Hallo Alviano,
ZitatEs tut mir ja schon ein wenig weh, deshalb will ich hier doch nochmal ein paar Sätze zu Jess Thomas sagen: ich stehe ja total auf diese Stimme. Dieses dunkle Timbre, der metallische Klang, die Kraft, das finde ich schon beeindruckend.
Kein Grund sich zu grämen. Die Stimme hat sicher Ihre Qualitäten, mir teilt sie leider emotional wenig mit, weshalb sängerische Defizite schwerer ins Gewicht fallen. Aber ich habe ja oben schon Eingeschränkt: Ein guter Lohengrin ist Thomas aus meiner Sicht allemal, die Defizite treten vor allem angesichts des von Dir beschriebenen, herausragenden Ensembles zu tage. Problematischer ist da der Siegfried von Jess Thomas unter Karajan. Und auch da sind es seine fantastischen Kollegen Thomas Steward und Gehard Stoltze, die Ihn als Wotan und Mime an die Wand singen und spielen- wobei es eigentlich umgekehrt sein sollte laut Wagner, womit das Hauptproblem benannt ist.
Ansonsten ist aber die Geschichte ja leider rar an idealen Lohengrinen. Auf Konya fahre ich auch ab, mit den von Dir genannten Einschränkungen, die mir - als Schluchzer-Allergiker auch aufstoßen. Selbst bei Franz Völker lässt sich die klitzekleine Einschränkung Kestings vertreten, es läge etwas tümeliges in diesem perfekten Singen, mehr Bilanzbuchhalter im Pullunder als Ritter in glänzender Rüstung. Domingos Lohengrin hingegen finde ich - ob der sängerischen Leistung - weniger grauselig, als die meisten hier. Das idiomatische Problem lässt allerdings eine Empfehlung nicht zu.
Insofern stimmen wir überein: Kempe ist aus meiner Sicht die Idealaufnahme für den Einsteiger. Ideal nicht, weil perfekt - aber weil alles passt und kein Kriterium, auch nicht die Aufnahmetechnik, die Note Gut unterschreitet.
Am Rande bemerkt: Jens Malte Fischer schwärmt ja von Jussi Björlings Potential als Lohengrin. Ich kann jedem nur Empfehlen, diesem Phänomen nachzuspüren. Aktuell findet sich der berühmte Konzertmitschnitt, in dem Björling die Gralserzählung singt, bei youtube. Ich verzichte, auf Alfreds Wunsch hin, auf eine Verlinkung, ist aber über die dortige Suchfunktion leicht zu finden. Und ich muß Fischer vollkommen zustimmen. Die ideale Lohengrinstimme, interpretatorisch noch am Anfang, auch auf schwedisch gesungen - aber was hätte das für ein Rollenportrait werden können. Stellen wir uns doch nur ganz kurz im Gedankenexperiment einen ewig jungen Björling in der Kempe-Aufnahme vor, und die Grümmer etwas jünger. Und dann weinen wir ein bisschen über eine verpasste Gelegenheit.
Und ein Letztes noch:
Sicher nicht der ideale Stimmtypus für die Rolle, aber wie immer von überragender Subtilität und stimmlicher Souveränität: Lauritz Melchior als Lohengrin, in der Brautgemachszene mit Flagstad: