungewöhnlich das ein Kritiker auch mal was kann :stumm:

  • Zitat

    ich habe seine Oper "Boris Goudenow" als Radiomitschnitt und ich war ebenfalls ziemlich überrascht.
    Vor allem die abschließende Chaconne war ziemlich gut - ungewöhnlich das ein Kritiker auch mal was kann


    Das dürfte wohl das erste russische Thema für eine Oper in der Musikgeschichte gewesen sein. Ich nehme an, es gibt nur einen Radiomitschnitt und das Werk ist nicht auf CD erhältlich?


    Hier nochmal eine Möglichkeit für den interessierten Konzertbesucher:


    Zeughauskonzerte Neuss:



    Und das wäre natürlich in 2010 interessant, aber Berlin ist so weit weg..


    15.4. Dido von Graupner, Zeitfenster Konzerthaus Berlin

  • Gesprächskonzert mit Ludwig Sémerjian
    im Ordenssaal Schloß Ludwigsburg
    im Rahmen der Ludwigsburger Sommerfestspiele



    Ein wunderschöner Sommertag führte mich gestern erneut - zum letzten Mal in diesem Jahr - nach Ludwigsburg. Mein geheimer Tasten-Star sollte meine noch geheimere Lieblingssonate live spielen. Auf dem (gegenüber der Vorankündigung geänderten) Programm standen:


    Franz Peter Seraph Schubert [1797-1828]
    Klaviersonate (unvollendet) C-Dur D 840 'Reliquie'


    Franz Joseph Haydn [1732-1809]
    Sonate Es-Dur Hob. XVI:52 (c1794)


    * * * Pause * * *


    Wolfgang Amadé Mozart [1756-1791]
    Klaviersonate Es-Dur KV KV 282 (189g)


    Im Rückwärtsgang wurde die Entwicklung der 'romantischen Musiksprache' thematisiert. Sémerjian erklärte sehr verständlich in wohlfeilem Englisch, welches auch für Englischhasser wie mich verständlich war. Für die schwächeren Konzertbesucher war eigens ein älterer Herr (friend) engagiert, der synchronübersetzte. Da allerdings ist man von Babelfish besseres gewöhnt. Viele Passagen wurden einfach nur mit 'Ja' und 'the last movement is really funny' mit einem großen Schweigen des Translaters übersetzt. Darauf hätte man besser verzichten sollen, der Übersetzer hat die Performance mehr als gestört - dennoch war es dann unerwarteter Weise recht unterhaltsam.


    Sémerjian spielte auf einem historischen Instrument, welches er aus Canada mitbrachte (leider konnte ich mir den unbekannten Wiener Erbauer nicht merken...). Die zweisätzig präsentierte 'Reliquie' hat mir sehr gut gefallen. Das 1825er Instrument schien mir allerdings weniger geeignet, Haydn und Mozart zu verkraften - oftmals verschluckte das gute Stück nicht unwichtige Töne im schnellen Tempo. Dies machte es aber mit diversen Dämpferstufen wieder wett, welche für ein erfreulich abwechslungsreiches Klangbild sorgten.


    Der Konzertsaal war leider nur zu einem knappen Drittel belegt, was sicherlich an der Unbekanntheit des Pianisten in Europa liegt. Dadurch konnte ich aber meine Billigkarten durchaus aufwerten und mich in sehr günstige Hör- und Sichtposition umsetzen.


    Sémerjian spielte ausnahmslos alle Wiederholungen, was sehr rühmlich ist. Dabei wurde es keineswegs langweilig, denn er zierte bei Haydn und überwiegend bei Mozart die wiederholten Teile fachgerecht aus. Den Mozart präsentierte er 'auswendig', was dann mehr oder weniger eine freie Fantasie zu den Themen der Sonate wurde - irgendwie hatte er einige Male den Faden verloren und spielte dann irgendwie weiter. Das tut aber der Sache keinen Abbruch, sondern zeigt vielmehr sein Talent.


    Als Zugabe gab es ein (nicht angekündigtes) romantisches, auf einem einzigen Thema herumhackendes, Stück (Chopinverschnitt? - freie Fantasie?) sowie den letzten Satz der Sonate B-Dur KV 333 von Mozart, die im ursprünglichen Programm vorgesehen war.


    Für 2010 hat der Frankocanadier eine CD mit Schumanns Klavierwerken auf Hammerflügel vorgesehen.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Stadthalle Braunschweig 20. Sept. 2009


    1. Sinfoniekonzert



    Staatsorchester Braunschweig
    unter der Leitung von: GMD Alexander Joel
    Klarinette: Sabine Meyer




    Felix Mendelsohn-Bartholdy (1809-1847)
    Sinfonie Nr. 4 A-Dur op.90 " Italienische" [1833]
    Allegro vivace
    Andante con moto
    Con moto moderato
    Saltarello: Presto



    Louis Spohr (1784-1859)
    Klarinettenkonzert Nr. 4 e-moll [1829]
    Allegro vivace
    Larghetto
    Rondo al Espagnole



    Pause



    Ludwig van Beethoven (1770-1827)
    Sinfonie Nr. 4 B-dur op.60 [1807]
    Adagio-Allegro vivace
    Adagio
    Allegro vivace
    Allegro ma non troppo




    ___________________________________________________________


    Heute endlich nach dieser schrecklichen Sommerpause , mein erstes Sinfoniekonzert dieser Spielzeit. Begonnen wurde mit einem von mir ungeliebten Werk, da ich die ganze Sinfonie bis auf den 1. und 2. Satz sehr einfallslos finde. Dennoch schaffte das Staatsorchester mal wieder das Publikum halbherzig in dann Bann zu ziehen ( das Licht fiel nach dem 1. Satz aus, und die Tratscher hatten einen neuen Gesprächsstoff ).


    Als 2. kam das Klarinettenkonzert Nr. 4 von Spohr an die Reihe. Spohr, ein Komponist dem ich immer recht skeptisch gegenüberstehe verblüffte mit seiner Verspieltheit, Vielfalt und Eleganz und stimmte mich ( nach mehreren positiven Ereignissen was seine Musik betrifft ) um und kann jetzt sagen Spohr ist KEIN Langeweiler!!!
    Die Solistin Sabine Meyer spielte dieses von rasanten Passagen nur so triefende Werk hervorragend !


    Nach der Pause dann ein weiteres Highlight: Beethovens 4. Sinfonie ( meine Liebste ). Da ich die Sinfonie in den letzten 5 Monaten bereits 4x im Konzertsaal erlebt habe kann ich diesmal sagen, dass es mir unter GMD Joel am besten gefallen hat. Der Beethovsche Urnebel am Anfang, sowie der grandiose Schluss mit dem genialen Fagottsola waren perfekt. Auch obwohl ihm der Taktstock im Adagio zerbrochen ist ging es unbeirrt weiter. Auch wurde sein auswendiges Dirigieren sehr geschätzt.


    Insgesamt eine tolle Ablenkung von meinem vorhergegangenen Zeitungaustragen, und vor allem die bestätigung Spohrs!


    Gruß
    Christian

  • Fr 02.10.2009 | 20:00 Uhr Konzerthaus Berlin, Großer Saal
    Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin


    Carl Maria von Weber "Der Freischütz" - Ouvertüre zur romantischen Oper


    Henri Dutilleux
    "The Shadows of Time" - Fünf Episoden für Orchester


    Henri Dutilleux
    "Correspondances" gesungen von der französischen Sopranistin Mireille Delunsch, und Orchester
    Texte von Prithwindra Mukherjee, Alexander Solschenizyn, Rainer Maria Rilke, Vincent van Gogh


    Hector Berlioz
    Symphonie fantastique op. 14 a


    18:45 Uhr, Carl-Maria-von-Weber-Saal
    Einführung von Steffen Georgi


    Bin dabei und werde anschließend berichten.


    Kennt jemand die "Correspondances" von Dutilleux? Ich habe sie noch nicht gehört und bin sehr gespannt.


    Gruß :hello:


    principae

    Alles was du sagst, sollte wahr sein. aber nicht alles was wahr ist, solltest du auch sagen!

    Voltaire, (1694 - 1778),

    Einmal editiert, zuletzt von principae ()

  • Lieber principae,


    dein guter Hinweis auf ein bevorstehendes Konzert ist besser im Thread "Anstehende Konzerttermine" aufgehoben. Von Dutilleux habe ich leider noch gar nichts gehört.


    Aber bemerkenswert ist, dass die Fantastische Sinfonie von Berlioz eine Woche später bereits noch einmal in der Komischen Oper zu hören ist. Und am 28. August eröffneten die Berliner Philharmoniker mit diesem Werk die neue Saison. Also manchmal wird man in Berlin wirklich sehr verwöhnt, andererseits macht sich z.B. Brahms in allen Orchestern in dieser Saison ziemlich rar.


    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • 1. Sinfoniekonzert. Saisoneröffnung beim Heilbronner Sinfonie Orchester
    am 27. September 09, "Harmonie"-Heilbronn


    Programm:


    Serge Prokofieff: Die Begegnung von Wolga und Don


    Serge Rachmaninow: Klavierkonzert Nr. 1


    Vincenzo Tommasini: Il carnevale di Venezia
    Variationen alla Paganini


    Serge Rachmaniow: Rhapsodie auf ein Thema von Paganini


    Solist: Gerhard Oppitz, Klavier


    Pressresonanzen: "Sinfonieorchester in Bestform", "Die Begegnung von Wolga und Don". Sie blieb so unbekannt, dass jetzt für deutsche Erstaufführung in der "Harmonie" die Noten speziell angefertigt werden mussten. "Die Variationen über Paganinis venezianischen Karveval von Tommasini" besitzen wenig Tiefe. Die effektvolle Instrumentierung lässt keinen Gag aus: Man hört Militärtrommeln, Celesta, Glockenspiel, sogar die Schläge einer Uhr werden imitiert. Doch wie das Orchester dieses äußerst schwierige Werk bewältigt, verdient sehr großes Lob."
    Als glänzend aufgebautes Meisterwerk erwies sich Rachmaninows Rhapsodie mit 24 Variationen über Paganinis 24. Caprice. Weltklassepianist Gerhrad Oppitz spielt Rachmanows Solopart kaum reßerisch, sondern strenger, als seien sie von Brahms.Das zeigt ihre Substanz deutlicher als ein zu bombastisches Herausstellen der Technik, über die Oppitz in hohem Maß verfügt. Viel Beifall". (Ende der Auszüge aus den Presseresonanzen).


    Dieses mit rund 2000 Besuchern ausverkaufte Konzert beweist, dass auch außerhalb der Musikzentren ein Programm mit weitgehend Unbekanntem großen Erfolg haben kann. Für das Gelingen braucht es allerdings Mut zum kalkulierten Risiko, ein engagiertes Orchester mit inspiriertem Dirigenten und als Sahnehäuchen einen fabelhaften Solisten, der ein solch riesiges Klavierprogramm souverän beherrscht und virtuos durchhält. Alles in allem ein Saisonanfang nach Maß!


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • 1.10.09: John Adams, Slominsky's Earbox, Edward Elgar, Cellokonzert, R Strauss, Sinfonia domestica. Christian Poltéra (Cello), Münchner Philharmoniker, Donald Runnicles.


    Adams war mir vorwiegend namentlich ein Begriff. Erste Live-Nummer, die ich von ihm hörte. Die ersten Takte ließen Schlimmes vermuten, da das leider so häufig gehörte Klirren und Scheppern, das zeitgenössische klassische Musik vielfach kennzeichnet, ertönte.
    Dann aber ein sehr von Rhythmik und netten Themeneinsprengseln geprägtes Werk, das den etwas bärbeißig daherkommenden Dirigenten, silbern gewelltes Haar bis zur Schulter, Bart um den Mund, ein wenig einem Komparsen aus Braveheart ähnelnd, zu flotten Tanzschritten hinriss. Ab und an Beckengeschepper, aber alles in allem ein weiteres Beispiel, dass zeitgenössische Kompositionen gerade im Konzertsaal und gepaart mit Spätromantik sehr gut hörbar sind.
    Wohlwollender Applaus. Leider nicht ausverkauft, wobei die MPHIL nun Wochentagsabos haben und Donnerstage eher schwierig zu verkaufen sind und zudem das Donnerstagsabo das schwierigere Programm hat. Außerdem mögen die meisten Damen um die 60, die ja ein Gutteil der Orchesterbesucher stellen (zumindest in München), solche Musik nicht, ist halt so ein moderner Krach.
    Danach ein Gassenhauer der Celloliteratur, Elgars Cellokonzert.
    Ich habe ja schon drei CDs mit Poltéra, mit Werken von Schoeck, Honegger und Martin. Ich war sehr gespannt auf ihn (im Grunde waren das Cellokonzert an sich und Poltéra die Gründe für den Kartenerwerb).
    Der junge Schweizer ist je einer aus der Riege der neuen Cellostars, wobei er sich mit den o. a. Aufnahmen (alle bei BIS) ein bisschen individueller präsentiert als Müller-Schott, Gabetta oder Queyras, die sich mit Aufnahmen der großen Celloklassiker profiliert haben.
    Zunächst: Poltéra ist sehr groß. Dadurch wirkt das Cello klein. Und er hat dadurch gute Hebelverhältnisse, was in einem so wuchtigen Konzert kein Fehler ist. Das Cello klingt voll und füllt sogar die staubig-trockene Akustik der Philharmonie im Gasteig, so dass man fast komplett das Solocello hören kann. Die MPHIL begleiten routiniert, teilweise brilliant. Runnicles führt konzentriert. Leider fehlt der letzte Biss. Aber Poltéras Spiel ist recht überzeugend und fast perfekt, nur ein oder zwei mal trifft er bei den schwierigen Arpeggien die Note nicht ganz genau. Es entsteht ein schöner Musikfluss, wobei - dies lag wohl eher an der Akustik - die Dynamikwechsel ein wenig verloren gingen. Das Werk selbstin seiner Resignation gut zu erkennen. Wuchtiges Finale.
    Leider trotz viel Beifall keine Zugabe Poltéras. Schade.
    Nach der Pause Strauss'Sinfonie domestica, ein eher selten aufgeführtes Werk, auf das ich mich freute, da ich eine sehr gute Vergleichsaufnahme mit Prévin und den WPO vor nicht allzu langer Zeit erworben hatte.
    Runnicles hat sich mit Wagners Ring zu einiger Bekanntheit und einigen bemerkenswerten Engagaments (u. a. Wiener Staatsoper) dirigiert. Mit Romantik kennt er sich aus.
    Sehr schöner, weicher Beginn und wunderbare Flexibilität im Orchester. Die Bläser der MPHIL gehören, wohl auch wegen der Bruckner-Prägung, zu den besten der Welt und das zeigten sie auch gestern abend. Runnicles mit guter Übersicht, allerdings ist Thielemann der bessere Dirigent. Er ist bei den Einsätzen früher dran. Bei Runnicles mehr ein Führen des Orchesters, bei Thielemann eindeutig ein Leiten.
    Das Werk kippt ja dann von der Nachtruhe zum morgendlichen Krach (Strauss hatte ja die Idee, einen "Familientag" zu vertonen). Hier nun vorausdeutende Anklänge an die 2. Wiener Schule und an Elektra. Wuchtig, formschön, wenn auch komplex. Das Orchester reagiert blendend. Schöne Soli des Konzertmeisters. Präzises Spiel. Krachendes Finale.
    Großer Applaus, Bravo-Rufe.
    Leider war ich müde und konnte mich auf dem Nachhauseweg nicht mehr so freuen. Insgesamt ein lohnenswerter Abend mit einem für mich sehr interessanten Programm, einem sehr guten Solisten, spielfreudigen MPHIL und einem Schlachtross an Dirigent, der mir in guter Erinnerung bleiben wird. Runnicles ist jetzt GMD der Deutschen Oper Berlin. Das war Thielemann auch mal. Ein Zeichen?

  • Guten Tag,


    ich war am 2.10. in Berlin im Konzert "Vive la France" zum 25. Jahrestages der Neueröffnung des Konzerthauses am Gendarmenmarkt.


    Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung von Marek Janowski.


    Carl Maria von Weber "Der Freischütz" - Ouvertüre zur romantischen Oper


    Henri Dutilleux
    "The Shadows of Time" - Fünf Episoden für Orchester und drei Kinderstimmen


    Henri Dutilleux
    "Correspondances" gesungen von der französischen Sopranistin Mireille Delunsch, und Orchester
    Texte von Prithwindra Mukherjee, Alexander Solschenizyn, Rainer Maria Rilke, Vincent van Gogh


    Hector Berlioz
    Symphonie fantastique op. 14 a


    18:45 Uhr, Carl-Maria-von-Weber-Saal
    Einführung von Steffen Georgi


    1. Ouvertüre vom Freischütz, in guter Manier gespielt, aber kein Aufreger.


    2. Musik von Dutillieux. "The Shadows of Time". von1997. Absolut gewöhnungsbedürftig.
    Disharmonisch und nichts für mich!
    Teilweise sehr laut gespielt, dass man die Kinderstimmen fast nicht gehört hat. Ihre Einsätze
    beschränkten sich auf ein paar Fragen.
    "La, La, La.....
    Pour-quoi nous? Pour quoi?
    Pour-quoi l´etoile?
    La, La......"


    3. "Correspondances" von Dutillieux. Für Sopran und Orchester. Von 2003
    Vertonungen von Briefen und Gedichten von Rilke bis Van Gogh. Gesungen von der französischern
    Sopranistin Mireille Delunsch. Trotz ihrer großartigen Stimme hatte sie ihre Schwierigkeiten sich
    bei der Orchesterlautstärke durchzusetzen. M.e. hätte der Dirigent das Orchester da etwas
    zurücknehmen müssen. Diese Stücke brauchen eine mutige Sopranistin, da diese damit nicht
    punkten kann! :no: Der höfliche Beifall galt auch Mme. Delunsch und nicht der Musik!


    Fazit: Dutillieux macht keine Musik zum entspannten Zuhören, eher zum Verstören!. . Ich glaube man muss diese Musik sehr oft hören, damit man einen Zugang dazu findet! 8o


    4. Symphonie fantastique op. 14a von Berlioz
    In großer Besetzung fantastisch gespielt! Die Paukisten (doppelter Kesselpaukensatz und riesige
    Trommel) und der Beckenspieler hatten viel zu tun. Im fünften Satz - Sabbatnacht - dröhnt
    das Schlagwerk, dass der Boden bebte! Einsatz von Kirchenglocken! :jubel: Da war Janowskis
    Vorliebe für große Theatralik und Lautstärke absolut angebracht. Diese Symphonie war der
    Höhepunkt des Abends.
    Zurecht begeisterter Applaus des Publikums :D


    Gesamteindruck des Konzertes: Ohne Dutillieux wäre es ein Erfolg auf der ganzen Linie gewesen.
    Diese Musik war eine derartige Zäsur zwischen "C.M.v. Weber" und "Hector Berlioz" da konnte keine Freude aufkommen!


    Ich glaube auf alle Fälle nicht, dass ich mich weiter mit der Musik von Dutillieux beschäftigen werde. Da höre ich mir lieber eine schöne Oper an.


    Grüße :hello:


    principae

    Alles was du sagst, sollte wahr sein. aber nicht alles was wahr ist, solltest du auch sagen!

    Voltaire, (1694 - 1778),

  • Nachdem ich es gestern angekündigt hatte, möchte ich heute ein paar Eindrücke vom gestrigen Klavierabend mit Lovro Pogorelich, dem Bruder von Ivo, aufschreiben.


    Das Programm war konventionell -
    - Bach /Busoni : Chaconne
    - Beethoven: Sonate op.2 Nr. 1 f-moll
    - Schumann: Symphonische Etüden


    - diese Auswahl tat sicher niemandem weh. Der Meister schien allerdings nicht in bester Form zu sein, langsame, schleppende Schritte auf's Podium, starrer Blick, noch nicht einmal beim Schlußapplaus die Andeutung eines Lächelns.


    Dafür hat er sich dann aber noch ganz ordentlich geschlagen. Zu Pogorelichs Stärken gehört offensichtlich die Fähigkeit, lyrische Phrasen zu spielen - das Adagio der Beethoven-Sonate und die Andantes in den Etüden (welche Fassung das nun war, verschwieg uns das Programm allerdings) waren ganz außerordentlich schön, fast sanft und innig. Allerdings kann Pogorelich auch ganz heftig und präzise hämmern, das wurde insbesondere in den Etüden ja permanent abgefragt.


    Wir haben hier selten Gelegenheit, einen Pianisten von internationalem Renommée zu hören. Entsprechend voll das Haus der Armee, dessen Steinway-Flügel leider seine besten Tage auch schon hinter sich hat.


    Zuhause versuchte ich in meiner CD-Sammlung die Symphonischen Etüden zu finden, aber ich scheine sie gar nicht zu haben; gute Gelegenheit, den Tamino-Thread zu dem Thema zu konsultieren und sich dann für einen der ganz Großen zu entscheiden.


    Grüße!


    Honoria

    "...and suddenly everybody burst out singing"
    Busman's Honeymoon

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  • Große Spielfreude


    Das Quatuor Ebène wird rauf und runter gelobt, hat praktisch alles großen Quartett-Preise gewonnen und sehr schöne CDs rausgebracht.
    Die Spannung war deshalb groß, wie sich die 4 jungen Franzosen im Konzertsaal schlagen würden.
    Ihr Auftritt bei den Iffeldorfer Meisterkonzerten wurde bestürmt. Als ich letztes Jahr bei Sol Gabetta und den Skride-Schwestern war, war gefühlt nur die die Hälfte los, obwohl ebenso ausverkauft.
    Die Veranstaltungen in Iffeldorf haben ja einen besonderen Charme, weil wegen der Turnahlenatmosphäre und der engen räumlichen Verhältnisse ein bisschen Schulorchesterauftritt in der Luft liegt.
    Auf dem Programm:
    Haydn op. 74 Nr. 1
    Brahms op. 51 Nr. 1
    Debussy op. 10


    Die Anreise war etwas verspätet erfolgt, weshalb sich die Herren noch etwas an die Saalakustik gewöhnen mussten. Mit ca. 10 min Verspätung ging es dann los.
    Haydns SQ ist ein wunderbar klassisches Werk. Man kann den Satzaufbau mit Thema, Variationen und Wiederholung sehr schön verfolgen und die Instrumente dabei einzeln beurteilen.
    Pierre Colombet, V1, war noch ein wenig nervös, seiner Violine entfuhren im 1. Satz ein paar unschöne Kiekser und etwas verrutschte Griffe. Außerdem war seine Geige merkwürdig trocken, schien sich mit dem Holz der Turnhallenauskleidung und Dachkonstruktion nicht so recht zu verstehen.
    Von Anfang an einen sehr guten Eindruck machten Mathieu Herzog, Viola, und Raphael Merlin, Cello. Ersterer wegen seines in sich ruhenden, warmen Spiels, zweiter wegen seiner glänzenden Technik und seiner aufrechten, noblen (man denke an Fournier) Körperhaltung.
    Der 2. Violinist, Gabriel de Magadure, erwies sich dann als toller Musiker, mit einer sehr hohen Bogenführung, die ein wenig an Heifetz gemahnte und wundervolle Musik erzeugte.
    Der Haydn machte insgesamt gute Laune und wäre prinzipiell auch ein guter Abschluss gewesen. Nicht so bei QE.
    Brahms ist ja eines der schweren, wuchtigen Quartette, gerade im Vergleich mit einem Haydn-Quartett, das dieser auf dem Gipfel seines Könnens komponierte. Aber die 4 kämpften mit Brahms, lockten die Melodien heraus, spielten Katz und Maus mit der Strenge der Komposition, warfen sich musikalisch die Bälle zu. Großer Applaus vor der Pause.
    Danach der unerwartete und doch logische Höhepunkt des Abends mit dem Quartett Debussys.
    Nun sind QE ja für ihre CD mit Streichquartetten von Debussy, Ravel und Faurè ja bereits vielfach ausgezeichnet worden. Trotzdem ist bei einem Komponisten wie Debussy ja die Frage, ob er gegen die Musikalität Haydns und die Wucht Brahms' ankommen würde. Er kam.
    War man vorher noch kein Fan Debussys oder nicht sicher, ob man die CD kaufen sollte (der Autor hatte sie bereits erstanden), so war man nun hingerissen. Eine so fein ausdifferenzierte, rhythmische, musikalische Darbietung Debussys gab es selten. Alles vorgetragen mit einer Leichtigkeit und Spielfreude, die seinesgleichen sucht.
    Die Zugaben waren eine Jazz-Einlage (leider nicht verstanden) in e-moll und Come together von de Beatles. Von Raphael Merlin wurde zudem angekündigt, dass im nächsten Jahr eine CD mit Zugaben des QE erscheinen würde.
    Hier zeigte sich nun endgültig, welche Bandbreite die 4 beherrschen. Den Instrumenten wurde eine unglaubliche Vielfalt an Tönen und Geräuschen entlockt. Das Cello diente als Kontrabass-Ersatz und lieferte ein äußerst unterhaltsames Pizzicato-Solo ab.
    Die Projekte des QE, u. a. die Zusammenarbeit mit Jazz-Musikern, lassen noch einiges für die Zukunft erwarten, ich hoffe, auch für Teil 2 ihrer Bartok-Aufnahmen.
    Lautstarker Jubel. Hoffentlich bald wieder.

  • Gestern im Dortmunder Konzerthaus,


    Sächsische Staatskapelle unter Christoph Eschenbach, auch als Pianist in


    Mozarts viertem Klavierkonzert: präzise, lyrisch


    und dann ...


    eine meiner Lieblingssinfonien, live zum zweiten Mal gehört:


    Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 4


    Was für ein Erlebnis: hervorragende Bläser: besonders der erste Hornist und die Flötistin,
    voller Streicherklangkörper,
    sehr akzentuiert vorgetragen, ab dem zweiten Satz mit zunehmender Leidenschaft:


    Mitreißend: Die Vierte lässt einem - außer vor der Reprise des 3. Satzes - niemals eine echte Chance auf Entspannung und das soll auch so sein:
    Fast anderthalb Stunden Hochspannung gestern: Dank an das großartige Orchester mit dem tollen Dirigenten, beide am Ende sichtlich geschafft!


    tukan

  • Die wunderbare Welt des Paavo J.


    Paavo Järvi ist derzeit angesagt in der Musikwelt. Sogar in einen Tamino-Thread hat er es schon geschafft, mit seiner Beethoveneinspielung.
    Der Este ist ein Hans Dampff in allen Gassen. Chef in Cincinnati, Frankfurt, Bremen, Berater des Estnischen Nationalorchesters und viel engagierter Gastdirigent. Er müsste sich eigentlich selbst im Flugzeug begegnen, so viel ist er unterwegs.
    Mit der Bremer Kammerphilharmonie hat er also einen umjubelten Beethoven-Zyklus abgeliefert. Doch hat er sich auch durchaus schon Meriten mit den Osteuropäern des 20. Jahrhunderts verdient. Und in Frankfurt gibt er sich deutsch-romantisch, mit Bruckner und Mahler.


    Das gestrige Programmhatte neben einer Doppel-Empirenummer den Schwerpunkt in Osteuropa:


    Gustav Mahler/Benjamin Britten
    "What the Wild Flowers tell me", 2. Satz aus der Symphonie Nr. 3 d-Moll von Gustav Mahler Version für verkleinertes Orchester von Benjamin Britten
    Béla Bartók
    Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 Sz 36
    Béla Bartók
    Rhapsodie für Violine und Orchester Nr. 1 Sz 87
    Dmitri Schostakowitsch
    Symphonie Nr. 6 h-Moll op. 54



    Ich hatte ja Schwierigkeiten, Begleitung für das Abo-Konzert ob des Programms zu finden. Mein Vater erbarmte sich mehr oder weniger. Meine Frau war nicht da und schien eher froh darüber, mein Schwiegervater hatte keine Lust.Ich kann nur sagen: Pech gehabt.


    Mahler light zum Aufwärmen. Oder zum Heißlaufen. Als wirklich großer Mahler-Fan habe ich ja so meine Schwierigkeiten mit den kleineren Orchesterbesetzungen bei Mahler. Er klingt dann schnell wie abgenagter Knochen. Was Järvi aber an Klangfeinheiten herausarbeitete, wie er mit tänzerischen Bewegungen und fließender Gestik das Orchester formte, war grandios. Es entstand das Bild der blühenden Frühlingswiese, über der die Sonne steht, mit fliegenden Schmetterlingen und einem zuhörenden Erzähler, eins mit sich und der Natur. Järvi dabei hochkonzentriert, immer wachsam, die richtigen Akzente setzend. Anerkennender Applaus.
    Danach Bartok. Janine Jansen, die charmante Niederländerin, erschein im roten Hosenrock und mit paillettenbesetzter, roter Korsage. Und legte los. Wobei das Violinkonzerts Bartok ganz leise mit einer singenden Geige beginnt und sich das Orchester kaskadenartig einbringt, bis dann aus dem romatischen Beginn die ungarischen und zigeunerischen (darf man das noch schreiben?) Rhythmen und das Temperament der Puszta hervorbrechen, alles unter dem Schein einer Sonne über weiter Landschaft.Janine Jansen hat Feuer. Sie spielte makellos. Sie flirtete, tanzte mit dem Orchester, das sie mit vollem, dunklem Timbre unter der grandiosen Leitung Järvis wie eine Herde Wildpferde begleitete. Ein wilder, ein bemerkenswerter, ein außergewöhnlicher Ritt, der den geneigten Zuhörern im Gasteig an diesem Abend geboten wurde.
    Järvi strahlt eine gewisse Kälte, Unnahbarkeit aus, ganz anders als auf den CD-Covern. Er ist ein Alpha-Tier, aber nicht in der Form der Rampensau wie Thielemann, er ist ruhiger, zurückgenommener, aristokratischer, dabei aber Dominanz und dezidierte Klangvorstellungen ausstrahlend.
    Das Bartok-Konzert ist grandios. Während ich Jansen so spielen sah, mitgerissen wurde vom Temperament der Musik, mit offenem Mund ob der Fingerfertigekeit bei den atemberaubenden Läufen über ihre Stradivari von 1727 staunend, drängte sich mir der Gedanke auf: Wozu immer Beethoven und Mendelssohn, wenn man Bartok haben kann?! Man kann nur jedem Intendanten die Empfehlung, ja die Order geben, dieses Konzert aufs Programm zu nehmen. Hier regt sich Musik. Hier genießt man mit allen Sinnen, wenn man das Glück hat einer Solistin wie Jansen und einem Dirigenten wie Järvi zusehen und zuhören zu können.
    Danach folgte die Rhapsodie, eine noch mehr von den ungarischen Volksmusikrhythmen geprägtes Stück, in dem als Instrument das Cimbalom eingesetzt wird. Nachdem das Violinkonzert so herausragend präsentiert worden war, zeigten sich die Protagonisten gelöst, suchten während des Spiels den Blickkontakt, lächelten, ein wunderbares Schauspiel zwischen dem blassen, in schwarz gekleideten Järvi und der feuerrot leuchtenden Jansen, die nun in ihrem Element war, deren Haare flogen und die paganinigleich über ihr Instrument jagte. Großer Applaus.
    In der Pause trug ich meinem Vater auf, mir eine CD mit diesen Bartok-Werken beim Christkind zu bestellen.
    Nach diesem Höhepunkt meines Konzertlebens, anders kann ich es ob meiner entschiedenen Begeisterung und Freude über das Gehörte nicht beschreiben, nun noch Schostakowitschs 6. Symphonie.
    Da erwartete ich nicht so viel, da in der Familie Järvi Schostakowitsch einen gewichtigen Rang einnimmt. Neeme Järvi, Paavos Vater, ist ja einer der herausragenden Schostakowitsch-Interpreten unserer Zeit. Für mich noch interessanter war aber auch der Vergleich mit dem anderen großen Schostakowitsch-Dirigenten, der ja in Gehweite das Konkurrenzorchester in München betreut, mit Mariss Jansons. Der hat ja nun mit mehreren Orchestern eine fulminante, preisgekrönte, wegweisende Schostakowitsch-Gesamteinspielung vorgelegt, ein sehr hohe Hürde, die es da zu überspringen galt.
    Järvi sprang und riss sie nicht.
    Diese mit einer halben Stunde Spielzeit eher kurze Symphonie ist eines jener Werke Schostakowitschs, die seine Beklommenheit, seine an die Grenzen des Wahnsinns tastende Spannung, das Stehen an der Klippe, am Abgrund in eine musikalische Sprache übersetzen, die einem sehr nahe geht.
    Im 1. Satz hört man den Protagonisten flüstern, an der Tür lauschen, spürt sein paranoides Misstrauen gegen jedes Geräusch, das in sein kaltes, unwohnliches Zimmer dringt, bevor im 2. und 3. Satz der ganze Irrsinn einer entfesselten militarisierten, totalitären Gesellschaft über ihn hereinbricht, ihn mitreisst, ihm den Verstand raubt mit den zu Marschmusik paradierenden Soldaten, den feiernden, saufenden, betrunkenen Funktionären, der aufgesetzten, hysterischen guten Laune, die wie eine Kulisse vor dem Wahnsinn aus Krieg und Massenmord hängt und in einem wilden Höllentanz endet.
    Järvi ist hier ein begnadeter Handwerker, der aus den dicken Pinselstrichen Schostakowitschs dessen feine Gefühlsnoten, die Stimmen der Flöte und der Klarinette herausdrechselt, meisterhaft wie die Elfenbeinpreziosen im Grünen Gewölbe zu Dresden. Er betrachtet seine Musik, betastet sie mit den Händen, horcht, flüstert, mahnt das Orchester, leise zu sein, um sich nicht zu verraten. Das Orchester erzählt uns das Leid des Stalinismus. Im 1. Satz entsteht ein unangenehm klaustrophobisches Gefühl. Paranioa. Angst.
    Dann der Ausbruch im 2. Satz. Doch auch im Lärm vermag Järvi es, die Stimme des Erzählers hörbar zu machen, die feinen Zwischentöne, die riesigen Schatten darzustellen. im 3. Satz dann die Steigerung zum Finale, alles dreht sich, und schreit und geht unter im Angesicht der Katastrophe.
    Donnernder Applaus, Bravo-Rufe. Besonders auffällig auch die Befehlsverweigerung der Musiker: Anstatt sich auf Järvis Geste hin zu erheben, klatschen sie, donnern mit den Schuhen. Hier hat einer eine Visitenkarte abgegeben. Man blickte in hochzufriedene, begeisterte Musikergesichter.
    2011 wird der Chefsessel in München frei. Järvi darf gern darauf Platz nehmen.


    Epilog: Zuhause musste ich den Schostakowitsch unbedingt bei Jansons nochmal gegenhören. Seine Aufnahme ist mit dem Osloer Orchester und eine der früheren des Zyklus. Das Oslo Philharmonic hat er mit seiner Arbeit allerdings geprägt, es ist "sein" Orchester. Seine Aufnahme ist sehr gut und ebenfalls fesselnd. Ich gehe davon aus, dass der Live-Eindruck auch noch eine Rolle spielt. Dennoch: Sollte Paavo Järvi diese Symphonie auf CD herausbringen, ich wäre sein erster Käufer.

  • Jean-Guihen Queyras mit dem MKO vs. Mischa Maisky mit dem BR-Kammerorchester


    Ein seltenes Vergnügen ist es, zwei herausragende Solisten mit dem selben Werk am selben Ort mit nahezu gleichwertigen Ensembles erlben zu dürfen.


    Die Programme lesen sich wie folgt:


    Donnerstag, 17. Dezember 2009, 20 Uhr, Prinzregententheater


    JEAN-GUIHEN QUEYRAS Violoncello
    ALESSANDRO DE MARCHI Dirigent


    Joseph Haydn Sinfonie Nr. 98 B-Dur Hob. I:98 ›4. Londoner Sinfonie‹
    Joseph Haydn Konzert für Violoncello und Orchester C-Dur Hob. VIIb:1
    Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie Nr. 41 C-Dur KV 551 ›Jupiter-Sinfonie‹




    Sonntag | 20. Dezember 2009 | 11.00 Uhr
    München, Prinzregententheater


    Joseph Haydn
    Symphonie D-Dur Hob.I/6 "Le Matin"
    Konzert für Violoncello und Orchester D-Dur Hob. VIIb/2
    Konzert für Violoncello und Orchester C-Dur Hob. VIIb/1
    Symphonie G-Dur Hob. I/8 "Le Soir"


    * Mischa Maisky, Violoncello
    * Kammerorchester des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks
    * Radoslaw Szulc, Künstlerische Leitung



    Das MKO war in Spiellaune und de Marchi ist ein aufmerksamer, dabei aber unaufdringlicher Dirigent. So gelang denn auch Haydns Nr. 98 sehr spritzig und elegant.
    Danach Auftritt Queyras. Ein sehr freundlicher, charmanter und scheinbar lampenfieberfreier Akteur. Er spielt in "französischer Schule", sehr aufrecht, der Bogen tänzelnd, hört auf das Orchester, kann sogar dem Konzertmeister zulächeln. Sein Cappa-Cello von 1696 klingt schneidend-knarzend. Es hat keinen großen, aber durch sein technisch hochwertiges Spiel einen packenden Klang. Der ganze Auftritt besticht durch ein sehr gefälliges, harmonisches Miteinander, de Marchi muss sich gar nicht wirklich als Dirigent einbringen, die Musiker spielen mit Freude und Queyras ist Teil dieses Ensembles. Großer Applaus. Als Zugabe die Sarabande aus der 2. Suite von Bach.
    In der Pause noch schnell eine CD von Queyras signieren lassen. Auch da fällt seine freundliche Lockerheit wieder auf.
    Nach der Pause die Jupiter-Sinfonie. Die kleine Besetzung eröffnet andere Klangräume, ein anderes Verständnis für Mozarts letzte Sinfonie. Besonders im 2. und 3. Satz denkt man sich, dass Mozart immer von einem solch ambitionierten und mit einer scheinbar mühelosen Leichtigkeit aufspielenden Orchester gespielt werden sollte. Alles schwebt und atmet. Lediglich ein paar mehr Akzente hätte man sich vom Dirigenten gewünscht. Es erschien mehr so, als habe man noch einen freundlichen Taktschwinger, denn einen Leiter am Pult gebraucht. Alles in allem ein überaus gelungener und beglückender Abend.


    Queyras hatte also ganz schön vorgelegt. Da war es ausgesprochen spannend zu sehen, wie Maisky mit dem BR-Kammerorchester kontern würde.
    Das Kammerorchester des BR-Symphonieorchesters unter Leitung des Konzertmeisters des BR-Symphonieorchesters, Radoslaw Szulc, spielt stehend, was sowohl auf den Klang, aber auch auf die Ausstrahlung Auswirkungen hat. Es ist also eine der Hofmusik entstammende Praxis, dass die Musiker vor dem Publikum stehen. Die Körpersprache und die Körperspannung sind bei stehendem Spielen etwas steifer, aber auch druckvoller. Zusätzlich spielen alls Geiger zusammen, d. h. 1. und 2. Violinen stehen sich nicht gegenüber, sondern nebeneinander.
    Die frühen Haydn-Sinfonien Nr. 6 und 8 passten gut zum Matinée-Aspekt der Veranstaltung. Nr. 6, Le Matin, ein fröhliches Stück, das den erwachenden Tag begrüßt, wurde locker-fluffig vorgetragen.
    Danach Auftritt Maisky. Er erschien in blauem Seidenhemd und mit schwarzer Hose. Die Atmosphäre war ganz verschieden von der vom Donnerstag. Maisky war der Dompteur. Er saß vorn, mit geschlossenen Augen dirigierte er das Orchester hinter ihm, mit Kopf- und Bogengesten.
    Zunächst das D-Dur-Konzert. Maiskys Spiel ist "russisch". Er arbeitet, kämpft sich am Stück ab, schnauft, nickt mit dem Kopf, berührt mit dem Kinn fast die Saiten. Seine Bogenhaltung ist fest, der Bogen ist bei ihm kein Stift, mit dem er Melodien zeichnet, sondern eine Schaufel, mit der er Musik aus dem Cello schippt. Aber seine linke Hand ist bemerkenswert, weil sie unglaublich kraftvoll über das Instrument tanzt. Überhaupt das Instrument: Sein Montagnana-Cello von 1720 singt. Hier knarzt nichts, näselt nichts, hier ist alles rein. Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber - mit Truls Morks Spiel im Hinterkopf - ich wage zu behaupten, dass es klanglich keine besseren Celli als die von Montagnana gibt. Voll und rein und schwerrelos, so klingt dieses Instrument. Maisky müht sich ab und kämpft und arbeitet und das Cello singt, als sei es ganz allein im Saal. Was an Musik aus diesem Wunder der Geigenbaukunst kommt, ist die Musik, die die Engel auf Memlings Bildern spielen. Man ist gefangen und gerührt und fasziniert, wie sehr Maisky in seiner Musik versunken ist. Großer Applaus.
    Nach der Pause dann das C-Dur-Konzert, also der direkte Vergleich mit Queyras. Und auch hier macht das Cello den Unterschied. Maisky arbeitet um sein Leben, was angesichts seiner Biographie gar nicht so abwegig scheint. Er schwitzt und ackert und entlockt dabei seinem Instrument die wunderbarste Musik. Es fällt kaum auf, dass noch ein Kammerorchester vor Ort ist. Da sitzt Maisky, rumpelt scheinbar über sein Cello und trotzdem entstehen die klarsten und reinsten Töne. Es ist ein unvergessliches Erlebnis, Musik, die die Seele berührt, die den Körper und den Geist zum Schwingen bringt. Man wird befüllt von Musik. Jubel, Bravo, Getrampel.
    Dann allerdings der Bruch. Die Zugabe, ein mir nicht näher bekanntes Stück für Cello und Orchester, misslingt komplett. Maisky vergisst seinen Part. Zunächst nur ein kurzer Wackler, als hätte er unsauber gegriffen. Doch wenig später lässt er zwei Takte aus. Man spürt plötzlich, wie die Stimmung sich im Saal verändert, wie die Musiker unruhig werden. Statt eines krönenden Abschlusses ein solches Missgeschick. Man spürt Maiskys Unzufriedenheit. Und - was noch unangenehmer ist - die nun bestehende Unsicherheit der Musiker. Die Symphonie Nr. 8 wird zum Eiertanz. Die vielen kammermusikalisch anmutenden Soloeinlagen geraten zu nervösen Läufen. Die Musiker spielen mit dem Kopf, statt einfach aus sich heraus. Blicke wandern hin und her. Leichte Wackler von zittrigen Fingern.
    Musiker und Publikum sind erleichtert, als der Abend in die Nacht, in dem Fall die Matinée in den Nachmittag über geht. Verdienter Applaus. Die Blumen kamen zu spät, da war das Orchester schon weg. Vielleicht musste der Veranstalter Mischa Maisky trösten. Seine Interpretation der Haydn'schen Cellokonzerte werden mir jedoch sicher in allerbester Erinnerung bleiben.


    Fazit: Wenn man die Wahl hat, immer das Montagnana-Cello kaufen.

  • Ein Höhepunkt der Konzertsaison war für mich das Weihnachtskonzert in der Franziskanerkirche am 2. Jänner um 19:30 Uhr.
    Auf dem Programm standen die 6. Kantate von J. S. Bachs Weihnachtsoratorium und das Dettinger Te Deum von G. F. Händel.


    Es spielte das Barockorchester J. J. Fux, es sang die Cappella Albertina Wien, die bei Händel zur Höchstform auflief. Was für eine überwältigende Musik! Neben Chor und Orchester hat mich besonders der Bariton Josef Wagner mit seiner großen und intonationssicheren Stimme beeindruckt sowie der souveräne Altus Alexander Josef Mayr. Den Namen des kurzfristig eingesprungenen Tenors habe ich mir leider nicht gemerkt. Solch makellosen Tenorgesang mit einem so schönen Timbre hört man bei Bach-Kantaten nicht so oft. Dirigent war Johannes Ebenbauer, dessen Orgelspiel übrigens auf einer fabelhaften und brandneuen CD ("Die Riegerorgel in der Franziskanerkirche") zu hören ist, aus deren Erlös die Restaurierung der ältesten Orgel Wiens - der Wöckherl-Orgel hinter dem Hochaltar in der Franziskanerkirche - mitfinanziert wird:
    http://stephanscom.at/news/1/articles/2009/12/10/a17814/


    Sozusagen als Vorprogramm spielten die Baroque Brass am Franziskanerplatz, und zwar von einem Balkon an der Weihburggasse, ab 18:45 Uhr barocke und klassische Werke.


    P.S.: Orgelmusik im Wohnzimmer ist so eine Sache. Der Tonumfang dieser Riegerorgel-Aufnahme ist dermaßen groß, dass ich den Bassregler meiner bescheidenen Anlage weit zurück drehen muss - und immer noch hören die Nachbarn, die zwei Etagen höher wohnen, die Tiefen mit.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Thielemann und das MPHIL mit grandiosem Jahresausstand


    Das Silvesterkonzert der Münchner Philharmoniker unter Christian Thielemann hatte folgendes Programm:


    Richard Wagner
    Vorspiel zum I. Aufzug von "Lohengrin"
    Richard Wagner
    Vorspiel zum III. Aufzug von "Lohengrin"
    Richard Wagner
    Gralserzählung des Lohengrin (III. Aufzug): "In fernem Land unnahbar euren Schritten"
    Richard Wagner
    Monolog des Siegmund (I. Aufzug): "Winterstürme wichen dem Wonnemond" aus "Die Walküre"
    Richard Wagner
    Vorspiel zum III. Aufzug von "Die Meistersinger von Nürnberg"
    Richard Wagner
    Preislied des Walther von Stolzing (III. Aufzug): "Morgendlich leuchtend im rosigen Schein"
    Richard Wagner
    Vorspiel zum I. Aufzug von "Die Meistersinger von Nürnberg"
    Felix Mendelssohn Bartholdy
    "Die Hebriden", Konzertouvertüre op. 26
    Felix Mendelssohn Bartholdy
    Symphonie Nr. 4 A-Dur op. 90 "Italienische"


    Christian Thielemann, Dirigent
    Robert Dean Smith, Tenor


    Der urspünglich vorgesehene Ben Heppner war verhindert.


    Der 1. Teil des Konzerts mit Wagner-Programm wurde unspektakulär absolviert. Für Thielemann-Verhältnisse. Er ist der derzeit vielleicht beste Wagner-Dirigent. Leichte Wackler im Lohengrin-Vorspiel, die hinteren Pulte der 1. Geigen nicht im Gleichstrich. Ansonsten jedoch eine fabelhafte Darbietung. Danach ein Höhepunkt nach dem anderen. Durch die freie Sicht auf das Orchester wird Wagners Genialität, die Vielschichtigkeit der Stimmen, der kontrapunktische Aufbau, der Einsatz der Instrumentengruppen erst so richtig deutlich. Und Thielemann dirigiert das Orchester nicht nur, er ist wie der Dompteur, der die sich mitreißen lassenden Musiker auch immer wieder bremst, piano, pianissimo fordert. Die Bläser erstklassig.
    Robert Dean Smith, von Thielemann als ein "sehr guter Freund" angekündigt, singt gut verständlich und mit fröhlicher Leidenschaft. Leider wird hier erneut deutlich, dass die Philharmonie im Gasteig eine Akustik wie eine Schulturnhalle hat. Der Gesang entfaltet sich schlichtweg nicht, obwohl Smith sich viel Mühe gibt.
    Den offiziellen Abschluß des 1. Teils bildet das Meistersinger-Vorspiel. Süffig, vielschichtig, fein ziseliert wird sie von den Philharmonikern gespielt, Thielemann leitet prächtig.
    Als umjubelte Zugabe Rienzis Gebet. Herrlich die Celli, romantisch-schwelgend, hoffend der Vortrag. Großer Applaus. Thielemann wird mit viel Bravo-Rufen gefeiert.
    Nach der Pause der spannendere Teil des Abends: Mendelssohn.
    Thielemann gilt zwar als Interpret der deutschen Romantik, von Mendelssohn war bislang jedoch wenig die Rede. Leider.
    Die Hebriden-Ouvertüre stellt ein wunderbares Bindungsglied zwischen dem Wagnerschen Schwermut und der abschließenden Italienischen Sinfonie dar. Man fühlt sich wie nach 3 Single Malts vor dem Kamin, wohlig schwer, das Meer umtost die Inseln und der Jahreswechsel kann kommen.
    Die Italienische ploppt dann im 1. Satz wie eine Batterie Prosecco-Flaschen. Hier wird deutlich, dass Thielemann durchaus auch südeuropäische Lebensart vermitteln kann. Da werden sich die zukünftigen Zuschauer in Elbflorenz sicher freuen. Mendelssohns 4. lebt und atmet. So, wie er Bruckner sämig gestalten kann, flirrt hier die Luft, riecht es nach Zypressen und Rosmarin, ist der Wein dunkel, flattert die Wäsche im Wind in den Gassen Neapels.
    Das Sonderkonzertpublikum, offensichtlich noch im Wagner-Nummernrevue-Rhythmus, beklatscht frenetisch jeden Satz.


    Thielemann live ist ein kaum zu toppendes Erlebnis. Ein wunderbarer Jahresausklang.

  • Herr, lehre doch mich, wie man Brahms dirigiert, wie man Übergänge gestaltet, wie man Spannung aufbaut, wie man leise spielt, wie man das Orchester gegenüber dem Chor balanciert... Die Aufführung des Deutschen Requiems von Brahms in der Kölner Philharmonie war ein Erlebnis von seltsamer und unerwarteter Unberührtheit. „Schade!“ lautet mein Schlagwort des Abends, und es gilt für viele Details und Eindrücke dieses Abends verpasster Chancen.



    Das beste vorweg: die Leistung des Chores, der Chöre genauer gesagt, war sehr zufriedenstellend. Es sangen der NDR Chor und der WDR Rundfunkchor Köln, einstudiert von Philipp Ahmann, mit einer über alle vier Stimmen hinweg sorgfältig vorbereiteten, ausgeglichenen Darstellung von Text und Musik, artikulatorisch und intonatorisch gut und sauber. Kleinere Schwächen sind der Schwierigkeit der Verbindung von textlicher Genauigkeit und musikalischem Fluss geschuldet. Als Beispiel mag man sich vorstellen, dass die Worte „und alles Fleisch, es ist wie Gras“ sehr leicht zu einem „und alles Fleisches ist wie Gras“ verwachsen. Das allerdings ist dann schon Kritik an einer Leistung auf hohem Niveau. Hohes Niveau hatte der Chor auch physisch auf der Empore hinter dem Orchester. Vielleicht hätten ein paar mehr Sänger gut getan, denn trotz der herausragenden Stellung (im doppelten Sinne an diesem Abend, bemerkbar nicht zuletzt am aufbrausenden Applaus für den Chor am Schluss) wurden die Sänger vom Orchester allzuoft übertönt und zum Nachteil des Werkes verdeckt. Der Grund ist eine unzureichend ausdifferenzierte Dynamik, die das größte Manko des Abends war, neben dem immerwährenden Schwanken und Auseinanderdriften der Binnenspannung, des Zusammenspiels und der Einsätze vielerorts. Nicht, dass es richtig „geklappert“ hätte, auch ging niemand in den Noten verloren und es passierte kein größerer rhythmischer Unfall. Doch das Leitmotiv musikalischer Handarbeit war leider die Ungenauigkeit, die dazu führte, dass der Chor mitunter hinterher singen musste, weil Orchesterstellen ohne Chor beschleunigt wurden und der nächste Einsatz des Vokalensembles etwas unruhig geriet, dass einer der solistisch spielenden Instrumentalisten entweder zu früh oder zu spät kam...


    In der Partitur beginnt das Deutsche Requiem piano und pianissimo. Nicht aber bei Bychkov. Ein nahezu unangemessen auftretendes mezzoforte vernehme ich mit den ersten Takten des Stücks und erlebe über die folgenden ca. 75 Minuten, dass von der zur Verfügung stehenden dynamischen Bandbreite nur ca. 60% genutzt werden. Es fehlt sowohl etwas Raum nach oben, für die ff-Stellen, es fehlt aber insbesondere und zum großen Nachteil des Werks und seiner Wirkung vor allem an einer ausgeprägten Spielkultur im gesamten unteren Drittel der Lautstärkeskala. Ist das, was Bychkov zu einer fulminanten Fünften Schostakowitschs gereicht hatte, der große, extrovertierte Pinselstrich, vielleicht nicht genug, um bei Brahms auch im vermeintlich Kleinen zu reüssieren? Hölle und Tod, Ehre und Kraft: der musikalisch-textliche Dualismus in Brahms Troststück hat etwas, das mit reiner Kraftmeierei nicht zu beschreiben ist und einen Gestaltungswillen voraussetzt, der viel differenzierter daherkommen muss, als es für spätromantischen Bombast oftmals erforderlich scheint, auch und vor allem auf intellektueller Ebene.


    Es liegt mir persönlich sehr, wenn Dirigenten nicht zu lahm und behäbig mit diesem Werk umgehen, sich nicht von der Sinnenschwere erdrücken lassen und die geistig-religiöse Gravitas nicht zur Fußfessel des Metrums wird. Eine schlüssige Tempodynamik eines John Eliot Gardiner aber ist etwas anderes, als die mitunter gehetzten Stellen dieses Abends. Mit der Feststellung, dass man hie keine bleibende Statt haben wird, kommt die Gewissheit, dass das auch für diese Aufführung gelten wird. Einerseits schade bei diesem Stück, andererseits auch wiederum Trost spendende Aussicht bei einer Wiedergabe, bei der fortschreitende Zeit und steigende Unzufriedenheit einhergehen.
    „Ja, der Geist spricht“, an dieser magischen Stelle wird der Chor (p) von Posaunen (pp) begleitet. Ein Grabgesang unwirklichen Effekts - wenn denn das Blech den Chor nicht übertönt, wie es leider in der Philharmonie der Fall war. Auch dies sicherlich nicht etwas einer Ignoranz der Bläser anzulasten, sondern in der fehlenden Akribie des Dirigenten zu suchen. Ob er seines Schaffens müde ist? Ob er eine Weile ruhen mag von seiner Arbeit, wenn seine Zeit als Chefdirigent Ende dieser Saison beim WDR SO vorüber ist? Angesichts seiner Werke wie diesem wäre es angebracht; angesichts seines Terminkalenders scheint es undenkbar.


    Dass der Dirigent nicht für alles verantwortlich ist, was an jenem Abend passiert ist, will ich nicht verschweigen. Bleiben wir bei seinem Team, dem Orchester. Einige Leistungen haben mich begeistert, so zum Beispiel die Bässe und Celli und die oftmals wunderschöne Tongebung der Streicher. Klarinette, Oboe und Fagott sind fulminant besetzt, die Hörner sollten selbstsicherer sein - ein Beispiel ist eine meiner Lieblingsstellen, in Nr. 4, Takt 89, eine punktierte, mit crescendo zu spielende, absteigende Triole auf den Chorauftakt mit dem Wort „Wie“. Herrlich. Spielt es auch so!
    Solide der Pauker, allerdings etwas lieblos und in Nr. 6 mit merkwürdig dumpf klingenden Instrumenten. Darüber fiel mir die Soloflöte immer wieder auf, zu laut und oft nicht sauber intoniert, was insbesondere der Gruppe der Holzbläser insgesamt zum Nachteil gereicht und ich frage mich als Hörer, wie man es denn in dieser Situation schafft, die Intonation selber einigermaßen zu halten. Als Chorsänger kenne ich diese Herausforderung auf stimmlicher Ebene. Ein sauberer, ausgeglichener und sehr, sehr lange ausgehaltener Schlussakkord brachte das Stück zu einem ordentlichen Ende.


    Die erwähnten Kräfte musikalischen Wirkens und Unwesens hatten noch zwei Gesangssolisten an ihrer Seite: Camilla Tilling und Markus Butter. Der Bariton hatte sich Mühe gegeben, der textlichen Dramaturgie auch stimmlich eine Entsprechung zu liefern. Das ist teilweise gelungen, allerdings mochte ich die etwas halsig-kehlige Stimme nicht, der an mancher Stelle die Schlagkraft im unteren Register fehlt. Ein Bass-Bariton mit guter Höhe wäre das, was man für Brahms braucht. Butter bei die Fische (die Löwen wären der Strafe zuviel gewesen...): es war auch hier eine solide Leistung, mit einigem Potential für die Auslotung der ganzen Spannweite des Textes, musikalisch wie wörtlich.


    Mit gemischter Vorfreude erwartete ich Camilla Tilling. Von ihr habe ich zuerst auf einer CD gehört, auf der sie mit wunderschön gesungenen Strauss-Liedern glänzt. Ich war begeistert und froh, mal wieder einen solch ungekünstelt „geraden“ Sopran zu hören. Dann kam in der Vorbereitung auf den Abend in Köln eine Radioübertragung gerade recht: das Brahms-Requiem aus der Berliner Philharmonie, mit dem DSO unter Marek Janowski und Camilla Tilling als Solistin. Was soll ich sagen? Das Stück ist schwer, die Erwartung war groß und sie wurde leider teilweise enttäuscht, sowohl im Radio wie auch live im Konzert. Tillings schöne, klare Stimme wäre in meinen Ohren geradezu prädestiniert gewesen, mit etwas Mühe und Arbeit schließlich mühelosen Trost zu spenden. Leider kommt sie nicht ohne ein störend-intensives Vibrato aus; singt zwar sauber, verzichtet aber nicht darauf, bestimmte Töne leicht „von unten anzusingen“, sowohl bei Vokalen wie auch bei Konsonanten; tut sich etwas schwer beim Übergang von „r“ zu „s“ („wieder_sehen“). Nichts schlimmes, nichts wirklich gravierendes, aber es ist zuviel, als dass mich die Musik in ihrer anspruchsvollen Schlichtheit rührt. Es muss nicht nur von Herzen kommen, um wieder zu Herzen zu gehen, es muss auch gut gemacht sein, um die Botschaft zu übermitteln. Tillings Auftritt ist also mehr eine Augen- als eine Ohrenweide. Vielleicht hilft ihr die Erfahrung der kommenden Elternschaft, Brahms retrospektiv komponierte Erfahrung mütterlichen Trosts zu erleben und ihrer Darbietung eine weitere Dimension zu erschließen. Ich wünsche ihr alles gute und freue mich auf ein Wiederhören.


    Nun Herr, wes soll ich mich trösten?
    Jukka-Pekka Saraste wird am 19.03.2010 mit dem „Triumph des Lebens“ die neue Saison einläuten. Des jungen Schumanns Frühlings-Sinfonie und Nielsens „Unauslöschliche“ mögen als Formatierung musikalischen Festplatte des WDR SO dienen.
    Ich hoffe auf Dich!


    accuphan



    PS: ein bisschen spät, diese Kritik, aber sie musste noch reifen...

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Zitat

    Das Silvesterkonzert der Münchner Philharmoniker unter Christian Thielemann hatte folgendes Programm: Richard Wagner Vorspiel zum I. Aufzug von "Lohengrin" Richard Wagner Vorspiel zum III. Aufzug von "Lohengrin" Richard Wagner Gralserzählung des Lohengrin (III. Aufzug): "In fernem Land unnahbar euren Schritten" Richard Wagner Monolog des Siegmund (I. Aufzug): "Winterstürme wichen dem Wonnemond" aus "Die Walküre" Richard Wagner Vorspiel zum III. Aufzug von "Die Meistersinger von Nürnberg" Richard Wagner Preislied des Walther von Stolzing (III. Aufzug): "Morgendlich leuchtend im rosigen Schein" Richard Wagner Vorspiel zum I. Aufzug von "Die Meistersinger von Nürnberg" Felix Mendelssohn Bartholdy "Die Hebriden", Konzertouvertüre op. 26 Felix Mendelssohn Bartholdy Symphonie Nr. 4 A-Dur op. 90 "Italienische"


    Also, für so ein Scheissprogramm hätte ich kein Geld ausgegeben...

  • Zitat

    Also, für so ein Scheissprogramm hätte ich kein Geld ausgegeben...


    Lieber Agon, musst du ja auch nicht mehr. Ist ja schon vorbei. Und wenn du dann wieder bei DSDS oder Phantom der Oper mitfieberst, dann freut es mich, wenn du Spass dabei hast.


    :hello:

  • Philharmonie im Gasteig, 09. Januar 2010:


    Giuseppe Verdi:


    "Messa da Requiem"



    Viktoria Yastrebova, Sopran
    Ekaterina Gubanova, Mezzosopran
    Sergej Semishkur, Tenor
    René Pape, Bass


    Chor des Mariinskij-Theaters
    Einstudierung: Andrei Petrenko


    Münchner Philharmoniker


    Valery Gergiev



    Ein großartiges Konzert eines schillernden,faszinierenden Werkes, dem auf CD sich wahrhaft zu nähern meiner Ansicht nach nur unvollkommen möglich ist.
    Gergiev arbeitete mit den tadellos spielenden Philharmonikern und seinem präzisen, mit herrlicher Klangfülle agierenden Mariinskij-Chor den Kontrast aus inniger Trauer und strahlend-brachialer Monumentalität sehr gut heraus, ohne den inneren Zusammenhang der augenscheinlich so gegensätzlichen Elemente zu schwächen. Beim berühmten Dies Irae ließ er die große Trommel mit fast schmerzhafter Härte spielen, was - so wohl nur live erfahrbar - das Jüngste Gericht nicht nur hörbar, sondern fast fühlbar in den Konzertsaal rückte. Dennoch wirkte nichts daran überzogen - sofern man das nicht schon der Komposition vorwerfen mag - , da Gergiev das Orchester perfekt und mit Bedacht auf Feinheiten führte.
    Beim Tuba mirum gönnte er sich und dem Publikum den Effekt, die Bläsersoli beiderseits des Orchesters spielen zu lassen, was eine überraschende Plastizität in diese Stelle brachte, im Vergleich zu der dies selbst bei guten Aufnahmen eindimensional und althergebracht wird.


    Die Solisten waren durchwegs gut, überragend René Pape, die für die erkrankte Krassimira Stoyanova eingesprungene Sopranistin Viktoria Yastrebova, aus dem Ensemble des Mariinskij-Theathers, tat sich als sehr
    überzeugender Ersatz hervor.


    Lediglich die unsägliche Akustik trübte dieses einmalige Erlebnis, die Solisten waren ab dem ersten Drittel zu leise, die Räumlichkeit teilweise etwas verfälscht. Besonders unangenehm aber war eine dröhnede Unsauberkeit des Klanges bei lauten Stellen, die anscheinend durch die nachträglich über der Bühne intallierten Reflektoren eher verschlimmert wurde.


    Dennoch - das Konzert war zu gut, als dass eine unbefriedigende Akustik einen bitteren Nachgeschmack hätte verursachen können.

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

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  • Jetzt ist mir also einer zuvor gekommen bei meiner Kritik. :angry:


    Kann aber die meisten Aussagen novecentos unterstreichen und bestätigen.
    Ich saß Gott sei Dank weit vorn, sonst hätte ich die Solisten vermutlich kaum gehört.


    Frau Yastrebova musste den schweren Sopran-Teil ja als Ersatz geben. Sie war ziemlich nervös, zumindest am 08.01.. Vor ihrem ersten Einsatz dachte ich, sie würde gleich anfangen zu weinen. Da hatte sie auch ein ziemlich nervöses Vibrato, das mit der Zeit besser wurde. Dann wäre sie vor Peinlichkeit beinahe vom Stuhl gerutscht, weil sie vergessen hatte, ihre Wasserflasche vor dem Konzertbeginn schon zu öffnen und man somit nun das Verschlussknacken hörte. Außerdem sang sie leider ein bisschen zu oft in den Notenständer, statt ins Publikum. Und zum Ende hin hatte sie einen metallisch klingenden Ton in der Stimme.
    Pape und Gubanova gefielen mir sehr gut. Der Tenor war mir von der Stimme her zu weich, zu wenig männlich. Er konnte schön singen und gut artikulieren, aber ich fand ihn nicht packend.


    Der Chor war ein Erlebnis, da wurde mit einer Wucht wie beim Jüngsten Gericht gesungen. Und sie waren so unglaublich flexibel, reagierten auf jedes Augenzucken Gergievs. Ganz toll.
    Die Philharmoniker ließen es richtig krachen und zeigten, dass sie eigentlich ein Weltklasseorchester sind.
    Und Gergiev ist ein Kraftbolzen, einer, der Musik wirklich lebt. Den würde ich in München auch gern öfter sehen.

  • Sich Orgelmusik auf CD zu nähern ist nur mit wirklich hohem technischen und finanziellem Aufwand und dann nur unvollkommen möglich - das verbindet sie mit dem Messa da Requiem von Verdi (siehe novecento).


    Wenn einem so wie gestern die Möglichkeit geboten wird Orgelmusik der Wiener Klassik auf einem authentischen Instrument (ein einmanualiges Hochpositiv) erleben zu können, sind die Voraussetzungen für ein außergewöhnliches Erlebnis schon einmal nicht schlecht. In der gotische St. Salvatorkapelle in der Wiener Innenstadt fanden sich daher für ein Orgelkonzert überraschend viele Zuhörer ein.



    Anton Holzapfel, der Organisten und Cembalisten der Wiener Philharmoniker, und das Ensemble "dolce risonanza", als Wiener Kirchentrio besetzt (2 Violinen und ein Violone), unter der Leitung von Florian Wieninger, spielten Werke von Johann Joseph Fux, Johann Georg Albrechtsberger, Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart. Die beiden Orgelkonzerte F- bzw. C-Dur HobV. XVIII: 7 und 8 habe ich bisher so authentisch noch nie gehört – aber auch Mozarts Kirchensonate C-Dur KV 336 wie auch der Rest des Abends beeindruckten.


    Dass der Eintritt zu den Konzerten im Rahmen „WIENER ORGELKONZERTE“ frei ist führt vielleicht paradoxer Weise dazu, dass diese Konzertserie außerhalb einer kleinen Gemeinde von Orgelfans kaum Beachtung findet – Was soll’s, so ein Abend lässt einem den kalten Kirchenraum einfach vergessen.


    Wer einen, wenn auch nur ungenügenden Eindruck des Abends erleben will: Bei Brilliant ist eine Aufnahme aller Orgelkonzerte Haydens in der Besetzung Holzapfel/dolce risonanza/Wieninger aus 2007 erschienen, die ein bisschen den Konzerteindruck vorweggenommen hat.




    Liebe Grüße aus Wien
    Giovanni Bertati

    Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum. (Friedrich Nietzsche)

  • Gestern war ich in meiner Stadt bei der Erstaufführung einer lustigen „Konzert-Choroper“ anwesend. Die Bezeichnung stammt von dem Komponisten Péter Tóth, „Konzert“ bezieht sich darauf, dass das Werk nicht für die Bühne gedacht ist und „Choroper“ weist darauf hin, dass es im Werk keine Solisten gibt, alle Partien werden vom Chor gesungen.


    Das Stück ist eine „Vertonung“ des komischen Epos von Sandor Petöfi „Der Hammer des Dorfes“. Der Hammer ist der Dorfschmied, der in die 55-jährige Inhaberin der Kneipe verliebt ist – genauso wie auch der weichherzige Kantor, der ihr auf die Knie fallend seine Liebe gesteht. Das Epos ist eine Parodie von jeglichem Pathos und ist voller sprachlicher Streiche. Péter Tóth hat ein Werk komponiert, das den gleichen Humor in der Musik vertritt. Er fügt bekannte Melodiefetzen in das Stück ein, spielt mit verkehrten Tonleitern, mit unerwarteten Effekten, mit einem komischen Ton mitten in einer herzzerreißenden Melodie usw. Man musste beim Hören einfach immer wieder auflachen. Der Komponist saß auch dabei und freute sich offensichtlich darüber, wenn das Publikum einen seiner Scherze „verstand“.


    Ich glaube, das ist eine Seltenheit in der Musikliteratur. Vielleicht kennt Ihr aber auch noch mehr – es wäre gut, darüber auch einmal zu lesen. :yes:


    Allerdings wird Péter Tóth dadurch außerhalb Ungarn wohl kaum berühmt, nicht nur, weil die Vorlage unbekannt ist, sondern vor allem weil die musikalischen Zitate, das, was er verpönt und parodisiert, nicht selten nur einheimisch bekannte Stücke sind. Für die Fremden bleiben sie wirkungslos. Liszts’ Les Preludes wird er noch erkennen – das heldenhafte ungarische Lied „Hoch ihr Helden, auf zum Kampf“ aber bestimmt nicht mehr usw.


    Dabei fiel mir wieder ein, woran ich bei den sonst wertvollen und wichtigen HIP-Aufnahmen auch immer wieder denken muss: Es ist gut und schön – aber wie wir die historisch „treuen“ Aufnahmen empfangen, das wird nie dasselbe sein, wie sie die Zeitgenossen gehört, empfangen und interpretiert haben. Die Vergangenheit bleibt uns verschlossen – genauso wie die Zukunft. Na gut, nicht genau so, sondern ganz anders. Gerade deshalb ist es wohl so reizend, immer mehr davon zu begreifen und vorstellen zu können.


    :hello: KP

  • Hallo,


    ich traue mich mal, meine Eindrücke von meinem gestrigen Konzertbesuch im Kleinen Saal der Berliner Philharmonie zu beschreiben. Die Rede ist nämlich keineswegs von einem der namhaften Berliner Profiorchester, sondern von einem Ensemble mit dem Namen "das sinfonie orchester berlin". Unter dieser Bezeichnung veranstaltet die Konzertdirektion Hohenfels seit vielen Jahren Konzerte mit ausnahmslos bekannten sinfonischen Werken und schreibt selbst in ihrem Programmheft von den POPULÄREN KONZERTEN. Was diese Konzerte unter Kennern verrufen macht, ist die Tatsache, dass es sich bei diesem "Orchester" um ein Muggenensemble handelt, das sowohl eine kleine Stammbesetzung hat, die man immer wieder sieht, als sonst eben zusammengesuchte Ruheständler, Studenten oder freischaffende Leute. Es gibt eine einzige Probe am Vormittag und dann geht es ins Konzert. So kann man natürlich Kosten sparen und die teuerste Karte liegt gerademal bei 30 EUR. (Andererseits, selbst beim Orchester der Komischen Oper mit einem zugegebenermaßen anderen Anspruch kostet der beste Platz bei Konzerten auch "nur" 32 EUR, man spielt aber im eigenen Haus und spart somit eine Saalmiete.).


    Entscheidend ist natürlich immer, was "hinten herauskommt" und so wollte ich mir mal einen eigenen Eindruck verschaffen. Ausschlaggebend war auch das Programm:


    Smetana: Die Moldau
    Brahms: Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur
    Mendelssohn: Sinfonie Nr. 3 "Schottische".


    Solist: Apostolos Palios
    Dirigent: GMD Rainer Koch, Bielefeld


    Das Orchester in einer Streicherbesetzung 11,8,6,6,4 - viel mehr lässt sich im Kleinen Saal nicht machen, viel mehr sind es aber auch bei Konzerten im Großen Saal nicht.


    Die Moldau: Anfangs unsaubere pizzicato-Begleitung in den Streichern und Intonationsprobleme in den Flöten, tonlich schön die partiturgerecht glockenartige Triangel und später auch die Harfe, das Thema sauber vorgetragen und das Ganze relativ ordentlich zum Abschluss gebracht. Mit nur zwei Flöten und einem Schlagzeuger aber keine optimale Interpretation möglich.


    Klavierkonzert:
    Hier war ich auf den mir unbekannten Pianisten gespannt, der erst 30 Jahre zählt und vielleicht noch eine Karriere vor sich hat. Die Wiedergabe geriet insgesamt unspektakulär, in der Dynamik hätte ich mir etwas mehr Gestaltungsspielraum gewünscht, es war mir alles zu wenig packend, als nur brav parliert.
    Immerhin ein nicht einfaches Werk weitestgehend fehlerfrei vorgetragen. Das Orchester begleitete ordentlich, mit sauberem Hornsolo zu Beginn und im dritten Satz einfühlsamen Cello-Solo.


    "Schottische": Das ist eines meiner Lieblingswerke und so hing die Messlatte ziemlich hoch. Ich kann sagen, dass ich eigentlich sehr zufrieden damit war. Stimmung und sogar Spannung bis zum Schluss. Zügige Tempi, sehr gut herausgearbeitet der Hornchoral im vierten Satz, erst die Vorbereitung im pianissimo der Streicher und dann das markante Hornthema.


    Der Dirigent dirigierte bis auf das Solokonzert auswendig und war die Garantie dafür, dass das Zusammenspiel niemals in Gefahr geriet.


    Alles in allem, besser als erwartet, aber sicher keine "Sternstunde".


    In zwei Wochen besuche ich die Berliner Philharmoniker, das ist natürlich eine andere Liga!


    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Sagitt meint:


    Holliger dirigierte heute die Kammerphilharmonie,u.a. mit einem eigenen Werk.
    Er paraphrasierte die maurische Trauermusik von Mozart. Es wurde freundlich aufgenomen, das Bremer Publikum ist höflich.


    Daneben Tetzlaff mit dem Dvorak Violinkonzert und die grosse C.Dur Sinfonie von Schubert.


    Beides auf höchsten Niveau. Sehr wienerisch der Schubert angelegt, herrliche Bläser in allen Stimmen, alles federnd,erstaunlich für einen über 70jährigen.


    Wie meist ,Begeisterung nach dem Konzert. Gottseidank keine Zugabe. Nach der grossen C-Dur kann man keine Zugabe geben.

  • Eine Freundin hat mich neulich zu einer Veranstaltung mitgenommen, die als "Gedankenexperiment" deklariert wurde. Das Amar-Quartett hat gemeinsam mit Pascal Mercier (Pseudonym von Peter Bieri, Philosophiedozent) einen Abend bestritten. Mercier/Bieri hat Beckett gelesen. Dazwischen gabs Musik, und zwar solche, die "uns" (wem immer das ist) zu Beckett zu passen schien, bzw. einen Bezug zu seinen Texten zu haben schien. Aus Schuberts Tod und das Mädchen, der Beethoven-Satz "Muss es sein?" und Webern. Auf der Website des Amar-Quartetts gibts einen Link mit vielen Hintergrundinfos. Die meisten davon hat Mercier/Bieri an jenem Abend wiederholt. Ich wiederhol sie hier nicht nochmals; googeln könnt ihr alle.


    Und schon wegen dieser Wiederholungen muss ich gestehen: ich hatte meine liebe Mühe. Weil ich das Ganze nämlich schon gelesen hatte. Beim erstenmal durchaus mit Interesse.


    Trotz meiner Signatur diskutiere ich ja gerne über Musik. Sonst wär ich nicht hier. Aber man kanns auch... ach herrje, am harten Wort führt kein Weg vorbei: prätentiös machen. Da war das so. Ein bieri-, pardon: bierernster Abend. Abgesehen davon kam die Musik auf Kosten der Worte zu kurz.


    Etwas in dieser Art ist mir noch nie begegnet. (Oder ich hätte es vergessen; das kann sein.) Erstaunlich eigentlich. Kann sonst jemand von einer gelungenen Synthese zwischen Ton und Wort berichten? Das muss es doch geben?

    writing about music is like dancing about architecture

    Einmal editiert, zuletzt von Anna ()

  • Heute Spät-Nachmittag im Stadtkasino Basel:


    Mariinsky-Orchester St.Petersburg
    Valery Gergiev: Leitung


    Dmitri Schostakowitsch
    Sinfonie Nr. 7 C-Dur, op. 60 "Leningrader"


    Eine tolle Sinfonie mit einem tollen Orchester und einem inspirierten tollen Dirigent.


    Das war für mich aber keine Überraschung. Ich habe schon seinen ganzen Prokofiev-Sinfonien plus Kantaten-Zyklus und seinen Shostakovich Sinfonien-Zyklus live erlebt.

  • Gestern habe ich mein ALLERERSTES!!! Klassikkonzert besucht! Gespielt wurde Beethovens 9. Sinfonie, von den Freiburger ORSO-Philharmonikern.
    Es hat mir wirklich sehr gut gefallen.


    Da ich jetzt Blut geleckt habe, steht schon am kommenden Donnerstag der nächste Konzertbesuch an:


    Bruckners 8. Sinfonie


    Mit freundlichen Grüßen


    Sven

  • Soeben haben meine Frau und ich das heutige Konzert bei einem Glas Rotwein ausklingen lassen, nun möchte ich Euch noch kurz meine Eindrücke schildern.


    Es war ein beeindruckendes Konzert im total ausverkauften Leipziger Gewandhaus. Bei dem eher konservativen Gewandhauspublikum und dem heutigen Programm kein Wunder...
    Auf dem Programm stand ausschließlich Beethoven und dann auch noch zwei gern genommene "Schlachtrösser": Das 5. Klavierkonzert und die 7.Sinfonie.


    Der Chef dirigierte sein Gewandhausorchester, als Solist war ursprünglich Nelson Freire vorgesehen, für ihn reiste aber Louis Lortie an. Ein Name, den ich vorher noch nie gehört hatte, umso erstaunter las ich im Programmheft, daß der Franko-Kanadier für Chandos über 30 Aufnahmen eingespielt hat...


    Erwartet bitte keine professionelle Konzertkritik von mir, aber laßt Euch sagen, daß es umwerfend war. Schon beim Klavierkonzert spürte man deutlich, mit welcher Freude und welchem Enthusiasmus alle Beteiligten dabei waren. Es passiert mir selten, aber das war heute wirklich "Gänsehautmusik" im Wortsinne...


    Eigentlich war die "Siebente" für uns im Programm eher "Beiwerk", aber weit gefehlt, es wurde zum Höhepunkt. Mit welcher Spielfreude und mit welchem Temperament Chailly zur Sache ging, das fand ich grandios. Heute habe ich - glaube ich - richtig verstanden, was Ihr immer mit "Spannungsbögen" meint, es war atemberaubend...


    Standing ovations waren der Lohn für das Gewandhausorchester und seinen Chef, die sich auch mit einer Zugabe bedankten.


    Ich hoffe, daß es keine Show ist, aber ich glaube, Gewandhausorchester und Chailly fühlen sich miteinander wohl, zumindest kam dieser Eindruck während des gesamten Konzertes - für mich abzulesen am Minenspiel, an Gesten,... - sehr deutlich rüber.


    :hello:
    Reinhard


    PS: Keine Freude ohne Eintrübung, aber eigentlich ist es ja fast (zumindest für Euch) zum lachen:


    Meine Frau hatte eine nette Nachbarin:
    Sie kam von links durch die Reihe, obwohl sie einen rechten Randplatz hatte. (ok, sie hat sich entschuldigt). Zum Outfit allein könnte man eine Abhandlung schreiben, eine Orgie in rot und rosa, gekrönt mit einer großen roten Schleife in der Hochsteckfrisur, ausgerüstet mit "Pelz"stola, aus der sich Pfadfinder ein Gemeinschaftszelt hätten bauen können. Dann erst mal setzen, ins Programm schauen: "Was wird denn eigentlich gespielt" :wacky: "Ah, Beethoven, das ist gut".
    Blick in die Runde, den Gewandhaussaal inspizierend: "Wie sieht das denn hier aus... Wie im Beerdigunsinstitut.., alles schwarz..." Blick auf die Bühne: "Ah, ein Stennweeh, das is gut".
    Erwähnte ich schon, daß die Dame sehr unangenehm roch? Was sich im Verlaufe des Konzertes periodisch kurzzeitig verstärkte, wenn Ihr wisst, was ich meine...
    Dann Beethoven KK5. Dame nickt recht schnell ein. Kräftige Akkorde rütteln sie ab und zu wach und bringen sie zu Aussagen wie: "furchtbar", "Stümper", "Der kann doch nicht Klavierspielen"
    Konsequenterweise verweigert sie jeglichen Applaus.
    Nach der Pause dasselbe Spiel. In die verklingenden Schlussakkorde der Siebenten hinein: „Das war doch kein Beethoven! Was ist denn das für eine Firma hier!!!“ Und schnurstracks rafft Madam die Pelzstola und die damenhaft zwischen den Füßen abgestellte Handtasche und verlässt, am Podium vorbei“schreitend“ (wir saßen Parkett Reihe 3) den Konzertsaal…


    Meine Frau – die Arme – hätte Euch das sicher noch besser erzählen können…

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Bruckner war ein Spätberufener. Erst spät begann er, Sinfonien zu schreiben und noch später hatte er Erfolg damit. Vielleicht liegt es daran, dass viele der Gesamtaufnahmen seines Werkes von Dirigenten eingespielt werden, die eher im Herbst ihres Lebens stehen. Vielleicht haben sie ein besseres Gefühl für die langen Bögen, mehr Ruhe, um die Pausen wirken zu lassen.
    Bernard Haitink ist 80, also im besten Bruckner-Alter. Und das bewies er gestern in der Münchner Philharmonie im Gasteig, wo er mit dem BRSO Bruckners 5. aufführte.
    Vorweg: Ein großer Abend.
    Haitink ist einer der größten Dirigenten der Gegenwart, einer der letzten des "goldenen Zeitalters". Er hat alle großen Orchester dirigiert und eine Reihe Referenzeinspielungen vorgelegt. Er ist höchst erfolgreicher Chef des CSO und unter seiner Leitung hat das Orchester ein eigens Label eingerichtet, dessen Veröffentlichungen von der Fachwelt regelmäßig gefeiert werden.
    Die Musik des späten 19. und frühen 20. Jhts. ist ein Schwerpunkt seines Schaffens. Sein Brucknerzyklus mit dem RCO gehört zu den besten.
    Er traf auf ein Orchester, das ebenso einen Schwerpunkt in der Spätromatik hat und dessen Chefdirigent, Mariss Jansons, ebenfalls zu den besten Bruckner-Interpreten zählt und der Nach-Nachfolger Haitinks beim RCO ist.
    Was sollte also schief gehen? Nichts.
    Es war - mit Ausnahme der erneut enttäuschenden Akustik - eine beeindruckende Leistung aller Beteiligten. Es war auch deshalb interessant, weil München auch einen weiteren Bruckner-Protagonisten vorhält, Christian Thielemann. Der pflegt einen Rampensau-Stil bei Bruckner. Thielemann lässt Bruckner krachen wie das jüngste Gericht. Da sind die Bläser im Forte unterwegs, wird aus laut und leise eine Achterbahnfahrt. Die Einspielung seiner 5., damals sein Antrittskonzert bei den MPHIL, ist eine Fahrt mit dem Floß in Stromschnellen eines reissenden Flusses. Es ist gleichzeitig eine Reminiszenz an Celibidaches (ein weiterer Bruckner-Verehrer in München) Bruckner-Liebe wie ein Leuchtsignal, das Bruckner nicht nur breit, sondern auch opernhaft sein kann, dass Bruckner nicht nur aus Liebe zu Gott, sondern auch aus Verehrung für Wagner komponierte.
    Diese Vorrede ist wichtig, um nun Haitinks komplett anderen Ansatz zu verstehen. Bei ihm ist Bruckners Musik kein dem Himmel zustrebender Strom, sondern ein zerklüftetes Gebirge, über das sich im Finale der strahlende Sonnenschein ergießt. Haitink zelebriert Bruckner nicht als Wagner-Gesinnten, sondern als vorweg genommenen Richard Strauss. Bei ihm wird die physische Anstrengung, die das Werk für die Musik bereithält, deutlich. Der Bruch durch das einstimmende Horn, das Zerreissen der Streicher durch die Fanfaren von Posaunen und Trompeten wird bei ihm aus dem Monolith der großen Symphonik herausgemeißelt, er ziseliert mit feinem Taktschwung einen neutönerischen Bruckner aus der Partitur. Der Aufstieg auf den Gipfel im himmlischen Finale des 4. Satzes ist beschwerlich, droht im Adagio des 2. Satzes zu scheitern, so schwermütig, traurig, sorgenvoll erklingt die Musik. Dann jedoch die Hoffnung des Gelingens im Scherzo. Die Stimmung ist tänzerisch, frohgemut. Im 4. Satz die wunderbare Auftürmung der Themen, anekdotenhaft wird nochmals über das vergangene Mühsal, aber auch die positiven Seiten des Gipfelsturms reflechiert, bevor dann der majestätische Gipfel erklommen wird. Zum Schluss der Dank am Gipfelkreuz für Gottes Beistand.
    Haitinks Gelassenheit, gepaart mit einem untrüglichen Gespür für die Gegensätze in der Musik, bringen das Orchester ans Ziel.
    Viel Jubel, Bravo-Rufe, langer Beifall des Orchesters für seinen Dirigenten. Nur hier versagt es ihm die Gefolgschaft, bleibt klatschend und bogenschwingend sitzen, um dem Maestro die Bewunderung und den Applaus zukommen zu lassen, den er verdient.


    Wer sich selbst ein Bild machen möchte: BR Klassik übeträgt das heutige Konzert live ab 20 Uhr.

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